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Archiv "Norbert Jachertz: Kompetent, mutig, rheinisch-gelassen" (03.09.2004)

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egen eine hochoffizielle Verab- schiedung hat sich Norbert Ja- chertz lange gesträubt. Schließlich teilt er die wohl berufsbedingte Abnei- gung vieler Journalisten gegenüber fei- erlich-pathetischen Reden. Ganz durch- setzen konnte er sich (ausnahmsweise) nicht: Herausgeber und Verlag des Deutschen Ärzteblattes ließen es sich nicht nehmen, die Verdienste des langjährigen Chefredakteurs zu würdi- gen. „Einen Redakteur, wie man ihn sich nur wünschen kann: unabhängig, selbstständig, kenntnisreich“ nannte ihn Dr. med. Manfred Richter-Reich- helm, Erster Vorsitzender der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung (KBV), bei einem Empfang in Köln. Er sprach auch im Namen des anderen Herausge- bers, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hop- pe, des Präsidenten der Bundesärzte- kammer. Unter den Gästen, die der Einladung der Geschäftsführer des Deutschen Ärzte-Verlags, Dieter We- ber und Jürgen Führer, gefolgt waren, befanden sich Jachertz’ Vorvorgänger Prof. Dr. h. c. J. F. Volrad Deneke, der frühere Geschäftsführer des Verlags, Dr. rer. nat. Ferdinand Klinkhammer,

Verlagsleiter Rüdiger Sprunkel und der Geschäftsführer der Druckerei L.N.

Schaffrath, Helmut Fengels.

„Norbert Jachertz war nie ein Heilsver- künder, oft aber ein Warnender“, stellte Richter-Reichhelm heraus. Unter seiner Führung habe das Deutsche Ärz- teblatt nicht nur informiert, politi- sche Entwicklungen kommentiert und eingeordnet sowie wissen- schaftlich wertvolle medizinische Artikel veröffentlicht, sondern zugleich eine Plattform geboten, auf der Ärzte ihre Belange diskutieren konnten.

„Die hohe Reputation des Deutschen Ärzte- blattes ist zum großen Teil Ihr Verdienst“, hob Richter-Reich- helm hervor. Seit er sich erinnern könne, sei Jachertz für das

Deutsche Ärzteblatt tätig. Vor 32 Jahren, am 1. Juli 1972, war Jachertz in die Redak- tion eingetreten. Begonnen hatte er als junger Diplom-Volkwirt seinen Berufs- weg bei der Rheinischen Raiffeisen-Orga- nisation in Köln, von der er 1967 als Refe-

rent zur Bundesärztekammer wechselte.

Beim Ärzteblatt leitete er seit 1984 das po- litische Ressort, 1991 wurde er als Nach- folger von Ernst Roemer Chefredakteur.

Seither hat Jachertz das Deutsche Ärzteblatt geprägt – als Journalist, als Chef, als Mensch. Josef Maus, der stell- vertretende Chefredakteur, fasste dies in dem Satz zusammen, die Redaktion ha- be sich in all den Jahren bei Norbert Ja- chertz gut aufgehoben gefühlt. Wer die souveräne Gelassenheit erlebt hat, die Jachertz auch dann bewahrt, wenn die Situation eigentlich Anlass zur Hektik böte, kann das nachempfinden. Laute Töne hatte und hat er nicht nötig. Ja- chertz findet Gehör, ohne zu explodie- ren. Seinen Plauderton und sein freund- liches Lächeln hinter der Lesebrille, das schon mal schelmische Züge annimmt, als mangelnde Stringenz oder Zielstre- bigkeit zu deuten wäre eine glatte Fehl- einschätzung. Jachertz ist auch ein erfolg- reicher Redaktionsmanager, der seine

„Macht“ einzusetzen weiß und seine Ziele zäh, zuweilen auf unkonventionel-

len Wegen verfolgt. Vor den Gästen be- kannte er sich ausdrücklich zu seinen

„kantigen Seiten“ und dazu, nach langer Diskussion mitunter „undemokratisch entschieden“ zu haben. Zwei gründliche Überarbeitungen des Deutschen Ärzte- blattes, die in einem neuen Layout, mehr Fotos und Farben mündeten, hat er an- P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 363. September 2004 AA2359

Norbert Jachertz

Kompetent, mutig, rheinisch-gelassen

Langjähriger Chefredakteur des Deutschen Ärzteblattes verabschiedet

Dank von den Herausgebern des Deutschen Ärzteblattes: Prof. Dr. med. Jörg-Diet- rich Hoppe (r.) und Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm (l.) mit Norbert Jachertz

Eine Sonderausgabe zum Ausstand: KBV-Vorsit- zender Richter-Reichhelm überreicht das Heft.

Fotos:Eberhard Hahne

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A2360 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 363. September 2004

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ür das Jahr 2003 wurden 1 815 Fälle von aktiver Sterbehilfe in den Niederlanden gemeldet, was einen Rückgang von 300 Fällen im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.Was sich wie eine gute Nachricht anhört, bedeutet jedoch, dass es eine steigende Dunkelziffer gibt. Es ist anzunehmen, dass in weit mehr als den gemeldeten Fällen aktive Sterbehilfe vorgenommen wird. Auch die Staatssekretärin im niederlän- dischen Gesundheitsministerium, Clé- mence Ross-van Dorp, geht von einem nachlassenden Meldeverhalten der beteiligten Ärzte aus und kündigte in einem Schreiben an das niederlän- dische Parlament eine Untersuchung der Hintergründe an.

