Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 40|
3. Oktober 2014 A 1665U
nion und SPD wollen die Qualität im stationären Sektor verbessern. Dagegen, haben sich die Ge- sundheitspolitiker beider Parteien gedacht, kann nie- mand etwas haben, und bei den Wählern kommt es ge- wiss gut an. Bei der Ärzteschaft weniger. „Als ich den Koalitionsvertrag zum ersten Mal gelesen habe, sind mir die Zornesadern geschwollen“, sagte der Präsident des Verbandes der Leitenden Krankenhausärzte (VLK), Prof. Dr. med. Hans-Fred Weiser, auf dem 3. Bundes- kongress des VLK am 18. September in Berlin. Denn es lese sich so, als bemühe sich die Ärzteschaft über- haupt nicht um die Qualität der Patientenversorgung.Dass genau das Gegenteil der Fall ist, machte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med.
Frank Ulrich Montgomery, deutlich: „Um die Behand- lungssicherheit zu erhöhen, entwickelt die Ärzteschaft Leitlinien, macht Peer Reviews, bildet sich fort und hat in den letzten Jahrzehnten eine Fehlervermeidungskul- tur erarbeitet, mit der die Schwachstellen in der Versor- gung identifiziert werden können.“ Die Folge: Obwohl Arbeitsdichte und Leistungsdruck permanent stiegen, bleibe der Anteil der tatsächlichen Behandlungsfehler an den insgesamt erhobenen Vorwürfen konstant.
Union und SPD wollen die Qualität der Kranken- hausbehandlung unter anderem verbessern, indem sie eine qualitätsorientierte Vergütung einführen (siehe Ar- tikel „Pay for Performance – Umsetzung noch in weiter Ferne“ in diesem Heft). Krankenhäuser, die vergleichs- weise schlechte Qualität erbringen, sollen noch weni- ger Geld erhalten als heute. Dabei haben es Kranken- häuser heute vor allem deshalb schwer, stets hochwerti- ge Qualität zu erbringen, weil ihnen von den Bundes- ländern bewusst die Investitionsmittel vorenthalten werden, die sie zum Erfüllen ihrer Aufgaben benötigen.
Die Politik unterliegt einem Denkfehler, wenn sie versuchen will, Qualität von oben zu verordnen. Das wurde deutlich, als auf dem VLK-Kongress über das Thema Ärztemangel diskutiert wurde, der im stationä- ren Bereich besonders hoch ist. „In der Oberlausitz gibt es kaum noch ein Krankenhaus, das nicht eine ganze
Station nur mit Hilfe von ausländischen Kollegen am Laufen halten kann“, berichtete der Vizepräsident der Sächsischen Landesärztekammer, Erik Bodendieck.
Ein großes Thema seien dabei die Sprachkenntnisse.
Andere Abteilungen müssten wegen des Ärztemangels komplett geschlossen werden. Ohne Ärzte, darin dürfte kein Dissens bestehen, wird es jedoch schwer werden, die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern.
Der Denkfehler der Politiker liegt nun darin, dass sie glauben, Ärzten finanzielle Anreize liefern zu müssen, damit sie hochwertige Qualität erbringen. Ärztinnen und Ärzte wollen jedem ihrer Patienten helfen, jedem einzelnen, jeden Tag. Was die Qualität der Patienten- versorgung behindert, sind die Bedingungen, unter de- nen sie arbeiten müssen: Ärztemangel, Dokumentati- onsaufwand, Investitionsstau, Leistungsdruck. Wenn die Politik ernsthaft die in Krankenhäusern erbrachte Qualität verbessern wollte, müsste sie nicht noch ein Institut gründen, sondern dafür sorgen, dass Ärzte und Pflegekräfte in die Lage versetzt werden, die gute Ar- beit erbringen zu können, die sie erbringen wollen. Ent- weder müsste also so viel Geld ins System fließen, wie benötigt wird. Oder die Politik müsste sich von ihrem Anspruchsdenken verabschieden, dass überall und au- genblicklich eine Versorgung auf dem neuesten Stand des medizinisch-technischen Fortschritts zu haben ist.
QUALITÄTSOFFENSIVE DER BUNDESREGIERUNG
Der Denkfehler
Falk Osterloh
Falk Osterloh Politischer Redakteur in Berlin