• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Bekanntmachungen: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Gestoden- und Desogestrel-haltige Arzneimittel Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II" (08.01.1996)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Bekanntmachungen: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Gestoden- und Desogestrel-haltige Arzneimittel Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II" (08.01.1996)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat mit Bescheid vom 6. November 1995 ange- ordnet, daß die Zulassung für die oben genannten Arzneimittel mit Wirkung zum 11. Dezember 1995 wie folgt geän- dert werden muß, zunächst befristet bis zum 30. Juni 1996:

Der Abschnitt Gegenanzeigen der Gebrauchs- und Fachinformation ist nach den Ausführungen zu Schwanger- schaft und Stillzeit wie folgt zu ergänzen:

„Erstmalige Anwendung eines hormo- nalen Empfängnisverhütungsmittels bei Frauen unter 30 Jahren.“

Der Abschnitt Warnhinweise der Ge- brauchs- und Fachinformation ist bezüg- lich der zu ermittelnden Faktoren, die thromboembolische Ereignisse begünsti- gen können, wie folgt zu ergänzen:

„. . . Blutgerinnung) bei der Anwen- derin sowie venöse thromboembolische Ereignisse, die bei nahen Verwandten im jüngeren Alter auftraten, . . .“

Der Abschnitt Nebenwirkungen der Gebrauchs- und Fachinformation ist wie folgt zu ergänzen:

„In neueren Untersuchungen war die Anwendung oraler Empfängnisverhü- tungsmittel der sog. dritten Generation (mit den Wirkstoffen Gestoden und Desogestrel), zu denen auch . . . gehört, mit einem gegenüber oralen Empfängnis- verhütungsmitteln der sog. zweiten Gene- ration auf das ca. doppelt erhöhte Risiko venöser thromboembolischer Ereignisse (Blutpfropfbildung) assoziiert.“

Nachfolgend gibt die AkdÄ auszugs- weise den Originaltext der Begründung wieder:

Begründung

Die Änderung ist erforderlich, weil der begründete Verdacht besteht, daß, so- fern die o. g. Maßnahmen nicht durchge- führt werden würden, die mit der Anwen- dung der betroffenen Arzneimittel ver- bundenen schädlichen Wirkungen über ein nach den Erkenntnissen der medizini-

schen Wissenschaft vertretbares Maß hin- ausgingen. Die Angaben unter Gegenan- zeigen und Nebenwirkungen sind zunächst befristet anzuordnen, da nach dem Ergebnis weiterer Prüfungen, die in einem halben Jahr zu erwarten sind, eine Neubewertung erforderlich wird.

1. Ergebnisse aus epidemiologischen Studien

Dem Bundesinstitut sind Ergebnisse aus drei bei der Datenerhebung weitge- hend voneinander unabhängigen epide- miologischen Studien bekannt gewor- den, die darauf hinweisen, daß die An- wendung der o. g. oralen Kontrazeptiva (OCs) der sog. „dritten Generation“ mit den Gestagenkomponenten Desogestrel und Gestoden etwa doppelt so häufig, zu Beginn der Behandlung sogar bis zu viermal so häufig mit einem venösen thromboembolischen Ereignis (VTE) verbunden ist wie die Einnahme von OCs der sog. „zweiten Generation“, zu denen die mit dem Gestagen Levonor- gestrel gehören.

Bei den Studien handelt es sich um ei- ne von der WHO in 17 Ländern durchge- führte Fall-Kontroll-Studie (World Health Organization Collaborative Study of Cardiovascular Disease and Steroid Hormone Contraception), eine unter der Leitung von Prof. Spitzer in 5 Ländern durchgeführte transnationale Fall-Kon- troll-Studie (Transnational [European]

Study of Low Dose Oral Contraceptives and Cardiovascular Disease) und um ei- ne von Prof. Jick mit Hilfe der General Practice Research Database (GPRD) er- stellte Kohortenstudie (Risk of Idiopa- thic Nonfatal Venous Thromboembolism Comparing Combined Oral Contracep- tive Preparations with Differing Progestogen Components) mit einer dar- in enthaltenen Fall-Kontroll-Analyse.

