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Archiv "Neue Arzneimittel" (17.02.2012)

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ORIGINALARBEIT

Neue Arzneimittel: Verfügbarkeit von Daten zum therapeutischen Stellenwert bei Markteinführung

Mariam Ujeyl, Claudia Schlegel, Siegbert Walter, Ursula Gundert-Remy

ZUSAMMENFASSUNG

Hintergrund: Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind die Kriterien, an denen sich die Zulassung eines Arz- neimittels ausrichtet. Die vorliegende Untersuchung stellt dar, mit welchem Studiendesign und mit welcher statisti- schen Analyse die Wirksamkeit und Sicherheit von Fertig - arzneimitteln, die über das zentrale europäische Verfahren zugelassen wurden, geprüft wurde.

Methoden: Es wurden retrospektiv öffentliche Bewer- tungsberichte von Fertigarzneimitteln ausgewertet, die von der Europäischen Arzneimittelagentur erstmals oder mit neuer/erweiterter Indikation in den Jahren 2009 bis 2010 zugelassen wurden.

Ergebnisse: Die Daten zu 39 Fertigarzneimitteln wurden analysiert, darunter 64 % Erstzulassungen und 36 % Indi- kationserweiterungen. Bei 46 % der Fertigarzneimittel erfolgte ein Vergleich mit einer aktiven Kontrolle. Bei nur 28 % wurde geprüft, ob das neue Fertigarzneimittel der aktiven Kontrolle überlegen war. Ein patientenrelevanter primärer Endpunkt wurde bei 46 % der Zulassungen erho- ben. Zur Bewertung der Sicherheit standen Daten von rund 1 700 Patienten (Median) zur Verfügung.

Schlussfolgerung: Das zentrale Zulassungsverfahren erfordert nicht, dass Informationen aus Studien mit aktiver Kontrolle vorliegen. Die deskriptive Auswertung zeigt dem- entsprechend, dass zum Zeitpunkt der Markteinführung diese Daten häufig fehlen. Nur in Ausnahmefällen ging aus den Zulassungsstudien eindeutig hervor, dass ein neu zu- gelassenes Fertigarzneimittel einen höheren therapeuti- schen Nutzen hat als vorhandene Alternativen.

►Zitierweise

Ujeyl M, Schlegel C, Walter S, Gundert-Remy U:

New drugs: evidence relating to their therapeutic value after introduction to the market. Dtsch Arztebl Int 2012;

109(7): 117–23. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0117

Q

ualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit sind die Kriterien, an denen sich die Zulas- sung eines Arzneimittels ausrichtet. Diese kann in Deutschland über drei Verfahren erfolgen:

Zentrales Verfahren der EU mit Gültigkeit der Zulassung in allen EU-Mitgliedsstaaten.

Nationales Zulassungsverfahren mit Gültigkeit im jeweiligen Mitgliedsstaat. In Deutschland erfolgt sie durch das Bundesinstitut für Arznei- mittel und Medizinprodukte oder das Paul-Ehr- lich-Institut.

Verfahren der gegenseitigen Anerkennung, wenn bereits in einem Mitgliedsstaat eine natio- nale Zulassung besteht und diese auf andere Mitgliedsstaaten ausgedehnt werden soll.

Je nach Arzneimittel ist ein EU-zentrales Verfahren obligat (zum Beispiel für Orphan Drugs, Arzneimittel aus der Biotechnologie, Arzneimittel mit neuen Wirk- stoffen zur Behandlung spezifischer – beispielsweise neurodegenerativer – Erkrankungen) oder fakultativ (zum Beispiel Arzneimittel mit sonstigen neuen Wirk- stoffen). Im zweiten Fall obliegt es dem Hersteller, welches Verfahren er beantragt.

Das EU-Verfahren erfolgt über die Europäische Arz- neimittelbehörde (EMA: European Medicines Agency).

Anforderungen werden durch die EU-Gesetzgebung festgelegt und durch Leitfäden der EMA komplemen- tiert, die die Anforderungen des Verfahrens für die unterschiedlichen Indikationsgebiete in Einzelheiten beschreiben (1, 2).

Pharmazeutische Qualität wird durch die Beschaf- fenheit eines Arzneimittels bestimmt (zum Beispiel Reinheit, Gehalt, chemische Eigenschaften; AMG

§ 4 Abs. 15). Der Nachweis von Wirksamkeit und Unbedenklichkeit erfordert, dass ein Arzneimittel in mindestens einer klinischen Prüfung in der Indikati- on untersucht wurde, für die die Zulassung beantragt wird. Die durch den Antragsteller – meist ein phar- mazeutisches Unternehmen – im EU-Verfahren ein- gereichten Unterlagen werden von einem Berichter- statter und Mit-Berichterstatter bewertet. Deren, mit Vertretern aller Mitgliedstaaten abgestimmter, Be- wertungsbericht (EPAR: European Public Assess- ment Report) wird nach positiver Entscheidung über den Zulassungsantrag öffentlich verfügbar gemacht

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Geschäftsstelle Berlin:

Dr. med. Ujeyl M.Sc, Dipl.-Oecotroph. Schlegel, Dr. med. Walter MPH, Prof. Dr. med. Gundert-Remy

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(3). Auch im nationalen Verfahren und dem der ge- genseitigen Anerkennung werden öffentliche Bewer- tungsberichte angefertigt (e1), sie besitzen aber nicht den Detailgrad eines EPAR.

