• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Psychopharmakotherapie beim depressiven älteren Menschen" (05.05.1977)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Psychopharmakotherapie beim depressiven älteren Menschen" (05.05.1977)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Es gibt wenige Veränderungen im Seelischen, die mehr menschliche und ärztliche Zuwendung erfor- dern als die Depression beim älte- ren Menschen. „Depressivsein heißt gedrückter, trauriger, freudlo- ser oder auch für Freude und Leid gleichermaßen quälend mit- schwingungsloser Stimmung zu sein. Entschlußkraft und Einfalls- reichtum sind verarmt, auch be- scheidenes Planen ist nahezu un- möglich. Es gibt keine Zukunft, höchstens die Gewißheit des Zu- grundegehens ..."")

Depressiv sind diejenigen Men- schen, welche in den verschieden- sten medizinischen Fachrichtun- gen Hilfe suchen, beim Frauenarzt wie beim Internisten, beim Kardio- logen und Nervenarzt, diesen aber in den meisten Fällen erst auf Um- wegen aufsuchend, und vor allem beim Hausarzt, dem Arzt ihres Vertrauens.

Wohl ist das Vorliegen einer de- pressiven Verstimmung aus den Berichten der Angehörigen des Be- troffenen oft rasch und unzweideu- tig zu erfahren, während der Be- troffene selbst meist nur auf direk- tes Befragen und dann nur zögernd und wortkarg über sein Bedrückt- sein, seine Entschlußlosigkeit, sein Leistungsversagen oder ähnliches berichtet. Er führt dieses meist auf reale oder vermeintliche Sorgen

oder körperliche Störungen, Schmerzen, Schlaflosigkeit oder anderes zurück. Nicht immer aber ist eine Verstimmtheit dem Arzt er- kennbar. Hier spielt auch die Aus- gangspersönlichkeit eine wichtige Rolle.

Wir kennen den verschlossenen, wortkargen, in gesunden wie in kranken Tagen sich beherrschen- den Patienten, der kaum über sich und seinen Kummer und seine kör- perlichen Beschwerden klagt und bei dem auch nicht aus Mimik, Ge- stik oder anderer Ausdrucksweise das Depressive abzulesen ist. Oft ist er sich selbst sogar seiner Ver- stimmtheit nicht bewußt und kör- perliche Beschwerden oder Funk- tionsstörungen verschiedenster Art stehen so im Vordergrund des Zu- standsbildes, daß affektive Auffäl- ligkeiten hinter den Klagen über körperliche Beschwerden ganz zu- rücktreten und so das Vorliegen ei- ner Depression auch dem erfahre- nen Arzt entgehen kann und sie erst spät — nicht selten zu spät — erkannt wird („larvierte Depres- sion", „maskierte Depression").

Aber nicht nur das Feststellen ei- nes depressiven Verstimmungszu- standes kann auch dem Geübten Schwierigkeiten bereiten, sondern auch das Bemühen um seine noso- logische Zuordnung. Diese ist aber nicht nur entscheidend für unser

Gerade die Depression älte- rer Menschen beschäftigt Ärzte aller Disziplinen unge- mein häufig. Sie bereiten in diagnostischer und therapeu- tischer Hinsicht viele Schwie- rigkeiten. Vor allem die ein- wandfreie differentialdiagno- stische Abgrenzung der ätio- logisch höchst unterschiedli- chen Formen der Verstim- mungszustände aber ist die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. In der Therapie spielen die An- tidepressiva unter den Psy- chopharmaka die entschei- dende Rolle. Ihr Einsatz er- folgt nach nosologischen Ge- sichtspunkten und dem Ziel- symptom. Die Prognose kann auch beim älteren Menschen gut sein.

therapeutisches Vorgehen und sei- ne Erfolgsaussichten, sondern auch für eine Prognosestellung, für soziale und genetische Beratung und anderes mehr. Die nosologi- sche Einordnung von Verstim- mungszuständen besonders älterer Menschen erscheint theoretisch einfach, ist aber in praxi oft sehr schwierig und in vielen Fällen un-

möglich.

