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Archiv "Recht auf freie Arztwahl: Mutterschaftsvorsorge nach Lieschen Müller" (18.02.2000)

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as in § 76 Abs. 3 Sozialgesetz- buch V verankerte Recht auf freie Arztwahl ist für die mei- sten Erwachsenen ein unver- zichtbar hohes Gut. Ärzteschaft und Politiker streiten um die Gesundheits- reform. Es soll und muss gespart wer- den. Das dürfte mithilfe der

Medien auch bis zu Lies- chen Müller vorgedrun- gen sein.

Lieschen Müller ist 22 Jahre alt. Die do- kumentierte Anamnese ist etwas undurchsichtig.

Am 8. Februar 1999 sucht sie Gynäkologin A ihrer Wahl auf, die eine Gravi- dität in der 5. Schwangerschaftswoche (SSW) feststellt. Sie leidet an Asthma (Punkt 2, Katalog A Mutterpass) und gibt das unter Punkt 4 ebenfalls an. Im September 1995 sei eine Interruptio aus medizinischer Indikation erfolgt sowie im Januar und Juni 1998 je ein Abort Mens II – im Katalog A Mutterpass kreuzt die Gynäko- login Punkt 19 an. Nach eige- nen Angaben ist Lieschen Müller also eine 22-jährige Primipara mit Viert-Gra- vida, so es zur Geburt kommt. Der Nothilfe- pass gibt Auskunft über die Blutgruppe, und am 9. Februar wird Blut für Anti- körper-Suchtest, Rö- teln-HAH-Test und LSR abgenommen.

Am 17. Februar ist Lieschen Mül- ler mit Gynäkologin A nicht mehr zu- frieden und sucht deshalb Kollegen B im selben Ort auf. Dieser ist sehr freundlich und dokumentiert nach An- gaben der Patientin ebenfalls Asthma unter Punkt 2. Unter Punkt 4 vermerkt er eine Hundehaar-Allergie, und Punkt 19 kreuzt er an, weil nun 1996 und im Juni oder Juli 1998 ein Abort gewesen sein soll – keine Interruptio aus medizi- nischer Indikation.

Am gleichen Tag wird fleißig Blut abgenommen: Blutgruppenbe- stimmung, Antikörper-Suchtest, Rö- teln-HAH-Titer und LSR. Die Unter- suchungen laufen im gleichen Labor wie bei Gynäkologin A, doch das fällt niemandem auf. A weiß nichts von B, und B weiß nichts von A, obwohl bei-

de in den nächsten Monaten zum Teil an zwei aufeinander folgenden Tagen konsultiert werden – insgesamt noch 16-mal. Lieschen Müller ist stark be- schäftigt, was Gynäkologin A dazu bewegt, sie krank zu schreiben. B führt noch einen Triple-Test durch.

Das Gynäkologen-Spektrum am Wohnort reicht Lieschen Müller am 5. August nicht mehr aus. Sie konsul- tiert Gynäkologin C, die 25 km ent- fernt wohnt. Auch hier leidet sie an Asthma, hat aber keine Allergien mehr. Es hätten zwei Aborte statt- gefunden: einer 1995 in der 12. SSW und einer im Juli 1998, keiner mit me- dizinischer Indikation. Auch hier wird wieder die komplette Serologie abge- nommen; zusätzlich ein Chlamydien- Nachweis aus der Zervix nebst HbS- Antigen. Letzteres bestimmt Gynäko- login A vorsichtshalber nochmal am 2. September. Wieder bestimmt das- selbe Labor alle Werte.

Der Entbindungstermin 10. Okto- ber rückt näher, und Lieschen Müller stellt sich fünf Tage vorher wegen be-

ginnender Wehentätigkeit in der Klinik vor. Diese lässt sich tokometrisch nicht verifizieren: Pelvic-Score 5 Punkte, CTG 8 Punkte im Fischer-Score – sie wird entlassen, was lediglich im vorge- legten Mutterpass, ausgestellt von Kollege B, dokumentiert wird. Am 14. Oktober weist Gynäkolo- gin C Lieschen wegen Ter- minüberschreitung zur Entbindung ein. Dort fal- len erstmals zwei kom- plett ausgefüllte Mutter- pässe der Kollegen B undC auf. Alle zum Auf- nahmezeitpunkt erhobe- nen Befunde liegen im phy- siologischen Bereich, sodass kein Grund für eine sofortige Geburtseinleitung besteht.

22 Stunden nach Aufnahme möchte Lieschen Müller wieder entlassen werden, obwohl das Wo- chenende vor der Tür steht. Sie wünscht sich von Gynäkologin C, weiter betreut zu werden, die also vom Krankenhausarzt kontaktiert wird. Man einigt sich darauf, die über das Wochenende erforderli- chen CTG-Kontrollen im Kreiß- saal durchzuführen. Am Mon- tag solle die Patientin sich wieder bei C vorstellen. Dar- aufhin gibt Lieschen an, lie- ber von Gynäkologe B be- treut werden zu wollen, undgeht. Das Krankenhaus schreibt am 15. Oktober ei- nen Entlassungsbrief an Kol- lege B. Doch Lieschen kontak- tiert nun doch lieber Kollegin A.

Am 18. kommt Lieschen Müller mit vorzeitigem Blasensprung zur stationären Aufnahme. Dabei fördert sie den dritten Mutterpass zutage, ausgestellt von A, die nach der Entlas- sung am 15. die nächste CTG-Kon- trolle durchführte. Am 19. Oktober um 7.46 Uhr wird Lieschen Müller schließlich von einem Knaben ent- bunden.

Wir sind gespannt, wie die zustän- dige Krankenkasse reagiert, wenn sie dreimal für die Betreuung einer Schwangerschaft zahlen soll. Auch die drei Kollegen sehen ihrer Abrechnung mit Spannung entgegen. Ist dies nun ei- ne zufällig entdeckte Ausnahme oder die Spitze des Eisberges zur freien Arztwahl? Dr. med. Martin Hesse A-355

P O L I T I K GLOSSE

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 7, 18. Februar 2000

D

Zeichnung: Ralf Brunner

Recht auf freie Arztwahl

Mutterschaftsvorsorge

nach Lieschen Müller

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