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Archiv "Prävention der koronaren Herzkrankheiten beim Älteren" (04.07.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

DAS EDITORIAL

Prävention der

koronaren Herzkrankheiten beim Älteren

Gotthard Schettler

N

och immer ist die Zahl der Herzinfarkte in unserem Lande nicht wesentlich zurückgegan- gen. Während in den angelsäch- sischen und nordischen Ländern die Zahl der nichttödlichen und tödlichen Herzin- farkte deutlich rückläufig ist, nimmt sie in den Ländern des sogenannten Ostblocks noch drastisch zu. Dies gilt auch für die frühere DDR, die in der Spitzengruppe der höchsten Risiken liegt. Die weltweit einsetzenden Strategien zur Bekämpfung dieser Epidemie setzen am Abbau der Ri- sikokonstellation an. Das Risikokonzept hat sich nicht zuletzt wegen der bereits er- zielten Erfolge weltweit bewährt. Nach ih- rer Bedeutung sind die Risiken für die ko- ronaren Herzkrankheiten bekanntlich wie folgt zu reihen:

Hyperlipidämien

niedriges HDL-Cholesterin Rauchen

hoher Blutdruck Adipositas

Diabetes mellitus Bewegungsmangel

nachteilige psychosoziale Einflüsse Thrombogene Faktoren

Hyperurikämie

In den Konsensus-Konferenzen der USA und Europas wurden die Konzepte zur Prävention der koronaren Herzkrank- heiten herausgestellt. Es wurden jedoch immer wieder Zweifel laut, ob dies auch für Menschen im höheren Lebensalter gelte, wo doch die Arteriosklerose als Ba- sis der degenerativen Herz- und Gefäß-

krankheiten im allgemeinen bereits stark ausgeprägt sei. Nun hatten globale Stati- stiken der USA ausgewiesen, daß tödliche Herzinfarkte und Hirnschläge in allen Al- tersklassen in den letzten 20 Jahren um et- wa 25 Prozent bis 30 Prozent zurückge- gangen seien. Die jenen Zahlen zugrunde liegenden Erhebungen wurden verschie- dentlich angezweifelt. Daher sind weitere gezielte epidemiologische Untersuchun- gen erwähnenswert.

Die Probanden der Framingham-Stu- die haben inzwischen ein höheres Alter erreicht. Die Ergebnisse der 30jährigen Erhebungen ergaben, daß Risikokonstel- lationen auch für die Gefährdung älterer Menschen zutreffen. Dies gilt in erster Li- nie für Lipidstoffwechselstörungen. Erhö- hungen der aggressiven LD-Lipoproteine, der VLD-Lipoproteine und vor allem des Gesamtcholesterins erwiesen sich als be- sonders gefährlich. In immer stärkerem Maße wird auf die Bedeutung niedriger HD-Lipoproteine (HDL) hingewiesen.

Hohe LDL- und Gesamtcholesterinwerte bei erniedrigten HDL-Werten bedeuten eine drastische Zunahme des koronaren Risikos in allen Altersklassen und speziell auch bei Menschen jenseits des 60. Le- bensjahres. Auch erhöhte Triglyzerid- werte bewirken ein erhöhtes Risiko, das durch niedrige HDL-Werte noch gestei- gert wird. Dies gilt insbesondere für Dia- betiker, die bekanntlich in höheren Al- tersbereichen stärker vertreten sind. Hier zeigt sich eine besondere Gefährdung dia- betischer Frauen mit derartigen Plasma- konstellationen.

Bekanntlich ist das weibliche Ge- schlecht weniger durch Arteriosklerose und koronare Herzkrankheiten gefährdet.

Dt. Ärztebl. 88, Heft 27, 4. Juli 1991 (51) A-2385

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Mit dem Eintreten der Menopause nimmt die Gefährdung allerdings kontinuierlich zu. Die Aussage, daß ein Anstieg des Ge- samtcholesterins um 1 Prozent mit einer 2prozentigen Zunahme der koronaren Herzkrankheiten verbunden ist, trifft nach den neuesten Ergebnissen der Framing- ham-Studie auch für Menschen zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr zu. Erhöhtes Serumcholesterin erwies sich auch in der sogenannten Honolulu-Herzstudie bei Männern jenseits des 65. Lebensjahres als unabhängiger Risikofaktor.

Auch in der Bronx-Altersstudie wur- den vergleichbare Ergebnisse gefunden.

Hier wurden auch klinische Parameter in die Untersuchungen einbezogen. Von Na- delman und Mitarbeitern wurde bei über 75jährigen der EKG-Verlauf untersucht.