Es kann sich bei depressiven Ver- stimmungen älterer Menschen au- ßer um normale depressive Reak- tionen auf ein Erlebnis oder ähnli- ches insbesondere auf dem Boden einer depressiven Persönlichkeit:

0

um eine abnorme Erlebnis- oder Konfliktreaktion, ihre Fehlver- arbeitung oder eine entsprechende Persönlichkeitsentwicklung han- deln.

Bei diesen rein seelisch entstande- nen Depressionen hat das Haupt- gewicht der Therapie auf der Psy- chotherapie im weitesten Sinne zu liegen. i>

*) H. J. Weitbrecht, Dtsch. Ärztebi. 72 (1975) 442

Psychopharmakotherapie beim depressiven

älteren Menschen

Hans-Hermann Meyer

Aus der Universitäts-Nervenklinik Homburg/Saar (Direktor: Professor Dr. med. Hans-Hermann Meyer)

(2)

Psychopharmakotherapie bei Verstimmungszuständen in der zweiten Lebenshälfte

entscheidend bei der Behandlung

Manisch-depressiver Erkrankungen

= endogenen Depressionen

= depressiven Phasen einer Zyklothymie

unterstützend bei der Behandlung des Grundleidens Verstimmungszustände bei nachweisbaren körper- lichen Erkrankungen z. B. Herz-Kreislauf- störung, Stoffwechsel- störung, cerebrale Durch- blutungsstörung u. a.

unterstützend bei Psychotherapie

Depressiv. Erlebnis- u.

Konfliktreaktionen und depressiv. Entwicklungen, insbes. bei abnormen Per- sönlichkeiten u. Ä.

Abbildung 1: Psychopharmakotherapie bei Verstimmungszuständen in der zweiten Lebenshälfte

Nortriptylin Noritren®

Nortrilen®

Desimipramin Pertofran®

Laevomepromazin Neurocil®

Nozi nan®

Chlorprothixen Taractan®

Truxal®

Thioridazin Melleril®

Imipramin Tofranil®

Dibenzepin Noveril®

Doxepin Aponal®

Sinquan®

Weckamine

MAOH Amitriptylin

Laroxyl®

Sarotan®

Tryptizol®

Depressions- lösend

antriebssteigernd dämpfend -›

Abbildung 2: Wirkungsbereich der Antidepressiva — Schematische Darstellung in Anlehnung an P. Kielholz und D. Pieschl

Psychopharmakotherapie

o

um Verstimmungen als Begleit- erscheinungen körperlicher Er- krankungen.

Hier ist die somatische Verände- rung für das Zustandekommen der Depression verantwortlich zu ma- chen, das heißt, es handelt sich in diesen Fälen um eine körperlich begründbare seelische Verände- rung, zum Beispiel um eine De- pression bei Arteriosclerosis ce- rebri oder um eine Depression bei

Intoxikation oder anderen organi- schen Hirnveränderungen ver- schiedenster Art, wie hirnatrophi- sche Prozesse oder anderes. Im- mer hat in diesen Fällen das Hauptgewicht der Therapie auf der Behandlung des Grundleidens zu liegen. Und schließlich kann es sich bei einem Verstimmungszu- stand

0 um eine körperlich nicht be- gründbare, eine sogenannte endo-

gene Psychose aus dem Formen- kreis der manisch-depressiven Er- krankungen (=. endogene Depres- sion, = zyklothyme Depression),

handeln.

Auch hier liegt das Hauptgewicht der Therapie auf der somatischen Behandlung, der Psychopharma- kotherapie (Abbildung 1).