Den betroffenen pharmazeutischen Unternehmern sind die Publikationsent- würfe der WHO- und der GPRD-Studie sowie relevante Tabellen aus der Trans- national Study im Rahmen des An- hörungsverfahrens übersandt worden,

und es bestand Gelegenheit, die Erläute- rungen der Autoren dazu vor dem Aus- schuß für Arzneispezialitäten der Eu- ropäischen Union (Committee of Pro- prietary Medicinal Products – CPMP) zu hören.

Dieser stellte fest:

– die drei epidemiologischen Studien wiesen auf ein etwas höheres Risiko für nicht tödlich verlaufende VTE (unge- fähr 2fach höher) für Desogestrel- oder Gestoden-haltige OCs hin, verglichen mit Levonorgestrel-haltigen Produkten oder anderen kombinierten OCs,

– für die Annahme eines ebenfalls in die Diskussion gebrachten vergleichs- weise kleineren Risikos in bezug auf das Auftreten von Myokardinfarkten unter Desogestrel- und Gestoden-haltigen OCs sei die Datenlage zur Zeit noch unzureichend,

– weitere hierzu angekündigte Er- gebnisse wolle er vor Ablauf von sechs Monaten beurteilen,

– für Unterschiede zwischen OCs der zweiten und dritten Generation hinsichtlich des Nutzens oder anderer bedeutsamer Risiken bestehe keine Evidenz.

2. Zur Aussagekraft der Befunde Obwohl von den betroffenen pharma- zeutischen Unternehmern verschiedene grundsätzliche Zweifel vorgetragen wor- den sind, erachtet das Bundesinstitut die genannten Befunde als hinreichend, um die o. g. Anordnungen erforderlich zu machen und zu rechtfertigen, da die hier in Rede stehenden unerwünschten Ereig- nisse lebensbedrohend sein können.

Zu wesentlichen Einwänden wird im folgenden Stellung genommen:

a) Es wurde bemängelt, daß alle Stu- dien noch keinem „Peer Review“

unterzogen und noch nicht publiziert worden seien.

Dem ist zu entgegnen, daß die Ergeb- nisse der WHO- und der GPRD-Studie von ihren Untersuchern so weit über- prüft worden waren, daß sie für publika- tionsreif erachtet wurden.

Darüber hinaus fanden mit dem CPMP umfangreiche fachliche Diskus- sionen über die Aussagekraft und Be- deutung der Studien mit den Autoren, Vertretern der pharmazeutischen Indu- strie und weiteren Experten statt. Im übrigen können Befunde für eine für die Arzneimittelsicherheit verantwortliche Behörde nicht erst dadurch relevant werden, daß Gutachter einer Zeitschrift sie unter Einbeziehung der speziellen Publikationsgesichtspunkte zur Veröf- fentlichung für geeignet halten. So wer- den Zulassungs- und auch Arzneimittel- risikoentscheidungen in der Regel unter

A-54 (58) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 1–2, 8. Januar 1996

B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R

B U N D E S Ä R Z T E K A M M E R

Bekanntmachungen

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft

Gestoden- und Desogestrel-haltige Arzneimittel

Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte

Abwehr von Arzneimittelrisiken, Stufe II

(2)

Einbeziehung nicht publizierter Daten getroffen.

b) Es wurde eingewandt, daß die Er- fassung von Venenerkrankungen unvoll- ständig und die Erhebung der Einnah- meanamnese oft lückenhaft und unprä- zise seien.

Darauf ist zu erwidern, daß dies bis zu einem gewissen Grade zutreffen mag, jedoch nicht den gefundenen Unter- schied zwischen OCs der dritten und der zweiten Generation erklärt.

c) Es wurde behauptet, die WHO- und die GPRD-Studie seien nicht unab- hängig voneinander, weil eine räumliche und zeitliche Überschneidung (Bereich Oxford) vorgelegen habe.

Diesem Argument wurde von den Autoren auf der CPMP-Sitzung begrün- det entgegnet, daß die Zahl der gemein- samen Patientinnen minimal sein dürfte, so daß die Überschneidung nicht ins Ge- wicht fällt.

d) Gegen die WHO-Studie wurde vorgebracht, sie müsse schon deshalb kritisch betrachtet werden, weil hinsicht- lich bekannter Risikofaktoren wie Body Mass Index (BMI) die erwarteten Effek- te nicht beobachtet wurden, andererseits ein anscheinend höheres Anwendungsri- siko von OCs mit 20 µg Ethinylestradiol (EE2) als von solchen mit 30 µg EE2ge- funden wurde.

