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Archiv "Ärzte und Pflegekräfte: Ein chronischer Konflikt" (14.10.2011)

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S

usanne S.* ist neu in der Abteilung. Deshalb hat sie sich mit Kritik erst einmal zurück- gehalten. Doch jetzt weiß sie nicht mehr weiter. Im Fach der jungen Assistenzärztin stapeln sich die Befunde. Der Posten des Stationssekretärs sei derzeit unbe- setzt, wurde ihr am ersten Tag ge- sagt. „Was hab ich damit zu tun?“, hatte sie damals noch gedacht.

Bald aber begriff sie, dass die Pflegekräfte auf ihrer Station ent- schieden hatten: Das Abheften von Labor- oder Röntgenbefun- den ist keine pflegerische Arbeit.

Das seien ja auch eher „Ihre Be- funde“, meinte die Stationslei- tung. Susanne S. ist sich eigent- lich nicht zu schade dafür, auch

einmal einen Locher in die Hand zu nehmen. Aber das geht nun doch zu weit, findet sie. Und sie denkt: Wieso eigentlich „meine“

Befunde?

Pflegekräfte fühlen sich von Ärzten nicht wertgeschätzt Konflikte bei der Arbeit sind nichts Ungewöhnliches. Der Arbeitsplatz Krankenhaus ist aber offenbar ein spezieller Raum, in dem Menschen und unterschiedliche Gruppen auf- einandertreffen. Ärzte und Pflege- kräfte sind die zentralen Berufs- gruppen im Krankenhaus – und sie sind diejenigen, die direkt am Pa- tienten arbeiten. Allerdings hört es da mit den Gemeinsamkeiten auch schon auf. Während die Pflege zah-

lenmäßig überlegen ist (Tabelle), sind die Ärzte diejenigen, die An- ordnungen treffen. Unterschiedlich sind außerdem der Verdienst und das gesellschaftliche Ansehen. Ärz- te haben einen Hochschulabschluss, die Pflege ist ein Ausbildungsberuf.

Die Frage, ob es ein grundlegen- des Problem zwischen den beiden Berufsgruppen gibt, lässt sich nicht pauschal beantworten. Allerdings zeigt das Modellprojekt „Interpro- fessionelle Kommunikation im Krankenhaus“, das von Bundesärz- tekammer und Deutschem Pflegerat initiiert wurde, einen deutlichen Verbesserungsbedarf in der Zusam- menarbeit. „Die Kooperation zwi- schen Ärzten und Pflegenden ist stark optimierungsbedürftig“, heißt es in dem Abschlussbericht. Im Fo- kus dieser Interventionsstudie stan- den Schnittstellen im Krankenhaus wie Patientenaufnahme, Visite und Entlassung (1).

Konflikte zwischen Ärzten und Pflegekräften sind in gewisser Hin- sicht „normale Teamprobleme“, aber vor dem Hintergrund einer

„besonderen Beziehung“. So die Einschätzung von Dr. phil. Andrea Wittich. Sie ist Psychologin und lei- tet den Supervisionsdienst am Uni- versitätsklinikum Freiburg. Sie hat tagtäglich mit Teamkonflikten zu tun. Nach ihrer Erfahrung kommt es häufig zu Problemen, wenn Auf- gaben nicht eindeutig verteilt sind.

„In Abteilungen und Kliniken, in denen die Zuständigkeiten an den Schnittstellen nicht klar sind, kommt es deutlich vermehrt zu Konflikten“, sagt Wittich. Die Er- fahrung vieler Krankenhausmitar- beiter zeigt: Ist die Atmosphäre erst einmal aufgeheizt, dann können auch Kleinigkeiten zum Zündstoff werden – etwa, wenn jemand seine Kaffeetasse nicht wegräumt oder ÄRZTE UND PFLEGEKRÄFTE

Ein chronischer Konflikt

Die Zusammenarbeit der Berufsgruppen im Krankenhaus ist nicht immer

reibungslos. Besonders Pflegekräfte beklagen Kommunikationsprobleme. Aber auch Ärzte wünschen sich mehr Verständnis für ihre Arbeitsbelastung.

*Name geändert

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nach dem Legen einer Braunüle ein Blutfleck auf dem Bettlaken ist.