Entsprechend der Fragestellung nach dem Wert und den Grenzen

(3)

Tabelle: Im Handel be- findliche Antidepressiva (nach Benkert und Hip- pius)

Trizyklische Antidepressiva Amitriptylin (Laroxyl, Saroten,

Tryptizol, Kombinations- präparat mit Chlordiazepoxid:

Limbatril)

Nortriptylin (Acetexa, Nortrilen, Kombinations- präparat mit Flupenthixol:

Benpon) Dibenzepin

Dimetacrin Doxepin

Imipramin Clomipramin

(Noveril) (Istonil) (Aponal, Sinquan) (Tofranil) (Anafranil) Desimipramin(Pertofran) Trimiparmin (Stangyl) Melitracen (Trausabun) Noxiptilin (Agedal) Protriptylin (Maximed) Tetrazyklische Antidepressiva Maprotilin (Ludiomil) und Mianserin (Tolvin)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Psychopharmakotherapie

einer Psychopharmakotherapie bei Verstimmungszuständen älterer Menschen hat die ärztliche Erfah- rung gelehrt, daß diese vor allen Dingen für jene Depressive in Fra- ge kommt, bei denen es sich um eine endogene Depression handelt.

Bei diesen endogenen Depressio- nen stehen neben allgemeinen Maßnahmen die Psychopharmaka, insbesondere die Antidepressiva, heute uneingeschränkt an erster Stelle aller anderen somatischen Behandlungsmöglichkeiten. Diese Erkrankung tritt bei jungen wie äl- teren und alten Patienten phasen- haft in Erscheinung, so daß wir ge- zwungen sind, die Psychopharma- ka bei dieser Erkrankung bei allen Altersklassen zur Anwendung zu bringen.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß eine solche Therapie unter Beach- tung der Kontraindikationen und in einer lege artis durchgeführten Weise auch im höheren und im ho- hen Lebensalter ohne Bedenken angewendet werden darf und durch keine andere Behandlung in ihren Erfolgen übertroffen wird.

Bei den hierfür besonders geeigne- ten Psychopharmaka handelt es sich meist um tri- oder tetrazykli- sche Substanzen, die Antidepressi- va oder auch Thymoleptika ge- nannt werden (Tabelle). Sie wirken stimmungsaufhellend, oft antriebs- steigernd, meist affektiv dämpfend oder auch angstlösend. Für ihren Einsatz und ihre spezielle Auswahl ist neben der nosologischen Zuordnung das vorherrschende psychopathologische Symptomen- bild — als Zielsymptom — ent- scheidend.

Das bedeutet für uns, daß wir hier das Medikament nach syndro- matischen Gesichtspunkten aus- wählen müssen, je nachdem ob im Einzelfall in der Depression die Hemmung, die Agitiertheit oder die Traurigkeit im Mittelpunkt der Ver- stimmtheit steht. So wirkt die eine Gruppe der Antidepressiva stark stimulierend und antidepressiv (zum Beispiel Acetexa®, Nortri-

len®, Pertofran® und andere), während eine zweite Gruppe etwa das Anafranil®, Agedal®, Istonil®, Noveril®, Tofranil 1® und andere weniger stimulierend, dafür aber mehr antidepressiv und dabei leicht sedierend wirkt. Eine dritte Gruppe (Aponal®, Laroxyl®, Lim- batril®, Ludiomil®, Saroten®, Tol- vin®) schließlich zeigt neben einer stimmungsaufhellenden Wirkung vor allen Dingen einen dämpfenden Effekt (Abbildung 2).

Schließlich können leichte Neuro- leptika, wie etwa Atosil®, Domi- nal®, Dogmatil®, Inofalg, Mclle- ril®, Taractan®, Tru- xal® auch bei depressiver Verstim- mung angewendet werden, wenn wegen Unruhe und Getriebenheit eine Dämpfung erforderlich ist.

