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Archiv "Die wissenschaftliche Medizin muß humane Medizin bleiben" (28.01.1983)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Mehrere hundert Fortbildungsbe- auftragte der Ärztekammern, Prüf- ärzte der Kassenärztlichen Ver- einigungen sowie wissenschaft- lich und praktisch tätige Ärzte nahmen Mitte Januar in Köln am VII. Interdisziplinären Forum

„Fortschritt und Fortbildung in der Medizin" der Bundesärzte- kammer teil. Sein Ziel wiederum:

neue Erkenntnisse medizinischer Wissenschaft daraufhin zu prüfen, inwieweit sie im Krankenhaus, in der Praxis des niedergelassenen Arztes, in der Betriebsmedizin und in anderen Zweigen ärztlicher Be- rufsausübung schon angewendet werden können und sollten.

Wie der Leiter der Abteilung Fort- bildung und Wissenschaft der Bundesärztekammer, Dr. Erwin Odenbach, zum Auftakt des Fo- rums am 12. Januar in einer gut besuchten Pressekonferenz noch einmal erläuterte, stand bei den einzelnen Themen jeweils die Hälf- te der verfügbaren Zeit für die Dis- kussion über praktische Fragen der Anwendbarkeit zur Verfügung, so daß gegebenenfalls auch über den Personalbedarf bei neuen Verfahren, über die Kosten und ähnliches diskutiert werden kann.

Das Forum sei also kein Fortbil- dungskongreß üblicher Art, wie man auch schon an seinem inter- disziplinären Charakter erkennen könne: Es gibt Fälle, in denen die Kenntnis medizinischer Neuerun- gen für Nachbargebiete von gro- ßer Wichtigkeit sein kann.

Karsten Vilmar:

„Fortbildung in Ethik"

Der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. Karsten Vilmar, ging in seinem Begrüßungsreferat un- ter anderem auf die öffentliche

Diskussion über die Humanität der „technischen Medizin" ein und warf in diesem Zusammen- hang die Frage auf, ob gerade für die jüngeren Ärzte nicht auch eine „Fortbildung in Ethik" nötig sei, und wenn ja, welche Fakto- ren man dabei berücksichtigen müsse.

Sie ist nach Vilmar nötig, und zwar nicht etwa deswegen, weil es so viel „Neues in Ethik" gebe, son- dern weil es neuer Überlegungen und verstärkter Anstrengungen bedürfe, um den nach wie vor gül- tigen ethischen Grundsätzen ärzt- lichen Handelns in einer verän- derten Mit- und Umwelt weiterhin Geltung zu verschaffen. Diese Än- derungen in der Umwelt zeigen sich nicht nur in Wissenschaft und Technik oder in den Lebens- und Arbeitsbedingungen, sondern auch zum Beispiel in der veränder- ten Motivation der Jugend bei der Berufswahl und in den heutigen Zuständen im Schul- und Ausbil- dungssystem: „Der Student lernt eine Vielzahl von zusammenhang- losen Fakten, die im Multiple- choice-Verfahren geprüft werden, während das Denken in Zusam- menhängen, das Erlernen ärztli- chen Verhaltens und Handelns, das Einüben des Umgangs und des Gesprächs mit Kranken und ihren Angehörigen zu kurz kom- men." Ähnliche Mängel werden auch in der ärztlichen Weiterbil- dung offenbar.

Gefahren liegen nach Vilmar nicht nur im naturwissenschaftlichen Fortschritt selbst, sondern vor al- lem auch in einer einseitigen Ab- lehnungshaltung diesem Fort- schritt gegenüber. In diesem Zu- sammenhang warnte Vilmar vor einer „technischen Abrüstung der

Medizin" und der Hinwendung zu unbewiesenen Heilslehren oder zum Aberglauben.

Von bestimmter politischer Seite wird der „Abbau" einer sogenann- ten „Überbetonung der techni- schen Medizin" gefordert. Vilmar zitierte den Entwurf des Wahlpro- gramms der SPD vom 17. Dezem- ber 1982; demnach soll eine sol- che Weichenstellung auch dazu herhalten, „die Übermacht der An- bieter von Gesundheitsleistungen, vor allem der Ärzte und der Phar-

maindustrie, durch effiziente In- strumente abzubauen und damit einen Beitrag zur Begrenzung der Einkommens- und Gewinnzu- wächse zu leisten."

