• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Eine Behörde schärft ihr Forschungsprofil" (04.10.2013)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Eine Behörde schärft ihr Forschungsprofil" (04.10.2013)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A 1838 Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 40

|

4. Oktober 2013

BUNDESINSTITUT FÜR ARZNEIMITTEL UND MEDIZINPRODUKTE

Eine Behörde schärft ihr Forschungsprofil

Um international konkurrenzfähig zu sein, will die deutsche Zulassungsbehörde

ihre Forschung ausbauen. Drei Forschergruppen sollen jetzt die Themen Pharmakogenomik, Pharmakoepidemiologie und Implantatsicherheit bearbeiten.

A

us dem Konferenzraum im sechsten Stock schaut man auf die grünen Hügel des Siebenge- birges. Ja, sie sei jetzt Wahlrhein- länderin, sagt Prof. Dr. med. Julia Stingl (42). Die gebürtige Nürnber- gerin leitet seit diesem Jahr die neu eingerichtete Abteilung für For- schung am Bundesinstitut für Arz- neimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Bonn. Dafür hat die Pharmakologin ihre Professur für Klinische Pharmakologie am Insti- tut für Naturheilkunde und Klini- sche Pharmakologie an der Univer- sität Ulm aufgegeben. Sechs Jahre lang hatte sie dort auf dem Gebiet der Pharmakogenomik geforscht.

Ihren Wechsel an den Rhein be- gründet Stingl so: „Mich hat es ge- reizt, an einem Bundesinstitut zu ar- beiten und die Forschungsabteilung hier neu aufzubauen.“ Außerdem biete der Raum Köln/Bonn ein at- traktives Forschungsumfeld, in dem man sich gut mit der akademischen Wissenschaft vernetzen könne.

An der Universität Bonn ist Stingl als Professorin kooptiert, das heißt, sie arbeitet und forscht am BfArM, ist aber ordentliches Mit- glied der medizinischen Fakultät.

„Das stärkt unsere Forschung“, meint Stingl. Denn es bedeutet, dass man Einrichtungen gemein- sam nutzen und Forschungskoope- rationen eingehen kann. „Durch die gemeinsame Berufung kann ich auch Wissenschaftler promovieren oder habilitieren.“ Das macht die Forschung am BfArM ebenfalls für den Nachwuchs interessant.

Das neue Forschungsprofil der Behörde orientiert sich an drei Kernaufgaben: der Zulassung von Arzneimitteln, der Überwachung der Arzneimittelsicherheit und der Sicherheit von Medizinprodukten (Kasten). Stingls eigene Forscher-

gruppe wird sich mit Pharmakoge- nomik und individualisierter Medi- zin beschäftigen – Themen, die un- mittelbare Berührungspunkte mit der Arzneimittelzulassung haben.

Eine zweite Gruppe wird zur Phar- makoepidemiologie forschen, sich also beispielsweise mit bevölke- rungsbasierten Auswertungen zur Arzneimitteleinnahme oder zu Ne- benwirkungen befassen – Fragen, die in den Bereich der Pharmakovi- gilanz hineinspielen. Eine dritte Forschergruppe wird sich – kom- plementär zu den Aufgaben im Be- reich Medizinprodukte – mit der Si- cherheit von Implantaten befassen.

Die Einrichtung einer eigenen Forschungsabteilung am BfArM geht auf eine Empfehlung des Wis- senschaftsrates aus dem Jahr 2004

zurück. Damals schnitt das Institut im Vergleich mit internationalen Zulassungsbehörden nur mittelmä- ßig ab. Die Bearbeitungszeiten für die Zulassung neuer Arzneimittel seien relativ lang, die Effizienz der Behörde bei der Antragsbearbei- tung und die wissenschaftliche Ex- pertise verbesserungsbedürftig, schrieb der Wissenschaftsrat in sei- nem Gutachten. Eine „geringere Reputation in diesen Punkten“ sei vermutlich eine Erklärung dafür, warum das Institut im europäischen Zulassungsverfahren nicht in dem Maße als federführende Behörde herangezogen werde, „wie es vom Vertreter des Landes mit dem größ- ten Arzneimittelmarkt in der EU zu erwarten wäre“. Der Wissenschafts- rat empfahl deshalb, im BfArM ei- nen eigenen Forschungsbereich aufzubauen und sich dabei auf we- nige – auch für Europa bedeutsame – Forschungsgebiete zu konzentrie- ren. Dafür benötige das Institut ei- nen eigenen Forschungsetat, mög- lichst in Höhe von etwa zehn Pro- zent des BfArM-Gesamtetats.

