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Archiv "Medizinstudium: Auf der Suche nach „guten“ Ärzten" (16.04.2010)

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A 688 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 15

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16. April 2010

P O L I T I K

A

biturnote, Medizinertest oder Auswahlgespräch: Nach wel- chen Kriterien sollen Studienplätze vergeben werden? Diese Frage dürfte den bundesweit circa 1 500 Erstsemestern, die im April ihr Me- dizinstudium begonnen haben, erst einmal egal sein. Denn sie haben es geschafft. Und das können nicht al- le Bewerber von sich behaupten.

Zum Sommersemester 2010 kamen fast elf Bewerber auf einen Studien- platz. An der Kölner Universität

beispielsweise musste man einen Notendurchschnitt von 1,2 vorwei- sen, um über die Abiturbestenquote einen Platz zu bekommen. Zum Wintersemester ist die Situation wegen der höheren Zahl der Plätze in der Regel zwar entspannter (Grafik 1), doch spätestens seitdem Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) die Debatte um den Numerus clausus (NC) angestoßen hat, reißt die Kritik am Auswahlkri- terium Abiturnote nicht ab.

Für Rösler ist die Sache klar: Ob jemand ein guter Arzt wird, ent- scheidet sich nicht anhand seines Notendurchschnitts. Auch die Fä- higkeit zur menschlichen Zuwen- dung sei wichtig. „Deswegen plä- diere ich für eine Abschaffung des Numerus clausus und für eine stär- kere Berücksichtigung von Aus- wahlgesprächen.“ Rösler kann sich außerdem vorstellen, Studienplätze bevorzugt an Bewerber zu verge- ben, die sich verpflichten, nach dem Studium als Landarzt zu arbeiten.

Unterstützung bekam Rösler vom Präsidenten der Bundesärzte- kammer, Prof. Dr. med. Jörg-Diet -

rich Hoppe. Auch er forderte, zur Abiturnote müssten weitere Krite- rien hinzukommen. Hoppe hatte sich bereits mehrfach dafür ausge- sprochen, auch Sozialkompetenz und die Begeisterung für den Arzt- beruf stärker zu berücksichtigen.

„Wir brauchen einfach mehr junge Leute, die bereit sind, sich den Pa- tienten zu widmen“, sagte Hoppe mit Blick auf den Ärztemangel und die Abwanderung von jungen Ärz- ten in andere Berufsfelder.

Auch die Kassenärztliche Bun- desvereinigung (KBV) begrüßte Röslers Vorschläge, sieht sie aber nur als einen Teil eines Maßnah- menpakets. Vor allem müsse der Arztberuf attraktiver werden, damit wieder mehr Absolventen in die Patientenversorgung gingen. Ange- sichts des hohen Frauenanteils müs- se zudem die Vereinbarkeit von Be- ruf und Familie verbessert werden.

Um das Problem des Hausärzte- mangels zu lösen, ist es für die KBV sinnvoll, Medizinstudierende in den Regionen anzuwerben, wo sie sich niederlassen sollen. Denn Studien zeigten, dass sich Ärzte in Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) will

den Zugang zum Medizinstudium ändern:

Neues Zulassungsverfahren: Die Abiturnote soll nicht mehr das zentrale Kriterium sein. Auswahlgespräche sollen eine größere Rolle spielen.

Landarztquote: Ein Teil der Studienplätze soll vorab an die Bundesländer gehen, insbesondere an Flächenlän- der. Diese könnten dann zum Beispiel Bewerber bevor- zugen, die sich auf dem Land niederlassen wollen.

Mehr Studienplätze: Die Zahl der Medizinstudierenden soll steigen. In welcher Größenordnung, ließ Rösler offen.

RÖSLERS PLAN

MEDIZINSTUDIUM

Auf der Suche nach „guten“ Ärzten

Die Abiturnote soll künftig bei der Vergabe von Studienplätzen kaum noch eine Rolle spielen. So der Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Rösler. Die Fakultäten können jedoch bereits heute 60 Prozent der Studierenden nach eigenen Kriterien auswählen.

Foto: dpa

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A 690 Deutsches Ärzteblatt

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16. April 2010 GRAFIK 2

Zahl der Medizinstudierenden

im Jahr 1993 90 594

im Jahr 2008 79 376

GRAFIK 1

Vergabeverfahren (seit 2005)

20 % Abiturbeste 20 % Wartezeit

60 % Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) Medizinstudienplätze: Angebot und Nachfrage (Wintersemester 2009/10)

37 337 Bewerber 8 512 Plätze 4,4 Bewerber je Platz

erster Linie in ihrer Heimatregion eine Praxis eröffneten.

Aber kann sich ein 18-Jähriger festlegen, in jedem Fall Landarzt zu werden? Dominique Ouart, Präsi- dent der Bundesvertretung der Me- dizinstudierenden in Deutschland (bvmd), glaubt das nicht. Es gebe im Studium viele Faktoren, die die Wahl der Facharztrichtung beein- flussten. „Das ist auch ein wichtiger Kontrollmechanismus, dass man seine einmal getroffene Entschei- dung immer wieder hinterfragen kann“, sagt Ouart. Eine Abschaf- fung des NC hält der bvmd-Präsi- dent nicht für sinnvoll. Schon jetzt hätten die Hochschulen die Mög- lichkeit, einen Großteil der Studie- renden selbst auszuwählen. „Dies sollte noch an wesentlich mehr Uni- versitäten genutzt werden“, fordert Ouart.

