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Archiv "Verordnungshäufigkeit von nichtretardiertem Nifedipin bei älteren Menschen" (23.03.2012)

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ORIGINALARBEIT

Verordnungshäufigkeit von nichtretardiertem Nifedipin bei älteren Menschen

Betrachtung eines Wirkstoffes der PRISCUS-Liste

Ingrid Schubert, Rebecca Hein, Sascha Abbas, Petra Thürmann

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Schnell freisetzendes Nifedipin wird in der PRISCUS-Liste – einer Zusammenstellung von Arzneistoffen, die im Alter zu vermeiden sind – aufge- führt. Ziel der vorliegenden Analyse ist es, den Stellenwert dieses Kalziumanta- gonisten unter Alltagsbedingungen zu untersuchen.

Methoden: Es wurde eine Querschnittstudie mit 260 672 Versicherten der AOK Hessen/KV Hessen in 2009 durchgeführt. Verabreichte Kalziumantagonisten wurden mittels anatomisch-therapeutisch-chemischer Klassifikation (ATC: C08) selektiert. Die Einteilung von Nifedipin in retardiert und schnell freisetzend er- folgte über den Medikamentennamen und die Darreichungsform.

Ergebnisse: Die Behandlungsprävalenz von schnell freisetzendem und retar- diertem Nifedipin betrug bei den ≥ 65-Jährigen 0,9 % beziehungsweise 1,0 %.

Schnell freisetzendes Nifedipin wurde überwiegend (75 %) als Einmalverord- nung mit wenigen Tagesdosen verschrieben. Knapp der Hälfte (46 %) der Pa- tienten, die schnell freisetzendes Nifedipin bekamen, wurde noch ein weiterer Kalziumantagonist verabreicht. Empfänger von schnell freisetzendem versus retardiertem Nifedipin erhielten eine größere Anzahl an Verordnungen unter- schiedlicher kardiovaskulärer Pharmaka (≥ 6 Wirkstoffe bekamen 30 % versus 16 %). Bei Empfängern von schnell freisetzendem versus retardiertem Nifedi- pin waren aus dem Spektrum der Hypertoniediagnosen die hypertensive Krise (Odds Ratio [OR]: 4,26; 95-%-Konfidenzinteravall [KI]: 2,45–7,40) und die hyper- tensive Herzkrankheit (OR 1,82; 95-%-KI: 1,04–3,19) signifikant häufiger ko- diert.

Schlussfolgerung: Die vorliegende Analyse zeigt erstmals, dass älteren Patien- ten, wenn auch kurzfristig, schnell freisetzendes Nifedipin verordnet wird. An- gesichts des potenziellen Risikos und der Tatsache, dass therapeutische Alter- nativen bestehen, sollte hierauf bei der Implementierung der PRISCUS-Liste und der Erarbeitung von Fortbildungsmaterialien mit Nachdruck hingewiesen werden.

►Zitierweise

Schubert I, Hein R, Abbas S, Thürmann P: The frequency of prescription of immediate-release nifedipine for elderly patients in Germany: utilization analysis of a substance on the PRISCUS list of potentially inappropriate medications. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(12): 215–9.

DOI: 10.3238/arztebl.2012.0215

D

ie 2010 publizierte PRISCUS-Liste (1) umfasst Arzneistoffe, zu denen – nach Meinung eines multidisziplinären Expertenpanels – für ältere Patien- ten (≥ 65-Jährige) weniger risikoreiche Arzneistoffe als Alternative zur Verfügung stehen. Unter den 83 Substanzen ist auch nichtretardiertes Nifedipin aufge- führt. Als wesentliche Begründung wurden früheren Studien zufolge eine erhöhte Sterblichkeit und ein er- höhtes Myokardinfarktrisiko bei älteren Patienten unter der Behandlung mit schnell freisetzendem Nifedipin im Vergleich zu anderen antihypertensiv wirkenden Arz- neimitteln angegeben (2–5). So lag das adjustierte rela- tive Risiko für die Gesamtmortalität bei älteren Hyper- tonikern (≥ 71 Jahre) bei einer Behandlung mit schnell freisetzendem Nifedipin im Vergleich zur Therapie mit Betablockern in der Studie von Pahor et al. bei 1,7 (95-%-Konfidenzintervall [KI]: 1,1–2,7) (3). Maxwell et al. [2] beschreiben sowohl für die Gabe von schnell freisetzendem Nifedipin eine erhöhte Gesamtmortalität (Hazard Ratio [HR]: 1,64; 95-%-KI: 0,88–3,03) als auch für die retardierte Zubereitung (HR: 2,07;

