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Archiv "Arzt und Patient in der Leistungsgesellschaft" (17.04.1975)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen THEMEN DER ZEIT

Wenn auf einer ärztlichen Fortbil- dungsveranstaltung der einleitende Vortrag sich mit allgemeinen oder spezifischen Problemen der Medi- zin zu befassen pflegt, so habe ich mir heute die Aufgabe gestellt, wel- che Bedeutung die Leistung in der heutigen Gesellschaft, welche möglichen Folgen sie für den ein- zelnen Menschen haben kann und welche Reflexionen sich hieraus für die ärztliche Tätigkeit ergeben.

Der Begriff der Leistung ist ein ausgesprochenes Reizwort gewor- den, das man heute sofort ver- bindet mit den Vorstellungen von

Leistungsdruck / Leistungsbejahung oder Leistungsverweigerung. Der Begriff schließt also sofort eine Wertung ins Positive oder Negative ein. Nun müssen wir davon ausge- hen, daß ein moderner Staat, ins- besondere ein Industriestaat, ohne Leistungsgesellschaft nicht existie- ren kann. Die Geschichte der Menschheit ist von Anfang an durch Arbeit und Leistung be- stimmt. In der Genesis heißt es be- kanntlich: „Im Schweiße Deines Angesichts sollst Du Dein Brot es- sen." Das ist im übertragenen Sin- ne auch heute so geblieben, wenn- gleich zahlreiche Tätigkeiten ohne körperliche Kraftanstrengung ver- richtet werden. Aber es ist wieder aktuell geworden, die Arbeit der Faust gegen jene des Hirns auszu- spielen.

Die Philosophie der Leistungsver- weigerung argumentiert, daß der Mensch nach Abschaffung des Leistungsprinzips weniger Bedürf- nisse habe, daß deswegen auch weniger produziert werden müsse und folgerichtig weniger gearbeitet zu werden brauche. Das Ideal ist die repressionsfreie Gesellschaft, in

der statt Zwang aller Art nur das uneingeschränkte Lustprinzip herrscht. Dies führe auch zu einer totalen ,Vernichtung der Aggres- sion. Es ist aber bemerkenswert, daß unerhört starke Aggressionen von jenen Kreisen ausgeübt wer-

den, welche die aus dem Lei- stungsprinzip abgeleitete Status- und Konsumgesellschaft ablehnen und diesem Prinzip die totale Wei- gerung entgegenstellen.

Nach Arnold Gehlen leitet sich das heutige Ressentiment gegen die Leistung von den Angriffen gegen den Kapitalismus und gegen das arbeitende Vermögen ab, die es seit dem 18. Jahrhundert gibt. Es stamme aus den Kreisen der mora- lisierenden Intellektuellen mit ih- rem (nach Sorell) „fanatischen und wilden Haß, mit dem die Intellektu- ellen immer die Besitzenden ver- folgt haben". Diese Intellektuellen fragen nicht nach den Quellen des Besitzes, nach Art und Umfang der geleisteten Arbeit, nach Einsatz und Opfer der sogenannten Lei- stungswilligen und gar der Lei- stungsfreudigen. Den besitzenden Klassen werden die unterprivile- gierten Schichten entgegengestellt, wobei bemerkenswerterweise die Unterprivilegierung jener Klassen darin besteht, daß ihre Leistung zu hoch und ihre Bezahlung zu nied- rig seien. Es wird daraus der Schluß gezogen, daß diese soge- nannten unterprivilegierten Schich- ten nunmehr weniger zu arbeiten hätten und besser zu entlohnen seien.

Dabei wird mit dem Begriff der Verbesserung der Lebensqualität gearbeitet. Dieser Begriff der quali- tas vitae stammt ursprünglich von Sallust, welcher die Entartungser-

Der Begriff „Leistung" und seine organisatorische Aus- füllung „Leistungsgesell- schaft" haben in der politi- schen Diskussion der letzten Jahre mehr negative als posi- tive Betrachtungen erlitten, wodurch manches bisher Selbstverständliche in Frage gestellt wurde. Was Leistung und Leistungsgesellschaft ei- nerseits für den Gesunden und den Patienten bedeuten, was bisher andererseits für Aufgaben und für Ansprüche an Arzt und Pflegepersonal stellt, untersuchte Prof.