Während die Erfolgsaussichten der Psychopharmaka bei der Gruppe der endogenen Depression als sehr günstig zu bezeichnen sind, ist es mit dem therapeutischen Nutzen von Psychopharmaka bei den körperlich begründbaren De- pressionen, bei denen sich das Hauptgewicht der Therapie gegen das Grundleiden zu richten hat, wie auch bei den abnormen Erleb- nis- oder Konfliktreaktionen, bei denen das Hauptgewicht der The- rapie auf der Psychotherapie liegt, anders bestellt. Bei diesen beiden Gruppen depressiver Verstimmtheit kommt der Pychopharmakothe- rapie eine „nur" unterstützende Rolle zu, die man aber nicht unter- schätzen sollte. Diese allgemeinen Feststellungen erfahren in praxi bei der Behandlung des Einzelfalles nicht unerhebliche Einschränkun- gen, und zwar sowohl durch soma- tische wie psychische Faktoren, die von der körperlichen Konstitu- tion über Geschlecht und Alter bis hin zu den höchst unterschiedli- chen seelischen Reaktionsweisen des einzelnen reichen.

Gerade am Beispiel der Depres- sion älterer Menschen läßt sich die enge, oft nicht entwirrbare Ver- flechtung seelischer und körperli- cher Faktoren und ihre Bedeutung für die medikamentöse Therapie,

der heute mit Recht ein besonde- res Interesse entgegengebracht wird, aufzeigen. Die Gruppe der

„Älteren" wird häufig als Kranke in der Involution bezeichnet. Jeder Erfahrene weiß, daß nur wenige seelische Zustandsbilder so viel Schwierigkeiten in diagnostischer wie therapeutischer Hinsicht berei- ten wie gerade die Depression in der Involution, für die es keine ver- läßlichen Parameter gibt. W. Wer- ner hat kürzlich darauf hingewie- sen, daß hier viele Fragen offen sind: Handelt es sich bei der Invo- lution um Rückbildung oder Umbil- dung?

(4)

Psychopharmakotherapie

Ist Körperliches oder Seelisches entscheidend — oder ähnliches?

Wir kennen keine feste Grenzen, aber wir haben eine recht gute Vorstellung vom Menschen jenseits der Lebensmitte, wenn auch indivi- duell sehr unterschiedliche somati- sche wie psychische Veränderun- gen vorliegen können. Aber bei diesen ist ein Versuch einer no- sologischen Zuordnung von Ver- stimmungszuständen ungemein schwer, aber von Wichtigkeit; denn auch bei diesen gelten die Grund- regeln der Psychopharmakothe- rapie der Verstimmungszustände und ihrer Erfolgsaussichten! Das bedeutet, daß auch bei der Depres- sion älterer Menschen eine Phar- makotherapie von guten Erfolgen gekrönt sein wird, wenn es sich um eine Depression handelt, die zu den endogenen Psychosen zu rechnen ist. Psychopharmaka wer- den nur unterstützend wichtig sein können bei jenen Depressionen, die als Reaktion auf ein Erlebnis oder einen Konflikt oder als seeli- sche Besonderheit eines Men- schen, etwa einer depressiven Per- sönlichkeit, in Erscheinung treten.

Aber auch bei diesen können wir die Verstimmtheit mit Psychophar- maka erleichtern, dem Betroffenen Ruhe oder Beruhigung verschaffen oder seinen Antrieb steigern.

Niemals können wir den Kummer über ein Erlebnis oder einen Kon- flikt durch Psychopharmaka hei- len.

Eine medikamentöse Behandlung kann nur mithelfen, daß der Be- trübte leichter mit Not und Sorgen, die ihn bedrücken, fertig wird. Nur zur Unterstützung einer Psycho- therapie, die in solchen Fällen als die wichtigste in Frage kommende Behandlung zu gelten hat, zum Beispiel zur Beruhigung oder zur Antriebssteigerung oder Linderung von schweren Verstimmtheiten, sind weitere Psychopharmaka von Wichtigkeit, insbesondere die Gruppe der Ataraktika (zum Bei- spiel Adumbran®, Librium®, No- brium®, Tranxilium®, Valium® und andere) oder auch leichtere Antide-

pressiva (siehe oben). Diese wer- den auch von älteren Menschen meist gut vertragen, wenn die Kon- traindikationen beachtet werden und wenn die Dauer der Anwen- dung und die Höhe der Dosierung sinnvoll gesteuert werden. Dann — aber nur dann — werden Psycho- pharmaka auch bei diesen Depres- sionen, die rein seelisch entstan- den sind, auch bei älteren Men- schen, die oft schon körperliche Beeinträchtigungen haben, ein psy- chotherapeutisches Bemühen er- folgreich unterstützen. Psychothe- rapeuten machen davon häufig Gebrauch, und es hat sich gezeigt, daß dieses Vorgehen unzweifelhaft seine Bedeutung hat. Dies ist durch verschiedene kontrollierte Methoden einwandfrei erwiesen.