Es wird seit Langem diskutiert inwieweit das Zulassungsverfahren gewährleisten sollte, dass nach Markteinführung ausreichend Daten zur Beur- teilung des klinischen Stellenwertes eines neuen Arzneimittels zur Verfügung stehen. Forderungen beinhalten, dass Informationen über den verglei- chenden Nutzen vorgelegt werden, die auch auf der Prüfung der Überlegenheit gegenüber einer der ange- zeigten Vergleichsbehandlungen basieren (und nicht allein auf Demonstration von Nicht-Unterlegenheit oder Äquivalenz) (4, e2). Eine Zulassung kann je- doch nur abgelehnt werden, wenn das Arzneimittel nicht die notwendige pharmazeutische Qualität auf- weist, seine Wirksamkeit unzureichend belegt ist beziehungsweise fehlt oder Unbedenklichkeit, das heißt eine positive Nutzen-Risiko-Bilanz (5), nicht gegeben ist.

Ob der Beleg der Wirksamkeit und Sicherheit stets einen Nutzen für den Patienten nachzuweisen ver- mag, ist ebenfalls Gegenstand der Diskussion (6).

Die Wirksamkeit eines Arzneimittels wird mit statis- tisch signifikanten Effekten auf Zielgrößen, zum Beispiel auf Messwerte oder Symptome, nachgewie-

sen. Nicht immer kann aber von der Verbesserung ei- ner Zielgröße wie zum Beispiel einem Laborwert (ei- nem sogenannten Surrogatparameter) zuverlässig auf die Verbesserung des Gesundheitszustandes ge- schlossen werden.

Über den Beleg der Wirksamkeit hinaus erfordert der Beleg des Nutzens den Nachweis, dass ein Arz- neimittel eine für Patienten relevante Zielgröße („pa- tientenrelevanter Endpunkt“) im Vergleich zu einer Schein- oder anderen Behandlung verbessert. Dies kann durch die Änderung des Gesundheitszustandes, Verkürzung der Krankheits- oder Verlängerung der Lebensdauer, Verbesserung der Lebensqualität oder Verringerung unerwünschter Effekte nachgewiesen werden. Sollte ein Arzneimittel Effekte auf ein Sur- rogat haben, von dem nachgewiesen wurde (vali- diert), dass es mit hoher Sicherheit Effekte auf einen patientenrelevanten Endpunkt hat, kann auch das Surrogat „ersatzweise“ für die Nutzenbewertung he- rangezogen werden. Häufig erlauben Surrogate je- doch keine sichere Aussage beziehungsweise ihr Stellenwert wird kontrovers diskutiert (7).

Die Feststellung, dass ein neues Arzneimittel ei- nen Zusatznutzen hat, erfordert den Beleg – der vorrangig auf direkten Vergleichen basieren sollte –, dass ein Arzneimittel im Vergleich mit einem derzei- tigen therapeutischen Standard (der sogenannten zweckmäßigen Vergleichstherapie; vergleiche § 35a,

§ 130b SGB V) einen höheren Nutzen besitzt (AM-NutzenV). Wichtig ist dabei auch, mit wel - cher Wahrscheinlichkeit und in welchem Ausmaß ein Zusatznutzen vorliegt (vergleiche AM-NutzenV).

Statistisch belegte Unterschiede können sehr klein ausfallen und sollten auch klinisch bedeutsam sein (7).

Für den Vergleich der Nutzen-Risiko-Bilanz eines neuen gegenüber eines etablierten Arzneimittels, muss zudem in Betracht gezogen werden, dass Risi- ken, die gegebenenfalls erst nach längerer Expositi- on, sehr selten oder in anderen als den untersuchten Patientenpopulationen häufiger auftreten, zum Zeit- punkt der Zulassung unzureichend bekannt sein kön- nen (8, 9). Für die Risikobewertung ist sowohl die Anzahl der vor Zulassung mit dem Arzneimittel be- handelten Patienten, als auch die Beobachtungsdauer bedeutsam.

Der Nutzen war bisher für die Frage der Verord- nungsfähigkeit (§ 92 SGB V) relevant. Stellte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) fest, dass ein Arzneimittel keinen Nutzen besaß, konnte es von der Verordnungsfähigkeit ausgeschlossen werden (Beispiel Reboxetin [e3]). Seit Jahresbeginn ist der Nutzen, insbesondere der Zusatznutzen, für die Preisbildung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstof- fen maßgeblich (§ 35a SGB V). Stellt der GBA fest, dass ein Zusatznutzen fehlt, kann ein neues Arznei- mittel in eine Festbetragsgruppe eingeordnet wer- den. Wird ein Zusatznutzen festgestellt, ist vorgese- hen, dass GKV-Spitzenverband und Hersteller über die Höhe des Erstattungspreises verhandeln (10).

