• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Apotheker sind wichtige , , Weichensteller''" (10.09.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Apotheker sind wichtige , , Weichensteller''" (10.09.1982)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES

lmZTEBLATT

Heft 36 vom 10. September 1982

Die Diskussion über die Funktion des Apothekers bei der Information über Arznei- mittel ist wieder voll in Gang gekommen (siehe DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT, Heft 15, S. 1, Deutsche Apotheker Zeitung, Nr. 17, S. 935-938, Pharmazeutische Zeitung Nr. 15, S. 820-822, alle 1982).

Dabei klingen einerseits be- kannte Ressentiments an, zum anderen werden auch alte Klischees über das Be- . rufsbild des Apothekers be- schworen. Vermißt wird da- gegen eine sachbezogene, den heutigen Gegebenhei- ten angemessene Diskus- sion. Der Autor ist einer der Mitverfasser der sogenann- ten "Badenweiler Thesen"

zur Ausbildung des Pharma- zeuten und besitzt sowohl die Approbation als Arzt als auch die als Apotheker. Er geht im folgenden auf einige Fakten ein, die die Tätigkei-

ten·des zukünftigen Apothe-

kers betreffen, und möchte

damit zur Versachlichung

der neu entflammten Diskus- sion beitragen.

Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Apotheker

sind wichtige , , Weichensteller''

Hermann Ammon

Nach der Roten Liste 1982 bestrei- ten 8742 Präparate mit 11012 Dar- reichungsformen und 18 527 Preisangaben von 448 pharmazeu- tischen Unternehmen derzeit 95 Prozent des Wertes der deutschen Arzneimittelproduktion. Rund die Hälfte der Präparate sind ver- schreibungspflichtig.

Noch vor 50 Jahren war die Anzahl von Arzneistoffen und Fertigspe- zialitäten wesentlich geringer. We- sentlich geringer war auch das pharmakologisch-therapeutische Wissen über diese Arzneimittel.

Heute haben wir nicht nur ein Viel- faches an Arzneistoffen und Fer- tigspezialitäten, sondern auch die Informationen über jeden einzel- nen Arzneistoff haben erheblich zugenommen.

Noch vor 50 Jahren hatte der Arzt das zur therapeutischen Anwen- dung notwendige Wissen über die verfügbaren Arzneimittel wohl im wesentlichen selbst parat. Der Apotheker war zu dieser Zeit vor- wiegend für die Beschaffung, Ver- arbeitung, Herstellung und Quali- tät der Arzneimittel verantwortlich.

Heute dagegen hat sich die Situa- tion des Arztes und des Apothe- kers bezüglich der Arzneimittel grundlegend geändert:

1. Die früher dominierende Her- stellung von Arzneimitteln in der Apotheke ist auf weniger als ein bis zwei Prozent des Gesamtum- satzes einer Apotheke zurückge- gangen.

2. Der Apotheker ist weitgehend Verteiler von Fertigarzneimitteln

geworden mit einer limitierten Verpflichtung zur Qualitätskon- trolle. Die Verteilung erfolgt dabei entweder aut ärztliche Anweisung oder auf Wunsch des Kunden (Selbstmedikation).

Der Arzt selbst verwendet von den derzeit für die Behandlung von Krankheiten zur Verfügung ste- henden· Fertigarzneien im allge- meinen etwa 300-500 (nach Anga- ben des Institutes Medizinische Statistik der Universität Frankfurt).

Daß er in jedem Einzelfall auch über detaillierte Kenntnisse in pharmakologischer und therapeu- tischer Hinsicht verfügt, wird von mir unterstellt, dürfte aber nicht immer gesichert sein. Nicht selten benötigt der Arzt zu den von ihm angewandten Arzneimitteln Alter- nativen, sei es weil der erwünschte therapeutische Erfolg nicht ein- tritt, oder die Nebenwirkungen nicht in Kauf genommen werden können, oder weil beispielsweise unerwünschte Interaktionen auf- treten. Daraus folgt, daß sich der Arzt Informationen über Arznei- mittel seines Repertoires und von Arzneimitteln; die außerhalb sei- nes Repertoires angesiedelt sind, verfügbar machen muß.