95-%-KI: 1,11–3,85) bei antipypertensiv behandelten Patienten (65 Jahre und älter) im Vergleich zu einer Therapie mit Betablockern. Die schnell freisetzende Zubereitungsform ist auch im Update der für die USA entwickelten Beers-Liste (6) sowie in der von Laroche et al. (2007) (7) für Frankreich entwickelten Liste po- tenziell inadäquater Medikation (PIM) enthalten. Die Experten des Updates der Beers-Liste (2002) bewerte- ten den Schweregrad für das unerwünschte Auftreten einer Hypotonie bei einer Therapie mit nichtretardier- tem Nifedipin als hoch (6). Bei Laroche et al. (2007) (7) werden als Gründe für die Aufnahme von Nifedipin (sowie Nicardipin) in die für die Behandlung von Älte- ren (≥ 75 Jahre) erstellte PIM-Liste orthostatische Dys- regulation, Herzinfarkt und Schlaganfall aufgeführt.

Die Aufnahme eines Wirkstoffes in eine PIM-Liste ist – seine Marktverfügbarkeit vorausgesetzt – primär nicht an die Verordnungshäufigkeit gebunden. Die Fra- ge nach der Bedeutung der einzelnen Substanzen im Spektrum der Therapien stellt sich jedoch, wenn Imple- mentierungsschritte geplant und hierbei die Bedeutung der einzelnen PIM-Wirkstoffe priorisiert werden. Der Arzneiverordnungs-Report 2010 weist eine deutliche Zunahme der Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp

PMV forschungsgruppe an der KJP, Universität zu Köln: Dr. rer. soc. Schubert, Dr. sc. hum. Hein, Dr. sc. hum. Abbas

Klinische Pharmakologie, Private Universität Witten/Herdecke gGmbH, Philipp Klee Institut für Klinische Pharmakologie – HELIOS Klinikum Wuppertal: Prof. Dr. med. Thürmann

(2)

(Dihydropyridine) seit 2004 auf, was den Autoren zufol- ge auf die langwirkenden Dihydropyridine – und hier insbesondere auf Amlodipin – zurückzuführen ist (8).

Die Zahl der Tagesdosen für nichtretardiertes Nifedipin ist weiterhin rückläufig und liegt bei 4 % der Dihydro- pyridinverordnungen (8). Die Angaben im Arzneiver- ordnungs-Report sind ein erster wichtiger Anhaltspunkt für den Stellenwert einer Substanzgruppe, lassen jedoch aufgrund des fehlenden Personenbezugs keine Bestim- mung der Exposition – hier mit nichtretardiertem Nife- dipin – zu. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist deshalb, die Behandlungsprävalenz für Kalziumantago- nisten insgesamt und für Nifedipin (retardiert/nichtretar- diert) abzuschätzen sowie die Verordnungsweise von nichtretardiertem Nifedipin für Versicherte der AOK Hessen im Jahr 2009 zu beschreiben.

Methoden

Die Studie wurde auf der Basis der Versichertenstich- probe AOK Hessen/KV Hessen durchgeführt. Gemäß dem mit dem Landesdatenschutz abgestimmten Daten- schutzkonzept wurde eine 18,75-prozentige Zufalls- stichprobe aus allen Versicherten der AOK Hessen ge- zogen (9). Aus dem umfangreichen Datensatz wurden die Stammdaten der Versicherten (Alter, Geschlecht, Versicherungszeiten), die ambulanten Diagnosen und die Arzneimitteldaten mit Angabe der verordnenden Arztgruppe herangezogen.

Die Behandlungsprävalenz stellt den Anteil der Versicherten dar, die im Beobachtungsjahr (2009) min- destens eine Verordnung eines Kalziumantagonisten (anatomisch-therapeutisch-chemische Klassifikation [ATC]: C08) beziehungsweise eines Dihydropyridins (C08CA) oder Nifedipins (C08CA05) erhalten haben.