Schettler in einem Festvor- trag, den er bei den Eröff- nungsveranstaltungen der In- ternationalen Fortbildungs- kongresse der Bundesärzte- kammer am 9. März 1975 in Badgastein und am 10. März 1975 in Davos hielt (Über die- se Veranstaltungen ist be- reits in Heft 12 des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTES be- richtet worden).

scheinungen des Adels im alten Rom kritisierte. In unserer Zeit wurde der Begriff der Lebensquali- tät mit der Zunahme des Nettoein- kommens verbunden. Die Lebens- qualität wächst demnach scheinbar mit dem materiellen Gewinn. Sie ist eng verbunden mit den Zuwachsra- ten des jährlichen Bruttosozialpro- dukts. Mit dieser Anschauung setz- te sich der Club of Rome kritisch auseinander. Wir alle sind heute Zeugen für die Grenzen und für die fehlerhaften Konzeptionen dieser Wachstumstheorie. Der Begriff der neuen Lebensqualität leitet sich nach Eppler davon ab, daß vom jährlich aufgebrachten Bruttoso- zialprodukt der Bruttosozialscha- den in Form der Umweltver- schlechterung, der Ungerechtigkeit der Einkommen- und Vermögens- verteilung, der Ungleichheit der Bil- dungschancen und der Inhumanität des sogenannten Leistungsdrucks sowie des sogenannten Konsumter-

Arzt und Patient

in der Leistungsgesellschaft

Gotthard Schettler

1138 Heft 16 vom 17. April 1975 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Arzt und Patient in der Leistungsgesellschaft

rors abgezogen werden muß. Dem privaten Reichtum wird die soge- nannte öffentliche Armut entgegen- gehalten. Es ist mit dem Begriff der Lebensqualität dann immer eine negative Aussage verbunden.

Es dürfte eines der wesentlichsten Anliegen in der Erziehung unserer Gesellschaft sein, den Begriff der Lebensqualität positiv zu motivie- ren. Nach Schmölders ist es das Gebot der Stunde, das Qualitäts- prinzip nicht im Gegensatz, son- dern in Harmonie mit einem huma- nen Leistungsprinzip zu sehen. Der Mensch habe nicht nur um der Ma- ximierung eines materiellen Nut- zens willen, sondern aus einer komplexen Motivation heraus, in der gerade auch immaterielle Wer- te und Reaktionen vorhanden sind, zu wirtschaften. Und eben die Wirt- schaft müsse sich auf die nichtma- teriellen Werte besinnen. Wenn es in den Industrieländern in den letz- ten Jahren beträchtliche Einkom- menssteigerungen gegeben hat, die nun mit Arbeitszeitverkürzung und Zuwachs an Freizeit einherge- hen, so muß der Mensch lernen, mit dieser gewonnenen Freiheit umzugehen. Wir werden sehen, daß hierin eine besondere erzie- herische Aufgabe der Ärzte gele- gen ist.

Zu den Indikatoren der Lebensqua- lität gehören nach Untersuchungen der Mainzer Akademie der Wissen- schaften aus dem Jahre 1972 elf Grundanliegen. An der Spitze ste- hen Gesundheit und Ernährung. Es folgen Arbeit, Beschäftigungslage, Verbrauch, Verkehr, Wohnung, Kleidung, Erholung, soziale Siche- rung und schließlich die . persönli- che Freiheit. Gesundheit und sinn- volle Ernährung stehen also an der Spitze des Wünschenswerten und sind die Basis eines jeden Fort- schritts. Die Erhaltung von Lebens- qualität ohne Gesundheit ist eine Utopie.

Damit sind dem Arzt als Bewahrer und bemühtem Helfer bei der Wie- derherstellung der verlorengegan- genen Gesundheit bedeutende Auf- gaben gestellt. Die Erhaltung von

Gesundheit und Wohlbefinden bis in ein möglichst hohes Alter waren von je her die Ziele des ärztlichen Strebens. Die modernen Begriffe der Prävention und der Rehabilita-

-ECHO

Zu: „Davos: Intensität und Effi- zienz" in Heft 12/1975, Seite 803 f.