TABELLE 1

EU-zentrale Zulassungen (Jahre 2009–2010)

sowie die Indikationsgebiete/behandelten Krankheiten der in die Studie eingeschlossenen Fertigarzneimittel

Quelle: European public assessment report (EPAR) (www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/epar_search.jsp&murl=menus/

medicines/medicines.jsp&mid=WC0b01ac058001d125; zuletzt geprüft am 20.07.2011)

*1 ohne Generika, Biosimilars, Impfstoffe, Orphan Drugs, neue Darreichungsformen, wirkstoffgleiche Fertigarzneimittel, Kombinationen bekannter Wirkstoffe;

*2 Gynäkologie, Urologie, Stoffwechselerkrankung, Schmerzen in den deutschen Markt

eingeführt*1

in die Analysen eingeschlossen davon:

Diabetes mellitus Gerinnung Haut Herz-Kreislauf Lunge Krebs Osteoporose Psychiatrie/Neurologie rheumatoide Arthritis andere*2

Anzahl, n

76 39

3 4 2 4 2 10 3 3 4 4

Zulassung neuer Wirkstoff 33 25

2 2 1 2 2 5 2 3 3 3

Indikations- erweiterung 43 14

1 2 1 2 0 5 1 0 1 1

(3)

Ziel der vorliegenden deskriptiven Untersuchung ist es, darzustellen

mit welchem Studiendesign und mit welcher statistischen Analyse für ausgewählte Fertigarz- neimittel, die in den Jahren 2009–2010 über das zentrale Verfahren zugelassen wurden, die Wirk- samkeit und Sicherheit gezeigt wurde (Ver- gleichsbehandlung, Wirksamkeitsprüfung, End- punkte, Sicherheitspopulation) und

wie häufig die Informationen gemeinsam vorla- gen, die am besten geeignet sind, den therapeuti- schen Stellenwert eines neuen Fertigarzneimittels im Vergleich zu Alternativen zu zeigen.

Methode

Untersuchte Fertigarzneimittel

Berücksichtigt wurden Fertigarzneimittel, die in den Kalenderjahren 2009 und 2010 durch das EU-zentrale Verfahren als neue Wirkstoffe oder mit erweiterter Indikation durch die EMA zugelassen (e4) und bis April 2011 in den deutschen Markt eingeführt wurden (eKasten). Nicht berücksichtigt wurden: Generika, Biosimilars, Impfstoffe, Orphan Drugs, neue Darrei- chungsformen, wirkstoffgleiche Fertigarzneimittel und neue Kombinationen bekannter Wirkstoffe.

Voraussetzung für den Einschluss in die Auswertun- gen war ferner, dass zu einem Fertigarzneimittel eine Publikation aus der Reihe „Neue Arzneimittel“ der Arz- neimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (11) erstellt wurde.

Auswertung der Studienlage

Die Auswertungen basieren auf den Angaben des EPAR (eKasten). Extrahiert wurden:

Anzahl der Zulassungsstudien (pivotal trials)

Vergleichstherapie (zum Beispiel Placebo, aktive Kontrolle), Studiendesign beziehungsweise statis- tische Auswertung, primäre Endpunkte

Anzahl der behandelten Patienten (Sicherheitspo- pulation).

Im Vergleich zu einer Testung auf Nicht-Unterle- genheit oder Gleichwertigkeit gegenüber aktiver Kontrolle ermöglicht die Testung auf Überlegenheit weiterführendere Aussagen (zum Beispiel stärkere Wirksamkeit als aktive Kontrolle). Daher wurde ausgewertet, wie häufig in mindestens einer Zulas- sungsstudie Überlegenheit gegenüber (irgendeiner) akti ven Vergleichsbehandlung und auch hinsichtlich eines patientenrelevanten primären Endpunktes ge- prüft wurde.

TABELLE 2

Vergleichsbehandlung, statistische Auswertung und Endpunkte je Zulassungsstudie und je Zulassung

Quelle: European Public Assessment Report (EPAR) (www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/epar_search.jsp&murl=menus/medicines/medicines.jsp&mid=WC0b01ac058001d125;

zuletzt geprüft am 20.07.2011)

*1 dreiarmige Studien mit Placebo und aktivem Vergleichsarm nicht berücksichtigt;

*2 Zulassungen, in denen ≥ 1 Studie gegen aktive Vergleichstherapie prüfte;

*3 Zulassungen, in denen ≥ 1 Studie Überlegenheit prüfte; *4 Zulassungen, in denen ≥ 1 Studie ppE prüfte Zulassungen