Es ist davon auszugehen, dass diese Fälle deshalb nicht an die regionalen Kontrollkommissionen gemeldet wur- den, weil die gesetzlichen Vorausset- zungen nicht erfüllt wurden. Besonders bedenklich stimmt, so die Bayerische Stiftung Hospiz, die relativ geringe Zahl der aus Krankenhäusern und Pflegehei- men gemeldeten Fälle, da es sich dabei in der Regel um Personen handele, die auf die Pflege und Fürsorge anderer an- gewiesen seien und die häufig nicht mehr in der Lage seien, ihren Willen frei zu äußern. Die Stiftung Hospiz berich- tet, dass in Belgien und den Niederlan- den inzwischen immer mehr Menschen eine so genannte Lebensverfügung bei sich tragen, mit der sie sich vor Maß- nahmen zur ungewollten Lebensbe- endigung schützen wollen.

Nach dem im Jahr 2001 in Kraft ge- tretenen niederländischen Euthanasie- Gesetz, mit dem die seit 1994 geltende Sterbehilferegelung neu gefasst wurde, bleiben aktive Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid unter bestimmten Voraus-

setzungen von einer Strafverfolgung befreit. Danach hat ein Arzt bestimmte Sorgfaltskriterien zu erfüllen: Er muss zu der Überzeugung gelangt sein, dass der Patient „freiwillig und nach reifli- cher Überlegung“ um Sterbehilfe gebe- ten hat. Er muss außerdem davon aus- gehen können, dass der Zustand des Pa- tienten „aussichtslos und sein Leiden

unerträglich war“. Der Patient sollte über seinen Zustand und sein Leiden informiert sein, und der Arzt musste zu der Überzeugung gelangt sein, dass es in dem Stadium, in dem sich der Patient befand, keine andere Lösung gab. Ein Kollege musste zu Rate gezogen wer- den, und er hatte nachzuweisen, dass er

„die Lebensbeendigung medizinisch sorgfältig ausgeführt hat“. Ob ein Arzt die gesetzlich vorgeschriebene Sorg- faltspflicht verletzt hat, überprüft eine regionale Prüfkommission. Dieser gehören ein Arzt, ein Jurist und ein Ethiker an. Auch Minderjährige dürfen um „Lebensbeendigung oder Hilfe bei Selbsttötung“ bitten, Minderjährige un- ter 16 Jahren benötigen das Einver-

ständnis der Eltern.

Sterbehilfe, Euthanasie und Sterbebegleitung

Eine steigende Dunkelziffer

In den Niederlanden werden immer weniger Euthanasiefälle gemeldet. Ausgehend von dieser Entwicklung, veröffentlicht das DÄ jetzt zu dieser Thematik erschienene Beiträge sowie zahlreiche Dokumente in einem neuen Dossier.

Auch in den Niederlanden ist die Euthanasiege- setzgebung nicht unumstritten. Bereits 1993 organisierte die Stiftung „Schrei um Leben“

einen Protestmarsch.

Foto:dpa

gestoßen und durchgesetzt. Das Gleiche gilt für den Internetauftritt dieser Zeit- schrift, der weiter an Bedeutung ge- winnt. Noch vor dem Umzug des Parla- ments und der Regierung von Bonn an die Spree 1999 hatte Jachertz den Auf- bau einer Berliner Redaktion vorberei- tet, die heute auf ein fünfköpfiges Team angewachsen ist. Die mit diesem Heft beginnende Ausweitung des redaktio- nellen Angebots um Aufsätze Online (siehe unter Themen der Zeit) wurde ebenso unter seiner Verantwortung auf den Weg gebracht wie die Artikel zur zertifizierten Fortbildung, die den Le- sern in Kürze zur Verfügung stehen.

„Ein Blatt zu machen, das bei unseren Lesern ankommt“ sei sein Ziel gewesen, sagt Jachertz rückblickend. Dabei hatte er nichts weniger im Sinn als einen Ge- fälligkeitsjournalismus nach dem Motto

„allen wohl und niemand wehe“. Zu sei- nem journalistischen Anspruch gehört es vielmehr, auch heiße Eisen aufzugrei- fen und eindeutig Position zu beziehen.

Hier sind die Artikelserie „Medizin im

‚Dritten Reich‘ “ zu nennen, die auch als Buch erschien. Immer wieder ist Ja- chertz im Deutschen Ärzteblatt dafür eingetreten, der Fortpflanzungsmedizin und der Stammzellforschung klare ethi- sche Grenzen zu setzen. So warnte er 2000 in einem Kommentar davor, auch mit einer von der Bundesärztekammer zur Diskussion gestellten restriktiven Zulassung der Präimplantationsdiagno- stik werde die „Grenze zur Selektion un- geborenen Lebens“ überschritten mit der Folge, dass die Entwicklung nicht mehr zu steuern sei.

Dass Jachertz mit seinen Beiträgen auch mal von der offiziellen Linie der Herausgeber abwich, war durchaus kein Einzelfall. Dafür bekundeten die Herausgeber jetzt dem Journalisten, der sich kritische Distanz bewahrt und gesellschaftspolitische Debatten ange- stoßen habe, ihren Respekt. Er hat so seinem Nachfolger Heinz Stüwe und der Redaktion eine gute Ausgangsbasis für die künftige Arbeit verschafft. Ja- chertz will sich verstärkt dem Schreiben widmen. Seine Verdienste hat die Re- daktion auf ihre Art gewürdigt: in ei- nem ihrem etwas abergläubischen früheren Chef gewidmeten Sonderheft mit dem Titel „12+1 Jahre Chefredak- teur Norbert Jachertz“. Heinz Stüwe

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