A 80 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 3|
18. Januar 2013 meist nicht informiert werden –zum Schaden des Patienten. Die PG hätte meines Erachtens erst dann abgeschafft werden sollen, wenn flächendeckend über funktionieren- de Hausarztverträge mit allen Kas- sen die Lotsenfunktion des Haus- arztes wieder etabliert worden wäre.
Patienten müssen in Zukunft ver- mehrt zur Übernahme von Eigen- verantwortung angehalten werden.
. . . Hierzu ist unter anderem eine finanzielle Eigenbeteiligung ein wirksames Instrument. Sinnvoller als die Praxisgebühr abzuschaffen, wäre es daher, sie umzugestalten . . . Die Praxisgebühr war ein Vorschuss auf das Honorar der Praxis, den nicht die Krankenkassen bezahlt ha- ben, sondern eben die Versicherten/
Patienten. Dieser Vorschuss wurde von der Kassenärztlichen Vereini-
gung später vom Honorar abgezo- gen. Hat also eine Hausarztpraxis bisher pro Quartal zum Beispiel bei 600 Patienten zehn Euro kassiert, dann wurden diese 6 000 Euro von der Gesamtsumme der KV-Einnah- men wieder abgezogen. Fällt nun diese Praxisgebühr weg, dann be- kommt die Arztpraxis im Endeffekt dadurch nicht weniger Geld, aber einen Teil des Honorars erst circa ein halbes Jahr später! Das heißt, es fehlen im ersten Halbjahr 2013 in obigem Beispiel 12 000 Euro an freien Mitteln. Das ist ein erhebli- cher Betrag. Zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen werden die KVen die monatliche Vorauszah- lung erhöhen müssen – was dann konsekutiv zu Engpässen bei der KV führen wird.
Dr. med. Jens Braun, 64646 Heppenheim
GES UNDHEITSC H A NCEN
Gesundheitliche Un- gleichheit tritt schon in den ersten Lebens- jahren auf (DÄ 46/
2012: „Frühzeitige Weichenstellung“ von Jacob Spallek und Oli- ver Razum).
Thalassämien nur bei Migranten
In diesem Artikel wird die Frage ge- stellt: Ist der Migrationsstatus ein ei- genständiger Risikomarker? Diese Frage ist mit einem großen JA zu be- antworten aus folgenden Gründen:
Hämoglobinkrankheiten wie Thalass - ämien und Sichelzellkrankheiten, die übrigens mit keinem Wort in diesem Artikel erwähnt werden, kommen in Deutschland nur bei Menschen mit Migrationshintergrund vor. Bei uns gibt es circa 1 000 bis 1 500 Sichelzell- patienten und circa 500 bis 600 Patien- ten mit Thalassaemia major bezie- hungsweise intermedia. Und in Deutschland leben circa 150 bis 200 000 heterozygote Anlageträger für die jeweilige Erkrankung. Diese Trä- ger werden nur durch Zufall erfasst und über ihr genetisches Risiko aufge- klärt. Bei der ersten Vorsorgeuntersu- chung wird bei Schwangeren aus ei-
nem Risikoland für Thalassämie (Tür- kei, Griechenland, Italien, Mittlerer Osten, Nordafrika, Südostasien) ein niedriges MCV, wenn es überhaupt bemerkt wird, als Hinweis für einen Eisenmangel gesehen, und es wird nicht daran gedacht, dass ein niedriges MCV bei normaler RDW ein Hinweis auf Thalassämie-Trägerschaft ist. Bei Schwangeren aus Risikoländern für die Sichelzellkrankheit (Südosten der Türkei, Süditalien, Griechenland Zentralafrika , Indien) wird keine Hb- Analyse angefordert, um eine HbS- Trägerschaft festzustellen, obwohl in Zentralafrika bis zu 40 Prozent der Bevölkerung HbS-Träger sind. Folge:
Ohne Trägerschaftsnachweis keine Part neruntersuchung und keine Mög- lichkeit, pränatale Diagnostik anzubie- ten. Die Untersuchung auf Trägerschaft für die beiden genannten Erkrankun- gen wird in unseren Nachbarländern routinemäßig bei jeder Schwangeren aus einem Risikoland durchgeführt.
Ebenfalls anders als in unseren Nach- barländern gibt es in Deutschland kein Neugeborenen-Screening für die Sichelzellerkrankung. Dadurch ent- stehen eine hohe Morbidität und Mor- talität, vor allem durch nicht erkannte oder falsch behandelte Milzsequestra- tionskrisen bei jungen Kindern.
Völlig unterversorgt sind erwachsene Sichelzell- und Thalassämiepatienten,
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da es nicht ausreichend Internisten gibt, die sich für diese Patienten einsetzen, wenn sie die Kinderkli- nik nach dem 18. Lebensjahr ver- lassen müssen.
Es ist dringend notwendig, dass die für unsere Migranten spezifischen Erkrankungen ernst genommen werden, Eingang finden in die Aus- und Weiterbildung von Ärzten und dass Prävention und Behandlung der Sichelzellkrankheit beziehungs- weise Thalassämie den gleichen Stellenwert haben wie bei onkolo- gischen Erkrankungen.
Dr. med. Roswitha Dickerhoff, Klinik für Kinder- Onkologie, -Hämatologie und Klinische Immunolo- gie, Universität Düsseldorf, 40225 Düsseldorf
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Die Rolle des Arztes in der Begegnung mit dem Patienten ist vielfältig (DÄ 42/
2012: „Archäologie einer Beziehung“
von Norbert Donner- Banzhoff).
Die problematische Rolle
In einem historischen „Schichten- modell“ zur Arzt-Patient-Beziehung wird in dem genannten Beitrag die Rolle des Arztes als „Heiler“, „De- tektiv“, „Gatekeeper“ und „Partner“
besprochen. Es fehlt in dieser Dar- stellung eine sehr wichtige und pro- blematische Beziehung – die des
„Dienstleisters“ in einer Interaktion mit dem Patienten als „Kunden“.
Eine derartige ökonomische Be- grifflichkeit wird zum Beispiel von Wirtschaftsführungen im Kranken- haus in einem zunehmenden Maße in Bereiche der Arzt-Patient Inter- aktion überführt, ausdrücklich nicht nur bei Aspekten einer wunscher- füllenden Medizin. Die internen und externen Auswirkungen sind erheblich, sie wurden im DÄ und anderen Ortes bereits grundsätzlich thematisiert – aber vonseiten der Ärzteschaft und im vorliegenden Artikel wenig beachtet.
Literatur beim Verfasser
Prof. Dr. med. Werner Hosemann, Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Kopf- und Halschirurgie, Universitätsklinikum Greifswald, 17475 Greifswald
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