Zulassungsstudien

Vergleichsbehandlung

statistische Auswertung

geprüfte Endpunkte

Indikationserweiterungen neue Wirkstoffe

Anzahl der Studien nur 1 Zulassungsstudie

Prüfung gegen Placebo*1 medikamentöse Vergleichstherapie

„andere Vergleiche“ (unbehandelte Kontrolle, niedrige Dosierung)

Prüfung von Überlegenheit gegenüber Placebo oder „anderem Vergleich“, ohne Prüfung gegen medikamentöse Vergleichstherapie

Prüfung von Nicht-Unterlegenheit/Äquivalenz ge- genüber medikamentöser Vergleichstherapie Prüfung von Überlegenheit gegenüber medikamentöser Vergleichstherapie (inklusive geplante Testung)

Prüfung von patientenrelevantem primärem Endpunkt (ppE)

Anzahl, n (Prozent, %) 39 (100)

14 (36) 25 (64) 81 (100) 1–7 je Zulassung 20 (51)

Zulassungen, n (%) 18 (46)

18*2 (46) 3 (8) 21 (54)

7 (18) 11*3 (28) 18*4 (46)

Studien, n (%) 47 (58) 27 (33) 7 (9) 54 (67)

12 (15) 15 (19) 36 (44)

(4)

Ausgezählt wurde, wie häufig ein patientenrelevanter primärer Endpunkt in Abgrenzung zu einem nicht sicher klinisch relevanten Endpunkt (zum Beispiel Behandlungsansprechen, das durch eine nur geringe Teilminderung von Krankheitsaktivität gemessen wird) oder Surrogatendpunkt erhoben wurde. Die Einteilung folgte den Kriterien des Instituts für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG).

Ergebnisse

Untersuchte Fertigarzneimittel

Tabelle 1 zeigt die Anzahl der nach EU-zentraler Zulas- sung in den deutschen Markt eingeführten, sowie die Anzahl der in die Analysen und je Indikationsgebiet eingeschlossenen Fertigarzneimittel. Ferner wird die Häufigkeit von Indikationserweiterungen versus initia- len Bewertungen dargestellt.

Auswertung der Studienlage

Tabelle 2 beschreibt Anzahl, Design und statistische Auswertung der 81 Zulassungsstudien, die für 39 ein- geschlossene Fertigarzneimittel vorgelegt wurden.

51 % der Zulassungen stützen sich auf nur eine Zulas- sungsstudie. 64 % der eingeschlossenen Fertigarznei- mittel (n = 25) sind neue Wirkstoffe.

Bei 46 % (n = 18) der Zulassungen (33 % der Zulas- sungsstudien; n = 27) wurde in mindestens einer Studie gegen eine aktive Kontrolle geprüft. In 28 % (n = 11) der Zulassungen (19 % der Studien; n = 15) wurde ge- prüft, ob das Fertigarzneimittel einer aktiven Kontrolle überlegen war. Bei weiteren 18 % (n = 7) der Zulassun- gen (15 % der Studien; n = 12) wurde nur Nicht-Unter- legenheit gegenüber einer aktiven Kontrolle getestet.

46 % (n = 18) der Zulassungen (58 % der Studien;

n = 47) prüften gegen Placebo und hatten keinen akti- ven Vergleichsarm.

Ein patientenrelevanter primärer Endpunkt wurde bei 46 % (n = 18) der Zulassungen in mindestens einer Studie (beziehungsweise 44 % der Studien; n = 36) erhoben.

Tabelle 3 zeigt, wie viele Patienten in den Zulas- sungsstudien mit dem Fertigarzneimittel behandelt wurden. Die Sicherheit von neuen/in neuer Indikation zugelassenen Fertigarzneimitteln wurde im Median an circa 1 700 Patienten über die Dauer von einem Jahr beobachtet.

Unter den elf (28 %) Zulassungen, bei denen eine Überlegenheit gegenüber einer aktiven Kontrolle ge- prüft wurde, waren sieben (18 %) Zulassungen (7 % der Zulassungsstudien), bei denen der primäre End- punkt patientenrelevant ist (Tabelle 4). In nur zwei der sieben Studien wurde eine überlegene Wirksamkeit ge- zeigt (und im EPAR zitiert), bei einer Zulassung ging die überlegene Wirksamkeit nicht (sicher) mit mehr Ri- siken einher.

Diskussion

Die gesetzlichen Anforderungen des Zulassungsverfah- rens erfordern nicht, dass direkte Vergleichsdaten zu ei- nem Arzneimittel vorliegen (1, 12, 13, e5). Vergleichs- studien werden für die Zulassung nur dann gefordert, wenn der Einsatz eines Placebos als ethisch nicht ver- tretbar bewertet wird (e6). Dementsprechend zeigen die Auswertungen auch, dass für etwa die Hälfte der Zulas- sungen (2009–2010) nur Zulassungsstudien eingereicht wurden, die gegenüber Placebo, aber nicht auch gegen einen Komparator testeten. Für diese Fertigarzneimittel kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sie den bereits auf dem Markt befindlichen Alternativen unter- legen sind. Auch eine Studie aus den Niederlanden hat- te ergeben, dass nur bei 48 % der zwischen 1999–2005 in der EU zugelassenen neuen Arzneimittel Daten aus Studien mit aktiver Kontrolle vorlagen (14).

