Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Orales Strophanthin
zweiteren Falle etwa eine 0 2-Ver- wertungsstörung im Bereich der Zelle selbst. Sehr ernstzunehmende Infarktforscher wie Eörsz Bajusz und Giorgio Baroldi glauben nicht, daß die extramuralen Koronarien die Rolle spielen, die ihnen hierzulande noch eingeräumt wird.
Unter Beachtung einer seit 1949 von B. Kern hypothetisch angenomme- nen lokalmyokardialen Störung (un- ter anderem multiple Kleinherdne- krosen und Myokardfibrose) wären Befunde von Cohen und Holmberg (1966) erstmals einzuordnen, die aufweisen, daß im Koronarvenenblut von Myokardkranken bei Belastung vermehrt Sauerstoff wiederzufinden ist (was ein Absinken der Sauerstoff- extraktion durch die arbeitende Muskulatur aus dem Koronarblut bedeutet). Diese Befunde können nach B. Kern nur so gedeutet wer- den, daß eine akute Utilisationsstö- rung der Myokardzelle vorliegt, durch die es unmittelbar zur Myo- kardazidose mit venöseM Abstrom von ungenutztem Sauerstoff und neu gebildetem Laktat kommen muß. In denjenigen Fällen, wo zu- sätzlich und sekundär eine lschämie sich ausbildet, geschieht dies infol- ge Verquellung der Kapillarwände und Stase der Erythrozyten in den Kapillaren. Auch dies ist unabhängig vom Zustand der extramuralen Ko- ronarien. Was den Autoren Schett- ler, Weber und Kübler wie eine Ver- wechslung von Ursache und Wir- kung erschienen sein mag, beruht vielmehr auf einer wissenschaftlich- detaillierten Erkenntnisbemühung um die in das herkömmliche theore- tische Bild von der koronaren Herz- krankheit und des Herzinfarktes frei- lich schwer einzuordnenden Befun- de von Cohen und Holmberg, die unseres Erachtens bis heute unwi- derlegt geblieben sind.
Zusammenfassend muß gesagt wer- den: Vor allem im Experiment bleibt entscheidend für den Eintritt einer anaeroben Energieversorgung durch Milchsäureverwertung stets der p0 2 in der lokalen Endstrom- bahn und in der Transitstrecke. Für die Humanpathologie außerhalb des Experiments ist nach Cohen und
Holmberg offensichtlich die örtlich- myozytäre 0 2-Utilisationsstörung bei voller funktioneller Suffizienz des lediglich morphologisch als ge- stört imponierenden Koronarsy- stems die ursächliche Störung bei koronarer Herzkrankheit.
Insofern kann von einer Ursachen- Wirkungsverwechslung durch die Autoren B. Kern und M. v. Ardenne nicht gesprochen werden. Überdies hat deren myokardiale Entstehungs- theorie des Infarktes von der moder- nen Enzymforschung neue wesent- liche Impulse bekommen, ist doch gerade die Enzymforschung gehal- ten, den lokalen pH-Wert vorrangig zu beachten. Wenn auch zugegeben werden muß, daß viele Rätsel der Infarktentstehung, der Infarktthera- pie und -Prophylaxe auch weiterhin ungelöst bleiben, muß unter der Be- rücksichtigung der Ergebnisse von de Mesquita und Dohrmann im ge- genwärtigen Augenblick entgegen den generell abwertenden Ausfüh- rungen von Gotthard Schettler, El- len Weber und Wolfgang Kübler daran festgehalten werden, daß die durch Berthold Kern und Manfred v. Ardenne inaugurierte For- schungsrichtung fruchtbar zu wer- den verspricht.
