A 844 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 17|
27. April 2012MEDIZINSTUDIUM
Grundstein für den „guten Arzt“
Was muss eine Absolvent am Ende des Studiums können? Eine Arbeitsgruppe erstellt derzeit den Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin. Mitte 2013 soll er vorliegen.
W
enn ein frischgebackener Arzt seine Approbationsur- kunde in der Hand hält, hat er eini- ges hinter sich. Er hat im Studium Scheine erworben, hat Physikum, praktisches Jahr und Staatsexamen absolviert. Das Medizinstudium ist aufwendig und verlangt Durchhal- tevermögen. Doch reicht das aus, um „gute Ärzte“ auszubilden? Prof.Dr. med. Martin R. Fischer ist skep- tisch. „Viel wichtiger ist die Frage:
Was muss ein Absolvent können?
Und da gibt es Lücken“, betont der Vorsitzende der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung (GMA) und Lehrstuhlinhaber für Didaktik und Ausbildungsforschung in der Medizin an der Ludwig-Maximili- ans-Universität München.
Eine Arbeitsgruppe von GMA und Medizinischem Fakultätentag (MFT) erstellt deshalb einen Natio- nalen Kompetenzbasierten Lern- zielkatalog Medizin (NKLM). Nun kann man fragen: Wozu braucht man bundesweite Lernziele über- haupt? Reichen die Vorgaben aus der Approbationsordnung für Ärz- te (ÄAppO) und aus dem Ge -
genstandskatalog des Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) nicht aus?
Tatsächlich steht der NKLM für eine neue Herangehensweise. Der Katalog soll keine Liste sein, auf der man Themen abhakt. „Es geht um die Frage, welche Kompetenzen ein Arzt haben muss“, sagt Fischer.
Entscheidend an einem Lernziel ist für ihn, dass es sich operationalisie- ren lässt, dass es Kompetenzen be- inhaltet, die man erlernen kann.
Nationaler Lernzielkatalog als Paradigmenwechsel
In der Praxis bedeutet das: Der Ab- solvent soll nicht nur nachweisen, dass er sich mit dem Thema „Isch - ämische Herzkrankheiten“ befasst hat. Er muss wirklich dazu in der Lage sein, einen Herzinfarkt zu er- kennen. Dem GMA-Vorsitzenden Fischer zufolge ergeben sich Kom- petenzen aus Teilkompetenzen, die sich aus Wissen, Fertigkeiten und Verhalten aufbauen. Wichtig sind auch übergreifende Lernziele: Die Absolventen sollen den Anspruch des lebenslangen Lernens verinner-lichen, Informationen kritisch hin- terfragen, ihr eigenes Verhalten re- flektieren und ihre Grenzen kennen.
Ein kompetenzbasierter Lern- zielkatalog ist keine Auflistung von Symptomen und Krankheitsbildern wie der IMPP-Gegenstandskatalog.
Der NKLM soll diesen aber auch nicht ersetzen. Das Gleiche gilt für die ÄAppO, die gemeinsam mit einer EU-Richtlinie die Rahmen - bedingungen vorgibt. Der Lernziel- katalog soll den Universitäten eine Orientierung geben. „Wir können die Arbeit der Fakultäten für die Gestaltung der Curricula nicht er- setzten“, stellt Fischer klar.
Die Anregung zum NKLM kam 2009 von der Kultusministerkon - ferenz. GMA und MFT bildeten daraufhin eine Lenkungsgruppe, in der unter anderem auch Vertreter der Bundesärztekammer und der Arbeitsgemeinschaft der Medizini- schen Wissenschaftlichen Fachge- sellschaften sitzen. Derzeit arbeiten interdisziplinäre Expertengruppen an 21 „Arbeitspaketen“. Solche Pakete sind zum Beispiel „Not - fälle“, „diagnostische Verfahren“,
„klinisch-praktische Fähigkeiten“,
„therapeutische Prinzipien“ oder
„Arztbild“. Eine Orientierung bie- ten nationale Lernzielkataloge aus den Niederlanden und der Schweiz.
Wichtig ist Fischer eine hohe Akzeptanz des NKLM bei den Fa- kultäten. „Sonst steht der Katalog nur im Regal“, sagt er. Ab Sommer startet ein Abstimmungsprozess mit den Medizinischen Fachgesellschaf- ten. Im März kommenden Jahres folgt eine abschließende Konsen- suskonferenz. Dann läuft auch die Förderung durch die Robert-Bosch- Stiftung aus. Mitte 2013 soll der Lernzielkatalog vorliegen.
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Dr. med. Birgit Hibbeler Die Anwesenheit
in Vorlesungen ist keine Garantie da- für, dass ein Stu- dent Kompetenzen erwirbt.
Foto: dpa
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Informationen zum Lernzielkatalog:www.nklm.org