Wittich legt Wert darauf, an das Thema ressourcenorientiert heran- zugehen. In den meisten Fällen funktioniere die Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen gut, sagt sie. Aus ihrer Arbeit als Super- visorin weiß sie aber auch: Kommt es im Krankenhaus zu Schwierig- keiten, ist häufig nicht ein Patient der Anlass. „Tatsächlich geht es meistens um Konflikte zwischen den Berufsgruppen oder auch inner- halb einer Berufsgruppe“, sagt Wit- tich. Aus ihrer Sicht liegt das daran, dass Ärzte und Pflegekräfte zwar durchaus Strategien hätten, mit der Krankheit und dem Leid von Patien- ten umzugehen. Für Konflikte mit

anderen Mitarbeitern gelte das aber weniger. „Dabei kann das eine viel größere Belastung sein“, sagt sie.

Jeder Arzt und jede Pflegekraft hat ihre eigenen Erfahrungen mit der anderen Berufsgruppe gemacht – gute und schlechte. Ärzte haben vielleicht schon als Studenten im Pflegepraktikum erlebt, dass man ihnen mit der negativen Erwartung begegnete, sie hielten sich mögli- cherweise „für was Besseres“.

Manche Pflegekräfte haben tatsäch- lich Mediziner kennengelernt, die arrogant auftraten.

Subjektives Alltagswissen gibt es reichlich zu dem Thema. Empiri- sche Untersuchungen über Konflik- te von Ärzten und Pflegekräften lie- gen jedoch kaum vor. „Die Datenla- ge ist absolut unbefriedigend“, sagt Wittich. Die Psychologin war an ei- ner Studie zu Arbeitsbedingungen im Krankenhaus im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin beteiligt (2).

Im Rahmen dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass insbe- sondere Pflegekräfte Kommunika- tionsprobleme zwischen den beiden Berufsgruppen wahrnehmen. „Die Pflegekräfte fühlen sich von den Ärzten nicht wertgeschätzt“, sagt

Wittich. Sie beklagten beispielswei- se, dass Absprachen nicht eingehal- ten würden, etwa der Zeitpunkt der Visite. Das deckt sich mit einer Umfrage der Fachhochschule Münster zur Berufszufriedenheit bei Pflegekräften (3). An erster Stelle der Negativskala: Stellenwert und Wertschätzung des Pflegeper- sonals im Krankenhaus. Erst da- nach folgt das Kriterium Stress. Be- fragt man hingegen Ärzte, dann ist eher der Zeitdruck eine Hauptur - sache für Unzufriedenheit und ein Mangel an Freizeit (4, 5).

Mögen Pflegekräfte eine fehlen- de Wertschätzung beklagen, auch Ärzte wünschen sich mitunter mehr Verständnis für ihre Arbeitsbelas- tung. Auf dem Schreibtisch von Su-

sanne S. lag kürzlich eine Tafel Schokolade von der Pflege. „Mach auch mal ’ne Pause“, stand auf dem gelben Zettel, der daran klebte. Ei- ne nette Geste, denn derzeit ist sie tatsächlich überlastet, weil sich die Kollegin krankgemeldet hat und sie allein auf der Station ist. Trotzdem fragt sich die junge Ärztin, warum sie dann nicht mehr Unterstützung bekommt, zum Beispiel beim Aus- füllen von Konsilscheinen. „Dann käme ich hier auch mal früher raus“, denkt sie. Das Verhalten der Pflege empfindet sie in gewisser Hinsicht als „Boykotthaltung“.

Gerade junge Ärzte wie Susanne S. erleben die Position des Pflege- dienstes als „Macht der Schwa- chen“. Assistenzärzte sind unerfah- rene Berufsanfänger, und ihre Chefs erwarten, dass sie auf der Station zurechtkommen, ohne dass

darüber explizit gesprochen wird.

Was aber muss man tun, um mit den Pflegekräften gut klarzukommen?

In dem Artikel „Cappuccinoge- schichten“ beschrieb Anita Dumit- rescu im Deutschen Ärzteblatt, wie befremdlich entsprechende Bemü- hungen aussehen können (6). Von einer Kollegin wurde sie auf ihren ersten Nachtdienst auf einer Inten- sivstation mit den Worten vorberei- tet: „Die Schwestern erwarten, dass du ihnen um Punkt drei Uhr nachts einen Cappuccino kochst, mit ech- tem Milchschaum, ich zeige dir gleich, wie man das Milchschaum- gerät bedient.“

Das mag ein Einzelfall sein.