Erst kürzlich hat sich die EMA diesem Thema ange- nommen (15) und Empfehlungen für die Durchführung dreiarmiger Studien (Prüfsubstanz, Placebo und Kom- parator) formuliert, die nach Auffassung einiger Auto- ren weitreichender sein sollten (16, 17). Unberührt bleibt hier die Frage, wann nachgewiesen werden soll- te, dass ein neues Arzneimittel besser ist als vorhande- TABELLE 3

Sicherheitspopulation

Quelle: EPAR (www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/medicines/landing/epar_search.jsp&murl=menus/medicines/medicines.jsp&mid=WC0b01ac058001d125;

zuletzt geprüft am 20.07.2011)

*1 für n = 2 keine Angaben im EPAR;

*2 für n = 4 ist nur Kurzzeitmedikation vorgesehen Anzahl berücksichtigter Zulassungen

Mittelwert Median Bereich 5.–95. Perzentile

Anzahl Patienten, die mit Fertigarzneimittel behandelt wurden 39

2 995 1 696 85–17 157 213–10 331

Anzahl Patienten, die ≥ 1 Jahr mit Fertigarzneimittel behandelt wurden 33*1, *2

1 933 1 696 0–17 157 0–9 982

(5)

ne Alternativen. So folgte in der aktuellen Auswertung auf die Prüfung der Nicht-Unterlegenheit nicht immer auch die Prüfung der Überlegenheit.

Ohne Zweifel trägt ein neues Arzneimittel auch ohne überlegene Wirksamkeit zur Erweiterung des therapeu- tischen Spektrums bei, wenn es eine bessere Verträg- lichkeit oder ein anderes Risikoprofil als Alternativen aufweist (18), etwa weil es für spezifische Patienten- gruppen, wie zum Beispiel Personen mit Kontraindika- tionen gegen zugelassene Arzneimittel, Vorteile bietet.

Die Analyse (im Median 1 700 Patienten in der Sicher- heitspopulation) zeigt jedoch, dass zum Zulassungs- zeitpunkt unzureichende Daten vorliegen, um eine ab- schließende Aussage über eine bessere Verträglichkeit zu treffen (8, 9). Tritt eine unerwünschte Arzneimittel- wirkung (UAW) nicht nur unter der Einnahme eines Arzneimittels, sondern lediglich häufiger unter Be- handlung mit dem Arzneimittel auf (das heißt, es gibt eine „Hintergrund-Inzidenz“), bedarf es großer Patien- tenzahlen um sie zu entdecken (19). Beispielsweise kann in einer vergleichenden Studie die Verdopplung des Auftretens einer Hirnblutung von 1 % auf 2 % erst nach Beobachtung von 3 200 Patienten in beiden Be- handlungsarmen ausgeschlossen werden (20). Seltene UAWs werden häufiger erst nach Markteinführung zum Beispiel mittels Post-Marketing-Surveillance-Stu- dien oder Spontanerfassungssystemen bekannt.

Der EPAR enthält Informationen, die Originalpubli- kationen von Zulassungsstudien nicht beinhalten.

Transparent werden gegegenenfalls Unklarheiten hin- sichtlich des Ausmaßes von Effekten. Diese können beispielsweise durch Studienprotokolle begründet sein, die die Erhebung erwarteter Risiken nicht ausreichend ermöglichten oder den Einschluss vorläufiger Daten oder nicht dem Anwendungsgebiet entsprechende Stu- dienpopulationen betreffen. Auch ein von den EMA- Leitlinien abweichendes Vorgehen, etwa die Kombina- tion von Endpunkten unterschiedlicher Gewichtung wie zum Beispiel stationäre Aufnahme oder Tod, wird mitunter im EPAR diskutiert (2).

Ziel der vorliegenden Untersuchung war es die be- grenzte Datenlage zum Zeitpunkt der Zulassung aufzu- zeigen. Es ist möglich, dass die Darstellung der Studi- enlage in den EPARs nicht in allen Einzelheiten voll- ständig ist. Da der EPAR die Grundlage für die Bera- tung über die Zulassung darstellt, erscheint es unwahr- scheinlich, dass fehlende Angaben die vorliegende Aussage wesentlich infrage stellen. Die Autoren konze- dieren auch, dass Vergleiche gegenüber aktiven Kon- trollen nicht möglich sein können, wenn therapeutische Alternativen fehlen, wie zum Beispiel bei Orphan Drugs. Diese wurden hier jedoch nicht berücksichtigt.