Welche Quellen stehen hier zur Verfügung?

..,. Heranziehung eigener Lehrbü- cher und Nachschlagewerke über Arzneimittel: Dies ist in der tägli- chen Praxis zeitaufwendig, Bü- cher bzw. Nachschlagewerke wer- den rasch überholt und müssen laufend ergänzt werden. [>

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 36 vom 10. September 1982 53

(2)

Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen Apotheker

..,. ln speziellen Fällen können Fachzeitschriften herangezogen werden: Dies ist ebenfalls zeitauf- wendig und erfordert aufwendige bibliothekarische Betreuung.

..,. Information durch die pharma- zeutische Industrie. Solche Infor- mationen sind meist Firmenpro- dukt-bezogen und bei Bedarf nicht sofort verfügbar.

..,. Information aus der Apotheke: Unter der Voraussetzung einer adäquaten Ausbildung des Apo- thekers und seiner Verpflichtung zur laufenden Haltung und Ergän- zung von Informationsmaterial über Arzneimittel hätte ein solches Verfahren folgende Vorteile:

[> rascher Zugriff zur Information

über eine telefonische Anfrage,

l> geringer Zeitaufwand für den

Arzt,

l> keine Kosten,

l> neutrale Auskunft.

Bei einem solchen Vorgehen könnte sich eine sinnvolle Arbeits- teilung und Kooperation zwischen Arzt und Apotheker ergeben. Zur Abgrenzung bedarf es meines Erachtens jedoch fehlender Klar- stellung.

Der Apotheker hat sich nicht in die Therapie des Arztes einzumi- schen; er gibt diesem lediglich auf Wunsch Informationen über Arz- neimittel. ln einem solchen Falle wäre der Apotheker Informant des Arztes.

Für Schätzungsweise drei Milliar- den DM werden heute jährlich in der Bundesrepublik Medikamente vom Apotheker an den Kunden zur Selbstbehandlung von Sympto- men oder Krankheiten, die der Pa- tient an sich selbst diagnostiziert zu haben glaubt, ohne Mitwirken des Arztes abgegeben. Dies ist ei- ne Realität, auf die weder der Arzt noch der Apotheker einen Einfluß hat, sie entspringt einem allgemei- nen öffentlichen Bedürfnis.

Selbstmedikation ist jedoch nicht problemlos, und zwar sowohl, was die Anwendung von Medikamen- ten als auch was die Gefahr der Verkennung ernsterer Erkrankun- gen betrifft.

Die Apotheke ist naturgemäß der Ort, an dem sich der Patient Arz- neimittel zur Selbstmedikation be- sorgt. Der Apotheker kann dabei folgenden drei Situationen gegen- übergestellt werden:

1. Der Patient verlangt ein be- stimmtes Präparat.

2. Der Patient verlangt ein wirksa- mes Präparat gegen eine von ihm selbst diagnostizierte Krankheit oder ein von ihm selbst diagnosti- ziertes Symptom (die Wahl des Präparates überläßt er dem Apo- theker).

3. Der Patient trägt dem Apothe- ker Beschwerden vor, verlangt von dem Apotheker eine Art Diagnose und dann ein geeignetes Medika- ment.

Wie kann sich der Apotheker in diesen drei genannten Situationen verhalten?

Wenn der Patient ein bestimmtes Präparat verlangt:

..,. Der Apotheker gibt das Medi- kament kommentarlos ab und überläßt es dem Patienten, mit den Informationen des Beipackzettels fertigzuwerden; er kümmert sich auch nicht darum, ob der Patient eine ihm möglicherweise nutzlose oder schädliche Selbstbehand- lung betreibt.

..,. Der Apotheker gibt Hinweise zur sachgerechten Einnahme und verweist auf eventuelle gesund- heitliche Risiken oder mögliche Arzneimittelinteraktion, wenn gleichzeitig noch andere Arznei- stoffe eingenommen werden. ..,. Der Apotheker macht den Pa- tienten darauf aufmerksam, daß wohl besser eine Konsultation des Arztes angezeigt wäre (beispiels- weise wenn er den Verdacht hat, daß der Patient eine falsche Selbstmedikation betreibt).