Doch das Phänomen der „kleinen Gefälligkeiten“ ist auch anderwei- tig bereits beschrieben worden (7).

Sie können aus wirklicher Sympa- thie oder Höflichkeit geschehen, weil man sich bei der Arbeit eben gegenseitig hilft. Aber auch „takti- sche“ Gründe sind denkbar. Dabei implizieren sie eine stille Überein- kunft des „Gebens und Nehmens“.

Ärzte können sich so mit der Pflege gutstellen und dem Verdacht vor- beugen, arrogant zu sein. Ein As- pekt dabei ist das „Sich nicht zu schade sein“. Ein „guter“ Arzt ist aus Sicht der Pflege demnach einer, der mitanpackt, also auch einmal Betten schiebt oder einen Patienten auf den Nachttopf setzt. Pflegekräf- te haben vor jungen Ärzten einen Erfahrungsvorsprung. Werden diese aber routinierter, ändert sich die Si- tuation (7). „Retourkutschen“ kön- nen dann die Folge sein.

Auch für Pflegekräfte ist die Si- tuation nicht einfach. Sie müssen sich immer wieder auf neue Ärzte einstellen. Diese sind oft nur für ei- ne begrenzte Zeit da. „Die Pflege- kräfte sind die Konstanten auf den Stationen“, sagt Supervisorin Wit- tich. Kommt dann ein junger Arzt, der einfach so arbeitet, wie er will, und sich nicht erkundigt, wie die Abläufe sind, ist der Konflikt pro- grammiert. „Gerade für ältere, er- fahrene Pflegekräfte kann das dann schon schwierig sein“, sagt sie. Denn die hätten in solchen Fällen die Empfindung, dass Wissen/Erfah- rung und Hierarchie/Weisungsbe- fugnis nicht zueinander passten.

TABELLE

Personal im Krankenhaus (umgerechnet in Vollzeitkräfte)

*vorläufige Zahlen, Quelle: Stat. Bundesamt Ärzte

Pflegekräfte

2000

108 696 332 269

2010*

134 030 305 385 Das Verhältnis in

Zahlen: Bei der Pflege wurden Stel- len gestrichen. Die Zahl der Kranken- hausärzte stieg.

Ist die Atmosphäre erst einmal aufgeheizt, dann können auch Kleinigkeiten zum Zündstoff werden – zum Beispiel, wenn jemand seine Kaffeetasse nicht wegräumt.

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Wittich hat festgestellt, dass die Möglichkeit zur Qualifikation ein entscheidender Faktor ist, wenn es um die Zufriedenheit der Berufs- gruppe Pflege geht. Ein einfaches Beispiel ist für sie die Arbeit auf der Intensivstation: „Je techniknäher die Fächer sind, desto mehr Anse- hen haben sie“, sagt sie. Die Pflege- kräfte dort hätten eher weniger Pro- bleme mit ihrer eigenen Rolle.

Die Arbeitsabläufe im Kranken- haus sind nach wie vor durch eine relativ strikte Trennung in Verwal- tung, ärztlichen Dienst und Pflege

gekennzeichnet. Doch die Arbeit di- rekt am Patienten hat viele Schnitt- stellen. Und dann kommt die Frage:

Wo endet die ärztliche Tätigkeit, wo beginnt die der Pflegekräfte? Die Aufgabenverteilung ist in der Kran- kenhauspraxis unterschiedlich gere- gelt, zum Teil sogar innerhalb eines Hauses. Ist es auf der einen Station üblich, dass die Verabreichung be- stimmter Injektionen oder das An- hängen einer Erst antibiose ärztliche Aufgabe ist, wird dies vielleicht eine Etage höher schon ganz anders ge- handhabt. So entsteht Raum für Missverständnisse. Das kann dann noch einmal negativ verstärkt wer- den, wenn die Kommunikation zwi-

schen Arzt und Pflegekräften aus- schließlich „stumm“ abläuft, also einfach schriftlich angeordnet und der Reiter gezogen wird. Hinzu kommt: Wenn Ärzte mehr Unter- stützung einfordern, weil sie unter Zeitdruck stehen, kann das auch bei den Pflegekräften auf Ablehnung stoßen, die durchaus bereit sind, Aufgaben zu übernehmen. Dann entstehe ein Gefühl von „Jetzt sind wir also doch gut genug dafür“, er- läutert Wittich. Dabei sollte eine gu- te Zusammenarbeit nach dem Motto

„der Patient im Mittelpunkt“ eigent-

lich selbstverständlich sein. Denn Konflikte stehen der Professionalität im Weg. „Das kann Implikationen bis zur Patientensicherheit haben“, sagt die Supervisorin. Vor diesem Hintergrund sollte der Blick auf Pro- bleme in einem Team ein Bestand- teil der Qualitätssicherung sein.

