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Archiv "Umfrage: Beim Arzt gut aufgehoben" (07.08.2006)

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ezeptfreie Arzneimittel dürfen seit In-Kraft-Treten des GKV-Moder- nisierungsgesetzes (GMG), von Ausnahmen abgesehen, nicht mehr zu- lasten der Gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV) verordnet werden. Als Folge des OTC-Erstattungsausschlusses durch den Gesetzgeber ging die Zahl der von den Ärzten in Deutschland verordneten rezeptfreien Arzneimittel von circa 266 Millionen Packungen (2003) auf 147 Millionen Einheiten (2005) zurück. Entgegen den Progno- sen renommierter Marktforschungsin- stitute wurde ein Großteil der wegfal- lenden Verordnungen nicht von stei- genden Selbstkäufen aufgefangen. In den vergangenen zwei Jahren wurden jeweils mehr als 100 Millionen Packun- gen rezeptfreier Arzneimittel, die vor der Reform noch verordnet worden waren, nicht durch Selbstkäufe ersetzt.

Die Patienten verzichteten in diesem Umfang auf die Anwendung von Arz- neimitteln. Daran hat auch die Mög- lichkeit, dass Ärzte OTC-Präparate empfehlen oder ein „Grünes Rezept“

ausstellen, nichts geändert. Insbeson- dere bei leichteren Erkrankungen wur- de zudem auch in vielen Fällen der Gang zum Arzt unterlassen.

Vor dem Hintergrund dieser Fakten scheinen demoskopische Studien, die vor der Gesundheitsreform eine sehr hohe Bereitschaft der Patienten zur gesundheitlichen Eigenverantwortung und zur Selbstmedikation vermuten

ließen, inzwischen obsolet. Versuche, diese Diskrepanz mit der Praxisgebühr, der allgemeinen wirtschaftlichen Situa- tion und der Konsumschwäche zu er- klären, greifen zu kurz. Insbesondere wenn die Mehrausgaben, die die Ge- sundheitsreform verursacht, ins Ver- hältnis zu Konsumausgaben in anderen Bereichen gesetzt werden.

Hohe Sympathiewerte

Die Hypothese, dass weniger die Zah- lungsfähigkeit als die Zahlungsbereit- schaft eine entscheidende Rolle spielen könnte, hat den Bundesverband der Arz- neimittel-Hersteller (BAH) bewogen, zusammen mit dem Marktforschungsin- stitut Icon Added Value eine Bevölke- rungsbefragung durchzuführen1. Die

Studienergebnisse beruhen auf einer für die deutsche Bevölkerung repräsentati- ven Basisstichprobe von 800 Bürgern im Alter zwischen 20 und 70 Jahren. Die Befragung wurde im Januar 2006 bun- desweit mit der so genannten CATI-Me- thode (computer-aided telephone inter- views) durchgeführt. In die Interpre- tation der Ergebnisse fließen zusätzlich Erkenntnisse aus dem Health Care Monitoring des Kölner Marktforschungs- instituts psychonomics ein2.

Der Arzt verkörpert traditionell und vom ethischen Anspruch her den Inbe- griff eines vertrauenswürdigen Heilbe- ruflers und altruistischen Verfechters der Patienteninteressen. Von gesund- heitspolitischer Seite wird dem Arzt darüber hinaus zunehmend auch die Rolle eines Lotsen im Gesundheitswe- sen und eines Agenten der ökonomi- schen Interessen des GKV-Systems zu- gedacht. Letztgenannte Aufgaben kön- nen tatsächlich oder in der öffentlichen Wahrnehmung mit der Zielsetzung, das Patientenwohl uneingeschränkt zu ver- treten, in Konflikt geraten. Gleichwohl war es zu erwarten, dass der Grundte- nor der Befragungsergebnisse ein sehr positives Bild der Ärzte in der Bevölke- rung wiedergibt. So sind die Sympathie- und Vertrauenswerte sowie die Loya- lität gegenüber Ärztinnen und Ärzten in einem Vergleich mit Dienstleistungs- T H E M E N D E R Z E I T

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A2090 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 31–32⏐⏐7. August 2006

Umfrage

Beim Arzt gut aufgehoben

Ärzte genießen in der Bevölkerung hohes Vertrauen, ergab eine repräsentative Befragung. Sie zeigte zugleich:

Rezeptfreie Arzneimittel beurteilt die Bevölkerung viel kritischer, seit die Krankenkassen sie nicht mehr erstatten.