Eine Trennung der Nifedipin-Fertigarzneimittel in retardiert/schnell freisetzend erfolgte anhand des Medika- mentennamens und der Darreichungsform. Tropflösun- gen wurden als schnell freisetzend klassifiziert, Injekti- onslösungen wurden aus der Analyse ausgeschlossen.

Die Verordnungsmenge wurde über die Anzahl der verordneten Tagesdosen ermittelt, die zum Beispiel für Nifedipin mit 30 mg international festlegt ist (10).

Die Daten befinden sich in einer Datenbank (MS- SQL-Server 2008 unter Windows Server 2003); sie wurden mit SQL ausgewertet. Häufigkeitsschätzungen werden in Prozent angegeben. Zur Berechnung von 95-%-Konfidenzintervallen für Anteile werden Wil- son’s score Intervalle verwendet (11).

Ergebnisse

Die Studienpopulation umfasst im Jahr 2009 insgesamt 260 672 durchgängig Versicherte mit einem Durch- schnittsalter von 45 Jahren (Standardabweichung [SD]:

24,2) (Männer 43 Jahre, SD: 23,2; Frauen 47 Jahre;

SD: 24,9). Der Anteil der ≥ 65-Jährigen – die Populati- on, für die die PRISCUS-Liste entwickelt wurde, – beträgt 27,4 % (n = 71 367; Männer: 40,9 %, Frauen:

59,1 %). Die Behandlungsprävalenz für Kalziumanta- gonisten liegt über alle Altersgruppen betrachtet bei 9 %, unter den ≥ 65-Jährigen bei 24 %. Frauen im Alter

von 65 Jahren oder älter erhalten mit 25 % (10 % für alle Altersgruppen) diese Therapie etwas häufiger im Vergleich zu 23 % bei den Männern (8 % für alle Al- tersgruppen). Tabelle 1 weist die Behandlungspräva- lenz für Kalziumantagonisten gesamt sowie für Dihy- dropyridine und Nifedipin aus. Deutlich zeigt sich der hohe Stellenwert der Dihydropyridine unter den Kalzi- umantagonisten.

Knapp 8 % der Versicherten und 21 % der ≥ 65-Jäh- rigen erhielten in 2009 mindestens eine Verordnung ei- nes Kalziumantagonisten vom Nifedipintyp. Die Be- handlungsprävalenz von Nifedipin (gesamt) lag über alle Altersgruppen betrachtet bei 0,7 % (Frauen 0,8 %, Männer 0,5 %), in der Gruppe der ≥ 65-Jährigen bei 1,8 % (Frauen 2,0 %, Männer 1,6 %). Knapp 54 % (912/1700) der mit Nifedipin behandelten Patienten (entsprechend 0,3 % der Versicherten) erhielten nicht- retardiertes Nifedipin (Tabelle 1). Frauen (65 Jahre und älter) bekamen mit 1,1 % zu einem wesentlich höheren Anteil nichtretardiertes Nifedipin als Männer (0,6 %).

Die Verordnungen erfolgten für beide Zubereitungs- formen in erster Linie durch den Allgemeinarzt (retar- diertes Nifedipin: 93 %; nichtretardiertes Nifedipin:

91 %). 3 % der Verordnungen wurden für beide Darrei- chungsformen durch einen Internisten veranlasst.

Bezogen auf alle Nifedipinverordnungen entfielen rund 30 % auf schnell freisetzendes Nifedipin, bezogen auf die Tagesdosen jedoch nur 12 %, da schnell freiset- zendes Nifedipin überwiegend (75 %) als Einmalver- ordnung mit wenigen Tagesdosen verschrieben wird.

Nur 7 % der 912 Empfänger von nichtretardiertem Nifedipin erhielten fünf und mehr Verordnungen im Jahr. Während sich für retardiertes Nifedipin im Mittel eine fast durchgehende Versorgung mit 314 Tagesdosen ergab, waren es für schnell freisetzendes Nifedin nur durchschnittlich 39 Tagesdosen je Empfänger.

Patienten mit einer schnell freisetzenden Verordnung von Nifedipin erhielten nicht zwingend auch eine Ver- ordnung mit einer retardierten Zubereitung. Nur bei 5 % dieser Patienten war eine solche retardierte Nifedi- pinverordnung dokumentiert und bei 46 % wurde über- haupt ein weiterer Kalziumantagonist verordnet.