Ob Teamarbeit funktioniert, hängt von Einzelpersonen ab, aber sicher- lich auch davon, ob sie strukturell verankert ist. Ein Beispiel dafür wä- re ein fester Termin für eine Teambe- sprechung. Für eine bessere Koope- ration ist es entscheidend, dass das gemeinsame Ziel „Patientenorientie- rung“ nicht nur eine Formel ist.

Wenn es um das Gut „Gesundheit

des Patienten“ geht, dann ist eine ko- operative Grundhaltung keine mora- lische Kategorie, sondern eine funk- tionale Vorbedingung für die Arbeit im Krankenhaus (8). Allerdings ist es aufwendig, bestehende Probleme anzugehen, wie das Projekt „Inter- professionelle Kommunikation im Krankenhaus“ zeigt (1). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine nachhaltige Verbesserung nur zu er- reichen sei, wenn sich die Führungs- kräfte beteiligen. Neben einem ge- meinsames Verständnis für Aufga- ben und Prozesse spielt es eben auch eine Rolle, ob gute Kommunikation vorgelebt und belohnt wird (9).

Der Chef von Susanne S. scheint von ihren Problemen noch nichts mitbekommen zu haben. Gesagt hat sie ihm natürlich nichts. Das würde schließlich den Eindruck erwecken, als käme sie nicht zurecht. Ihren Oberarzt hat sie angesprochen. Zu- nächst hat der allerdings auch nichts unternommen. Aber jetzt, wo sie allein auf der Station ist, hat er doch mit der Stationsleitung gere- det. Mit Erfolg. Die Pflege heftet erst einmal wieder die Befunde ab.

Das Verhältnis von Ärzten und Pflegekräften ist komplex, lange Zeit scheint es aber gewissen Re- geln gefolgt zu sein. Die klassische Situation war diese: Die Pflegekraft ist weiblich, die Tätigkeit eher die- nend. Der Arzt ist männlich, er ist der Entscheider. Gut kompatibel mit diesem Bild ist das „Doctor-nurse- game“, das der US-amerikanische Psychiater Leonard Stein in den Sechzigerjahren beschrieb (10). Es bezieht sich auf die Entscheidungs- findung im Krankenhaus. Demnach bringt die Schwester Vorschläge ein, ohne dass deutlich wird, dass sie etwas vorschlägt. Der Arzt kann die Anregungen aufnehmen, ohne dass dies offenkundig ist und seine Position dadurch ins Wanken gerät.

Durch das Spiel entsteht eine Alli- anz, von der beide profitieren. „Gu- te Mitspieler“ werden auf beiden Seiten geschätzt. Spielverderber sind unbeliebt. Das wäre zum Bei- spiel eine Pflegekraft, die offen Kri- tik übt, oder ein Arzt, der die ver- steckten Vorschläge ignoriert.

Die Professions- und Geschlech- terrollen haben sich in den letzten

So war die klassische Situation: Die Pflegekraft ist weiblich, die Tätigkeit eher dienend. Der Arzt ist männlich, er ist der Entscheider.

Fo

tos:

iStockphoto

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Jahren geändert. Der Frauenanteil bei Krankenhausärzten liegt inzwi- schen bei etwa 45 Prozent. Der Pflegeberuf ist nicht mehr der reine Frauenberuf. Außerdem ist seit ei- nigen Jahren eine Entwicklung in der Pflege zu beobachten, die auch als Professionalisierung und Aka- demisierung bezeichnet wird. Be- deutsam dabei ist die Entstehung von Pflegestandards und die wach- sende Zahl von Studiengängen, et- wa für Pflegewissenschaften.