„Die Psychopharmaka werden das Gesicht der Psychotherapie än- dern", wie es Ramon Sarro formu- lierte.

Das führt zurück zur Gruppe von Depressionen bei älteren Men- schen, bei denen eine körperliche Krankheit die Verstimmtheit be- gründet, diese kann entweder im Gehirn gelegen sein — bei älteren Menschen etwa eine frühzeitige Ar- teriosclerosis cerebri, ein begin- nender hirnatrophischer Prozeß oder eine Gehirnschädigung durch chronische Intoxikation (Alkohol, Nikotin, Schlafmittel und andere) oder es handelt sich um Fol- gen von Funktionsstörungen und Erkrankungen älterer Men- schen allgemein körperlicher Art, etwa durch Herz- und Kreis- laufstörungen, gastrointestinale Er- krankungen, Stoffwechselstörun- gen (Diabetes und andere) oder Störungen endokriner Art (Klimak- terium) und so fort. Jede belang- volle körperliche Erkrankung kann einmal eine depressive Verstim- mung hervorrufen! Dabei ist oft nicht zu entscheiden, wie der Stel- lenwert der verschiedenen Fakto- ren zu bemessen ist. Einmal kann die körperliche Störung als direkte Beeinträchtigung der Funktion des Gehirns (etwa ein Sauerstoffman- gel und seine Folgen) zu einer De- pression führen, es kann aber auch

durch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens, durch eine Störung im Seelischen oder Körperlichen oder beides, eine Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit eintreten und als Reaktion auf eine soche Minderung zu einer Verstimmung, oft sehr schweren Grades kom-

men.

Dabei können Sorgen familiä- rer, wirtschaftlicher oder auch sehr persönlicher Art das Thema der Depression abgeben.

Gerade Depressionen älterer Men- schen können seelisch entstehen, um sich dann mit Somatischem un- entflechtbar zu vermischen. Auch der Erfahrene vermag in man- chen Fällen die Bedeutung der einzelnen Faktoren nicht von- einander zu trennen. Für ei- ne zielgerechte Therapie ist dies auch nicht entscheidend.

Immer in diesen Fällen hat der Versuch der Behandlung des vorliegenden Grundleidens an er- ster Stelle zu liegen, zum Beispiel die Therapie von Herz-, Kreislauf- oder zerebralen Durchblutungsstö- rungen und anderes mehr. Dabei kann der Einsatz von Psychophar- maka im Gesamtbehandlungsplan auch für solche Verstimmungszu- stände von großem Nutzen sein.

Bei diesen Kranken, bei denen ein körperliches Leiden Ursache der Depression ist, hat sich die Aus- wahl des Psychopharmakons nach dem „Zielsymptom" zu richten, das heißt nach dem vorherrschenden psychopathologischen Symptom (gehemmt-, agitiert-depressiv oder anderes), wobei bei älteren Men- schen in besonderer Weise auch die körperliche Gesamtsituation, insbesondere von Herz und Kreis- lauf usw. zu berücksichtigen ist.

