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Archiv "Arzt-Patient: Vergiftet" (13.12.2013)

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A RZT-PA TIENT

Vor rund 20 Jahren hielt der Wettbewerb in das deutsche Ge- sundheitswesen Einzug (DÄ 42/2013:

„Arzt-Patient-Bezie- hung: Vertrauen über Jahrzehnte weggespart“ von Eu- genie Ankowitsch).

Das Hamsterrad

Sonia Mikichs berichtete Anmer- kungen zum deutschen Gesund- heitswesen sind berechtigt – und sie treffen auch für den ambulanten Sektor zu. Dabei sind diese Er- kenntnisse alles andere als neu. Es ist beinahe schon peinlich, nach den Bestrebungen einer integrativen, klientenorientierten Medizin, dem erwarteten (und ausgebliebenen) Paradigmenwechsel der späten 80er Jahre, erneut an Michael Balint er-

innern zu müssen: Verzettelung der Verantwortung, Spezialistentum, di- agnostische Routinen und „clinical pathways“, die Segnungen der so- genannten „evidenzbasierten“ (ein Unwort, gemeint ist: „beweisorien- tierten“ Medizin) haben im Rahmen der an diesen „Werten“ orientierten Ökonomisierung den Betroffenen und seinen Arzt (oder die Betroffe- ne und ihre Ärztin) in eine ebenso einfache wie absurde Lage manö- vriert: Wenn ich mich kurz fasse, den Betroffenen nach Medizinerart auf Expertenebene abhandle, mich an die Studienlage, die Leitlinien und dabei auch noch an die ökono- mischen Vorgaben (also DRGs in der Klinik, Budgets, Rabattverträge und Heilmittelrichtlinien in der Pra- xis) halte, dann betreibe ich die Sor- te Medizin, die politisch gewollt ist.

– Wenn ich mich hingegen verant- wortlich fühle (für die Klinik, in der ich arbeite, für die Praxis, die meine

ist, für den Menschen, der vor mir sitzt – wenn ich mir die Zeit nehme, ihn in seiner Situation wahr und ernst zu nehmen; wenn ich also Sinn stifte, Verzettelung vermeide, ein gemeinsames Behandlungsziel definiere, dann über diagnostische und therapeutische Strategien ein- schließlich deren Vorteile und Risi- ken aufkläre und nicht locker lasse, bevor ein gemeinsam befürworteter Weg gefunden ist), dann kostet mich das Zeit, die nicht honoriert wird, weder im stationären noch im ambulanten Sektor. – Das ist das Hamsterrad der „modernen“ Medi- zin . . .

Dr. med. Jesko Matthes, 21407 Deutsch Evern

Vergiftet

. . . Es geht nicht darum, einer ver- nünftigen Ökonomie in der medizi- nischen Versorgung die Daseinsbe- rechtigung zu nehmen, nein, sie soll V

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B R I E F E

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Zum Artikel „Interdisziplinäre Telekonsultation: Erfahrungen in der HNO- Heilkunde“ von Iris Gollnick und Thomas Lipp in Heft 35–36 vom 2. Sep- tember 2013: Teile dieses Beitrags sind fast wortgleich erschienen in dem Beitrag I. Gollnick, M. Frehiwot, E.M. Krause, S. Schaller, E. Limpert, G. Strauß, T. Lipp, M. Scherz, Z. Injac, Interdisziplinäre Telekonsultation – Erste praktische Erfahrungen mit 100 Patienten, in der Zeitschrift HNO, Juni 2013, ohne dass im DÄ die Quelle angegeben wurde. Das gilt ebenfalls für die Grafiken 1 und 2. Die Redaktion bedauert dies.

schon die Existenz einer guten me- dizinischen Versorgung sichern.

Verschwendung von Ressourcen können wir uns nicht leisten. Es geht aber darum, dass sich die Öko- nomie bereits sehr weit in das ärzt- liche Denken und Handeln einge- schlichen hat und beginnt, ärztliche Erfahrung und Intuition durch Leit- linien und starre Algorithmen (die von unsicheren Jungärzten gern an- genommen werden) zu ersetzen.

Dies vergiftet mehr und mehr das Vertrauen, das die wichtigste Grundlage der Arzt-Patienten-Be- ziehung darstellt. Man kann sich ausmalen, dass dies erhebliche (ob- jektiv unnötige) Mehrkosten im Ge- sundheitssystem verursacht, wahr- scheinlich in der Größenordnung ei- ner zweistelligen Milliardensumme (zum Beispiel mehr Zweitmeinun- gen, Nichtbefolgen von ärztlich ver- ordneten Therapien, Missachtung von ärztlichem Rat, eine Fülle von forensisch motivierten Untersu- chungen, häufigerer Arztwechsel, etc., . . .

Im Hessischen Ärzteblatt 8/2013, SS. 614–620, „Wieviel Ökonomie verträgt die Medizin? – Plädoyer für eine neue Aufwertung der medi- zinischen Logik“ beschreibt Herr Prof. Dr. med. Giovanni Maio aus Freiburg die Verdrängung der medi- zinischen Logik durch die ökono- mische Logik eindrücklich . . . Ich zitiere: „Heute wird unter öko- nomischen Druck der Aufwand an Gesprächszeit, an Begegnungszeit mit dem Patienten eingespart, und so spart die Medizin nicht das Über- flüssige ein, sondern sie spart am Kern ihrer Identität ein, weil der Kontakt mit dem Patienten das ist, was der eigentliche Grund war, Medizin als sozialen Beruf zu wäh- len.“ . . .

Dr. med. Harald Knigge, 60389 Frankfurt am Main

Dem hippokratischen Eid verpflichtet

. . . Es war das größte Gift, als unter der Führung von Herrn Seehofer der Wettbewerb in das deutsche Ge- sundheitswesen eingeführt wurde.

Ein Wettbewerb mit dem kranken Menschen ist nicht möglich! Mit Krankheit kann man kein Geschäft machen.

Rein wirtschaftliche Gesichtspunkte im Gesundheitswesen sind völlig deplatziert. Die heutige Auffassung, dass ein Krankenhaus ein Unterneh- men ist wie ein übliches Wirt- schaftsunternehmen und auch so wirtschaften muss, ist völlig dane- ben. Noch einmal: Mit dem kranken Menschen lässt sich kein Gewinn machen . . . Das heißt im Klartext, dass sich die Gesellschaft entschei- den muss, wie viel Gesundheit sie ihren Bürgern zubilligt und wie viel nicht. In früheren Zeiten haben die Kommunen die Defizite ihrer Kran- kenhäuser abgedeckt, was sie zwi- schenzeitlich einfach ablehnen.

Dies ist zum Scheitern verurteilt.

Ein kranker Mensch, und damit ein Krankenhaus und das gesamte Ge- sundheitswesen wird immer ein Zu- schussbetrieb bleiben . . .

Ökonomie in dem heute in der Wirtschaft üblichen Sinne hat in der Medizin nichts zu suchen, konterka- riert das ganze System. Der ent- scheidende Unterschied ist, ob ich das ärztliche Handeln als eine Hil- feleistung sehe, die zwar Geld kos- tet und die ein verantwortungsvol- les Umgehen mit Geld fordert, aber nicht den finanziellen Aspekt über alles stellt. Letzteres ist jedoch heu- te eindeutig der Fall, da durch Krankenkassen und die Politik die Grenzen so gesetzt werden, dass die Finanzen vor jeder medizinischen Entscheidung stehen. Dies ist schlimm . . .

Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 50

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13. Dezember 2013 A 2431

B R I E F E

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