Im zweiten Fall setzt der Apothe- ker sein pharmakologisches Wis- sen ein und hilft dem Patienten bei der Auswahl eines geeigneten Prä- parates, im übrigen gelten hier die beiden oben letztgenannten Punkte.

Im dritten Fall muß der Apotheker von vornherein zur Konsultation eines Arztes raten, da er weder berechtigt noch in der Lage ist, eine Diagnose zu stellen. Eindeu- tig abzulehnen ist die Abgabe von Medikamenten nach .,gewissen diagnostischen Ermittlungen"

durch den Apotheker.

Bleibt festzuhalten, da~ Verlangen des Publikums zur Selbstmedika- tion ist eine Realität, die nicht wegdiskutiert werden kann, sie muß daher kanalisiert werden, da- mit Schaden für den Patienten ver- mieden werden kann.

Realität ist auch, daß sich das Pu-

blikum mit Fragen im Zusammen-

hang mit der Einnahme von Arz- neimitteln meist zuerst an den Apotheker wendet. Gründe dafür sind: der Apotheker ist rasch er- reichbar, es kostet nichts, der Pa- tient betrachtet den Apotheker als kompetent in Sachen Arzneimittel- fragen.

Faßt man die hier aufgeführten Betätigungsmöglichkeiten des Apothekers im Zusammenhang mit der Anwendung von Arzneimit- teln zusammen, so ergibt sich, daß ein in den medizinischen Grundla- genfächern u.nd in der Pharmako- logie gut ausgebildeter Apotheker einen wichtigen Beitrag zur wir- kungsvollen Anwendung von Arz-

neimitteln, zur Arzneimittelsicher-

heil und zur eventuellen rechtzeiti- gen Weichenstellung bei ernste- ren Erkrankungen leisten kann.

Die finanzielle Entlastung der Ko- stenträger im Gesundheitswesen ist dabei nur ein volkswirtschaftli- ches Nebenprodukt. So gesehen, kann der gut ausgebildete Apothe- ker einen sinnvollen Beitrag im Gesundheitswesen leisten, der nicht unnötigerweise zu Interes- senkonflikten zwischen beiden Heilberufen führen muß, sondern eher auf eine sinnvolle Ergänzung hinausläuft.

Anschrift des Verfassers Professor Dr. Hermann Ammon Auf der Morgenstelle 8

7400 Tübingen 1

54 Heft 36 vom 10. September 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der „Anfangsverdacht“ der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung, dass hinter dem Behandlungskon- zept für chronische Krankheiten mehr als nur ein Wettbewerbsinstru- ment der

Die vier Protagonisten Helmut Pfleger, Vlastimil Hort, Horst Met- zing (Geschäftsführer des Deutschen Schachbundes) und Manfred Mädler (früherer Deutscher Fernschachmei- ster)

Deshalb haben sich die Apotheker in dem auf politischen Druck erzielten Kompromiss wohl eher schlecht geschlagen: 37 Millionen Euro erhalten sie dadurch, dass sie den Kassen in

Erreicht werden soll dies durch höhere Zuzah- lungen der Patienten, die Herausnahme eines Großteils der rezeptfreien Arz- neimittel aus der Erstattungsfähigkeit der Krankenkassen,

So hat die „Apo- Bank" in 1983 nur 3 Pro- zent der neueröffneten Apotheken finanziert, bei den Ärzten liegt der Ver- gleichswert bei 20 Prozent und bei den Zahnärzten bei

„Wir wollen eine möglichst pragmati- sche Lösung für Nicht-Zahler“, beton- te Wolf.. „Denn viele der Sozialhilfe- empfänger haben schlicht kein Geld in

„Un- ter dem Stichwort ,Große Reform‘ wer- den alle ordnungspolitischen Grundzü- ge unseres Systems, das sich bei manch berechtigter Kritik zu einem der besten in der Welt

„ökonomisch erstrangigen Al- terskrankheit“ für das Ge- sundheitswesen nicht unter- schätzt werden, betonte