Dazu ist zum einen zu sagen, daß Da- ten, denen zufolge z. B. der BMI keinen Einfluß auf das Risiko hatte, nicht vor- gelegt wurden. Wenn außerdem die Adjustierung nach BMI keinen erhebli- chen Einfluß auf die Risikoschätzung hatte, kann das bedeuten, daß die Ver- gleichsgruppen diesbezüglich ausgegli- chen waren. Zum dritten beruht die Er- wartung, eine Verminderung von EE2 unter 30 µg müsse eine Risikoverminde- rung bewirken, auf einer spekulativen Extrapolation des in der Vergangenheit bei einer EE2-Verminderung von

>100 µg auf 50 µg gefundenen Effektes.

e) Ferner wurde beanstandet, in der WHO-Studie seien signifikante Unter- schiede zwischen OCs der zweiten und dritten Generation nur im Zentrum Ox- ford gefunden worden und daß bei Aus- lassen dieses Zentrums die Ergebnisse nicht signifikant seien.

Dem ist zu entgegnen, daß höchstens die Dominanz des Zentrums Oxford in der Gesamtstichprobe zu bemängeln wä- re, nicht aber, daß die Ergebnisse ohne Oxford nicht mehr signifikant sind. Im übrigen zeigt sich auch in den anderen Zentren die gleiche Tendenz wie in Ox- ford.

f) Es wurde eingewandt, daß in der Transnational Study weder für Großbri- tannien noch für Deutschland allein eine

signifikante Risikoerhöhung für Desoge- strel-haltige OCs im Vergleich zu OCs der zweiten Generation vorläge. Nur wenn die Daten für Deutschland und Großbritannien gepoolt würden, sei ein statistisch signifikanter Unterschied er- sichtlich.

Dem ist zu entgegnen, daß der Plan dieser Studie vorgesehen hat, die Daten beider Länder gemeinsam auszuwerten.

g) Es wurde behauptet, daß Unter- schiede teilweise nicht signifikant seien, im Konfidenzintervall den Wert 1 ein- schlössen und ein Odds Ratio (OR) von 2 oder darunter nach epidemiologischer Erfahrung durch Störgrößen erklärt wer- den könnten, so daß die gefundenen Un- terschiede insoweit nicht relevant seien.

Dem ist zu entgegnen, daß statisti- sche Signifikanz beginnt, wenn das 95 Prozent Konfidenzintervall 1,0 berührt.

So gesehen sind die wesentlichen Ergeb- nisse aller drei Studien statistisch signifi- kant. Das Gewicht der Aussagen jeder einzelnen Studie wird jeweils durch die gleichsinnigen Aussagen der beiden an- deren Studien verstärkt. Bei der Planung der von den pharmazeutischen Unter- nehmern besonders hervorgehobenen Transnational Study wurden die Fallzah- len so berechnet, daß relative Risiken von 2 mit hinreichender Zuverlässigkeit gefunden werden konnten. Es sei daran erinnert, daß VTE-Risiko-Relationen von ebenfalls dieser Größenordnung zwischen OCs mit >100 µg EE2und sol- chen mit 50 µg EE2Anfang der siebziger Jahre zur Marktumstellung von OCs der sog. ersten Generation auf die der zwei- ten Generation geführt haben. (D. J.

Finney in Inman [Hrsg.]: „Monitoring for Drug Safety“, 2. Auflage, MTP Press, 1985.) Im übrigen sind für behördliche Entscheidungen zur Minderung arznei- mittelbedingter Risiken nicht Befunde erforderlich, die auf einem bestimmten Niveau (zum Beispiel 5 Prozent) signifi- kant sind, sondern als Eingriffsschwelle ist der begründete Verdacht maßgeblich.

