M 241/2007 ERZ 6. Februar 2008 ERZ C
Motion
0169 Schärer, Bern (Grüne)
Weitere Unterschriften: 6 Eingereicht am: 10.09.2007
Keine Schliessung der Soziologie an der Universität Bern!
Der Regierungsrat wird aufgefordert:
1. Dafür zu sorgen, dass das Fach Soziologie an der Universität Bern weitergeführt wird.
2. Die Umverteilung von Finanzmitteln an der Universität Bern zu überprüfen.
Begründung
Den Medien1 war überraschend zu entnehmen, dass die Universitätsleitung erwägt, das Fach Soziologie an der Universität Bern nicht mehr weiterzuführen. Begründet wird dies damit, dass die Nachfrage nach Soziologie an der Universität Bern so gross sei, dass die Betreuung der Studierenden nicht mehr gesichert werden kann.
Die ungenügende Betreuung der Soziologiestudierenden ist nicht über Nacht gekommen.
Soziologie wird an der Universität Bern seit über 50 Jahren angeboten, seit dem Wintersemester 1994/95 auch im Hauptfach. Seit Jahren ist Soziologie ein stark nachgefragtes Fach, denn die Soziologie ist in der Lehre und Forschung von wachsender Bedeutung. Bisherige Stärken des soziologischen Institutes wie die überdurchschnittliche Einbindung in nationale und internationale Forschungsprogramme, aber auch innovative Schwerpunktsetzungen, wie zum Beispiel seit den neunziger Jahren im Bereich der Geschlechtersoziologie, würden jäh ein Ende gesetzt.
Gerade in der interdisziplinären Lehre und Forschung, nimmt die Soziologie eine eminent wichtige Stellung ein. Die Erforschung von gesellschaftlichen Entwicklungen, Wertvorstellungen und Haltungen ist in verschiedenen Forschungsgebieten, zum Beispiel vermehrt auch für den Bereich der Natur- und Umweltwissenschaften und der Nachhaltigkeitsforschung, von grosser Bedeutung. Dies wird gerade in der neueren Strategie der Universität Bern, welche vermehrt Schwerpunkte bilden will (z.B.
Schwerpunkt Klimaforschung) besonders wichtig werden. Für die Zukunft wird der Einbezug der Sozialwissenschaften in der inter- und transdisziplinären Forschung für die Universität Bern und den Kanton Bern einen Gewinn darstellen. Darum wäre die Schliessung der Soziologie eine völlig falsche Weichenstellung.
Die Universitätsleitung geht davon aus, dass eine Zusammenarbeit mit der Universität Fribourg sinnvoll wäre. Es ist aber wohl kaum realistisch, dass Fribourg die Kapazitäten
1 Bund vom 7.9.2007, „Universität erwägt Schliessung der
Soziologie“ und BZ vom 8.9.2007, „Universität Bern: Soziologie steht auf der Kippe“
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hätte, 500 Studierende aufzunehmen. Zudem wird das Fach Soziologie an der Universität Fribourg französisch angeboten.
Es liegt in der gemeinsamen Verantwortung von Grossrat und Regierung, kurzfristige Weichenstellungen in die falsche Richtung zu verhindern und trotz beschränkten Ressourcen auf langfristige Entwicklungen und Qualität zu setzen. Dies kann nur geschehen, wenn auch Mittelverteilungen über die Fakultätsgrenzen hinweg untersucht werden.
Antwort des Regierungsrates
Der Regierungsrat teilt die Auffassung der Motionärin. Die Soziologie ist ein wichtiger Teil der Sozialwissenschaften und soll weiter an der Universität Bern vertreten sein. Der Leistungsauftrag (Ziele und Vorgaben) des Regierungsrates an die Universität Bern für die Jahre 2006 bis 2009 (RRB 1133 vom 24. Mai 2006) sieht denn auch klar ein Studienangebot der Universität Bern im Fach Soziologie vor. Der Regierungsrat wurde nie mit allfälligen Plänen der Universität Bern konfrontiert, das Fach Soziologie nur noch in Freiburg anzubieten und in Bern im Gegenzug das Fach Politologie auszubauen.