Q-Wellen-Veränderungen sind für den weiteren Verlauf der koronaren Herz- krankheiten bei Älteren außerordentlich wichtig. Dies gilt sowohl für Patienten mit bekanntem als auch mit bisher unbekann- tem Myokardinfarkt. Patientengruppen mit Myokardinfarkt in der Anamnese hat- ten ein dreifach höheres Risiko als Kon- trollgruppen. Q-Wellen-Veränderungen kommen bei älteren Menschen relativ häufig vor, ohne daß subjektive Krank- heitszeichen bestehen. Herzinfarkte ent- wickeln sich vor allem in den höchsten Al- tersklassen.

Neben den übrigen Risiken sollten für die Beurteilung der Gefährdung schon frühzeitig laufende EKG-Kontrollen durchgeführt werden. Die Framingham- Gruppe (Murabito und Mitarbeiter) un- tersuchte nun speziell Probanden mit angi- nösem Syndrom und anderen klinischen Hinweisen auf eine koronare Herzkrank- heit. Dabei wurden drei Gruppen unter- schieden: 1) definitive Angina, 2) Verdacht auf Angina und 3) nichtanginöse Störun- gen im Brustbereich. Es zeigte sich eine eindeutige Belastung von Männern und Frauen mit definitiver und vermuteter An- gina. Bei anders gearteten Brustschmerzen ergab sich keine erhöhte Gefährdung.

Eine Analyse klinischer Daten der Framingham-Studie ergab, daß die Zu- nahme des linken Ventrikels ein erhöhtes Risiko koronarer Herzkrankheiten, spezi-

ell der Älteren einschließt. Damit werden Befunde deutscher Pathologen aus den dreißiger Jahren bestätigt. Linzbach hatte Herzgewicht, Herzgröße und speziell die Hypertrophie des linken Ventrikels als Grundlagen auch koronarer Durchblu- tungsstörungen beschrieben. Diese Daten wurden durch neuere Untersuchungen aus den Nationalen Gesundheitsinstituten in Bethesda bestätigt. Bei der anatomischen Auswertung von Verstorbenen, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten koronar- angiographiert worden waren, zeigte sich gelegentlich eine bemerkenswerte Diskre- panz der Koronarangiogramme und des plötzlich einsetzenden Todes. Kranke mit stark eingeengten Koronarien und ent- sprechend hohem Risiko können lange Jahre überleben. Bei ihrer Autopsie wur- den Diskrepanzen zwischen Koronarbe- fund und den Herzmuskelveränderungen nachgewiesen. Umgekehrt wurden Fälle mit kaum nennenswerten koronarangiog- raphischen Befunden vom plötzlichen Herztod ereilt. Die Schwere der Herzmus- kelveränderung war in diesen Fällen nicht durch entsprechende Koronarstenosen er- klärt. Für die Praxis ergibt sich daraus, daß die Risikofaktoren durch klinische Daten, gerade beim älteren Menschen, zu ergänzen sind. So wichtig auch die epide- miologischen Ergebnisse sind, so legen sie doch die sorgfältige Erfassung des indivi- duellen Risikos nahe.

Die für die Praxis bedeutsamen Inter- ventionsstudien haben in der neueren Auswertung der MRFIT-Studie (Multiple Risk Factor Intervention Trial) neue Er- gebnisse erbracht. Bekanntlich wurden in dieser Studie zwei Gruppen untersucht.

Eine spezielle Interventionsgruppe wurde auf eine lipidsenkende Diät und eine ge- zielte antihypertensive Therapie einge- stellt. Außerdem wurde die Einstellung des Rauchens angestrebt. Eine weitere Gruppe wurde ohne spezielles Interventi- onsprogramm durch den Hausarzt ge- führt. Nach 7,5 Jahren ergaben sich keine Unterschiede in der Gesamtsterblichkeit und der kardiovaskulären Gefährdung.

Zog man aber die Ergebnisse anderer Re- gionen bei, zeigte sich ein deutlicher Er- folg in beiden Gruppen.

A-2386 (52) Dt. Ärztebl. 88, Heft 27, 4. Juli 1991

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Gegenüber den Ergebnissen der 7-Jahres-Studien wurden nun jene nach 10,5 Jahren ausgewertet. Zu Beginn der Studie waren die Männer zwischen 35 und 57 Jahre alt. Sie hatten also beim Ab- schluß zum Teil schon ein höheres Alter erreicht. Es wurden insbesondere Männer untersucht, die ein größeres Risiko für ko- ronare Herzkrankheiten auswiesen, ge- messen am Gesamtcholesterin, diastoli- schen Blutdruck und am Zigarettenkon- sum. Die diätetischen Einschränkungen betrafen die Reduktion des Verzehrs von gesättigten Fetten und von Cholesterin, eine Reduktion der Gesamtfettaufnahme und ein leicht vermehrtes Angebot an po- lyensäurereichen Fetten. Ubergewicht wurde korrigiert, Hypertonie wurde mit Chlortalidon und Hydrochlorthiazid be- handelt.