Patienten, die mit nichtretardiertem Nifedipin be- handelt wurden, unterschieden sich von denen mit re- tardierter Zubereitung hinsichtlich der Zahl der unter- schiedlichen Arzneistoffe mit Wirkung auf das kardio- vaskuläre System (ATC C, 5. Ebene), die sie im Beob- achtungsjahr erhalten haben: Sechs und mehr unter- schiedliche Wirkstoffe bekamen knapp 30 % derer, die mit schnell freisetzendem Nifedipin behandelt wurden.

Bei der Gruppe derer, die mit retardiertem Nifedipin therapiert wurden, lag der Anteil nur bei 16 %.

Vergleicht man die in der ambulanten Versorgung kodierten Diagnosen von Empfängern mit retardiertem und solchen mit schnell freisetzendem Nifedipin, so sind bei letzteren aus dem Spektrum der Hypertoniedi- agnosen die hypertensive Krise (ICD 10: I10.91; OR:

4,26, 95-%-KI: 2,45–7,40) und die hypertensive Herz- krankheit (ICD 10; I11.90; OR: 1,82; 95-%-KI:

1,04–3,19) signifikant häufiger kodiert. Ein Behand-

(3)

lungsanlass einer hypertensiven Krise war bei knapp 8 % der Patienten, die mit schnell freisetzendem Nifedipin be- handelt wurden, dokumentiert (10,3 % bei den ≥ 65-Jäh- rigen) versus 2 % bei Patienten, die eine retardierte Zubereitung bekamen (4,1 % bei den ≥ 65-Jährigen).

Diskussion

Mit der vorliegenden Analyse wurde nach Wissen der Autoren erstmals eine Behandlungsprävalenz für Nife- dipin und hier insbesondere für schnell freisetzendes Nifedipin ermittelt. Eine Dauertherapie mit schnell frei- setzendem Nifedipin wird in Leitlinien und der Litera- tur als obsolet bezeichnet (12–14). Immerhin erhielten im Jahr 2009 in der hier betrachteten, für unerwünschte Arzneimittelwirkungen besonders gefährdeten Gruppe älterer Patienten (65 Jahre und älter) noch knapp 1 % diese Zubereitungsform des Nifedipins. Die Behand- lung mit schnell freisetzendem Nifedipin erfolgte im Gegensatz zur Behandlung mit retardierter Zubereitung überwiegend (75 %) als Einmalverordnung und wird nach den vorliegenden Daten offenbar zusätzlich zu verschiedensten Antihypertensiva verordnet.

Interessanterweise war in der Gruppe der Patienten mit einer schnell freisetzenden Nifedipinverordnung der Anteil von Patienten mit Dokumentation einer hy- pertensiven Krise höher als in der Gruppe der Patien- ten mit Verordnung einer retardierten Zubereitung. Da- rüber hinaus erhielten die Empfänger schnell freiset- zenden Nifedipins insgesamt mehr Antihypertensiva – was auf einen schlechter einzustellenden Blutdruck hinweisen kann. Diese Befunde legen die Vermutung nahe, dass der Verordnungsanlass keine Dauertherapie mit schnell freisetzendem Nifedipin erforderte. Dieses Vorgehen entspricht durchaus den Empfehlungen der Fachgesellschaften (12–14), nichtretardiertes Nifedi-

pin zu vermeiden. Möglicherweise sollen hiermit gele- gentlich auftretende Blutdruckspitzen durch den Pa- tienten selbstständig behandelt werden. Eine solche Therapie ist allerdings nicht durch die genannten Leit- linien abgedeckt. Gemäß der einschlägigen Definitio- nen und Empfehlungen sind hypertensive Krisen von klinischen Symptomen – zum Beispiel Enzephalopa- thie oder Lungenödem – begleitet und müssen inten- sivmedizinisch überwacht werden. Hypertensive Not- fälle (ohne Symptome) können beispielsweise mit Ni- trospray oder oral applizierbarem schnell freisetzen- dem Nifedipin behandelt werden, allerdings jedoch un- ter ärztlicher Kontrolle und nicht in Eigenregie des Pa- tienten. Für gelegentliche Blutdruckanstiege ohne so- fortige Therapienotwendigkeit gibt es keine Empfeh- lungen, lediglich den Hinweis auf weitere diagnosti- sche Abklärung (siehe Leitlinien).