Das Haushaltsvolumen des Insti- tuts liegt 2013 bei circa 75 Millio- nen Euro, mithin stünden der For- schung nach den Vorstellungen des Wissenschaftsrates bis zu 7,5 Mil- lionen Euro zu. Das Institut verfügt über eine großzügige Infrastruktur für die wissenschaftliche For- schung, sprich, es stellt Laborräu- me, IT und Personalkosten. Die Forschungsprojekte selbst sollen überwiegend durch Drittmittel fi- nanziert werden. Stingl sieht das pragmatisch: „Wenn man kompeti- tiv forschen will, muss man in der Lage sein, mit anderen in Konkur- renz zu treten und Drittmittel einzu- werben.“ Die stammten in erster Li- nie von öffentlichen Geldgebern wie dem Bundesforschungsministe- Neu in der For-

schungsland- schaft: Das Bun- desinstitut für Arz- neimittel und Medi- zinprodukte in Bonn ist mit mehr als 1 100 Mitarbeitern die größte Zulas- sungsbehörde in Europa.

Fotos: Lajos Jardai

P O L I T I K

(2)

Deutsches Ärzteblatt

|

Jg. 110

|

Heft 40

|

4. Oktober 2013 A 1839 rium, der Deutschen Forschungsge-

gemeinschaft, der Europäischen Union oder von Stiftungen wie der Deutschen Krebshilfe. Um Interes- senkonflikte zu vermeiden und un- abhängig agieren zu können, neh- men Stingl und ihre Kollegen kein Geld von der Pharmaindustrie.

Aber kann sich eine Behörde im Wettbewerb mit Universitäten, For- schungsinstituten und der Pharmain- dustrie behaupten? „Ich wehre mich immer gegen den Begriff Behörde“, sagt Stingl. „Das BfArM ist ein Bundesinstitut, und die Bürger in Deutschland haben ein Anrecht auf Entscheidungen auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Er- kenntnisstandes.“ Deshalb müsse das BfArM seine wissenschaftliche Kompetenz weiter ausbauen. Mit seinem Schwerpunkt auf der klini- schen Therapieforschung schließe das Institut eine Lücke. Denn die Universitäten konzentrierten sich in der Regel auf die Grundlagenfor- schung und die Pharmaunternehmen auf die Arzneimittelentwicklung.

„Wir machen anwendungsbasierte Forschung, die unmittelbar nützlich sein soll für die Therapie“, erklärt Stingl. „Wir arbeiten beispielsweise mit an internationalen Empfehlun- gen, wie man die Arzneimitteldosie- rung individueller gestalten kann.“

Es sei bekannt, dass zehn Prozent der Patienten aufgrund einer geneti- schen Disposition bestimmte Arz- neimittel langsamer abbauten. Diese

Patienten benötigten Arzneimittel in viel geringerer Dosierung. Fragen wie diese würden aber im Rahmen der Zulassung gar nicht untersucht.

„Es gibt viele Bereiche, in denen die Therapie in der klinischen Praxis verbesserungsbedürftig ist“, meint Stingl. Erwünschter Nebeneffekt:

Die Forschung im eigenen Haus er- möglicht es, die regulatorisch täti- gen Kollegen mit zusätzlichen wis- senschaftlichen Erkenntnissen zu unterstützen, wie Stingl betont. Den- noch legt sie Wert darauf, dass For- schung und behördliche Aufgaben sich nicht vermischen. „Um unab- hängige Forschungsideen entwi- ckeln zu können, trennen wir strikt zwischen der Zulassungsarbeit der Assessoren und unserer Forschungs-

tätigkeit. Damit ist gewährleistet, dass nicht etwa aktuelle Zulassungs- anträge Anstoß für Forschungspro- jekte geben, sondern grundlegende und von einzelnen Arzneimitteln losgelöste Fragestellungen.“

Und wie kann Forschung den in- ternationalen Ruf der Behörde ver- bessern? „Wir können unsere Ex- pertise zeigen und uns mit einem ei- genen Forschungsprofil internatio- nal darstellen“, meint Stingl. „Das war auch beim Wissenschaftsrat ein ganz wichtiger Aspekt.“ Die Profi- lierung in bestimmten Schwerpunk- ten zieht dann, so hofft man, die Aufträge für die Bearbeitung euro- päischer Zulassungsanträge nach sich. 2012 hat das BfArM nach ei- genen Angaben bei den zentralen europäischen Verfahren in 20 Pro- zent der Fälle als zentrale wissen- schaftliche Stelle die Primärbewer- tung der Anträge durchgeführt. Da- mit sei man eine der führenden Arz- neimittelzulassungsbehörden im zentralen Verfahren, heißt es dort.