Ärztliche Fortbildung

„Eine Umstrukturierung und Verbesserung der ärztlichen Fortbildung befürwortete bei der Eröffnung des 23. Inter- nationalen Fortbildungskon- gresses der deutschen Bun- desärztekammer in Davos der Vorsitzende des Deut- schen Senats für ärztliche Fortbildung, Professor A.

Schretzenmayr. Es gelte, wie es in seinem Bericht im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT heißt, den Wissensstand zu aktualisieren und zu verbes- sern. Das Angebot an Fortbil- dungsmöglichkeiten sei in keinem anderen Land so viel- fältig wie gerade bei uns.

Auch lasse der Fortbildungs- eifer kaum zu wünschen üb- rig, nur nähmen die Journali- sten davon leider recht we- nig Notiz. Eine bloße Auswei- tung des Angebots sei eher negativ als positiv zu werten.

Notwendig sei vielmehr eine Effizienzkontrolle und Effi- zienzsicherung der ärztlichen Fortbildung, ähnlich wie sie bereits auf einem anderen Sektor, nämlich der Laborme- dizin, gegeben sei." (Frank- furter Allgemeine Zeitung)

tion sind die notwendige Ergänzung der kurativen Medizin. Das heißt, die moderne Heilkunde umfaßt das weite Feld von der Früherkennung von Krankheiten bis zur Wiederher- stellung der Gesundheit. Sie hat es sich zur Aufgabe gestellt, krankma- chende Faktoren frühzeitig zu er-

kennen und zu eliminieren und den Menschen zu helfen, diese Fakto- ren im einzelnen zu vermeiden. Da- mit ist die moderne Definition der Heilkunde gegeben. Damit ist aber auch die Verantwortung des ein- zelnen in diesem Gesundheitssy- stem fixiert.

Die Qualität des Lebens kann also nicht zwangsweise als gesell- schaftspolitische Norm verordnet oder gewaltsam eingeführt werden.

Es geht auch nicht, mit öffentlichen Mitteln kollektivistisch eine Zwangswohlfahrt einzuführen, ohne dabei jegliche persönliche Freiheit abzuschaffen. Es ist un- möglich, mit Hilfe einer perfektio- nierten Staatsvorsorge sozusagen ein modernes Arkadien einzurich- ten. Auch und gerade auf dem Ge- biete der Gesundheitspolitik kann auf den Leistungsgedanken nicht verzichtet werden. Jeder einzelne hat also seinen Beitrag zur Erhal- tung seiner Gesundheit zu leisten, was nicht immer leicht ist. Jeder Arzt hat mit allen zu Gebote ste- henden Mitteln die bestmögliche Leistung zu erbringen, um seinen Aufgaben gerecht zu werden. Es wird ein Anliegen dieser Untersu- chungen sein, die Grundlagen und die Auswirkungen dieser Prinzipien darzulegen.

Leistung und Freiheit

Wir leben in einer freiheitlichen Gesellschaft. Die Erhaltung dieser Freiheit ist das erklärte Ziel der Verfassung, zu der sich auch die Parteien des Bundestages sämtlich bekennen. Es ist auch ein erklärtes Ziel aller Parteien, daß Freiheit und Bildung eng verbunden sind und das Recht darauf für jeden einzel- nen unabdingbar sei. Nach Gehlen bahnt sich aber heute eine Ent- wicklung an, welche Freiheit mit Primitivisierung verbindet. Es sei eine unerhörte Gefahr, daß der Bürger in der neugewonnenen Freiheit nicht in behaglicher Ruhe lebe, sondern daß er nur zwischen Konsumfreizeit und Skandalfreizeit wählen könne.