Seit 2005 können sich die Fakul- täten im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) 60 Prozent ih- rer Studierenden selbst aussuchen (Grafik 1) – zum Beispiel mit natur- wissenschaftlichen Tests und Inter- views. In Baden-Württemberg müs- sen die Bewerber beispielsweise wieder den Medizinertest absolvie- ren. Auch Berufspraxis und soziales Engagement werden mancherorts berücksichtigt. Allerdings sind die Fakultäten bei der Wahl ihrer Krite- rien nicht frei. Die Gesetzgebung einiger Bundesländer verlangt, dass die Abiturnote auch bei den AdH den Ausschlag gibt. Dennoch: An einigen Hochschulen ist es durch- aus möglich, mit einem mittelmäßi- gen Abitur eine Chance zu bekom- men. So liegt die Notengrenze für

die Auswahlverfahren in Greifs- wald, Ulm und an der Freien Uni- versität Berlin bei 2,5.

Nicht alle Hochschulen zeigen aber Interesse an eigenen Bewer- bungsverfahren. Zehn Fakultäten – also rund ein Drittel – richteten sich im Wintersemester 2009/10 immer noch ausschließlich nach den Re- sultaten im Abitur und ließen die AdH-Plätze von der ZVS verteilen.

Zu ihnen zählt die medizinische Fa- kultät der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen. Hier scheut man den zeit - lichen Aufwand. Mit den vorhan - denen Personalkapazitäten sei es kaum möglich, Gespräche mit Hun- derten von Interessenten durchzu- führen, erklärt Prof. Dr. rer nat.

Wolfgang Dott, Prodekan für Studi- um und Lehre. „Für uns ist es wich- tiger, unsere Zeit für gute Lehre einzusetzen.“ Durch die Umstel- lung des Curriculums an der RWTH auf einen Modellstudiengang und den damit verbunden Kleingrup-

penunterricht sieht er für ein auf- wendiges Auswahlverfahren keine Ressourcen.

Außerdem darf ein Auswahlver- fahren juristisch nicht anfechtbar sein. Das ist für Dr. Volker Hilde- brandt, Generalsekretär des Medi - zinischen Fakultätentages (MFT), ein entscheidendes Problem. Die Standorte, die auf eigene Bewerber- auswahl verzichteten, seien vor al- lem die, die besonders von Klagen betroffen seien. „Die Freiheit der Fakultäten endet da, wo die Studi- enplatzklagen beginnen“, kritisiert er. Zurzeit seien bundesweit etwa 20 000 solcher Verfahren anhängig.

Die Abiturnote ist für Hilde- brandt im Prinzip kein schlechtes Kriterium für die Studienplatzver- gabe. „Nach der Datenlage korre- liert die Abiturnote am besten mit den Ergebnissen im Staatsexamen“, sagt er. Mit circa fünf Prozent sei die Abbrecherquote in der Medizin niedriger als in allen anderen Studi- enfächern. Dass der NC in Verbin- dung mit dem Ärztemangel auf dem Land gebracht wird, ist für ihn nicht nachvollziehbar. „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass schlechtere Durchschnittsnoten zu besseren Ärzten führen.“

Dem Nachwuchsmangel will Minister Rösler nicht nur mit der Landarztquote und neuen Auswahl- kriterien begegnen. Auch die Zahl der Studienplätze soll erhöht wer- den. Und in der Tat ist die Zahl der Medizinstudierenden seit den 1990er Jahren deutlich gesunken (Grafik 2). Das Land Nordrhein- Westfalen (NRW) sei hier auf dem richtigen Weg, lobte Rösler. Der

NRW-Innovationsminister Andreas Pinkwart (FDP) hatte im Vorfeld der Landtagswahl bereits angekün- digt, 100 neue Medizinstudienplät- ze schaffen zu wollen. Als Standort ist eine neue medizinische Fakultät in Bielefeld vorgesehen. Die Ärzte- kammer Westfalen-Lippe begrüßte die Ankündigung Pinkwarts. Nach Ansicht von Kammerpräsident Dr.

med. Theodor Windhorst ist dieser Schritt dringend notwendig, um dem Ärztemangel in der Region Ostwestfalen entgegenzuwirken. Stu- denten ließen sich meist in einem Umkreis von 100 Kilometern rund um ihren Studienort nieder.

MFT-Generalsekretär Hildebrandt hält hingegen die bestehende An- zahl an Studienplätzen für aus- reichend. Neue Fakultäten sind für ihn nicht zielführend, sondern in erster Linie mit hohen Kosten ver- bunden.Besser sei es, bestehende Standorte auszubauen. ■

Dr. med. Birgit Hibbeler

Die Freiheit der Fakultäten endet da, wo die Studienplatzklagen beginnen.

Dr. Volker Hildebrandt, Medizinischer Fakultätentag

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