3. Zur Bedeutung der gefundenen rela- tiven Risiken von VTE unter OCs der dritten und der zweiten Generation Seitens der pharmazeutischen Unter- nehmer wurden die Unterschiede zwi- schen den VTE-Risiken bei Frauen, die mit Desogestrel- oder Gestoden-halti- gen OCs einerseits und bei solchen, die mit anderen, insbesondere Levonorge- strel-haltigen OCs andererseits behan- delt worden waren, auf Unterschiede in Charakteristika der Patientinnengrup- pen statt auf Besonderheiten der ver- schiedenen OCs zurückgeführt.

a) Anhand eines von der Firma Schering vorgelegten Säulendiagrammes

wurde gezeigt, daß die relativen Risiken einzelner OCs der dritten Generation gegenüber Levonorgestrel in Abhängig- keit vom Zeitpunkt der Marktein- führung anstiegen. Dieses wurde als

„Time trend bias“ in dem Sinne gedeu- tet, daß der Anteil von Patientinnen oh- ne Risikofaktoren, die ein bestimmtes OC anwenden, mit der Zeit zunimmt, weil Frauen mit Komplikationen häufig die Einnahme dieses Arzneimittels be- enden.

Dazu ist anzumerken, daß eine Mög- lichkeit, diesen postulierten Bias zu berücksichtigen, in einer Beschränkung des Vergleiches auf Erstanwenderinnen in der ersten Zeit der OC-Einnahme be- steht. Dieses hat die WHO für die ersten 12 Monate getan und vor dem CPMP dargelegt, daß auch dann noch ein er- heblicher relativer Unterschied zwischen OCs mit Desogestrel oder Gestoden ei- nerseits und Levonorgestrel andererseits bestehenbleibt.

b) Es wurde der Vorhalt gemacht, daß OCs der dritten Generation bevor- zugt Frauen mit Risikofaktoren wie er- höhtem BMI, Rauchen, höherem Alter etc. verordnet wurden.

Dem wurde in der WHO- und der GPRD-Studie durch entsprechende Ad- justierung Rechnung getragen, ohne daß sich dadurch an der grundsätzlichen Aussage etwas änderte (OR ca. 2; siehe auch CPMP-Statement).

c) Es wurde für die Deutung der Er- gebnisse in dem Sinne, daß bevorzugt Risikopatientinnen OCs mit Desogestrel oder Gestoden erhalten haben, ange- führt, daß Ärzte bei positiver Familien- anamnese im Sinne einer Disposition für venöse Thrombosen in der Vergangen- heit vorzugsweise die als sicherer gelten- den Präparate der dritten Generation verschrieben hätten.

Dieses Argument ist derzeit nicht substantiiert. Tatsächlich wurde dieser Risikofaktor anscheinend in allen drei Studien nicht explizit erhoben, so daß danach sein Effekt auch nicht quantifi- ziert werden kann.

Bemerkenswert bei der Diskussion um diesen Punkt bleibt die Tatsache, daß die nun offenbar gewordene Unmöglich- keit, das Ausmaß der vermuteten selek- tiven Verschreibung von Desogestrel- oder Gestoden-haltigen OCs an familiär belastete Frauen abzuschätzen und da- mit die nach Auffassung der pharmazeu- tischen Unternehmer entscheidende Studienfrage nach der Arzneimittelsi- cherheit zu beantworten, nicht zu Zwei- feln am bereits 1993 publizierten Design der Transnational Study geführt hat.

d) Entsprechend der unter c) darge- stellten Argumentation wird behauptet,

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 1–2, 8. Januar 1996 (59) A-55

B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R

(3)

A-56 (60) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 1–2, 8. Januar 1996

B E K A N N T G A B E N D E R H E R A U S G E B E R

die WHO habe eingeräumt, „daß die vorliegenden Ergebnisse durch Bias und/oder Störfaktoren entstanden sind“.

Hierzu ist zu sagen, daß dieses Zitat falsch ist. Tatsächlich hat die WHO ge- schrieben, die Möglichkeit, daß diese Resultate die Folge von Zufall oder Bias sind, könne nicht vollständig ausge- schlossen werden („the possibility . . . cannot be excluded entirely . . .“).

