Die Österreichische Ärztekam- mer (ÖÄK) hat auf ihrem Ärztetag Ende letzten Jahres gegen eine ge- plante Reform im System der Kran- kenkassen protestiert: Würden die bäuerlichen Krankenkassen durch die Gebietskrankenkassen übernommen, drohten den Ärzten durch niedrige- re Honorare Einkommensverluste in Höhe von 250 Millionen Schilling.
Außerhalb von Ballungsgebieten sei- en Arztpraxen dann nur noch schwer zu führen.
Die Krankenversicherung dage- gen rechne für 1997 mit Milliarden- überschüssen, erzielt durch „Kosten- druck auf Patienten, Spitäler und Ärz- te“. Mittel dazu seien etwa Kran- kenscheingebühren oder die „Blocka- de neuer Organisationsformen“ wie Gruppenpraxen oder der sogenann- ten medizinischen Hauskrankenbe- handlung, die den Aufenthalt im Spi- tal ersetzen soll.
Für Ausbildungsreform
Daneben forderten die Ärzte Veränderungen in der Ausbildung:
Für sämtliche Medizinstudenten solle eine Phase des „Social Service“ ver- pflichtend sein, mit anschließendem Wettbewerb um die begrenzte Zahl der Studienplätze. Es solle nicht mehr Plätze geben, als auch für die Weiter- bildung verfügbar seien. Im Studium selbst solle verstärkt fallorientiert ge- lehrt werden, und danach sei „lebens- lange Fortbildung“ nötig.
Bisher gibt es für österreichische Medizinstudenten noch keine Zu- gangsbeschränkungen. Nach Anga- ben der ÖÄK erhalten jährlich 1 600 Ärzte die Berufsberechtigung, aber nur 600 werden wirklich gebraucht.
Tatsächlich halten nach einer Umfrage der ÖÄK unter 3 507 Ärzten 86 Prozent der österreichischen Doc- tores das Medizinstudium für „verän- derungsbedürftig“ – je jünger die Be- fragten, desto höher die Prozentzahl.
Gefordert wurden unter anderem mehr Praxisbezug und straffere Lehr-
inhalte, aber auch eine „Erweiterung und Ergänzung des Fächerkanons“.
Rund drei Viertel der Befragten plädierten für Verbesserungen bei der praktischen Ausbildung. Die ÖÄK hat dazu bereits sogenannte Raster- zeugnisse entwickelt, in welchen die Ausbildungsinhalte zu jedem Fach vorgeschrieben sind. Ausbilder müs- sen die Vermittlung der einzelnen In- halte in den entsprechenden Rubri-
ken bestätigen. Dazu kommen neue Lehr- und Lernzielkataloge mit de- taillierten Beschreibungen der Aus- bildungsinhalte und schließlich eine Arztprüfung nach abgeschlossener Weiterbildung.
Ärzte, die ihre Weiterbildung zum Facharzt oder zum Arzt für All- gemeinmedizin nach dem 31. Dezem- ber 1996 begonnen haben, werden diese Prüfung künftig nach Maßgabe des Ärztegesetzes am Ende ihrer Wei- terbildung ablegen müssen. Der Ein- führung von Rasterzeugnissen sowie Lernzielkatalogen dagegen muß das österreichische Gesundheitsministeri-
um noch zustimmen. AE
A-879 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 15, 10. April 1998 (35)
T H E M E N D E R Z E I T BLICK INS AUSLAND
Österreichs Ärzte
kritisieren Kassenpolitik
Nach einem mehrjährigen Inter- regnum ist in der amerikanischen Re- gierung das Amt des „Surgeon Gen- eral“ wieder besetzt worden. Ernannt wurde der 57jährige Allgemeinarzt David Satcher, MD, PhD, der in den letzten fünf Jahren Direktor der Cen- ters for Disease Control and Preventi- on (CDC) in Atlanta, Georgia, gewe- sen ist. Dr. Satcher wird gleichzeitig stellvertretender Gesundheitsminister.
Der Neubesetzung waren lange Kontroversen vorausgegangen, seit die in Präsident Clintons erster Amts- zeit ernannte Joycelyn Elders, MD, 1994 wegen umstrittener Äußerungen über die Sexualität von Jugendlichen zurücktreten mußte. Die Bestätigung des vom Präsidenten vorgeschlagenen Nachfolgers Henry Foster, MD, wurde von einer konservativen Mehrheit im Senat verweigert, weil Dr. Foster zu- gab, in seiner ärztlichen Laufbahn Ab- treibungen vorgenommen zu haben.
Auch Dr. Satcher brauchte fünf Mona- te, bis der Senat seiner Ernennung zu- stimmte. Umstritten waren ebenfalls seine Einstellung zum Schwanger- schaftsabbruch wie auch bestimmte Forschungsprojekte, die die CDC un- ter seiner Leitung durchführten.
Die Aufgabe des Surgeon Gen- eral wird von vielen darin gesehen, daß er der Öffentlichkeit die Bedeu- tung medizinischer Erkenntnisse für
die Volksgesundheit erläutern soll.
Eines der markantesten Beispiele ist der Bericht von Luther Terry, MD, im Jahr 1964 über die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens, der dann zu dem entsprechenden Warnhinweis auf jeder Zigarettenschachtel führte.
Einem späteren Surgeon General, Everett Koop, MD, wird das Ver- dienst zugeschrieben, durch einen drastisch formulierten Bericht 1987 der amerikanischen Öffentlichkeit die Gefahren von AIDS ins Bewußtsein gebracht zu haben.
Durch die erst von Präsident Clinton eingeführte Verbindung mit dem Posten des stellvertretenden Ge- sundheitministers erwächst dem Sur- geon General vor allem die Aufgabe, den Minister zu beraten. Man wird ab- warten müssen, wie sich dies auf die Gesundheitspolitik der Regierung auswirkt. Für 1998 stehen im Parla- ment vor allem Gesetzentwürfe zur Verbesserung der Patientenrechte an.
Ferner hat der Präsident seine Ab- sicht angekündigt, das Medicare-Pro- gramm (Finanzierung von Gesund- heitsleistungen für Rentner) auf die 55- bis 65jährigen auszudehnen.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß 1998 in den USA wieder ein Wahljahr ist: Das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel der Senatoren müssen neu gewählt werden. gb