1Icon Added Value/BAH, Apotheker, Arzt und die Selbst- medikation – Rationale und emotionale Wahrnehmung der Leistungsangebote aus Verbrauchersicht, Nürnberg und Bonn, März 2006

2psychonomics AG, Abwertungseffekte von OTC nach dem GMG. Eine Stellungnahme auf Basis von vier Jahren Health Care Monitoring im Auftrag des BAH, Köln, April 2006

Frage: Ich lese Ihnen nun wieder einige Aussagen vor, mit denen man Menschen beschreiben kann. Bitte sagen Sie mir zu jeder dieser Aussagen, wie gut sie Ihrer Meinung nach zu ihrem Arzt passen. Und zwar immer mit den Abstufungen von 1 bis 5, dabei bedeutet:

(1) „passt sehr gut“ bis (5) „passt gar nicht“.

Basis: n = 400; TOP BOX (1,2) in %

Gute Noten für den Arzt

nimmt mich als Patient ernst gibt mir gute und leicht verständliche Erklärungen dort fühle ich mich

gut aufgehoben zeigt viel Engagement hat mir schon oft geholfen nimmt sich ausreichend Zeit für mich verschreibt mir immer die Medikamente, die ich brauche

ist ein wichtiger Ratgeber bei Gesundheitsproblemen lässt mir die beste Behandlung zukommen ist auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand kommt, wenn ich ihn brauche setzt auch alternative Behandlungsmethoden ein spart auf Kosten meiner Gesundheit

0 20 40 60 80 100 0 20 40 60 80 100

Quelle:ICONADDEDVALUE

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erbringern verschiedener Branchen weit überdurchschnittlich hoch. 72 Pro- zent der Patienten sind mit der Qualität der medizinischen Behandlung zufrie- den, 62 Prozent glauben, dass sich ihr Arzt in allen Gesundheitsfragen gut auskennt, und für 66 Prozent ist er ein wichtiger Ratgeber bei Gesundheits- problemen. 64 Prozent gaben an, ihren eigenen Arzt schon einmal weiteremp- fohlen zu haben.

Apotheker besser beurteilt

Positive Eigenschaften der Mediziner, die den Befragten vorgegeben wurden, finden bei diesen durchweg eine Zustim- mung von rund 90 Prozent. Das heißt, bei jeweils neun von zehn Befragten gelten Ärzte als verantwortungsbewusst, diskret, zuverlässig, ehrlich und enga- giert. Freundlichkeit wird noch ein we- nig häufiger als ärztliches Charakteristi- kum benannt.Auf Werte von 80 Prozent und darunter kommen in absteigender Reihenfolge die Eigenschaften kompe- tent, einfühlsam und modern. Der Vor- wurf, vorrangig ein monetäres Interesse an den Patienten zu haben, wurde zu Anfang des Jahres 2006 nur etwa von je- dem zehnten Befragten erhoben.

Die individuelle Entscheidung, bei gesundheitlichen Beschwerden einen Arzt aufzusuchen, hängt von dem Nut- zen ab, den sich der jeweilige Patient davon verspricht. Mehr als 80 Prozent der Patienten fühlen sich bei ihrem Arzt ernst genommen, gut aufgehoben und mit verständlichen Erklärungen be- dacht (siehe Grafik). Kaum weniger Menschen geben an, dass der Arzt sich genügend Zeit für sie nimmt und ihnen immer die Medikamente verordnet, die sie brauchen. Letzteres ist in Anbe- tracht des OTC-Erstattungsausschlus- ses und anderer Verordnungseinschrän- kungen ein bemerkenswertes Ergebnis, wenngleich im Umkehrschluss immer- hin jeder Fünfte sowohl im Hinblick auf das ärztliche Zeitkontingent wie auch die Arzneiverordnung eine Beschrän- kung, das heißt eine subjektive Ratio- nierung erfährt.

Etwas deutlicher werden bestimmte Defizite bei den Nutzenmerkmalen. Nur gut 70 Prozent halten ihren Arzt für ei- nen wichtigen Gesundheitsratgeber und

glauben, von ihm die beste Behandlung zu erfahren. Etwa sechs von zehn Be- fragten wähnen ihren Arzt auf dem neue- sten wissenschaftlichen Stand. Die Tat- sache, dass nicht weniger als jeder Fünfte seinem Arzt zutraut, auf Kosten seiner (des Patienten) Gesundheit zu sparen, muss nachdenklich stimmen, zumal die freie Arztwahl es den Patienten ermögli- chen würde zu wechseln, sofern sie sich davon Besserung erhoffen würden.