Eine solche unterstützende Thera- pie mit Psychopharmaka ermög- licht oft erst die Durchführung ei- ner intensiven Psychotherapie oder einer speziellen körperlichen Be- handlung. Sie führt durch Beruhi- gung beziehungsweise Anregung zu einer Linderung des quälenden

(5)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin FÜR SIE GELESEN

Zustandes für den Betroffenen selbst. Hier ist die Behandlung mit Antidepressiva oder Ataraktika, ge-

legentlich auch Neuroleptika, mit an- derer medikamentöser Behandlung abzustimmen. Dabei ist an Poten- zierung und Wechselwirkung von Arzneimitteln zu denken. Auch al- tersbedingte Veränderungen der Resorption, des Transportes, der Metabolisierung, der Ausscheidung und anderes, sind in Rechnung zu stellen (Forth). Man muß sich in Er- innerung zurückrufen, daß gerade bei älteren Menschen, insbesonde- re, wenn es bereits zu bleibenden organischen Schädigungen im Ge- hirn gekommen ist, rascher und verstärkt zu unerwünschten Neben- erscheinungen einer Psychophar- makotherapie kommen kann. Bei den Antidepressiva sind es vor al- len Dingen vegetative Erscheinun- gen, zum Beispiel ein Tremor der Hände, eine Hypotonie und Tachy- kardie mit Schwindel, Zuständen von Präkollapsen, Mundtrocken- heit, Schwitzen, Miktionsstörungen und anderes, bei Neuroleptika be- sonders extrapyramidal-motorische Störungen (wie Tremor, Dyskinesi- en, Parkinsonismus), die sich gera- de bei älteren Kranken oft schon bei sehr kleinen Dosen bemerkbar machen und zur Reduktion des Me- dikaments oder zur Verordnung ei- nes anderen Medikaments mit nied- rigerer neuroleptischer Potenz zwingen.

Gelegentlich beobachtet man hier- bei auch delirante oder andere psychoorganische Syndrome, be- sonders bei älteren Menschen un- ter einer Psychopharmakaverord- nung. Sie entstehen oft durch eine ungewollte Potenzierung mit Schlafmitteln oder anderen Medika- menten.

Solche Ereignisse sind bei ei- ner ambulanten Behandlung für die Familie und nicht selten auch für den Kranken selbst in hohem Maße beunruhigend und nicht un- gefährlich. In solchen Fällen ist ein Absetzen der Psychopharmaka kaum zu umgehen. Haloperidol®

schafft in vielen Fällen rasch eine Beruhigung.

Zum Schluß sei noch auf die Suizid- gefahr hingewiesen, die bei allen Depressionen gleich welcher Ge- nese auftreten kann und die auch unter einer Psychopharmakothe- rapie gerade bei älteren Menschen durch reale Nöte, Alleinsein, beruf- liche Mißerfolge und anderes mehr nicht selten gefördert wird. Es kön- nen unter der Anwendung von Psy- chopharmaka latente Suizidgedan- ken aktualisiert werden, da die an- triebssteigernde Wirkung eines Psychopharmakons mitunter seine antidepressive Wirkung übertrifft oder früher eintritt und so durch Beseitigung von Hemmungen bis- weilen die rasche Durchführung ei- nes Suizidgedankens fördert. Es wird so häufig übersehen, daß ne- ben den unterschiedlichsten Medi- kamenten gerade auch „Psycho- pharmaka" in Überdosis als Suizid- mittel verwendet werden. Diese Mittel, die für die Behandlung so außerordentlich wichtig sind, gehö- ren niemals in die Hand des Kran- ken (Depressiven) selbst. Seine Angehörigen müssen die Einzeldo- sis der Psychopharmaka ihm ver- abreichen und dabei Sorge tragen, daß der Kranke die Medikamente auch einnimmt.

Literatur

Benkert, 0., Hippius, H.: Psychiatrische Pharmakotherapie, Springer-Verlag, Ber- lin—Heidelberg—New York 1974 — Forth, W.: Arzneimittelinterferenz, Arzneim.- Forsch. (Drug Res.) 26 (1976) 108-114 — Kranz, H.: Depressionen, Verlag Bana- schewski, München-Gräfelding, 1970 — Mey- er, H.-H.: Die Depressionen verschiede- nen Ursprungs und ihre Behandlung, Psy- cho 2 (1976) 225-229 — Weitbrecht, H. J.:

Depressive Reaktionen und die Rolle des Reaktiven bei endogenen Depressionen, Dtsch. Ärztebl. 72, (1975) 2903-2906 — Wer- ner, W.: Was sind lnvolutionspsychosen?