Die Auswertung zeigt, dass nur in etwa der Hälfte der Studien ein patientenrelevanter primärer Endpunkt erhoben wurde. Die Autoren räumen ein, dass End- punkte – zum Beispiel hinsichtlich der Frage, ob sie Gesundheitsveränderungen abbilden, die groß genug sind um klinisch bedeutsam und damit patientenrele- vant zu sein (zum Beispiel ACR-20 [e7, e8]) – unter- schiedlich bewertet werden können. Auch können Sur-

rogatendpunkte grundsätzlich als Ersatz für patienten- relevante Endpunkte dienen. In der Regel ist ihre Aus- sagesicherheit ersteren aber unterlegen (zum Beispiel Erhebung von HbA1c versus Nachweis von mikrovas- kulären Folgekomplikationen [e9, e10]).

Zu kritisieren ist die Auswahl eines Surrogats wie zum Beispiel der Knochendichte, wenn an seiner Stelle die Erhebung eines patientenrelevanten Endpunktes möglich gewesen wäre wie beispielsweise die Inzidenz von Frakturen (e11). Dies gilt insbesondere, wenn das Surrogat nicht sicher validiert ist. Gleichwohl können in Einzelfällen, wie etwa bei Krebserkrankungen in frü- hen Stadien (21), gute Alternativen für die Auswahl ei- nes Surrogates wie zum Bespiel das krankheitssfreie Überleben (DFS, „disease free survival“) (22) fehlen, da die Überlebenszeit den Rückschluss auf den Effekt des Arzneimittels nicht sicher zulässt (häufige Cross- over-Therapien bei langer Überlebenszeit). Es er- scheint aber auch in diesen Fällen gerechtfertigt, auf die limitierte Aussagekraft vorhandener Daten über neue Arzneimittel, wie auch auf die Notwendigkeit der Validierung von Surrogatendpunkten hinzuweisen.

Der Einsatz neuer Arzneimittel kurz nach Zulassung erfolgt zumeist auf Grundlage von Informationen, die die Hersteller gestalten und an Ärzte übermitteln, zum Beispiel mit Hilfe von Satellitensymposien, Pharma - referenten, Patientenbroschüren und Publikationen unter Beteiligung von Meinungsbildnern. Das hohe Preis- niveau stellt einen besonderen Anreiz dar, neue Arznei- mittel intensiv zu bewerben; die begrenzte Datenlage

TABELLE 4

Geprüfte primäre Endpunkte in den Überlegenheitsstudien

*1 ZE = zusammengesetzter Endpunkt;

*2 TVR = Revaskularisation Zielgefäß („target vessel revascularisation“) Primäre Endpunkte

HbA1c

krankheitsfreies Überleben Knochendichte

ACR(American College of Rheumatology)-20-Response

ZE*1 aus kardiovaskulärer Mortalität, nicht- tödlichem Myokardinfarkt oder Schlaganfall ZE aus Tod, Reinfarkt, Schlaganfall, TVR*2 bei Ischämie, schwerer Blutung ZE aus kardiovaskulärer Mortalität, Herzinfarkt oder Schlaganfall ZE aus Wiederauftreten Vorhofflimmern oder Studienbeendigung wegen Unverträg- lichkeit/Unwirksamkeit

Gesamtüberleben

IPSS(International Prostate Symptome Score)-Gesamtwert

Schwangerschaftsrate

Anzahl Studien (Zulassungen) 5 (1) 1 (1) 1 (1) 1 (1) 1 (1) 1 (1) 1 (1) 1 (1)

1 (1) 1 (1) 1 (1)

patientenrele- vanter Endpunkt Nein

Nein Nein Nein Ja Ja Ja Ja

Ja Ja Ja

(6)

bei Markteinführung eröffnet Interpretationsspielraum in der Bewertung des Nutzens. Wichtig sind daher zeit- nahe und interessenunabhängige Informationen.

Für die Verordnung neuer, und in der Regel teurerer Arzneimittel entstehen den Krankenversicherungen Zusatzkosten. Insgesamt führte die Verordnung teurerer Fertigarzneimittel zu Lasten der GKV (sogenannte Strukturkomponente) im Jahr 2009 zu einem Umsatz- anstieg von 874 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr (23). Bis Ende des Jahres 2010 konnten pharmazeuti- sche Unternehmen den Herstellerabgabepreis in Deutschland frei festsetzen, weil gesetzliche Regelun- gen fehlten, die sicherstellten, dass höhere Preise neuer Arzneimittel auch den Beleg eines verbesserten Nut- zens im Vergleich mit Alternativen (vergleiche [24]) er- fordern. Eine Ausnahme sind die Analogpräparate. Seit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetztes im Jahr 2004 können sogenannte „Scheininnovationen“

unabhängig von ihrer Patentlaufzeit in Festbetrags- gruppen eingeordnet werden und unterliegen damit Er- stattungshöchstgrenzen (25). Damit wurde den Herstel- lern der Anreiz genommen, Analogpräparate zu Preisen in den Markt einzuführen, die über denen für pharma- kologisch-therapeutisch vergleichbare Arzneimittel lie- gen.

