• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ambulante Versorgung: Fachärzte schlagen Alarm" (22.09.2000)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ambulante Versorgung: Fachärzte schlagen Alarm" (22.09.2000)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Telefone laufen derzeit in eini- gen Kassenärztlichen Vereinigun- gen (KVen) heiß. Der Grund dafür sind die Honorarabrechnungen für das erste Quartal 2000. Fachärzte stellen für diesen Vergütungszeitraum teilweise erhebliche Honorareinbußen fest. Die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) schlägt Alarm:

„Die Politik der Bundesregierung hat zu einem dramatischen Einbruch in der Vergütung fachärztlicher Leistungen geführt. Speziell in den neuen Bundes- ländern steht der Zusammenbruch der ambulanten Facharztversorgung un- mittelbar bevor.“

Tatsächlich sind die ostdeutschen Fachärzte besonders betroffen. Bereits vor einigen Wochen hatte die KV Sach- sen einen Punktwertverfall der nieder- gelassenen Fachärzte um bis zu 30 Pro- zent gemeldet (Deutsches Ärzteblatt, Heft 30/2000). Doch inzwischen stellen neben den Fachärzten in Sachsen-An- halt, Thüringen und Berlin auch nieder- gelassene Ärzte in westdeutschen KVen, wie Niedersachsen, Koblenz, Hessen, deutliche Verluste fest.

Der Berufsverband der Allge- meinärzte Deutschlands (BDA) schätzt die Situation weniger kritisch ein. Ihn überrascht der Punktwertverfall in Sachsen nicht. Dieser sei die „zwingen- de Konsequenz einer speziell ostdeut- schen Problemlage verschärft durch de- fizitäre Rahmenbedingungen“. Die Hausärzte in den neuen Bundesländern hätten den Aufbau der ambulanten fachärztlichen Versorgung durch exi- stenzbedrohende Honorarabschlüsse in den letzten Jahren alimentiert.

Für den Präsidenten der GFB, Dr.

med. Jörg-A. Rüggeberg, sind solche Äußerungen nur Schönmalerei: „Durch

die neu verfügte Trennung des ver- tragsärztlichen Gesamthonorars in einen hausärztlichen und einen fachärztlichen Sektor droht die finanzielle Auszehrung der Fachärzte.“

Zur Ruhe mahnt vorerst die Kas- senärztliche Bundesvereinigung (KBV).

„Wir müssen die realen Zahlen abwar- ten“, erklärt Dr. med. Andreas Köhler, Honorardezernent der KBV, „die Mel- dungen der KVen zu den Honorarver- schiebungen sind derzeit noch nicht vergleichbar.“ Die Daten müssten zunächst einheitlich berechnet werden.

„Dann erst können wir Genaueres zu Ursachen und Lösungsmöglichkeiten sagen.“

Bisher seien die tatsächlichen Aus- wirkungen der Trennung der haus- und fachärztlichen Vergütung in den KVen nur zu schätzen, erläutert Köhler. Wie sich die Gesetzesänderung in einer KV auswirke, sei abhängig vom regionalen Honorarverteilungsmaßstab (HVM).

War dieser zuvor eher „facharztfreund- lich“, sind jetzt deutlichere Verände- rungen zu erwarten. Dass es zwangsläu- fig zu einer Verschiebung der Honorare um wenige Prozent kommen wird, hatte die KBV bereits im Frühjahr in einer Hochrechnung prognostiziert. Die ak- tuelle Problematik soll im Länderaus- schuss am 22. September diskutiert werden.

Zur Vorgeschichte: Mit dem Ge- sundheitsreformgesetz 2000 hatte der Gesetzgeber verfügt, die vertragsärztli- che Versorgung bis zum 31. März 2000 in Leistungen der haus- beziehungswei- se fachärztlichen Versorgung zu glie- dern. Damit soll die Hausarzt-Medizin gefördert werden. Um die Vergütungs- anteile für den hausärztlichen Bereich zu bestimmen, sieht das Gesetz vor, den

auf die hausärztliche Versorgung entfal- lenden Anteil des abgerechneten Ge- samtpunktzahlvolumens einer KV vom Jahre 1996 zugrunde zu legen. Ist dieser Anteil in den Jahren 1997 bis 1999 je- doch höher als 1996, kann der Anteil des besten Jahres als Berechnungs- grundlage dienen. So ist es auch zu er- klären, dass sich die Berechnungen der Vergütungsanteile in den einzelnen KVen auf unterschiedliche Jahre bezie- hen.

Dies sowie verschiedene Berech- nungsmodalitäten der Honorare in den KVen erschweren die Analyse der Ho- norarverwerfungen. Die Gesamtsituati- on ist derzeit schwer durchschaubar. Ei- nig ist man sich jedoch, dass ostdeut- sche Ärzte alsbald einer besonderen Belastung ausgesetzt sind, weil sie im- mer noch nur 75, 6 Prozent der Mittel je Versicherten erhalten, die die Kranken- kassen für einen Versicherten in West- deutschland für die gleiche Leistung ge- währen. Während in den alten Bundes- ländern 16 bis 17 Prozent der Einnah- men der Kassen für die ambulante Ver- sorgung zur Verfügung stehen, sind es in den neuen Bundesländern nur 13 bis 14 Prozent.