Hat die Medizin versagt?

In Wahrheit:

überwiegend positive Bilanz Wissenschaftsfeindlichkeit und ei- ne wachsende Skepsis gegenüber wissenschaftlich begründeter Me- dizin zählte Professor Dr. Hanns Peter Wolff, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer, in seinem Eröffnungsreferat zu den Grund- motiven der gegenwärtig zu beob- achtenden Medizinkritik. Daneben nannte Professor Wolff die Säku- larisierung der Medizin, die geän- derte Erwartungshaltung und das gesteigerte Anspruchsdenken so- wie die zunehmende Kompliziert- heit der Medizin.

Professor Wolff: „Fragt man sich, was die Schulmedizin pädago- gisch und praktisch zur Bewälti- gung ihres technischen Fortschrit- tes beigetragen hat, so muß man zugeben: nicht genug. Denn sie hat sich nicht früh und nicht nach- drücklich genug auseinanderge- setzt mit der Gefahr einer unter dem Impakt des technischen Fort- schrittes entstehenden Umpro- grammierung des Arztes von einer patientenzentrierten zu einer ap- paratezentrierten Medizin."

Professor Wolff zog in seinem Re- ferat „Hat die Medizin versagt?"

ein Resümee seiner Generation

Die wissenschaftliche Medizin muß humane Medizin bleiben

VII. Interdisziplinäres Forum der Bundesärztekammer

Zur Eröffnung: Grundsatzfragen der ärztlichen Berufsausübung

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 4 vom 28. Januar 1983 29

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Die Information:

Bericht und Meinung

VII. Interdisziplinäres Forum

mit einer Untersuchung des Beste- hens oder des Versagens der Me- dizin an sechs großen Herausfor- derungen etwa der letzten 50 Jah- re: Die Perfektionierung der natur- wissenschaftlichen Medizin; die Notwendigkeit der Entwicklung neuer Krankheitskonzepte; der Traum von der Prävention; die Be- wältigung des technischen Fort- schrittes; das Dilemma der Über- spezialisierung; die Bewahrung des hippokratischen Vermächt- nisses.

Der schwierige Versuch, eine Bi- lanz der Leistungen der naturwis- senschaftlichen Medizin in den letzten 50 Jahren zu ziehen, führt nach Professor Wolff zu einer er- freulichen Zahl von Eintragungen auf der Positivseite, etwa: die Er- rungenschaften der Traumatolo- gie, der Herz-, Gelenk- und Trans- plantationschirurgie, die Beherr- schung des akuten Nieren- und Lungenversagens, die Erfolge der Hochdruck- und Schrittmacher- therapie, der Behandlung bakte- rieller Infektionen, der Kardiopro- tektion durch Beta-Rezeptoren- Blocker und die Heilbarkeit kindli- cher Leukämien. Man müsse aber nüchtern und realistisch auch Ein- tragungen auf der Negativseite zur Kenntnis nehmen: die unbefriedi- gende Chemotherapie der Organ- krebse, ungelöste nosologische und therapeutische Probleme der Zivilisations- und Geisteskrankhei- ten, des Gelenkrheumatismus und der Immunerkrankungen, der Vi- rusinfekte und der multiplen Skle- rose.

Der Traum von der Prävention, Erfolge bei der Früherkennung Nach einer langen Periode des Be- mühens um die Aufklärung von Krankheitsmechanismen, wesent- lich gestützt auf das quantifizie- rende Messen und auf Experimen- te, hat die Medizin nach Professor Wolff Denkansätze zur Entwick- lung neuer Krankheitskonzepte gemacht. So werde an psychoso- matischen, sozialen und epide- miologischen Konzepten gearbei-

tet, die sich jedoch alle noch im Stadium der Methodensuche und der Faktensammlung befinden und deren jeweiliger Stellenwert noch umstritten ist.