Die vorliegende Analyse bestätigt den in Globalda- ten (siehe Arzneiverordnungs-Report, [8]) aufgezeigten nachgeordneten Stellenwert von Nifedipin unter den Kalziumantagonisten, erlaubt im Unterschied zu diesen Daten jedoch Angaben

zur Zahl der Empfänger

zu den verordneten Tagesdosen je Empfänger

zu weiteren Charakteristika der behandelten Pa- tienten.

Vor dem Hintergrund der seit Jahren bestehenden kritischen Bewertung der Verordnung einer nichtretar- dierten Zubereitung stellt sich die Frage, aus welchen Gründen diese nach wie vor erfolgt. Hierzu wären ver- tiefende Analysen unter Berücksichtigung von Komor- bidität, Adhärenz und klinische Angaben hilfreich. Die- se gehen über eine Routinedatenanalyse, die in erster Linie auf die Problematik aufmerksam machen möchte, hinaus.

TABELLE 1

Anteil der Versicherten mit Kalziumantagonisten (gesamt und Untergruppen) nach Altersgruppen (2009)*

Bezugspopulation: N = 260 672; * Mehrfachnennungen Alter

0–39 40–59 60–79

≥ 80 Gesamt

> 65

Kalzium-Antagonisten n

248 3 777 13 741 5 687 23 453 17 215

(95-%-KI)% (0,2–0,3)0,2 (5,1–5,4)5,2 20,6 (20,2–20,9)

28,5 (27,8–29,1)

(8,9–9,1)9,0 24,1 (23,8–24,4)

Dihydropyridine n

216 3 479 12 123 4 876 20 694 15 006

(95-%-KI)% (0,2–0,2)0,2 (4,7–5,0)4,8 18,1 (17,8–18,4)

24,4 (23,8–25,0)

(7,8–8,0)7,9 21,0 (20,7–21,3)

Nifedipin Gesamt

n 25 216 969 490 1700 1313

(95-%-KI)% 0,0 (0,3–0,3)0,3 (1,4–1,5)1,4 (2,3–2,7)2,5 (0,6–0,7)0,7 (1,7–1,9)1,8

retardiert n

11 65 504 256 836 700

(95-%-KI)% 0,0 (0,1–0,1)0,1 (0,7–0,8)0,8 (1,1–1,5)1,3 (0,3–0,3)0,3 (0,9–1,1)1,0

nichtretardiert n

14 157 490 251 912 651

(95-%-KI)% 0,0 (0,2–0,3)0,2 (0,7–0,8)0,7 (1,1–1,4)1,3 (0,3–0,4)0,3 (0,8–1,0)0,9

(4)

Auch wenn die Zahl der Empfänger im Vergleich zu einigen anderen auf der PRISCUS-Liste aufgeführten Präparaten gering ist (1), wird durch die vorliegende Analyse ein klinisch relevantes Problem in der alltägli- chen Praxis, das in Leitlinien möglicherweise nur unge- nügend abgebildet ist, aufgedeckt. Bei der Implemen- tierung der PRISCUS-Liste und der Erarbeitung von Fortbildungsmaterialien sollten daher die Behandlung von Blutdruckspitzen mit schnell freisetzendem Nifedi- pin problematisiert und Alternativen aufgezeigt wer- den.

Als Limitationen der vorliegenden Studie sind zu nen- nen, dass sich die Auswertungen nur auf eine Krankenkas- se und eine Region beziehen. Da das Verhältnis verschie- dener Dihydropyridine nach Tagesdosen in dieser Studie – 5 874 752 (C08CA01) : 298 446 (C08CA05) : 672 280 (C08CA08) : 1 078 054 (C08CA13) – jedoch den Anga- ben im Arzneiverordnungs-Report (8) entspricht, halten die Autoren eine Verallgemeinerung der Aussagen für zu- lässig.