Literatur bei der Geschäftsstelle der Internatio- nalen Gesellschaft f. Infarktbekämpfung e. V., Kastellstraße 11,
7060 Schorndorf-Haubersbronn
Stuttgart, den 5. 8. 1977 Internationale Gesellschaft für Infarktbekämpfung gez. Dr. med. H. H. Schöffler
Schlußwort
Die vorstehenden Ausführungen zu unserem Aufsatz über „Orales Stro- phanthin in der Therapie der Herz- krankheiten und speziell der koro- naren Herzkrankheiten" enthalten keine beweiskräftigen Fakten gegen unsere Meinung, daß die Empfeh- lungen der Internationalen Gesell- schaft für Infarktbekämpfung e. V.
Schorndorf-Haubersbronn zur Pro- phylaxe des Herzinfarktes durch orale Strophanthingabe unter die unbewiesenen und unbegründeten
Therapievorschläge gehören. Sie entbehren nach wie vor der wissen- schaftlich-theoretischen und der kli- nisch-empirischen Grundlagen.
Die erneut zitierten Experimente des Herrn von Ardenne haben wir kri- tisch dargestellt. Die daraus gezoge- nen Schlußfolgerungen sind unse- res Erachtens keineswegs in der La- ge, unsere Behauptungen zu wider- legen. Kernstück der vorstehenden Ausführungen ist die Publikation von Dohrmann und Mitarbeitern in
„Ärztliche Praxis" 29 (1977), S.
1003-1004, welche vom Haubers- bronner Arbeitskreis als epochema- chend apostrophiert wurde. Weitere Ergebnisse der Spandauer Ärzte- gruppe wurden inzwischen am 10.
Juni 1977 in Stuttgart durch Frau Dr.
Kessel vorgelegt.
In der Spandauer Studie erhielten Herzinfarktkranke nach der klini- schen Einweisung 1000 mg Predni- solon, 1/4 mg k-Strophanthin intrave- nös, und anschließend wurden per Tropfinfusion unter anderem 'A mg k-Strophanthin und 200 mg Inten- sain gegeben. Es wurden ferner wei- tere Medikamente, wie sie heute in allen Intensivstationen üblich sind, verabreicht. Unter der i. v.-Kombina- tionstherapie wurde die Infarktletal i- tät auf Werte gesenkt, die in kardio- logischen Zentren heute weltweit er- reicht sind. Mit g-Strophanthin per- lingual wurden bestehende Steno- kardien zu lindern versucht, „was zwar häufiger eine subjektive Besse- rung, aber bei bestehendem Infarkt kaum eine vollständige Schmerzfrei- heit brachte".
Aus der Studie von Dohrmann und Mitarbeitern zur Behandlung der Angina pectoris geht hervor, daß es unter sublingualer Strophanthinga- be bei 55 der untersuchten 158 Pa- tienten zu einer „akuten Myokardin- farzierung" kam.
Wie man aus diesen Studien einen prophylaktischen oder therapeuti- schen Wert des sublingual ange- wandten Strophanthin bezüglich des Myokardinfarktes folgern kann, was Dohrmann und Mitarbeiter gar nicht taten, ist uns rätselhaft.
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 46 vom 17. November 1977 2755Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
TECHNIK IN DER MEDIZIN
Gefriertrockner für kleine Mengen
In vielen klinischen Labors mußte die Anschaffung eines Gefriertrock- ners bisher unterbleiben, weil der Preis dafür zu hoch war. Ein neuer Mini-Gefriertrockner für kleine Men- gen macht die Anschaffung auch bei kleinem Etat möglich. Das Gerät kann überall dort eingesetzt werden, wo mit kleinen Materialmengen ge- arbeitet wird, zum Beispiel in der Biochemie, der Mikrobiologie, der Pathologie und allgemein in der Medizin.
Bei Verwendung des Mini-Gefrier- trockners brauchen kleine Mengen von zu trocknender Substanz nicht mehr in die Tiefkühltruhe gegeben zu werden. In den meisten Fällen können sie gleich mittels Zentrifuge und Vakuumpumpe eingefroren werden. Durch den Umgang mit klei- nen Volumina erreicht man eine schnellere Trocknung. Das bedeutet geringere Betriebskosten. Ein weite- rer Vorteil ist die Möglichkeit des dezentralen Einsatzes: es werden keine größeren Anlagen blockiert.