Pflegeberufe treten heute selbstbewusster auf

Diese Entwicklung hat zu einem neuen Selbstverständnis der Pflege beigetragen. So sieht es Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deut- schen Pflegerates (DPR). „Pflege- kräfte wollen die Kompetenzen, die sie erworben haben, auch im Alltag einsetzen“, sagt er. Die neue Sicht- weise passe nicht mehr zu den bis- herigen Strukturen. Eine Neuvertei- lung der Aufgaben scheitere dann aber vielfach an den berufsständi- schen Vertretungen der Ärzte, die ihre Kompetenzen in Gefahr sehen.

Tatsächlich gibt es manche un- terschiedlichen berufspolitischen Auffassungen zwischen den Inter- essenvertretungen von Ärzten und Pflegekräften. Hier sieht Rudolf Henke, Vorsitzender der Kranken- hausgremien der Bundesärztekam- mer (BÄK), deutlich größere Diffe- renzen als in der täglichen Arbeit im Krankenhaus. Dort gebe es kein grundsätzliches Problem zwischen den Berufsgruppen, sondern die Zusammenarbeit funktioniere in der Regel gut. Auch bezweifelt er, dass „die“ Pflegekräfte insgesamt den Wunsch haben, ärztliche Auf- gaben zu übernehmen. „Wenn Sie mit Pflegekräften an der Basis spre- chen, dann gibt es zwar Sympathien für diese Forderungen, aber man muss auch das Haftungsproblem se- hen“, so Henke. An einer Alleinver- antwortung mit individueller Haf- tung hätten viele Pflegekräfte kein Interesse. Insofern habe sich im Alltag eher die Delegation ärztli- cher Leistungen als praktikabel er- wiesen, und nicht die Substitution, wie sie zum Teil von Pflegeverbän- den propagiert werde. Die Übertra-

gung eines eigenständigen Auftrags zur Ausübung der Heilkunde auf Pflegeberufe darf es aus Sicht der BÄK nicht geben. Die Entschei- dung über Diagnostik und Therapie sei ärztliche Aufgabe in Partner- schaft mit den Patienten.

Für DPR-Präsident Westerfell- haus geht es nicht darum, dass alle Pflegekräfte alles machen müssen.

„Wer sagt, ich gehe diesen Weg nicht und fühle mich in meiner As- sistentenrolle wohl, der hat selbst- verständlich auch das Recht dazu.“

Wenn aber Pflegekräfte eine beson- dere Qualifikation hätten, müsse man ihnen auch die Möglichkeit ge- ben, die entsprechenden Tätigkei- ten auszuführen. Wenn der politi- sche Wille da sei, könne man auch haftungsrechtliche Probleme lösen.

Neue Wege in der Aufgabenver- teilung sollten eigentlich längst er- probt werden. Doch der Gemeinsa- me Bundesausschuss konnte sich bisher nicht auf die Ausgestaltung gesetzlich vorgesehener Modellpro- jekte einigen. Im ambulanten Be- reich kommt nun aber mit dem ge- planten Versorgungsstrukturgesetz Bewegung in die Debatte. Der aktu-

elle Gesetzentwurf sieht vor, dass eine Liste ärztlicher Tätigkeiten festgelegt werden soll, die auch von nichtärztlichen Gesundheitsberufen übernommen werden können (dazu auch „BÄK will beteiligt werden“

in diesem Heft).

Klinikalltag und Berufspolitik:

zwei verschiedene Welten Das Selbstverständnis einer Berufs- gruppe hat Auswirkungen darauf, was sie einfordert und durchsetzt.

Darin sind die Ärzte offenbar deut- lich besser als die Pflegekräfte. Das zeigen die Tarifsteigerungen der ver- gangenen Jahre für Krankenhausärz- te. Außerdem sind im ärztlichen Dienst Stellen geschaffen worden, während sie in der Pflege abgebaut wurden (Tabelle). Was die Vertre- tung der eigenen Interessen angeht, aber auch die Aufwertung des Be- rufsbildes, setzt der DPR nun große Hoffnungen auf eine Entwicklung in Bayern. Dort soll eine alte Forde- rung von Pflegeverbänden umge- setzt werden: Genau wie Ärzte oder Apotheker sollen die Pflegekräfte ei- ne Kammer bekommen. Eine Ab- sichtserklärung mit der Staatsregie- rung sei bereits unterzeichnet, erklärt Westerfellhaus. „Wir gehen davon aus, dass wir im Jahr 2014 in Bayern eine funktionierende Pflegekammer haben werden.“ Auch in Niedersach- sen, Hessen und Rheinland-Pfalz ge- be es solche Überlegungen.