Fazit

Auch wenn die Anzahl der verordneten Tagesdosen für nichtretardiertes Nifedipin insgesamt erfreulicher- weise rückläufig ist, wird es nach wie vor noch als an- tihypertensive Bedarfsmedikation insbesondere bei Älteren angewendet. Daraus ergibt sich die Relevanz, nichtretardiertes Nifedipin in der PRISCUS-Liste mit Hinweis auf Alternativen aufzuführen. Bei Entglei- sungen des Blutdrucks sollten das Therapieregime und die Therapieadhärenz des Patienten hinterfragt werden und gegebenenfalls eine weitere differenzial- diagnostische Abklärung erfolgen. Die Gabe von schnell freisetzendem Nifedipin ist nach Stand heuti- ger Leitlinien nur in wenigen Fällen zu rechtfertigen.

Die aufgezeigten Daten sollten Anlass zu einer geziel- ten Analyse der Beweggründe für eine Verordnung im Einzelfall geben.

Interessenkonflikt

Die PMV forschungsgruppe hat Forschungsförderung von Ministerien, Kran- kenkassen, Kassenärztlichen Vereinigungen, Stiftungen, Gesundes Kinzigtal GmbH und pharmazeutischer Industrie (Abbott, Lilly, Bayer-Schering, Sanofi- Aventis, Merz, Novo-Nordisk, Gesundes Kinzigtal GmbH) erhalten.

Dr. Schubert, Dr. Hein, Dr. Abbas haben keine persönlichen Honorare erhalten und erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Prof. Petra Thürmann bekam Honorare für Beratertätigkeiten von den Firmen BIOTEST Pharma AG, Fresenius Kabi und MYR GmbH und wurde für Vorträge honoriert von den Firmen BayerVital, BIOTEST Pharma AG und Rottapharm Madaus GmbH. Drittmittel wurden ihr zur Verfügung gestellt von den Firmen BIOTEST Pharma AG, Stada GmbH und Bayer Schering Pharma AG.

Manuskriptdaten

eingereicht: 7. 9. 2011, revidierte Fassung angenommen: 17. 1. 2012

LITERATUR

1. Holt A, Schmiedl S, Thuermann PA: Potentially inappropriate medi- cations in the elderly: the Priscus list. Dtsch Arztebl Int 2010; 107 (31–32): 543–51.

2. Maxwell CJ, Hogan DB, Campell NRC, Ebly EM: Nifedipine and mortality risk in the elderly: relevance of drug formulation, dose and duration. Pharmacoepidemiol Drug Saf 2009; 9: 11–23.

3. Pahor M, Guralnik JM, Corti MC, et al.: Long term survival and use of antihypertensive medications in older persons. J AM Geriatr Soc 1995; 43: 1191–7.

4. Gillman MW, Ross-Degnan D, McLaughlin TJ, et al.: 2 Effects of long-acting versus short-acting calcium channel blockers among older survivors of acute myocardial infarction. J Am Geriatr Soc 1999 May; 47: 512–7.

5. Jung SY, Choi NK, Kim JY, et al.: Short-acting nifedipine and risk of stroke in elderly hypertensive patients. Neurology 2011; 77:

1229–34.

6. Fick DM, Cooper JW, Wade, et al.: Updating Beers criteria for po- tentially inappropriate medication use in older adults. Results of a US consensus panel of experts. Arch Intern Med 2003; 163:

2716–24.

7. Laroche ML, Charmes JP, Merle L: Potentially inappropriate medi- cations in the elderly: a French consensus panel list. Eur J Clin Pharmacol 2007; 63: 725–31.

8. Eschenhagen T. Calciumantagonisten. In: Schwabe U, Paffrath D (eds.): Arzneiverordnungs-Report 2010. Berlin, Heidelberg, New York: Springer 2010; 490–501.

9. Ihle P, Köster I, Herholz H, Rambow-Bertram P, Schardt T, Schubert I: Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen – Konzeption und Umsetzung einer personenbezogenen Datenbasis aus der Ge- setzlichen Krankenversicherung. Gesundheitswesen 2005; 67:

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10. Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Informati- on (ed.). Anatomisch-chemisch-therapeutische Klassifikation mit Tagesdosen. Amtliche Fassung des ATC-Index mit DDD-Angaben für 2009. www.dimdi/de/static/de/amg/atcddd.htm (last ac cessed on 31 August 2011).

11. Boomsma A: Confidence intervals for a binomial proportion. De- partment of Statistics & Measurement Theory. University of Gro- ningen. 2005.

12. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (eds.). Arznei- verordnungen. 22. Auflage. Neu-Isenburg: Medizinische Medien Informations GmbH 2009: 598.

13. Deutsche Hochdruckliga e.V., DHL, Deutsche Hypertonie Gesell- schaft: Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie. 2008.

AWMF Register-Nr. 046–001. www.awmf.org/uploads/tx_szleitli nien/046–001_S2_Behandlung_der_arteriellen_Hypertonie_

06–2008_06–2013.pdf (last accessed on 13 January 2011).

14. U.S. Department of Health and Human Services: The Seventh Re- port of the Joint National Committee on Prevention, Dection, Eva- luation, and Treatment of High Blood Pressure.HIH Publication No.

04–5230, 2004. www.nhlbi.nih.gov/guidelines/hypertension/

jnc7full.pdf (last accessed on 13 January 2011).

KERNAUSSAGEN

Nichtretardiertes Nifedipin wird auf der PRISCUS-Liste als potenziell inadäquate Medikation aufgeführt.

Krankenkassendaten zufolge erhielten im Jahr 2009 cir- ca 1 % der ≥ 65-jährigen Versicherten mindestens eine Verordnung eines nichtretardierten Nifedipins. Die Be- handlung erfolgte überwiegend als antihypertensive Be- darfsmedikation.

Eine antihypertensive Bedarfsmedikation für die Anwen- dung durch den Patienten ist weder in Leitlinien der Fachgesellschaften noch unter den Alternativen der PRISCUS-Liste aufgeführt.

Bei Auftreten von Blutdruckspitzen sollten das Therapie- regime und die -adhärenz des Patienten hinterfragt wer- den; gegebenenfalls ist eine weitere differenzialdiag- nostische Abklärung notwendig.

(5)

Anschrift für die Verfasser Dr. rer. soc. Ingrid Schubert

PMV forschungsgruppe an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters der Universität zu Köln Herderstraße 52–54

50931 Köln

Ingrid.Schubert@uk-koeln.de

SUMMARY

The Frequency of Prescription of Immediate-Release Nifedipine for Elderly Patients in Germany: Utilization Analysis of a Sub- stance on the PRISCUS List of Potentially Inappropriate Medications Background: Immediate-release nifedipine is on the PRISCUS list of drugs that should not be given to elderly patients. We studied the use of this calcium-channel blocker under real-life conditions.

Methods: In 2009, we carried out a cross-sectional study based on the Statutory Health Insurance Sample AOK Hesse/KV Hesse with a sample size of 260 672 insurees. We used an anatomic-therapeutic-chemical classification (C08) to identify prescriptions for calcium-channel blo- ckers. We determined from brand names and dosage forms whether ni- fedipine was prescribed in an immediate-release or sustained-release formulation.

Results: Among insurees over age 65, the prevalence of treatment with immediate-release and sustained-release nifedipine was 0.9% and 1.0%, respectively. Immediate-release nifedipine was usually (75%) given in a single administration. 46% of patients receiving immediate-

release nifedipine also received another calcium-channel blocker. Pa- tients who received immediate-release nifedipine tended to take more cardiovascular drugs than those who received sustained-release nifedi- pine (6 or more cardiovascular drugs were taken by 30% and 16%, re- spectively). Among all medical diagnoses related to hypertension, two were significantly more common among patients taking immediate-re- lease nifedipine than among those taking sustained-release nifedipine:

hypertensive crisis (OR 4.26, 95% CI 2.45–7.40) and hypertensive heart disease (OR 1.82, 95% CI 1.04–3.19).

Conclusion: Our analysis demonstrates that immediate-release nifedipi- ne is being prescribed to elderly patients in Germany, albeit mostly in a single administration. In view of the risks and the availability of alterna- tive drugs, stricter adherence to the PRISCUS recommendations in this case should be stressed in continuing medical education.

Zitierweise

Schubert I, Hein R, Abbas S, Thürmann P:

The frequency of prescription of immediate-release nifedipine for elderly patients in Germany: utilization analysis of a substance on the PRISCUS list of potentially inappropriate medications. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(12):

215–9. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0215

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The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Sechs Gründe für Autorinnen und Autoren, wissenschaftliche Übersichts- und Originalarbeiten in der Rubrik Medizin im Deutschen Ärzteblatt zu publizieren

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