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1975 1139

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

Arzt und Patient in der Leistungsgesellschaft

Gehlen fragt, wo eigentlich heute die unterprivilegierten Schichten zu suchen sind, welche durch übergroße Leistungen belastet sind, ohne das nun lautstark zu ar- tikulieren. Er findet sie bei der gro- ßen Zahl der Hausfrauen, zumal wenn sie Kinder haben und natür- lich keine Bedienung bezahlen können, wenn sie zusätzlich noch Arbeiten außer Haus übernehmen, um mit der Inflation mittraben zu können. Unterprivilegierte gibt es bei den kleinen Selbständigen im Handel und Handwerk, wo die Grenzen der Rationalisierung eng gezogen sind, in der sogenannten Bourgeoisie, in den mittleren und höheren Kräften der Bürokratie, der Industrie, der Verwaltung, auf Hochschulen, in den Großbetrie- ben des Handels, bei Anwälten und schließlich auch bei den Ärzten.

Das sind die Leute, die spät abends die Klienten oder Patienten

„aufarbeiten". In diesen Fällen steigt die Arbeitsbelastung mit der Höhe der Verantwortung.

Die Verantwortung an sich zehrt schon. Mißerfolge, Rückschläge, prognostische Unsicherheit, Sor- gen um den anvertrauten Patien- ten, unerwartete Komplikationen sind aus dem Tageslauf eines Arz- tes nicht hinwegzudenken. Das freundliche Gespenst mit dem Ter- minkalender, das Telefonklingeln, die Konferenzen, Sitzungen, Dienstreisen und (nach Gehlen) nicht zuletzt die noch gar nicht er- forschte, mühsame und heute un- entbehrliche Kontaktleistung mit dem erschöpfenden Nettigkeitsauf- wand, die Kameraderie ohne echte gemeinsame Voraussetzungen stel- len enorme Belastungen dar. Es sind ferner die Überfallsituationen mit ihren schnellen Entscheidun- gen, die unter dem Schlagwort Streß eingereiht wurden.

Streß und Leistung gehören aber unabdingbar zusammen. Ohne Streß ist das Leben heute nicht denkbar. Leben ohne Streß ist ein Leben in der Sterilität. Streß ist nicht automatisch gleichbedeutend mit Fehlverhalten und Schädigung, sondern Streß gehört auch zum

Wohlbefinden und zum Glücksge- fühl eines Menschen. Es kommt le- diglich auf das rechte Maß an.

Wenn wir die Indikatoren für das Wohlbefinden suchen, so können wir am Streß nicht vorbeigehen, und das bedeutet auch die still- schweigende Anerkennung des Leistungsprinzips. Mit anderen Worten: Zur Qualität des Lebens gehört auch der berechtigte Stolz auf eigene Leistung.

Damit sind aber eng verbunden die Fragen nach den sogenannten Leistungsnormen, in die ein Mensch hineingepreßt wird. Derar- tige Formen des bedrohlichen Streß können schwere, auch irre- parable Schäden nach sich ziehen.

Der Streß muß den jeweiligen Ge- gebenheiten des Organismus ange- paßt sein. Hier spielen Körperkraft, Intelligenz, Ausbildung Eignung, Einübung, Persönlichkeitsmerkma- le, Alter, Geschlecht und Umwelt- einfluß eine enorme Rolle.

Ich habe früher einmal ausgeführt, daß wir weit vom Goldenen Zeital- ter, wie es Hesiod in „Werke und Tage" beschrieben hat, entfernt sind, in welchem die Menschen un- gehindert durch Leiden fröhliche Feste feiern und schließlich dann so sterben, als wenn sie einschlie- fen. Das Leben als fröhliches Fest kann gar nicht unseren Idealvor- stellungen entsprechen. Wir wären seiner bald überdrüssig, und es würden sich bald jene Folgen ein- stellen, die wir heute als Ausdruck des Fehlverhaltens in unserer Wohlstandsgesellschaft feststellen müssen. Der Arzt muß sich tagtäg- lich mit diesen Fragen auseinan- dersetzen und es wird ein beson- deres, freilich heute oft noch un- vollkommen realisiertes Anliegen sein, auch in der Erziehung des jungen Arztes diese Fragen zu be- rücksichtigen.