Es bedarf formaler Vorschriften und gesetzlicher Re- gelungen um die zum Zulassungszeitpunkt verfügbare Datenbasis zu verbessern und die Kosteneffektivität auf dem Arzneimittelmarkt zu erhöhen. Das Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzli- chen Krankenversicherung (AMNOG) ist ein erster Schritt. Mit dessen Inkrafttreten am 1. 1. 2011 soll künftig der Preis für alle neuen Arzneimittel erst - mals an ihrem nachgewiesenen Zusatznutzen orientiert werden.

Danksagung

Die Autoren danken Henry Pachl, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, für die hilfreichen Recherchen.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 22. 7. 2011, revidierte Fassung angenommen: 5. 10. 2011

LITERATUR

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KERNAUSSAGEN

Der European Public Assessment Report (EPAR) gibt Auskunft über Studien- design und statistische Analysen, mit denen die Wirksamkeit und Sicherheit neuer in der EU zugelassener Fertigarzneimittel belegt wurden.

Die Untersuchung von 39 in den Jahren 2009–2010 neu in den deutschen Markt eingeführten Fertigarzneimittel zeigt, wie begrenzt die Datenlage zum Zeitpunkt der Zulassung ist – zum Beispiel wie häufig der Beleg fehlt, dass ein neues Fertigarzneimittel vorhandenen Alternativen nicht unterlegen ist.

Der Vergleich von neuen mit bereits vorhandenen Fertigarzneimitteln muss be- rücksichtigen, dass seltene schwere unerwünschte Wirkungen aufgrund der begrenzten Zahl bisher behandelter Patienten und der kurzen Beobachtungs- dauer bei Zulassung noch nicht bekannt sein können.

Die limitierten Studiendaten lassen Interpretationsspielräume bei vergleichen- der Bewertung von neuen mit verfügbaren Arzneimitteln zu, die in der Ver- marktung genutzt werden können.

Erstmals wird mit der frühen Nutzenbewertung der Forderung Rechnung ge- tragen, dass höhere Herstellerabgabepreise den Nachweis eines höheren Nut- zens erfordern sollten.

(7)

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Anschrift für die Verfasser Dr. med. Mariam Ujeyl

Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin

mariam.ujeyl@akdae.de

SUMMARY

New Drugs: Evidence Relating to Their Therapeutic Value After Introduction to the Market

Background: Drug approval is based on three criteria: quality, efficacy, and safety. We investigated the types of study design and statistical methods employed to demonstrate safety and efficacy of proprietary medicinal products (PMPs) that were approved for use in the European Union through the centralized procedure.

Methods: We retrospectively analyzed the European Public Assessment Reports of PMPs that the European Medicinal Agency approved, either initially or for extended indications, in 2009 and 2010.

Results: Data were analyzed for 39 PMPs: 64% of these were new active substances, and 36% were approved for extended indications.

46% of the PMPs had been studied in an active-control trial. In only 28%, superiority of the new PMPs compared to active control had been tested. 46% of the approvals included testing of a clinically relevant pri- mary endpoint. The median size of population used to demonstrate safety was 1700 persons.

Conclusion: The centralized procedure does not require comparative information from active-control trials. Accordingly, as our descriptive analysis revealed, this information is often not available at the time of market introduction. Pivotal studies only rarely demonstrate an added therapeutic value of a new PMP compared to existing alternatives.

Zitierweise

Ujeyl M, Schlegel C, Walter S, Gundert-Remy U: New drugs: evidence relating to their therapeutic value after introduction to the market. Dtsch Arztebl Int 2012; 109(7): 117–23. DOI: 10.3238/arztebl.2012.0117

@

Mit „e“ gekennzeichnete Literatur:

www.aerzteblatt.de/lit0712 eKasten:

www.aerzteblatt.de/12m0117

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

Berichtigung

In dem Beitrag „Misshandlungen in Kindheit und Jugend – Ergebnisse einer Umfrage in einer repräsen - tativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung“ von Winfried Häuser et al. im Deutschen Ärzteblatt vom 29.4.2011 (Heft 17) sind im eKasten 2 (Internetsupplement) in den Zuordnungen der Items zu den Subskalen-Scores zwei Fehler aufgetreten. Die richtigen Items zur Skala „emotionaler Missbrauch“

lauten: 3, 8, 14, 18, 25. Die korrekten Items zur Skala „emotionale Vernachlässigung“ sind: 5 (R), 7 (R),