Die Presseberichte vom Herbst 2007 stehen vor folgendem Hintergrund: Das Institut für Soziologie bestand ursprünglich aus der ordentlichen Professur für allgemeine Soziologie und der ordentlichen Professur für Soziologie unter besonderer Berücksichtigung der empirischen Sozialforschung. Um den Bereich zu stärken und die Betreuungsverhältnisse wie auch die Lehr- und Forschungsleistungen zu verbessern, wurde auf das akademische Jahr 2007/08 eine dritte Professur für Soziologie, insbesondere für Sozialstrukturanalyse, geschaffen. Die Besetzung dieser neuen Professur erwies sich aber als schwierig.
Gleichzeitig nahm der Stelleninhaber der ordentlichen Professur für Soziologie unter besonderer Berücksichtigung der empirischen Sozialforschung schon kurz nach Stellenantritt eine neue Professur in Deutschland an und auch die Neubesetzung dieser Professur bot der Universität Bern Probleme. Vor diesem Hintergrund lud die Universitätsleitung Ende August die zuständige Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ein, eine Stellungnahme betreffend Situation, Ausrichtung und Optionen für die Soziologie in Bern auszuarbeiten.
Die Fakultät kam diesem Auftrag nach und unterbreitete Anfang November einen Vorschlag zur künftigen Struktur des Departements Sozialwissenschaften, zu welchem neben Politologie und Medienwissenschaften auch die Soziologie gehört. Das Modell der Fakultät sieht drei Hauptpunkte vor, nämlich die Schwerpunktbildung der drei Disziplinen um das Thema „Governance“, die Stärkung der Departementsstrukturen durch gemeinsame Entscheidungen über Ressourcen und Professuren sowie die Einrichtung eines gemeinsamen sozialwissenschaftlichen Bachelors, auf welchen verschiedene fachwissenschaftliche Masterstudien in Soziologie und Politikwissenschaften aufbauen sollen. Der Begriff „Governance“ soll als Brücke zwischen den sozialwissenschaftlichen Disziplinen genutzt werden: Es geht darum, wie Sozialstruktur, Oekonomie und Kultur durch kollektive und individuelle Akteure gestaltet werden und wie diese Subsysteme politische Akteure und Institutionen beeinflussen. Durch die Schaffung des Schwerpunktes
„Governance“ verbessert die Universität Bern die Chance gemeinsamer Arbeiten über die Grenzen der bisherigen Institute hinweg. Sie schafft ein Profil innerhalb eines weiten Rahmens, der die Forschungsfreiheit gewährleistet. Angesichts des Standortes Bern erscheint dem Regierungsrat die neue Schwerpunktsetzung der Universität ideal.
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Gemäss der erfolgten Analyse der Universität lassen sich Synergien und wissenschaftliche Stärke nur gewinnen, wenn die Forschungs- und Lehrgruppen des Departements stärker als bisher verzahnt werden. Mit einer solchen Struktur wird den Möglichkeiten des Bologna-Modells besser Rechnung getragen und die fächerübergreifende Forschung vorangetrieben. Damit wird die Universität über ein attraktives und zukunftgerichtetes Angebot im Bereich der Sozialwissenschaften verfügen, in welchem die Soziologie einen wichtigen Platz einnehmen wird.
Durch das von der Universitätsleitung genehmigte Modell werden die Anliegen der Motionärin vollumfänglich erfüllt. Das Modell ermöglicht Mittelumlagerungen innerhalb des Departements. Über Mittelumlagerungen innerhalb der gesamten Universität entscheidet der Senat auf Antrag der Finanz- und Planungskommission. Die Universität hat dabei die Vorgaben des Leistungsauftrags zu erfüllen.
Der Regierungsrat wird den neuen Ansatz der Universität im Rahmen des Controllings des Leistungsauftrags prüfen und für die Leistungsperiode 2010 - 2013 allfällige weitere Vorgaben definieren.
Antrag: Annahme unter gleichzeitiger Abschreibung
An den Grossen Rat