Sächsische Ärzte schließen ihre Praxen für eine Woche

Die sächsischen Ärzte fordern deshalb mit Nachdruck eine Anhebung des Ho- norars auf zunächst 86 Prozent des westdeutschen Niveaus pro Versicher- ten, also eine Anhebung der Kassen- ausgaben für die ambulante Betreuung um einen Prozentpunkt. Diese Auf- stockung würde 416 Millionen DM er- fordern, einen Klacks gegenüber der Kürzung der Gelder der Gesetzlichen Krankenversicherung zugunsten der Arbeitslosenversicherung um 1,2 Milli- arden DM, meinen die sächsischen Be- rufsverbände.

Die Honorareinbrüche bei den säch- sischen Fachärzten sind der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.

Die Gemeinschaft Fachärztlicher Be- rufsverbände Sachsen hat zu einer Ak- tionswoche aufgerufen. Vom 25. bis zum 30. September wollen die Ärzte ih- re Praxen schließen. „Teilnehmen wer- den alle niedergelassenen Ärzte und P O L I T I K

A

A2424 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 38½½½½22. September 2000

Ambulante Versorgung

Fachärzte schlagen Alarm

Durch die Trennung der fach- und hausärztlichen Vergütung ist es in einigen Kassenärztlichen Vereinigungen zu

drastischen Honorarverschiebungen gekommen. Sächsische

Ärzte organisieren eine Aktionswoche.

(2)

Psychotherapeuten, die Fachärzte so- wie die Hausärzte“, betont Prof. Dr.

med. Martin Link, Sprecher der Ge- meinschaft Fachärztlicher Berufsver- bände in Sachsen. Dies ist ein Schulter- schluss, der nicht selbstverständlich ist.

An der Abstimmung über die Aktions- woche beteiligten sich 56 Prozent der sächsischen Vertragsärzte. Die große Mehrheit, nämlich 94 Prozent sprach sich für die „Streikwoche“ aus.

Dass die sächsischen Ärzte mit der Aktion Kritik ernten und sich dem Vor- wurf stellen müssen, ihren Protest auf den Rücken der Patienten aus- zutragen, ist zu erwarten. Solida- risch erklärten sich mit den Ärzten jedoch auch der Kammer- und KV-Vorstand von Sachsen sowie die AOK. „Die KV Sachsen unter- stützt den Aufruf der fachärztli- chen Berufsverbände und Psycho- therapeuten zur Aktionswoche und sichert die Notfallversor- gung“, betonte Dr. med. Hans-Jür- gen Hommel, Vorstandsvorsitzen- der der KV Sachsen. Obwohl der KV als Körperschaft öffentlichen Rechts Zurückhaltung bei solchen Aktionen zugewiesen sei, sei ein Engagement in diesem Fall selbst- verständlich. So sind in den regio- nalen KV-Stellen Hotlines einge- richtet. Dort melden die Ärzte ih- re Dienste, sodass Vertretungen gewährleistet sind. Die Patienten werden durch Plakate sowie über die Tageszeitungen und den Rundfunk über die Aktion infor- miert. Ein Handzettel erklärt die Hintergründe der Praxisschlie- ßungen. „Teilweise werde ich von Patienten auch auf der Straße auf unse- re Aktion angesprochen“, berichtet Link. „Dabei zeigt sich, dass sie sich über die Probleme im Gesundheitswe- sen Gedanken machen und bei der Ak- tion nicht als ,Geiseln‘ fühlen.“

Honorarverschiebungen gibt es auch in anderen KVen

In anderen KVen denken Ärzte bereits über ähnliche Aktionswochen nach. So hat es deutliche Honorarverschiebun- gen von den Fachärzten zu den Hausärzten auch in Sachsen-Anhalt,

Thüringen und Niedersachsen gege- ben. Der Vorsitzende der KV Sachsen- Anhalt, Dr. med. Klaus Penndorf, si- cherte den Berufsverbänden zu, dass die KV eine Aktionswoche ebenfalls begleiten würde. Die Verschiebung des Gesamthonorars im ersten Quartal 2000 im Vergleich zum Vorjahr beträgt in Sachsen-Anhalt etwa drei Prozent.

Die durchschnittlichen Honorare bei den Allgemeinmedizinern und Prakti- schen Ärzte stiegen um 7,8 Prozent, die Radiologen hingegen müssen ei-

nen Verlust von 22 Prozent hinneh- men, die Chirurgen und Anästhesisten von 18 Prozent und die Neurologen von 15 Prozent. Ähnlich sieht es in Thüringen aus: Hier erhalten die Neu- rologen und Psychiater 30 Prozent we- niger Honorar als im Vergleichszeit- raum des Vorjahres, die Augenärzte 11,7 Prozent und die Gynäkologen 8,8 Prozent weniger. Nicht ganz so groß ist in Thüringen die Verschiebung des Ge- samthonorars.

Sehr spät bekannt geworden ist die Höhe der Honorarverschiebungen in Niedersachsen. Dass die Fachärzte erst jetzt von der KV über die Situation in-

formiert worden sind, ärgert Dr. med.

Christian Albring, Vorsitzender des Fachärztlichen Berufsverbandes Nie- dersachsen: „Wenn die Leute kurz vor dem Ruin stehen, muss ihnen das doch gesagt werden.“ Eine große chirurgi- sche Praxis hätte bereits schließen müs- sen. Der Fallwertverlust bei den nieder- sächsischen Fachärzten sei dramatisch, die Vorauszahlungen für das laufende Quartal würden gekürzt, die vierte und fünfte Abschlagszahlung erfolge nicht.

Die jetzt vorliegenden Daten bringen zumindest Klarheit: Bei den Fachärzten vermindert sich das Honorar im Vergleich zum Vor- jahreszeitraum durchschnittlich um 15 Prozent; HNO-Ärzte ver- lieren 25 Prozent, Gynäkologen 21 Prozent, fachärztliche Internisten, Dermatologen und Nervenärzte jeweils etwa 19 Prozent. Die Hausärzte können einen Zuwachs ihres Honorars um 18,5 Prozent verzeichnen.

Ähnliche, wenn auch nicht so starke Honorarverschiebungen zu- gunsten der Hausärzte melden die KVen Brandenburg, Hessen, Koblenz, Mecklenburg-Vorpom- mern, Pfalz, Schleswig-Holstein und Trier. Für andere KVen wie- derum scheint die Trennung der haus- und fachärztlichen Vergü- tung überhaupt kein Problem zu sein. Gar keine oder nur ganz ge- ringe Verschiebungen melden die KVen Bayerns, Bremen, Nordba- den, Nordrhein, Nord-Württem- berg, Rheinhessen, Südbaden und Westfalen-Lippe. Bei der KV Nord-Württemberg beispielswei- se würde es sich um ein „Nullsummen- spiel“ handeln, erklärte deren Haupt- geschäftsführer Dr. Thomas Zalewski.

Den Grund dafür sieht er in einer ande- ren Honorarverteilung in den letzten Jahren. 1996 sei das Honorar in Fach- gruppentöpfe aufgeteilt und zugun- sten der Hausärzte verschoben worden.

Der Effekt sei damit schon vor einigen Jahren aufgetreten. Die Verschiebun- gen hätten sich damals allerdings in Größenordnungen von drei bis fünf Prozent bewegt. Zalewski: „Uns ist es schleierhaft, wie es in den anderen KVen zu solch großen Verschiebungen kommen kann.“ Dr. med. Eva A. Richter P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 38½½½½22. September 2000 AA2425

Aktionswoche: Sächsische Kassenärzte protestieren gegen die Auswirkungen der Vergütungstrennung. Quelle: GFB Sachsen

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Dies stieß auf inner- parteiliche Kritik, so dass schließlich Rütt- gers PID-Passagen im Positionspapier geän- dert wurden. „Wir wollen die Diskussion weiter füh-

oder Brückenarbeiten Elemente, die nach Art oder Umfang über den ver- tragszahnärztlichen Rahmen hinaus- gehen (etwa hinsichtlich der Verblen- dungsart, der Legierung oder der An-

Die Akzeptanz, Vor- und Nach- teile der Krankenversichertenkarte sowie das Inanspruchnahmeverhalten der Versicherten werden von den ein- zelnen Arztgruppen unterschiedlich

Für Köhler steht außer Fra- ge, dass MVZ oder große Gemein- schaftspraxen, Ärztehäuser und Koope- rationen zwischen niedergelassenen Ärz- ten und Krankenhäusern künftig in

Ande- rerseits lassen sich nach wie vor deutlich mehr Fachärzte nieder, so- dass der „kleinere Topf“ künftig für noch mehr Ärzte reichen muss.. Und drittens werden auch die

Auch die Entwicklung der Arzt- zahlen bestätigt einen langjährigen Trend: Die Zahl der Fachärzte ist im Jahr 1998 um 2,7 Prozent gegenüber 1997 gestiegen, die

Nachdem sich BPI und Barmer bereits auf ge- meinsame Kriterien für die Qualität und Deklaration von pflanzlichen Arzneimitteln im Leistungskatalog der Krankenkassen geeinigt

Manfred Zipperer, unter Horst Seehofer als Ministerial- direktor für die GKV zuständig, und Herbert Rebscher, der Vorstandsvor- sitzende der Ersatzkassenverbände, in der