13 (R), 19 (R), 28 (R). MWR

(8)

eKASTEN

Methode

Untersuchte Fertigarzneimittel

Für die Auszählungen der in den deutschen Markt eingeführten Fertigarzneimittel und den Einschluss in die Auswertungen der vorliegenden Arbeit wurden die Fertigarzneimittel berücksichtigt, die in den Kalenderjahren 2009 und 2010 durch das EU-zentrale Verfahren als neue Wirkstoffe (Erstzulassung) oder mit erweiterter Indikation durch die European Medicines Agency (EMA) zugelassen worden sind (e4). Ferner musste ein European Public Assessment Report (EPAR) veröffentlicht und das Fertigarzneimittel bis April 2011 in den deutschen Markt eingeführt worden sein (geprüft mittels Datenbank der im Handel be- findlichen Fertigarzneimittel, WINAPO LAUER-Taxe, Stand 1. 4. 2011). Nicht berücksichtigt wurden: Generika, Biosimilars, Impfstoffe, Orphan Drugs, neue Darreichungsformen, wirkstoffgleiche Fertigarzneimittel (zum Beispiel Markteinführung unter verschiedenen Handelsnamen) und Kombinationen (in der Indikation) bekannter Wirkstoffe, da für diese Fertigarzneimittel zum Beispiel bereits Daten vorlagen und/oder andere Anforderungen an die Zulassungsunterlagen gestellt wurden (zum Beispiel Nachweis der Bioäquivalenz für die Zulassung von Generika, von Seroprotektionsraten bei Modell-Impfstoffen).

Voraussetzung für den Einschluss eines Fertigarzneimittels in die Auswertungen war zudem, dass zu diesem Fertigarznei- mittel eine Publikation aus der frei zugänglichen Reihe „Neue Arzneimittel“ der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte- schaft (11) erstellt worden war. Die Publikationsreihe „Neue Arzneimittel“ existiert seit 2009 und umfasst vorrangig Fertigarz- neimittel, die für niedergelassene Vertragsärzte relevant sind. Nicht berücksichtigt wurden zum Beispiel Indikationserweiterun- gen, die sich nur auf kleine Subgruppen wie etwa begrenzte Altersgruppen beziehen, Diagnostika oder vornehmlich stationär verordnete Arzneimittel. Wirkstoffe wurden in der Auswertung nur einmal berücksichtigt, zum Beispiel im Fall mehrfacher Indi- kationserweiterungen.

Auswertung der Studienlage

Die Auswertungen basieren auf den Angaben im EPAR. Dieser ermöglicht einen Überblick über die Studien, die zur Zulassung vorgelegt wurden, und über die wissenschaftliche Diskussion der Daten durch das Committee for Medicinal Products for Hu- man Use (CHMP). Aus dem EPAR wurden folgende Informationen – soweit vorhanden – extrahiert:

Anzahl der als zulassungsrelevant aufgeführten Studien (pivotal trials)

Vergleichstherapie (zum Beispiel Placebo, aktive Kontrolle)

das Studiendesign beziehungsweise die statistische Auswertung (Überlegenheits- versus Unterlegenheits- oder Äquiva- lenzprüfung)

die primären Endpunkte

Anzahl der behandelten Patienten (Sicherheitspopulation).

Unter dem Begriff Zulassung wird hier die Zulassung eines Arzneimittels in einer Indikation verstanden, unabhängig von Wirkstärken oder Darreichungsformen.

Eine Testung auf Nicht-Unterlegenheit liefert zwar Informationen (zum Beispiel Gleichwertigkeit gegenüber aktiver Kontrol- le), die (beispielsweise anschließende) Testung auf Überlegenheit ermöglicht jedoch eine darüber hinausgehende Aussage über dessen Stellenwert (zum Beispiel stärkere Wirksamkeit als aktive Kontrolle). Daher wurde ausgewertet wie häufig in min- destens einer Zulassungsstudie Überlegenheit gegenüber (irgendeiner) aktiven Vergleichsbehandlung und auch hinsichtlich ei- nes patientenrelevanten primären Endpunktes geprüft worden war.

Es wurde ebenfalls ausgezählt wie häufig ein „patientenrelevanter“ primärer Endpunkt in Abgrenzung zu einem nicht sicher klinisch relevanten (zum Beispiel Behandlungsansprechen, das durch eine nur geringe Teilminderung von Krankheitsaktivität gemessen wird) oder Surrogat-Endpunkt, eingesetzt wurde. Endpunkte wurden dann als „patientenrelevant“ identifiziert, wenn sie vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) als solche klassifiziert wurden. Falls notwen- dig wurde zur Klärung zunächst auf Nutzenbewertungen (Abschlussberichte, Vorberichte, Berichtspläne, Rapid Reports) des IQWiG, dann auf Leitlinien der EMA zurückgegriffen.

(9)

ORIGINALARBEIT

Neue Arzneimittel: Verfügbarkeit von

Daten zum therapeutischen Stellenwert bei Markteinführung

Mariam Ujeyl, Claudia Schlegel, Siegbert Walter, Ursula Gundert-Remy

e7. Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): [A10–01] Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel in der Zweitlinientherapie der rheumatoiden Arthritis: www.iqwig.

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