In der Gesamtbetrachtung werfen die Ergebnisse das erwartete positive Licht auf das ärztliche Bild in der Bevölkerung.

Allerdings fällt in der gleichen Untersu- chung die Bewertung der Bevölkerung für die Apotheker noch positiver aus. Sie genießen im Vergleich zu den Ärzten bes- sere Sympathie und Vertrauenswerte.

Als direkte Folge der Gesundheitsre- form ist zu konstatieren, dass unter an-

derem durch Praxisgebühr und zuneh- mende IGeL-Angebote die „kaufmän- nischen Aspekte“ des Arztberufs im Ver- hältnis zu dem heilberuflichen Auftrag aus Sicht der Bevölkerung ein stärkeres Gewicht erlangt haben. Dies könnte Teil einer Erklärung für das leicht getrübte, aber überwiegend positive Arztbild in der Bevölkerung sein.

Gegenüber OTC-Präparaten skeptisch

Im Hinblick auf rezeptfreie Arzneimittel ergibt die Momentaufnahme des Stim- mungsbilds, dass die Markensympathie und das Markenvertrauen hier, in Relati- on zu pharmazeutischen Produkten ins- gesamt, gering ausgeprägt sind. Im Ein- klang damit wollten sich dem Statement

„Rezeptfreie Arzneimittel bieten eine ausgezeichnete Qualität“ lediglich 47 Prozent der Befragten anschließen.

Positive Produkteigenschaften wie

„wirksam“, „bewährt“, „modern“, „zu- verlässig“ und „sicher“ werden rezept- freien Arzneimitteln jeweils nur von 50 bis 60 Prozent der Befragten zugeschrie- ben. Die wünschenswerte Eigenschaft

„unbedenklich“ wird den OTC-Produk-

ten von nur rund 30 Prozent der Befrag- ten beigemessen. Hinsichtlich aller oben genannten Produkteigenschaften sind jeweils Männer und ältere Menschen die deutlich kritischeren Gruppen.

Nur rund 40 Prozent der Patienten sind der Meinung, dass OTC-Produkte auch das Vertrauen ihres Arztes ge- nießen. Nicht mehr als jeweils 30 bis 40 Prozent vertreten die Auffassungen, dass OTC-Produkte ihr Geld wert sind, sie ge- nauso wirksam sind wie verschreibungs- pflichtige Arzneimittel oder dass sie für die eigene Gesundheit unverzichtbar sind. Demgegenüber glauben nur etwas mehr als 20 Prozent der Befragten, dass rezeptfreie Arzneimittel tendenziell we- niger Nebenwirkungen als verschrei- bungspflichtige Medikamente haben. Pa- tienten, die älter als 60 Jahre sind, möch- ten weniger gern auf ihre Selbstmedika-

tionsprodukte verzichten, wenngleich sie die Produkteigenschaften der OTC- Präparate negativer bewerten als jüngere Menschen.

Nach der letzten Gesundheitsreform hat ein tief greifender Stimmungswandel in der Bevölkerung eingesetzt. Offen- sichtlich deuten die Patienten den OTC- Erstattungsausschluss durch den Gesetz- geber als Signal dafür, dass es sich bei diesen Produkten um überflüssige und minderwertige und somit verzichtbare Arzneimittel handelt. Aber auch die Verbraucher, die dies nicht unterstellen wollen, kultivieren die eigene Verzichts- fähigkeit, indem sie die „unkontrollierte“

Anwendung der Arzneimittel als Ge- fahr einstufen, um den Verzicht ohne Gesichtsverlust vor sich zu rechtfertigen.

Nicht zuletzt fehlt den Verbrauchern in vielen Fällen der Arzt als Gewährs- instanz, um das diffizile psychologi- sche Spannungsfeld zwischen Wirk- samkeit und Unbedenklichkeit zu lö- sen. Die Ärzte sind aufgrund ihrer Nähe zu den Patienten und aufgrund ihres Vertrauensvorschusses prädesti- niert, hier einen Beitrag zur Auf- klärung, Sensibilisierung und sachli- chen Information der Bevölkerung zu leisten. Dr. Uwe May und Marion Ries, BAH T H E M E N D E R Z E I T

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A2092 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 31–32⏐⏐7. August 2006

Den Verbrauchern fehlt bei der Beurteilung rezeptfreier Arzneimittel in vielen Fällen

der Arzt als Gewährsinstanz.

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