Neur. Psychiat. 2,2 (1976), 79-82

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med.

Hans-Hermann Meyer Universitäts-Nervenklinik 6650 Homburg/Saar

ösophagusobstruktion im Zusammenhang mit Dünndarmvolvulus

Ein 34jähriger Alkoholiker wurde 24 Stunden nach Einsetzen schwerer Oberbauchschmerzen mit Erbre- chen stationär aufgenommen. 12 Stunden vor Beginn der Symptome war ein alkoholischer Rausch voran- gegangen. Bei der Aufnahme waren der Blutdruck stark erniedrigt, der Puls erhöht und die Atmung be- schleunigt. Der Leib war diffus druckschmerzhaft, Darmgeräusche fehlten, und es bestand eine Leuko- zytose von 15 000. Am folgenden Morgen war der Leib stark aufgetrie- ben und hart, und der Breischluck mit Barium zeigte einen Füllungsde- fekt im distalen Ösophagus mit hochgradiger Obstruktion und

„überhängenden Rändern". .In An- betracht der Vorgeschichte, Alko- holeinnahme und Erbrechen, ver- mutete man einen Speiseröhrenein- riß und ein intramurales Hämatom und nahm eine Probelaparotomie vor. Dabei fanden sich blutiger Aszi- tes und ein Dünndarmvolvulus mit Nekrose vom mittleren Jejunum bis zur Ileozökalregion. Der nekrotische Dünndarm wurde reseziert, der Hia- tus chirurgisch inspiziert und gleichzeitig ösophagoskopiert. Jetzt war die Speiseröhre vollständig nor- mal ebenso wie zwei Wochen später bei der Röntgenkontrolluntersu- chung des Gastrointestinaltraktes.

Es hatte sich um einen Magen- schleimhautprolaps in die Speise- röhre gehandelt infolge einer akuten Auftreibung des Leibes während der Entwicklung des Dünndarmvolvulus oder als Folge des wiederholten Er- brechens. Die Dekompression des Leibes während der Operation führte zur spontanen Rückbildung des Schleimhautprolapses. Pz

Berger, M., Scholz, F. J.:

Esophageal Obstruction Associated with Small Bowel Volvulus

Radiology 119 (1976) 39-40 Department of Radiology, Harvard Medical School, 25 Schattuck Street, Boston, Mass. 02 115

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die glomeruläre Filtrationsrate nimmt im Alter um etwa 30 bis 40 Prozent ab mit der Konsequenz, daß Arzneimittel, die über die Niere aus- geschieden werden, akkumulieren

„Keine Pillen für den Stö- renfried — Alternativen zur medikamentösen Behand- lung bei Schul- und Erzie- hungsschwierigkeiten" — unter diesem Thema veran- staltet

Selbst in einer spezialisier- ten Sprechstunde der Essener Memory Clinic zeigte sich, dass rund 25 Prozent von 1 000 Patienten, die unter dem Ver- dacht einer Gedächtnisstörung

Diese Ergebnisse weisen darauf hin, daß von den älteren Patienten mit isolierten Erhöhungen des TSH- Spiegels lediglich diejenigen, die ei- nen wesentlich erhöhten TSH-Spie- gel

Man sollte ausdrücklich darauf hinweisen, dass die Epilepsie keine Geisteskrank- heit ist und im Alter zumeist gut behandelt werden kann, denn bis zu 80 %

Nach ersten Versuchen mit Kathetern, die mit 20 MHz operierten, eine zu geringe Eindringtiefe für den intrakardialen Einsatz aufwiesen und deshalb zunächst nur

Strategien zur Verhinderung von Infektionen sollten den älteren Menschen helfen, aktiv zu bleiben, nicht in einem Heim unterge- bracht werden zu müssen und die zur

Die mediane Oberbauchspalte kombiniert sich immer mit einem Nabelschnurbruch, relativ häufig auch mit einer unteren Sternallücke.. Bei der dann sehr schweren Mißbildung kann