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Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 20, 15. Mai 1998 (1)
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ie gestreßten Berliner Krankenhausärzte haben ihr Urteil gefällt: „Das En- de eines Traumberufes ist längst ge- kommen“, hieß es in einer Ausein- andersetzung mit den Klinikarbeit- gebern, den Landesaufsichtsbehör- den und den staatlichen Sparkom- missaren vor Ort. Damit es nicht zu weiteren „inneren Kündigungen“bei den Klinikärzten kommt, sind dringend zeitgemäßere Führungs- und Organisationsstrukturen erfor- derlich. Daran wird bereits seit lan- gem gearbeitet. Seit der Formulie- rung der sogenannten Westerwäl- der Leitsätze durch den Deutschen Ärztetag von 1972 und den Vorar- beiten des Marburger Bundes von 1971 sind die Konzeptionen zur Ab- flachung der traditionellen hierar- chischen Strukturen und Ideen zu Teamarztstrukturen entwickelt worden. Daneben hatten Anstöße,
den krankenhausärztlichen Dienst in eine Quasi-Freiberuflichkeit überzuleiten, Anfang der 70er Jah- re Hochkonjunktur.
Daß das Teamarztmodell auf wenige Beispiele begrenzt blieb, ist kein Beweis, daß die Idee nicht zu- kunftsweisend wäre oder geschei- tert ist. Im Gegenteil! Im benach- barten Ausland (etwa in den Nie- derlanden) oder in den USA und vor allem im Universitätssektor (Departmentsystem!) hat es längst die Bewährungsprobe bestanden.
Dennoch haben sich hierzulande überkommene Strukturen institu- tionalisierter Hierarchien im Ärzt- lichen Dienst ebenso halten können wie die strenge Trennung von am- bulanter und stationärer Versor- gung und die getrennte, strikt sek- toral bezogene Mittelzuweisung.
Starre und zugespitzte Hierarchien, wenig kooperatives und kompe-
tenzbezogenes Führungsverhalten sind eher leistungsmindernd als lei- stungs- und motivationsfördernd.
Es ist ein kostentreibender Miß- stand, daß das Krankenhaus inzwi- schen zum „Durchlauferhitzer“ und zum zeitlich begrenzten Zwischen- lager für den beruflichen Werde- gang eines Arztes geworden ist und zu wenige Lebensstellungen für Fachärzte geboten werden, die ihren Dauerarbeitsplatz im Kran- kenhaus gewählt haben. Die Be- rufs- und Lebenserfahrung quali- fizierter Klinikfachärzte, die im Team unter regelmäßiger Konsul- tationspflicht kooperieren, sind eher geeignet als Oftwechsler und Kurzverweiler, den Krankenhaus- betrieb auf qualitativ hohem Ni- veau wettbewerbsfähig zu halten, gleichzeitig den Leistungsträgern eine befriedigende Lebensaufgabe zu übertragen. Dr. Harald Clade
Arbeiten im Team
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ür die Apotheker waren die 90er Jahre kein Zucker- schlecken. Die Kosten- dämpfer im Gesundheitswesen hat- ten das Arzneimittel für sich ent- deckt. Unter anderem Festbeträge und Budgets haben dazu geführt, daß „Arzneimittelpreise, -mengen und -ausgaben unter wirksamer ge- sellschaftlicher Kontrolle stehen“, sagte Hans-Günter Friese, Präsi- dent der Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände (AB- DA), bei einem Presseminar des Verbandes in Berlin. Hätte man in allen anderen Bereichen des Ge- sundheitswesens ebenso konse- quent gespart, könnten die Kran- kenkassen 1997 einen Überschuß von fast 60 Milliarden DM ver- zeichnen, rechnet die ABDA vor.Arg gebeutelt fühlen sich die Apotheker noch immer. Aber mit
dem Jammern soll nun Schluß sein.
Die Zukunft will man aktiv mitge- stalten. „Erst mit dem Apotheker wird das Arzneimittel zur Medi- zin“, lautet die Parole. Was ver- birgt sich dahinter? Zunächst geht es den Apothekern darum, die Da- seinsberechtigung des eigenen Be- rufsstandes zu belegen, die immer wieder durch Forderungen nach Versandhandel in Frage gestellt wird. Pharmazeutische Beratung muß, so Friese, die Antwort der Apotheker auf die künftigen Her- ausforderungen sein. Zunehmend mündige Patienten forderten bei wachsender Selbstmedikation mehr Beratung und Information.
„Pharmazeutisches Nutzen- management“ soll die Einsatzqua- lität von Arzneimitteln verbessern.
Das heißt, daß sich die Apotheker gemeinsam mit den Ärzten ver-
stärkt für eine bessere Compliance einsetzen. Dies trage nicht nur zum Behandlungserfolg bei, sondern spare letztlich Kosten. Gemeinsam mit dem Berufsverband der Allge- meinärzte werden bereits in Arzt- Apotheker-Gesprächskreisen Ma- nuale zur Arzneimittelauswahl für große Indikationsgebiete erstellt.
Ansonsten gab es, von beein- druckenden Wortschöpfungen ab- gesehen, von Apothekerseite wenig Neues zu vermelden. Nicht länger als „Spardose“ des Gesundheitswe- sens eingestuft, sei ihnen eine Atempause vergönnt. Obwohl die Folgen des Urteils des Europäi- schen Gerichtshofes über die EU- weite Inanspruchnahme von Ge- sundheitsleistungen für den Arz- neimittelmarkt noch nicht absehbar sind, ist bei den Apothekern Opti- mismus angesagt. Heike Korzilius