Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 13⏐⏐27. März 2009 A579
S E I T E E I N S
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egen eine Vielfalt der Farben und Formen ist zunächst einmal nichts einzuwenden – schon gar nicht am Frühlingsanfang. Passenderweise erneuerte die AOK Baden-Württemberg in der vergangenen Wo- che wieder einmal ihren Anspruch, zumindest in puncto Formenvielfalt eine Vorreiterrolle einzunehmen. Die Krankenkasse erklärte, dass sie mit dem Ärzteverband Medi und dem Berufsverband Niedergelassener Kar- diologen über den bundesweit ersten Vertrag zur beson- deren ambulanten Versorgung verhandelt. Zwar dürfen sich an diesen sogenannten §-73-c-Verträgen auch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) beteiligen. Die AOK hat sich aber – wie bereits bei ihrem Hausarztver- trag – gegen die KV und für andere Vertragpartner ent- schieden. Der Weg führt also wieder ein Stück weiter weg vom Prinzip der flächendeckenden, einheitlichen Versorgung. Starten soll der Vertrag, der mit einer Be- reinigung der Gesamtvergütung einhergehen wird, am 1. Juli. Zur Begründung sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, bei den Herz-Kreislauf- Erkrankungen bestehe ein enormer Versorgungsbedarf für die AOK-Versicherten, der eine besondere Fachlich- keit erfordere. Teilnahmeberechtigt sind folglich alle Kardiologen, „die spezielle Qualitätsvoraussetzungen erfüllen“. Damit gibt es neben den Hausarztverträgen in Baden-Württemberg und Bayern nun den dritten Selek- tivvertrag, mit dem sich die Beteiligten aus dem Kol- lektivvertragssystem verabschieden.Doch nicht jeder ist glücklich über diese Entwick- lung. Manchem Arzt und mancher Krankenkasse wird es allmählich zu bunt. Viele Ersatz- und Betriebskran- kenkassen zweifeln am Sinn und Nutzen von Hausarzt- verträgen. Folglich hat – mit Ausnahme der AOKen in Baden-Württemberg und Bayern – auch noch keine Krankenkasse Verträge zur hausarztzentrierten Versor- gung nach § 73 b SGB V abgeschlossen. Dabei sind die Kassen gesetzlich verpflichtet, bis spätestens 30. Juni dieses Jahres eigene Hausarztverträge zu vereinbaren – noch. Denn zahlreiche Bundesländer wollen diese von Anfang an umstrittene Verpflichtung wieder aufheben.
Ebenfalls gekippt werden soll die im vergangenen Herbst geschaffene Neuregelung, wonach Hausarzt-
verträge nur noch mit Gemeinschaften abgeschlossen werden dürfen, die mindestens die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte eines KV-Bezirks vertreten. Der Passus hatte faktisch zu ei- nem Verhandlungsmonopol des Deutschen Hausärz- teverbandes geführt. Im Gesundheitsausschuss des Bundesrats haben sich jetzt acht Bundesländer für ei- nen entsprechenden Änderungsantrag von Hessen und Baden-Württemberg im Rahmen der Novelle des Arzneimittelgesetzes ausgesprochen. Bayern und Brandenburg haben den Antrag abgelehnt, sechs Län- der enthielten sich. Damit die hausarztfreundliche Re- gelung wieder abgeschafft werden kann, muss sich im Plenum des Bundesrats am 3. April noch mindestens ein Land auf die Seite der Kritiker schlagen. Ausgang ungewiss.
Sicher ist hingegen, dass die Wettbewerbsregeln für die ambulante Versorgung eine enorm kurze Halbwerts- zeit haben und wichtige Verfahren, wie beispielsweise die zur Bereinigung der Gesamtvergütung, nach wie vor umstritten sind. Welchen Nutzen darüber hinaus die Pa- tienten davon haben, dass sie künftig nicht mehr jeden Arzt aufsuchen können und nach unterschiedlichen Standards behandelt werden, ist ebenfalls unklar. Die Beteiligten – allen voran die Politik – sollten zumindest in deren Interesse dafür sorgen, dass aus der Vielfalt kein allzu bunter Flickenteppich wird.
Heike Korzilius Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik
AMBULANTE VERSORGUNG
Es wird bunter
Heike Korzilius