Bei dem Gerät trägt ein Rahmen aus Leichtmetall eine Arbeitskammer und eine gleichgroße Kondensor- kammer, die im oberen Teil durch ein Horizontalrohr verbunden sind.
In diesem befindet sich ein großdi- mensioniertes Absperrventil. Die Ar- beitskammer ist an der Grundplatte außen mit einem Elektromotor aus- gestattet, der den Zentrifugenteller antreibt. Die Fläschchen rotieren in der Kammer, die Flüssigkeiten bil- den eine Wand verdampfend gefro- renen Materials mit einer maximalen Oberfläche für die schnellstmögli- che Sublimation des Wassers. Der Wasserdampf wird entweder allein durch den Gasballast der Vakuum- pumpe entfernt oder, wenn ge- wünscht, mittels P 20 5 in einer Dessi- katorschale, die in der Kondensor- kammer untergebracht wird. Außer- dem kann Trockeneis oder Flüssig- stickstoff in den Kühlfinger einge- füllt werden. Die Arbeitskammer kann durch ein spezielles Ventil vom Kondensor getrennt und das Ver-
Mini-Gefriertrockner für kleine
Mengen Werkfoto
schließen der Fläschchen dann ent- weder unter Vakuum oder durch Inertglas erfolgen.
Beim Anreichern von Enzymen und Proteinen bleiben nach der Filtra- tion nur geringe Mengen des End- produkts in einem großen Trägervo- lumen zurück. Mit dem Gerät kann die flüssige Mischung in kontrollier- barer Menge dem rotierenden Fläschchen nach und nach unter Vakuum zugeführt werden. Die Ver- dampfung der ungewünschten Trä- gerflüssigkeit erfolgt dann von einer großen Oberfläche, die durch die Zentrifugalkraft erzeugt wird. In Fäl- len, in denen die Trägerflüssigkeit zurückgewonnen werden soll, kann dies mittels Kühlfinger geschehen, der nach der Trocknung aus der Kondensorkammer entnommen und abgetaut wird. Ha Vertrieb: Müller ratiolab, Postfach 1, 6079 Buchschlag
Orales Strophanthin
Wir haben davor gewarnt, Strophan- thin und Digitalis gemeinsam zu ver- abreichen. Die in der Entgegnung wieder empfohlene Gabe von Strophanthin bei Digitalisintoxika- tion ist wegen synergistischer Effek- te am Herzen als Kunstfehler anzu- sehen.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. Dr. h. c.
Gotthard Schettler
apl. Professor Dr. med. Ellen Weber Professor Dr. med.
Wolfgang Kübler
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Bergheimer Straße 58 6900 Heidelberg
Berichtigung
Umschriebene
Magenerkrankungen (II)
Wir sind zu unserem Beitrag „Um- schriebene Magenerkrankungen", II. Teil in Heft 33/1977, Seite 2031 von verschiedenen Kollegen auf einen Fehler hingewiesen worden, den wir hiermit richtigstellen:
Nach der Definition der japanischen Gesellschaft für gastroenterologi- sche Endoskopie aus dem Jahre 1962 versteht man unter einem Early Cancer ein Magenkarzinom, das im Schleimhautniveau wächst oder die Muscularis mucosae durchbrochen, die Submukosa erreicht, aber die Muscularis propria noch nicht alte- riert hat. Nach dieser gültigen und allgemein anerkannten Definition ist die Grenze des Tumorwachstums also nicht wie irrtümlich angegeben die Muscularis mucosae, sondern die Muscularis propria.
Privatdozent Dr. med. H. Frotz Evangelisches Krankenhaus Hamm Werler Straße 110
4700 Hamm 1
Dr. med. V. Flörkemeier Berufsförderungswerk 5414 Vallendar
2756 Heft 46 vom 17. November 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT