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ie Stimmung im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro- dukte (BfArM) ist gereizt. Das Institut hat Schwierigkeiten, seine Auf- gaben zu erfüllen, die Kritik an der langsamen Arbeitsweise nimmt zu.Schleppend kommt vor allem die Nachzu- lassung von Arznei- mitteln voran (siehe Kasten). Grund ist ein Mangel an Fachperso- nal, der sich sogar noch verschärfen dürf- te: Viele Mitarbeiter – insbesondere hoch qualifizierte und er- fahrene Pharmaexper- ten – wollen in die In- dustrie beziehungs- weise zu anderen Bun- desbehörden wech- seln (oder haben dies bereits getan), weil sie nicht in Bonn arbeiten
wollen. Hintergrund: Infolge des Bonn- Berlin-Gesetzes verlagert das Institut seinen Dienstsitz von der Spree an den Rhein, 440 der 850 Beschäftigten arbei- ten bereits seit Oktober 1999 in Bonn.
Vorbehalte gegen Schweim
Ende dieser Woche wird eine Personal- entscheidung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) für weitere Un- ruhe im BfArM sorgen: Dann wird Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer bekannt geben, dass BfArM- Direktor Prof. Dr. med. Alfred Hilde- brandt seinen Platz räumen muss –
zwei Jahre vor der Pensionierung. Ihm nachfolgen soll Prof. Dr. rer. nat. habil.
Harald G. Schweim, derzeitiger Leiter des Deutschen Instituts für Medizini- sche Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln und zuvor BfArM-
Fachbereichsleiter für Arzneimittelzu- lassungen.
„Die Mehrheit der leitenden Mitar- beiter ist nicht bereit, unter Prof.
Schweim tätig zu bleiben“, sagte ein BfArM-Mitarbeiter dem Deutschen Ärzteblatt. Schweim wollte auf Anfra- ge nicht bestätigen, dass er in Kürze ne- ben dem DIMDI auch das BfArM lei- ten wird. Er bejahte aber, im Mai einen Brief an seine DIMDI-Mitarbeiter ge- schrieben zu haben, mit dem er sich ins Spiel bringt: „Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor Sie es denn auf ande- rem Wege erfahren, möchte ich Ihnen – trotz großer Unsicherheit im Detail – dennoch die Information geben, dass
Frau Bundesministerin Fischer mich gebeten hat, das BfArM zu leiten“, heißt es dort. Das BMG hält sich noch bedeckt: Er könne frühestens zum En- de dieser Woche Stellung zu diesem Thema nehmen, sagte Arnold Schrei- ber, Leiter der BMG-Unterabteilung Z 1 „Verwaltung“. Auch Hildebrandt wollte sich nicht zu den Spekulationen um eine Neubesetzung seines Postens äußern.
Arbeitsfähigkeit auf Jahre hinaus eingeschränkt
Durch den Aderlass beim erfahrenen Personal des BfArM ist zu befürchten, dass sich die Zulassungs- und Nachzu- lassungsdauern für Arzneimittel weiter verlängern und die Zulassungs- und Nachzulassungszahlen weiter zurückge- hen werden. Dies könnte negative Fol- gen für die internationale Wettbewerbs- fähigkeit der deutschen Arzneimittel- hersteller haben. In Gefahr ist aber auch die Wettbewerbsfähigkeit der deut- schen Zulassungsbehörde im Umfeld der europäischen „Konkurrenz“- Behörden. Novellen des Arzneimittel- gesetzes, insbesondere die gerade zur Beschleunigung der Nachzulassung be- schlossene 10. Novelle, könnten vor die- sem Hintergrund nur begrenzt Erfolg haben. Ausgelöst durch den Berlin- Bonn-Umzug und verstärkt durch den beabsichtigten Führungswechsel, wird es Jahre dauern, bis das BfArM auf sei- nem früheren Niveau arbeiten kann – und auch da gab es schon viel Kritik am Arbeitstempo. Jens Flintrop P O L I T I K
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A1948 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 28–29½½½½17. Juli 2000
Bundesinstitut für Arzneimittel
Führungswechsel in unruhigen Zeiten
Die Anzeichen verdichten sich: Harald G. Schweim soll Alfred Hildebrandt an der Spitze des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte ablösen – eine Personalentscheidung, die für weitere Unruhe in der Behörde sorgen wird.
Das BfArM-Gebäude an der Friedrich-Ebert-Allee in Bonn. Bis zum Jahr 2003 soll das Institut in einem Neubau an der Kurt-Georg- Kiesinger-Allee sein endgültiges Domizil finden. Foto: BfArM
Nachzulassungen
Von der Nachzulassung betroffen sind Arzneimit- tel, die bereits vor der Neufassung des Zulas- sungsverfahrens im Arzneimittelgesetz von 1978 auf dem Markt waren. Ihnen wurde zunächst eine
„fiktive Zulassung“ erteilt mit der Auflage, sich dem neuen Zulassungsverfahren zu unterziehen.
Ende 1999 waren noch etwa 13 300 Arzneimittel im „Nachzulassungsstau“. Nachdem die EU- Kommission wiederholt beanstandet hatte, dass das Nachzulassungsverfahren in Deutschland noch nicht abgeschlossen ist, beschloss der Bun- destag am 12. Mai die 10. Novelle des Arzneimit- telgesetzes, dem der Bundesrat am 9. Juni zu- stimmte. Ziel dieser Novelle ist es, die Nachzulas- sung von Arzneimitteln deutlich zu straffen. EB