Es gab eine noch nicht lange zu- rückliegende Zeit, da ideologische Gruppen auch von Medizinstuden- ten diese Beziehungen und Abhän- gigkeiten negierten. Es waren vor allem jene Arbeitsrichtungen, die sich in zunehmendem Maße in der

Praktischen Medizin unverhältnis- mäßig auszubreiten versuchten, nämlich die Psychologie, Soziolo- gie und Politologie. Nichts gegen die Bedeutung der medizinischen Psychologie und Soziologie, aber sie müssen praktische Bezüge ha- ben. Es sind die sogenannten con- versational occupations, die unter- haltsamen Beschäftigungen, bei denen nach Gehlen Muße und ver- bales Ressentiment zusammentref- fen. Zu unserem Erstaunen waren es gerade die Kinder wohlhaben- der Kreise, welche die Führung auf diesem Sektor übernahmen. Ich zi- tiere noch einmal Arnold Gehlen:

„Die Kinder arrivierter Kreise ken- nen die Kostenrechnung moderner Zustände von der Beobachtung ih- rer Eltern her sehr genau. Wo eine Chance ist hochzukommen, ohne verschlissen zu werden, da gehen sie hin. Und das ist heute im Raum der rhetorischen Kultur und der moralisierenden Literatur zu fin- den, in jenem unschätzbaren Be- reich, wo man auch ohne Einfälle immer Recht hat. Hier muß gefragt werden, wo steht der arbeitende Mensch, der Müßige, der Ausnüt- zende und der Ausgenutzte?" In der Medizin und insbesondere in den medizinischen Fakultäten sind solche Bewegungen kaum mehr wahrnehmbar. Die Medizin als Er- fahrungswissenschaft konnte in der täglichen Arbeit wenig mit diesen Erscheinungen anfangen. Wenn gelegentlich noch versucht wird, auf dem Gebiet der Arbeits- und Sozialmedizin oder der Psycholo- gie diese Diskussionen wieder an- zuregen, so stoßen sie in aller Re- gel auf die massive Ablehnung der jungen Mediziner. Wir sollten uns aber erinnern, daß nur wenige Jah- re vergangen sind, seit die Hoch- schulpolitik und die tägliche Arbeit an Hochschulen massiv durch der- artige Unternehmungen beeinflußt und empfindlich gestört wurde.

Ob wir in Zukunft vor derartigen Störungen bewahrt bleiben, scheint mir nicht ohne weiteres sicher zu sein. Es wird zum Beispiel sehr darauf ankommen, wie die neue Approbationsordnung praktiziert wird. Wenn sich hier für den ein-

1140 Heft 16 vom 17. April 1975 DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

BERLIN

Hebammen erhalten 7800 DM jährlich

Das jährliche Mindesteinkommen der Hebammen ist rückwirkend ab 1. Januar 1975 um 30 Prozent auf 7800 DM jährlich angehoben wor- den. In Westberlin gibt es zur Zeit noch sechs niedergelassene Heb- ammen. Von ihnen erhielten im Jahre 1973 nur drei einen Zuschuß zum Mindesteinkommen. gb

NORDRHEIN-WESTFALEN

Baubeginn für Fach- krankenhaus Frönsberg

Der Landschaftsverband Westfa- len-Lippe hat die ersten Erschlie- ßungs- und Bauarbeiten für ein neues Fachkrankenhaus für Psych- iatrie in Frönsberg-Hemer bei Iser- lohn vergeben. Es entsteht auf dem Gelände des alten Landeskranken- hauses. Der erste Bauabschnitt mit 432 Betten wird rund 24 Millionen DM kosten. Das gesamte Projekt soll als Behandlungszentrum für 485 psychisch Kranke mit einem Kostenaufwand von etwa 60 Millio- nen DM im Jahre 1978 bezugsfertig sein. LV-WL

BADEN-WÜRTTEMBERG

Ärzte sollen

Helferinnen ausbilden

Der Präsident der Landesärztekam- mer Baden-Württemberg, Dr. De- genhard, hat die Ärzteschaft des Landes dazu aufgefordert, mög- lichst viele Ausbildungsstellen für Mädchen zu schaffen, die Arzthel- ferinnen werden wollen. Es zeige sich in bestürzender Weise, daß viele Mädchen vergeblich Ausbil- dungsstellen suchen. Ein großer Teil dieser Bewerberinnen fühle sich offensichtlich zu einem Beruf hingezogen, der zur echten Hilfe- leistung gegenüber Menschen ver-

pflichtet. Man könne erfreuerlicher- weise feststellen, daß seit dem letzten Jahr die Zahl der Ausbil- dungsstellen bereits um zehn Pro- zent zugenommen habe.