Bei den dezentralen Verfahren liege das BfArM ebenfalls auf einem der Spitzenplätze.

Der Wissenschaftsrat beschei- nigte dem Institut im vergangenen Jahr einen Wandel im Selbstver- ständnis: von der mit regulatori- schen Aufgaben befassten Behörde zur Forschungseinrichtung mit An- spruch auf Wettbewerbsfähigkeit im europäischen Rahmen. Der Rat regt an, das BfArM „baldmög- lichst“ erneut zu evaluieren.

Heike Korzilius Forschungsleiterin

Julia Stingl: „Wir haben hier eine völlig neue Struktur aufge-

baut. Wir forschen professionell und zu 100 Prozent.“

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizin- produkte (BfArM) ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministe- riums mit Sitz in Bonn. Dort kümmern sich etwa 1 100 Mitarbeiter hauptsächlich um die Zulas- sung von Arzneimitteln sowie die Sicherheit von Arzneimitteln und Medizinprodukten. Für die Zu- lassung prüft das BfArM Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit eines Arzneimittels. Im Rahmen der Pharmakovigilanz sammelt und be- wertet es Berichte zu unerwünschten Arzneimit- telwirkungen und entscheidet über Maßnahmen zur Risikominimierung, die in schweren Fällen zum Entzug der Zulassung führen können.

Für die Zulassung von Arzneimitteln gibt es in der Europäischen Union (EU) verschiedene Ver-

fahren. Arzneimittel, die das zentrale Verfahren bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in London durchlaufen, erhalten eine Zulassung für die gesamte EU. Die EMA ist dabei keine klassi- sche Zulassungsbehörde, sondern koordiniert das Verfahren. Die wissenschaftliche Bearbeitung der Zulassungsanträge findet in den Behörden der Mitgliedstaaten statt. Auf der Grundlage der EMA- Empfehlung entscheidet letztlich die EU-Kommis- sion über die Zulassung eines Arzneimittels. Soll ein Arzneimittel nicht in der gesamten EU ver- marktet werden, kann der Hersteller bei der EMA ein dezentrales Verfahren oder eines der gegen- seitigen Anerkennung beantragen. Will er sein Präparat nur in einem Staat vermarkten, wendet er sich an die nationale Zulassungsbehörde.

KERNAUFGABEN DES BFARM

P O L I T I K

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

„Bei Patienten mit essentieller (nicht organbedingter) Hypertonie oder chronischer Angina pectoris, die mit Ni- fedipin in schnell freisetzenden Darrei- chungsformen (. gehört

> 100 µg auf 50 µg gefundenen Effektes. e) Ferner wurde beanstandet, in der WHO-Studie seien signifikante Unter- schiede zwischen OCs der zweiten und dritten Generation nur

Weitere Ergebnisse: 92 Prozent halten die Klinik- fachärzte für kompetent, 98 Prozent bezeichneten das Personal als zuvorkommend und freundlich, 88 Prozent fühlen sich

Januar eine im dortigen Inhaltsverzeichnis noch angekündigte Be- kanntgabe der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft ("Antiorrhythmische Therapie mit der fi-

Der Arzneimittelkommission wur- den seit der letzten Bekanntgabe im Juli 1992 insgesamt 39 weitere Berichte über Schockreaktionen nach Diclofenac zuge- sandt: In 28 Fällen

Diese Empfehlung beinhaltete eine dreimalige orale Gabe von 1 mg Vitamin K an gesunde Früh- und Neugeborene sowie die parenterale Anwendung nur noch für kranke Früh- und

Die erste und zweite Änderung sollen verdeutlichen, daß es sich bei der Einbeziehung von Be- zugspersonen bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen nicht um eine

7 Arzneimittelgesetz 1976 (AMG) wis- senschaftliches Erkenntnismaterial für die Arzneimittel, die nicht der automati- schen Verschreibungspflicht nach § 49 AMG unterliegen,