Die Ergebnisse in beiden Studien er- brachten einen deutlichen Rückgang des Gesamtcholesterins, des diastolischen Blutdruckes und des Zigarettenkonsums.

Nach 10,5 Jahren zeigte sich eine deutli- che Besserung der Gesamtmortalität, der koronaren sowie der allgemeinen kardi- ovaskulären Morbidität und Mortalität.

Die Spezialgruppe war der Hausarztgrup- pe deutlich überlegen. Die primäre Prä- vention der koronaren Herzkrankheiten war nach dieser Studie also durchaus er- folgreich. Bereits vorgeschädigte Herzen, gemessen am Ruhe- und Belastungs- EKG, reagierten schlechter auf präventive Maßnahmen. Hier konnten Unterschiede zwischen Spezial- und Hausarztgruppe nicht gefunden werden. Ein deutliches Absinken der Gesamtsterblichkeit ist ein- deutig dem Rückgang an kardiovaskulä- ren Krankheiten zuzuschreiben. Damit sind die immer wieder gemachten Ein- wände gegen die MRFIT-Studie entkräf- tet. Offenbar haben sich die Patienten der sogenannten Hausarztgruppe an die prä- ventiven Empfehlungen gehalten, welche durch die öffentlichen Medien wiederholt vorgebracht wurden. Darüber hinaus brachte die Spezialbetreuung noch weite- re Erfolge.

Fassen wir die vorliegenden Ergebnis- se zusammen, so sind die Risikofaktoren auch für die koronaren Herzkrankheiten

des Älteren von kausaler Bedeutung. Ihre Korrektur hat sich sowohl in der primären als auch in der sekundären Prävention als nützlich erwiesen. Gesamtcholesterinwer- te von 250 mg/dl und darüber sind unter allen Umständen zu vermeiden. Am An- fang steht immer die Korrektur von Er- nährungsfehlern. Für medikamentöse Li- pidsenker gibt es bestimmte Indikationen.

Nach wie vor gilt die Feststellung der Weltgesundheitsorganisation, daß schwe- re Formen der Arteriosklerose bei niedri- gen Plasmacholesterinwerten nicht vor- kommen. Es fehlt offenbar an Material zum Aufbau der Atherome. Niedrige Fi- brinogenwerte stehen der Entwicklung von Thromben entgegen.

Jedem kritischen Arzt ist klar, daß die Genese der Arteriosklerose nicht allein durch den Monofaktor Cholesterin beein- flußt wird, sondern durch vielfältige Fak- toren, die wir seit 40 Jahren als Risikobün- del bezeichnen. Sie sind für Entstehung, Verlauf, Vorsorge, Therapie, Rehabilita- tion und Prognose der koronaren Herz- krankheiten und der arteriellen Ver- schlußkrankheiten entscheidend.

Literatur

Benfante, R., D. Reed: Is elevated serum cholesterol level a risk factor for coronary heart disease in the elderly? JAMA 1990, 263, 393-396

Castelli, W. P., P. W. F. Wilson, D. Levy, K. Anderson: Cardi- ovascular risk factors in the elderly. Am. J. Cardiol. 1989, 63, 12H-19H

Murabito, J. M., K. M. Anderson, W. B. Kannei, J. C. Evans, D.

Levy: Risk of coronary heart disease in subjects with chest discomfort: the Framingham Heart Study. Am. J. Med.

1990, 89, 297-302

Nadelmann, J., W. H. Frishman, W. Lock Ooi, D. Tepper, S.

Greenberg, H. Guzik, E. J. Lazar, M. Heiman, M. Aron- son: Prevalence, incidence and prognosis of recognized and unrecognized myocardial infarction in persons aged 75 years and older: the Bronx Aging Study. Am. J. Car- diol. 1990, 66, 533-537

Schettler, G.: Arteriosklerose-Forschung — Von Thannhauser zu computerisierten Bildanalysen. Therapiewoche 1990, 40, 2979-2988

The Multiple Risk Factor Intervention Trial Research Group:

Mortality rates after 10.5 years for participants in the Multiple Risk Factor Intervention Trial. JAMA 1990, 263, 1795-1801

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Dr. h. c. muh.

Gotthard Schettler

em. Direktor der Medizinischen Universitätsklinik

Bergheimer Straße 58 W-6900 Heidelberg 1

Dt. Ärztebl. 88, Heft 27, 4. Juli 1991 (55) A-2389

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