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft bittet im Zusam-

menhang mit dieser Maßnahme alle Kol- leginnen und Kollegen, ihre Erfahrun- gen und Beobachtungen über uner- wünschte Arzneimittelwirkungen nach Gabe von oralen Kontrazeptiva (auch Verdachtsfälle) auf dem im Deutschen Ärzteblatt abgedruckten Berichtsbogen oder auch formlos mitzuteilen.

Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, Aachener Straße 233–237, 50931 Köln, Telefon 02 21/

40 04-5 18, Fax 02 21/40 04-5 39

Thromboembolieprophylaxe mit Heparinen:

Wie häufig treten Blutungskomplikationen mit nachfolgenden neurologischen

Ausfallerscheinungen bei rückenmarksnahen Anästhesien oder Lumbalpunktionen auf?

Arzneimittel-Schnellinformation

des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gibt nachfol- gend eine Arzneimittelschnellinformati- on (ASI 11/95) des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte wie- der:

„Der Nutzen einer Prophylaxe mit Heparinen zur Verhinderung tiefer Bein- venenthrombosen und konsekutiver Lungenembolien ist in zahlreichen Ver- öffentlichungen dokumentiert. Dafür werden heute neben unfraktioniertem Heparin auch die seit einigen Jahren für diese Indikation zugelassenen fraktio- nierten, niedermolekularen Heparine (NMH) angewendet. Als Vorteil dieser Heparine wird vor allem gesehen, daß sie eine längere biologische Halbwerts- zeit besitzen und somit nur einmal pro Tag appliziert werden müssen.

In der Fachliteratur wird intensiv dis- kutiert, inwieweit mit dieser Art der Thromboseprophylaxe aber auch erhöh- te Risiken insbesondere aufgrund von Blutungskomplikationen verbunden sind. Die Beantwortung dieser Frage ist von besonderer Bedeutung für Patien- ten, bei denen unter einer Thrombose- prophylaxe mit Heparinen Eingriffe in der Nähe des Rückenmarks (Spinal-, Pe- riduralanästhesien und Lumbalpunktio- nen) vorgenommen werden sollen. Für diese Patienten könnte ein erhöhtes Risi- ko für schwerwiegende neurologische Ausfälle bis hin zu einer Querschnitts- lähmung bestehen, wenn eine Blutung an der Eingriffsstelle zu einer Rücken- markskompression führt und diese nicht

rechtzeitig erkannt wird (1). Derartige Komplikationen treten nach jetzigem Kenntnisstand allerdings selten auf. Er- gebnisse aus vergleichenden epidemiolo- gischen Studien zur Häufigkeit dieser Komplikationen für die einzelnen Hepa- rine liegen nicht vor.

Die Gebrauchsinformationen sowohl von Arzneimitteln mit unfraktionierten als auch von solchen mit fraktionierten, niedermolekularen Heparinen sind be- züglich der Kontraindikationen ,rücken- marksnahe Anästhesieverfahren‘ und ,Lumbalpunktion‘ uneinheitlich: In eini- gen sind diese Verfahren und Eingriffe als Kontraindikation genannt, in ande- ren nicht.

In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, daß die Thromboseprophylaxe mit unfraktio- niertem Heparin in niedriger Dosierung (,low dose‘) keine generelle Kontraindi- kation für rückenmarksnahe Anästhe- sieverfahren oder Lumbalpunktionen darstellt (2). Ausnahmen gelten für un- tergewichtige Patienten und solche mit Lebererkrankungen oder Thrombozy- topenien. Die Thromboseprophylaxe mit niedermolekularen Heparinen wird von Anästhesisten nicht einheitlich als vor derzeitigen Eingriffen kontraindi- ziert angesehen (3, 4), sondern vor rückenmarksnahen Eingriffen nach Ausschluß von Faktoren, die das Blu- tungsrisiko erhöhen, noch für vertretbar gehalten.

