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ie Regelungen des Arznei- mittelmarktneuordnungsge- setzes (AMNOG) sind im Jahr zwei nach dessen Inkrafttreten im ge- sundheitspolitischen Alltag ange- kommen. Etwa 60-mal hat der Ge- meinsame Bundesausschuss (G-BA) Pharmafirmen bislang darüber be- raten, welche Informationen die vom Hersteller eines neuen Arznei- mittels einzureichenden Dossiers enthalten müssen. 17 frühe Nutzen- bewertungen hat der G-BA bis heu- te abgeschlossen, elf werden zurzeit bearbeitet; mit insgesamt 40 rech- net der Ausschuss in diesem Jahr.Vier Verhandlungstermine
Zu neun der 17 neuen Arzneimittel finden derzeit Preisverhandlungen statt. Grundlage dafür sind Rah- menvereinbarungen zwischen dem GKV-Spitzenverband und den vier großen Pharmaverbänden, die Mitte März nach langem Tauziehen und unter Anrufung der Schiedsstelle verabschiedet wurden. Festgelegt ist darin zum Beispiel, dass die Verhandlungen zwischen dem GKV- Spitzenverband und dem jeweiligen Arzneimittelhersteller innerhalb von vier Verhandlungsterminen, „in be- gründeten Fällen“ in fünf, zu einem Abschluss gekommen sein müssen.Gibt es dann kein Ergebnis, wird die Schiedsstelle tätig.
Bei diesen Terminen verhandeln die Vertragspartner einen Rabatt auf den vom Hersteller bei Marktein- führung festgelegten Abgabepreis.
Dafür herangezogen werden ne- ben der vom G-BA festge-
legten zweckmäßigen Vergleichs- therapie, dem Dossier des Herstel- lers und den Jahrestherapiekosten vergleichbarer Arzneimittel auch die Abgabepreise in anderen euro- päischen Ländern. Um diesen Punkt hatten GKV-Spitzenverband und Pharmaverbände am längsten gestritten. Die Schiedsstelle hat schließlich einen Korb aus 15 Län- dern festgelegt, zu dem Griechen- land und Spanien ebenso zählen wie Frankreich und Schweden.
Nach diesem Streitpunkt hat sich nun ein weiterer ergeben: die Frage, ob die ausgehandelten Rabatte ver- öffentlicht werden sollen oder nicht. Der GKV-Spitzenverband ist dafür. „Wir sehen keinen Grund für Geheimniskrämerei“, sagt der Spre- cher des Verbandes, Florian Lanz.
„Transparenz ist gut für das Sys- tem.“ Die Pharmaindustrie sieht das anders. „Die meisten Länder arbei- ten mit einem allgemein bekannten Listenpreis, verhandeln Rabatte und denken nicht daran, diese Ver- handlungsergebnisse öffentlich auf den Markt zu tragen“, argumentiert die Hauptgeschäftsführerin des Ver- bandes forschender Arzneimittel- hersteller, Birgit Fischer. So werde ja auch bei den Rabattverträgen seit Jahren erfolgreich Geld gespart.
Dieser Ansicht sind auch die Ge- sundheitspolitiker der Union. Eine Veröffentlichung des Erstattungsbe- trags sei grundsätzlich nicht not- wendig für die Preisverhandlungen, heißt es in einem Positionspapier der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Das Problem ist: Gemäß AMNOG müs-
sen alle ausgehandelten Rabatte auch für die private Krankenversi- cherung (PKV) gelten. Die PKV muss die Höhe der Rabatte also er- fahren. Bis jetzt hat die Union für dieses Problem noch keine Lösung, fordert aber, dass gesetzlich ein Verfahren festgelegt wird, dass die Umsetzung beider Aspekte ermög- licht.
Verhandlungen abgebrochen
Einen weiteren Streitpunkt stellen die zweckmäßigen Vergleichsthera- pien dar, die der G-BA in der frühen Nutzenbewertung heranzieht. Für das neue Arzneimittel Trajenta mit dem Wirkstoff Linagliptin, einem Dipeptidylpeptidase-4-Inhibitor, hat der G-BA Sulfonylharnstoffe als Vergleichstherapie herangezogen, die als Generika vorliegen. Statt des vom Hersteller Boehringer Ingel- heim angesetzten Abgabepreises von 1,20 Euro lagen die Kosten für die Vergleichstherapie damit im zweistelligen Centbereich. Boeh- ringer Ingelheim hat daraufhin die Preisverhandlungen mit dem GKV- Spitzenverband abgebrochen. Tra- jenta wird es in Deutschland zu- nächst nicht geben.Und auch die ersten Preisver- handlungen auf deutschem Boden zu dem Medikament Brilique mit dem Wirkstoff Ticagrelor haben noch nicht zu einem Ergebnis ge- führt. Hersteller Astra-Zeneca und der GKV-Spitzenverband haben nach vier Verhandlungsterminen einen fünften vereinbart. Das Tau- ziehen geht weiter.
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Falk Osterloh
AMNOG
Das Tauziehen geht weiter
Die Rahmenvereinbarungen stehen, doch der Streit hält an. So fordern Union und Pharmaindustrie die Vertraulichkeit der Erstattungsbeträge. Und Pharmafirmen kritisieren die Vergleichstherapie und bringen ihre Arzneimittel nicht auf den Markt.
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