In dem Aufruf werden die Ärzte ge- beten, „mit nüchterner Überlegung, aber doch offenem Herzen" nach- zudenken, ob sie nicht eine Auszu- bildende einstellen können. Die Landesärztekammer erinnert dar- an, daß jeder Arzt berechtigt ist, Arzthelferinnen auszubilden; sofern er Mitarbeiterinnen mit der notwen- digen Vorbildung hat, könnten ihm auch mehrere Ausbildungsstellen zuerkannt werden. Es gehe jetzt darum, heißt es in dem Aufruf wei- ter, den Nachwuchs für einen aner- kannten, notwendigen und auch sehr krisensicheren Beruf nachhal- tig zu sichern. ID-ÄP

SAARLAND

Ministerin

korrigiert Läpple

Der Minister für Familie, Gesund- heit und Sozialordnung, Frau Rita Waschbüsch, hat vor der Landes- pressekonferenz Behauptungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden im Landtag, Friedel Läpple, über die Situation im Landeskrankenhaus Merzig richtiggestellt. Nach den Ausführungen von Frau Wasch- büsch sind in Merzig Modernisie- rungsarbeiten schon seit dem Jah- re 1970 im Gange. Eine entschei- dende Verbesserung werde die In- betriebnahme des psychiatrischen Pflegeheims in Schwemlingen im Sommer bringen. Aus Merzig sol- len dann 470 Patienten nach Schwemlingen verlegt werden; der Abgeordnete Läpple habe diese Tatsache überhaupt nicht berück- sichtigt.

Unwahr sei ferner, daß Patienten in Merzig in der Küche oder der Wä- scherei bis zu 60 Stunden wö- chentlich arbeiten müßten. Im Durchschnitt betrage die Arbeits- zeit 35 bis 40 Stunden.

zelnen Frustrationen insofern erge- ben, als geforderte Leistungsnor- men deswegen nicht erbracht wer- den können, weil es an den not- wendigen Einrichtungen der Lehre fehlt, so werden sich daraus erheb- liche Störungen ergeben. Es müs- sen Konflikte zwangsläufig da ent- stehen, wo versprochene oder be- reits gesetzlich verabschiedete Re- formen mit staatlicher Absegnung verwässert oder gar verhindert werden.

Ein wichtiges Anliegen des Medi- zinstudiums beginnt bereits bei der Zulassung. Es ist ein Unding, allge- mein von Chancengleichheit für den einzelnen zu sprechen und diese Chancengleichheit allein auf die Abiturnoten zu gründen. Jeder von uns weiß, welche Probleme das Zulassungsverfahren gerade auf dem Gebiete der Medizin bie- tet. Man ist sich heute ganz allge- mein darüber im klaren, daß die Durchschnittsnote im Abitur der denkbar schlechteste Parameter für die Feststellung der Qualifika- tion zum Medizinstudium ist. Wir sollten nach berufsnahen Auswahl- kriterien suchen. Die Studienbe- werber könnten drei bis vier Mona- te in Universitätskliniken oder Aka- demischen Krankenhäusern auf der Station arbeiten und in der Krankenpflege eingesetzt werden.

In dieser Zeit sollten sie von einer Studienkommission betreut wer- den, welche am Entscheid der Zu- lassung oder Ablehnung wesent- lich mitwirken muß. Praktische und psychologische Eignung zusam- men mit dem Abitur sind bessere Maßstäbe für einen so pragmatisch bestimmten Beruf wie der des Arz- tes. Es gibt hier Erfahrungen in Großbritannien, den USA und in Israel, die man durchaus auswer- ten könnte, auch was den Aufwand des Auswahlverfahrens angeht.

Im Ministerium für Wissenschaft und Technologie werden z. Z.

Überlegungen angestellt, wie man zu besseren Lösungen kommen kann. Wir Ärzte und akademischen Lehrer bieten unsere Mitarbeit an.

• Wird fortgesetzt

AUS DEN BUNDESLÄNDERN Arzt und Patient

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 16 vom 17. April 1975 1141

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