Zum Teil aus der Epidemiologie heraus entwickelten sich in den letzten 50 Jahren Hoffnungen auf eine Verhütbarkeit der chroni- schen Zivilisationskrankheiten. Al- lerdings habe die Primärpräven- tion — also der Versuch der Verhü- tung von Krankheit selbst — bisher kaum wissenschaftlich ausgereifte und zugleich praktikable Initiati- ven entwickelt. Als aussichtsrei- cher erwiesen sich einige Maßnah- men der Sekundärprävention, die auf die Verhütung bedrohlicher Krankheitsfolgen abzielt.

Professor Wolff zog in diesem Ka- pitel das Fazit: „Der Vorwurf einer ungenügenden präventiven Aus- richtung der Medizin ist unberech- tigt. Die gegenwärtigen und kurz- fristig erwartbaren Möglichkeiten der Prävention wurden jedoch überschätzt. Eine realistische Re- duktion der Erwartungen und eine breite, langfristig angesetzte For- schungsarbeit sind Voraussetzun- gen für eine spätere Beantwor- tung der Frage, wieweit sich die in die Prävention gesetzten Hoffnun- gen verwirklichen lassen."

Zum Schluß untersuchte Profes- sor Wolff die Berechtigung der Auffassung, daß das hippokra- tisch-christliche Vermächtnis ärzt- licher Humanität ein Opfer des na- turwissenschaftlich-technischen Fortschrittes geworden sei. Wolffs Ausführungen dazu lassen sich et- wa auf den Gedankengang redu- zieren: Wenn schon Ärzte sich selbst diese Fragen stellen, so muß sich auch die gesamte Medi- zin dieser Frage stellen. Und man müsse in der Tat feststellen, daß die Ausbildung der Ärzte, Pfleger und Schwestern, aber auch der tägliche Betrieb und die Organisa- tion der medizinischen Einrichtun- gen sich zu wenig mit den beson- deren psychologischen und menschlichen Anforderungen des Umganges mit Schwerstkranken,

mit chronisch Kranken und mit Sterbenden beschäftigt haben. Al- lerdings: Mißtrauen, enttäuschte Erwartungen, Skepsis gegenüber den Auswirkungen der techni- schen und wissenschaftlichen Entwicklung gibt es heute keines- wegs nur in der Medizin.

Filmpreis 1982

der Bundesärztekammer an Cassella-Riedel Pharma Am Abend des Eröffnungstages des VII. Interdisziplinären Forums wurde der Fortbildungs-Filmpreis 1982 der Bundesärztekammer ver- liehen. Mit diesem Preis—einem in Silber gefaßten Bergkristall — will die Bundesärztekammer medizi- nisch-wissenschaftliche Filme für den Einsatz in der ärztlichen Fort- bildung fördern und gleichzeitig allen Herstellern und Verleihern für das Angebot wertvoller Fortbil- dungsfilme symbolisch danken.

Diesmal hatte die Jury aus 42 für den Wettbewerb gemeldeten Fil- men auszuwählen. Den Preis für den Film mit dem höchsten Wert für die ärztliche Fortbildung er- hielt „Der kardiale Notfall in der Praxis — Aspekte zur Symptomato- logie, Diagnostik und Sofortthera- pie —" von der Firma Cassella-Rie- del Pharma GmbH (Frankfurt), weil er Ärzten, die mit derarti- gen Notfallsituationen konfron- tiert werden können, wertvolle Hinweise für die Diagnosestellung bietet und die prästationären So- fortmaßnahmen aufzeigt, die beim akuten Myokardinfarkt und seinen drohenden Komplikationen wie Lungenödem oder kardiogener Schock ergriffen werden können und müssen. Die Preisverleihung nahm Professor Dr. Walter Kreien- berg, Präsident der Landesärzte- kammer Rheinland-Pfalz, vor, der im Ausschuß „Film in der ärztli- chen Fortbildung" der Bundesärz- tekammer den Vorsitz führt. gb (Die Berichterstattung über die medizinischen Symposien beim Kölner Forum beginnt auf den fol- genden Seiten mit dem Hauptthe- ma Pneumonie.)

30 Heft 4 vom 28. Januar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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