A 1956 Deutsches Ärzteblatt
|
Jg. 107|
Heft 41|
15. Oktober 2010DEUTSCHER APOTHEKERTAG
Apotheker schlagen Alarm
Durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz sehen sich die Apotheker unverhältnismäßig belastet. Sie rechnen mit dramatischen Einbußen und warnen vor einem Apothekensterben.
D
ie deutschen Apotheker be- fürchten das Schlimmste:Apothekenschließungen, die Aus- dünnung der flächendeckenden Versorgung und mehr Macht für die Pharmahandelskonzerne. „Viele Apotheken sind konkret bedroht, die hochwertige und sichere Arz- neimittelversorgung der Bevölke- rung gerät in Gefahr“, warnte Heinz-Günter Wolf, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände. Die Apo- theken fühlen sich von der Gesund- heitspolitik unfair behandelt. Wäh- rend Ärzte und Krankenhäuser wei- terhin Vergütungszuwächse ver- zeichnen könnten, werde bei den Apothekern abkassiert, kritisierte Wolf beim Deutschen Apothekertag am 7. Oktober in München.
Kürzungen beim Großhandel
Stein des Anstoßes ist das Arz - neimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG). Mit ihm soll unter an- derem die Vergütung des pharma- zeutischen Großhandels neu gere- gelt werden. Das könnte den Apo- thekern zunächst einmal egal sein, doch sie sind davon überzeugt, dass die Kürzungen im Endeffekt sie treffen werden. Sie rechnen mit ei- ner Belastung von mehr als 500 Millionen Euro jährlich. Der Groß- handelsverband Phagro hat nach Angaben der ABDA bereits ange- kündigt, die Honorarkappung voll- ständig an die Apotheker weiterzu- geben. In Deutschland kontrollieren fünf Unternehmen rund 90 Prozent des Arzneimittelhandels. Wenn die- se zum Beispiel neue Liefer- und Servicepauschalen erheben, könn- ten am Ende die Apotheker die Ze- che zahlen. „Das ist nicht nur unge- recht, sondern sagen wir es frei her- aus: Das ist Raubbau“, sagte Wolf unter dem Beifall der Delegierten.Entsprechend lautet das Motto einer ABDA-Kampagne „Stoppt den Raubbau an der Apotheke!“.
Bürgerinnen und Bürger sollen eine Protestpostkarte an den Bundes- tagsabgeordneten aus ihrem Wahl- kreis schicken, damit das AMNOG in letzter Minute doch noch geän- dert wird. Auch Wolf forderte die Politik auf, die geplante Regelung noch einmal zu überdenken. Es be- stehe die Gefahr, dass künftig Phar- mahandelskonzerne die Versorgung kontrollierten. „Dann haben wir dieselbe Situation wie in der Ener- gieversorgung“, mahnte Wolf.
Pick-up-Stellen bleiben
Es ist nicht das erste Mal, dass die Apothekerverbände vor dem Ende der hochwertigen, wohnortnahenArzneimittelversorgung warnen.
Doch diesmal ist die Situation an- ders, denn die Enttäuschung über die Bundesregierung ist groß.
Schließlich hatte Schwarz-Gelb durchaus vielversprechende Signa- le an die Apotheker gesandt und Forderungen der Berufsverbände aufgegriffen. So einigten sich Uni- on und FDP im Koalitionsvertrag auf ein Verbot von „Pick-up-Stel- len“. Die Abgabe von Medikamen- ten beispielsweise in Drogerie- märkten sollte ein Ende haben. Im aktuellen Entwurf des AMNOG fin- det sich dazu allerdings nichts.
Enttäuscht von Schwarz-Gelb
Und so sahen sich die Vertreter von Union und FDP auf dem Apothe- kertag in Erklärungsnot. Der Bun- destagsabgeordnete Johannes Sing- hammer (CSU) stellte klar: „Wir wollen nach wie vor, dass Pick-up- Stellen verboten werden.“ Aller- dings seien in juristischen Gutach- ten verfassungsrechtliche Beden- ken gegen ein solches Verbot geäu- ßert worden. Im Bundeskabinett ha- be man sich daher nicht auf das Vorhaben verständigen können. So- wohl Singhammer als auch der Arzt und FDP-Politiker Erwin Lotter hielten ein Plädoyer für eine flä- chendeckende Arzneimittelversor- gung durch inhabergeführte Apo- theken. Zum AMNOG sagte Lotter, man müsse nun die Ergebnisse der Anhörung auswerten.Martina Bunge von der Links- fraktion schlug sich ebenfalls auf die Seite der Pharmazeuten „ob- wohl die Apotheker nachweislich nicht unbedingt unsere Wähler sind“. Vertreter von SPD und Grü- nen waren unterdessen gar nicht erst angereist. Die Sozialdemokra- ten schickten immerhin ein Gruß- wort per Post. Auch Gesundheits- minister Philipp Rösler (FDP) kam nicht nach München, sondern sein Staatssekretär Stefan Kapferer.
Konkrete Zugeständnisse bezüglich des AMNOG machte er nicht. Der- zeit befinde man sich in der „Fein- justierung des Gesamtkonzeptes“.
In diesem Prozess sei es besser im Dialog miteinander zu reden, als in Kampagnen übereinander. ■
Dr. med. Birgit Hibbeler Protest gegen
den Gesetzent- wurf: Die Apothe- ker wollen, dass das AMNOG geän- dert wird.