Bei Susanne S. geht es nicht um die große Frage, ob Pflegekräfte ärztliche Aufgaben übernehmen sollen. Das Problem ist eher banal:

Wer übernimmt Tätigkeiten, die niemandem eindeutig zugeordnet werden können, die aber alle als lästig empfinden? Susanne S. hat mittlerweile die Stelle gewechselt.

Nicht nur wegen des Lochens der Befunde. Die junge Ärztin hat ei- nen pragmatischen Anspruch an ih- ren Arbeitsplatz: Sie will ganz ein- fach nicht jeden Tag zwölf Stunden arbeiten, und schon gar nicht des- wegen, weil auf einer Station Chaos herrscht und sich die Mitarbeiter

streiten.

Dr. med. Birgit Hibbeler

@

Literatur im Internet www.aerzteblatt.de/4111 Gute interprofessionelle Kooperation ist kein Zufall.

Welche Faktoren fördern sie? Was führt zum Scheitern?

Teamarbeit ist wichtig, weil

die Kompetenz aller Berufsgruppen gebraucht wird.

sie die Patientenversorgung verbessert (gemein sames Teamziel).

sie Fehler verhindern kann.

ein Gruppengefühl entsteht, ohne dass man einen

„Feind“ braucht.

Teamarbeit ist schwierig, wenn

es Vorurteile und schlechte Vorerfahrungen gibt.

Aufgabenverteilung und Abläufe nicht geklärt sind.

Mitarbeiter mit ihrer Rolle unzufrieden sind.

sie von Führungskräften nicht vorgelebt wird.

Teamarbeit ist einfacher, wenn

sie strukturell verankert ist (fester Termin für Team - besprechung).

man den anderen wertschätzt.

sich jeder auf die Professionalität des anderen verlassen kann.

sie belohnt wird.

THESEN ZUR TEAMARBEIT

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LITERATURVERZEICHNIS HEFT 41/2011, ZU

ÄRZTE UND PFLEGEKRÄFTE

Ein chronischer Konflikt?

Die Zusammenarbeit der Berufsgruppen im Krankenhaus ist nicht immer reibungslos. Pflegekräfte fühlen sich nicht wertgeschätzt. Ärzte wünschen sich mehr Verständnis für ihre Arbeitsbelastung.

LITERATUR

1. Lecher S, Klapper B, Schaeffer D, Koch U:

Endbericht zum Modellprojekt „Interpro- fessionelle Kommunikation im Kranken- haus“ von April 1999 bis Mai 2002.

http://bundesaerztekammer.de/down loads/EndberichtInterKiK.pdf

2. Bartholomeyczik S, Donath E, Schmidt S, Rieger M A, Berger E, Wittich A, Dieterle W E: Arbeitsbedingungen im Krankenhaus.

Dortmund: Bundesanstalt für Arbeits- schutz und Arbeitsmedizin 2008.

http://www.baua.de/de/Publikationen/

Fachbeitraege/F2032.pdf

3. Buxel H: Was Pflegekräfte unzufrieden macht. Dtsch Arztebl 2011; 108(17):

A 946–8.

4. Buxel H: Der ärztliche Nachwuchs ist un- zufrieden. Dtsch Arztebl 2009; 106(37):

A 1790–3.

5. Angerer P, Glaser J, Petru R, Weigl M: Ge- zielte Maßnahmen, die sich lohnen. Dtsch Arztebl 2011; 108(15): A 832–3.

6. Dumitrescu A: Cappuccinogeschichten.

Dtsch Arztebl 2010; 107(5): A 206–8.

7. Sander K: Profession und Geschlecht im Krankenhaus. Konstanz: UVK Verlagsge- sellschaft 2009; 102–25.

8. Dahlgaard K: Verbesserung der teamori- entierten Zusammenarbeit zwischen Ärz- ten und Pflegekräften – Neue Chancen durch Prozessorientierung und erweiterte Aufgaben für Pflegende. Z Evid Fortbild Qual Gesundh wesen (ZEFQ) 2010;

104(1): 32–8.

9. Antoni C H: Interprofessionelle Teamarbeit im Gesundheitsbereich. Z Evid Fortbild Qual Gesundh wesen (ZEFQ) 2010;

104(1): 18–24.

10.. Stein L: The Doctor-Nurse Game. Arch Gen Psychiatry 1967; 16(6): 699–703.

Referenzen

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