Vielfach wird die Meinung geäußert, daß geeignete Vorsorgeuntersuchungen,

insbesondere eine eingehende Erhebung des Blutgerinnungsstatus, sowie eine ausreichend lange und engmaschige pe- rioperative Beobachtung des Patienten die wichtigste und bei sorgfältiger Durchführung eine ausreichende Risiko- minderung bei der Verwendung sowohl von unfraktionierten als auch von frak- tionierten Heparinen darstellt. Auf der anderen Seite wird die Ansicht vertre- ten, daß eine rückenmarksnahe Nadel- verletzung, wie sie durch die Regio- nalanästhesie hervorgerufen wird, eine ,Hochrisikosituation‘ darstellt, bei der zumindest jedes theoretische Risiko mi- nimiert werden müsse. Dementspre- chend sei hier den unfraktionierten He- parinen der Vorzug zu geben, weil außer der kürzeren Plasmahalbwertszeit, die eine bessere Steuerung erlaubt, ihr Vor- teil auch darin bestehe, daß eine hohe Dosierung besser an der partiellen Thromboplastinzeit (PTT) erkennbar und ihre Wirkung ggf. durch Protamin antagonisierbar ist.

Dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) liegen Mitteilungen vor, nach denen neurologi- sche Ausfallerscheinungen im Zusam- menhang mit einem rückenmarksnahen Eingriff bei Patienten mit Thrombose- prophylaxe aufgetreten sind und in de- nen der Verdacht geäußert wird, daß die verwendeten Heparine daran beteiligt gewesen sein könnten. Diese Berichte lassen jedoch keine sichere Aussage zum ursächlichen Zusammenhang zu. Das BfArM benötigt daher zur Bewertung des Risikos von Blutungskomplikationen im Zusammenhang mit einer Thrombo- seprophylaxe und rückenmarksnahen Eingriffen zusätzliche Informationen aus der Praxis.

Wir bitten insbesondere Anästhesi- sten und Neurologen, dem BfArM beob- achtete Komplikationen rückenmarks- naher Anästhesieverfahren und Lumbal- punktionen mitzuteilen und diese so um- fassend wie möglich zu dokumentieren.

Berichtsbögen können beim Bundesin- stitut für Arzneimittel und Medizinpro- dukte, Seestr. 10, 13353 Berlin, angefor- dert werden. Für einen Bericht können auch die im Deutschen Ärzteblatt mit dem Briefkopf der Arzneimittelkommis- sion der deutschen Ärzteschaft abge- druckten Erhebungsbögen verwendet werden.“

Literatur (Auswahl):

1. Sternlo, J E & Hybbinette C H: Acta An- aesth Scand 39 (1995) 557–559.

2. Tryba M: Regional-Anästhesie 12 (1989) 127–131.

3. Dietrich GV: Anästh Intensivmed Notfall- med Schmerzther 28 (1993) 182–184.

4. Tryba M: Anästh Intensivmed Notfallmed Schmerzther 28 (1993) 179–181.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft und das Bun- desgesundheitsamt bitten die Fachkrei- se um Mitteilung gut dokumentierter Beobachtungen, bei denen es im Rah-

Eine bisher nicht ver- öffentlichte In-Vivo-Untersuchung an Ratten (Micronucleustest) wird als grenzwertig positiv nach oraler Gabe einer Tagesdosis von 3 mal 900 mg/kg

1992 erhielten wir über die Firma Schwarz Pharma GmbH Monheim die Mitteilung, daß die Fir- ma Sanol GmbH für die Benzaron ent- haltenden Arzneimittel Fragivix Ta- bletten,

Tätigkeitsgruppe I: Ausführen von Tätigkeiten nach Anweisungen, wobei Fachkenntnisse vorausgesetzt werden, wie sie durch eine abgeschlossene Be- rufsausbildung als Arzthelferin

darauf, daß wegen des an zweifelhaften Vermutungen zur Pathogenese an- knüpfenden Wirkprinzips des Arznei- mittels eine Wirksamkeit schon auf- grund allgemeiner wissenschaftlicher

Es kann davon ausgegangen werden, daß die im Vergleich zu einer oralen beziehungsweise rektalen Gabe erhöh- ten Risiken der parenteralen Verabrei- chung wie etwa durch die

,Die Analyse einer epidemiologi- schen Studie — durchgeführt zur Über- prüfung der These einer Assoziation zwischen Vitamin-K-Gabe und Krebs im Kindesalter — läßt die Möglichkeit

Der teratogene Blutspiegel von Treti- noin beim Menschen ist nicht bekannt Tretinoin sollte deshalb in der Schwan- gerschaft nicht verwendet werden, weil das Risiko einer