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Archiv "Arzneimittelsicherheit: Nutzen nicht ohne Risiko" (14.09.2001)

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eit Wochen sorgt Lipobay für Schlagzeilen. Am 8. August hatte Bayer den Lipidsenker vom Markt genommen, weil weltweit 52 Todesfälle mit der Einnahme des Medikaments in Verbindung gebracht werden. Der Fall wirft Fragen nach der Funktionsfähig- keit des Systems der Arzneimittelüber- wachung auf. Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA), dem auch Bayer angehört, meldete sich am 24. Au- gust in Berlin zu Wort. VFA-Hauptge- schäftsführerin Cornelia Yzer betonte, dass es „den hohen Nutzen des Arznei- mittels nicht ohne Risiko geben kann“ – ein Risiko, das oft erst nach der Zulas- sung bei der breiten Anwendung eines Präparates erkennbar wird. Hier ist ein effizientes Arzneimittel-Sicherheitssy- stem gefragt. Verbesserungsbedarf sieht Yzer auf europäischer Ebene, denn im- mer mehr Arzneimittel werden zentral bei der europäischen Arzneimittelagen- tur EMEA in London oder – wie Lipo- bay – dezentral, im Verfahren der gegen- seitigen Anerkennung zugelassen: „Wir brauchen ein einheitliches Frühwarnsy- stem, eine europäische Pharmakovigi- lanzdatenbank, in der Nebenwirkungen zusammengefasst werden.“

Von den 150 000 Nebenwirkungsmel- dungen, die im vergangenen Jahr beim Bundesinstitut für Arznei-

mittel und Medizinproduk- te (BfArM) eingegangen sind, stammt nach Angaben von Dr. Dr. Andreas Bar- ner, Mitglied der Unterneh- mensleitung von Boehrin- ger Ingelheim, der überwie- gende Teil von den Arznei- mittelherstellern. Das deut- sche Arzneimittelgesetz verpflichtet die pharmazeu- tischen Unternehmer, Ver- dachtsfälle auf schwere Ne- ben- oder Wechselwirkun- gen innerhalb von 15 Tagen

an die Aufsichtsbehörde zu melden. Das BfArM wiederum muss diese Meldun- gen zentral erfassen, auswerten und ge- gebenenfalls Maßnahmen ergreifen, die bis zum Ruhen der Zulassung führen können. Innerhalb der Europäischen Union gilt ebenfalls die 15-Tage-Frist. Ist ein Medikament zentral über die EMEA zugelassen, informiert der Unternehmer lediglich die Behörde des EU-Staates, in dem die schwere Nebenwirkung aufge- treten ist. Bislang unbekannte schwere unerwünschte Arzneimittelwirkungen, die außerhalb der EU aufgetreten sind, müssen jedoch allen Behörden der Mit- gliedstaaten und der EMEA gemeldet werden. Im Fall der dezentralen Zulas- sung muss jeder Verdacht auf eine schwere Nebenwirkung dem BfArM mitgeteilt werden. Der Behörde zufolge arbeitet man am Aufbau einer zentralen europäischen Datenbank bei der EMEA, in die alle nationalen Behörden ihre Verdachtsfälle einspeisen.

„Verbesserungswürdig“ ist nach An- sicht von Barner auch das Meldeverhal- ten der Ärzte – vor allem im Vergleich zu den skandinavischen Ländern, Groß- britannien und den USA. An die Ärzte appellierte er, Verdachtsfälle auf Ne- benwirkungen weiterzuleiten. Denn:

„Je mehr gemeldet wird, desto schneller

erkennt man die Risiken.“ Die Zahlen sprechen für sich. Die Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) erreichen im Jahr etwa 2 500 Berichte über unerwünschte Arznei- mittelwirkungen von Ärzten. Diese Verdachtsmeldungen seien nur ein Bruchteil der tatsächlich auftretenden unerwünschten Arzneimittelwirkun- gen, so die AkdÄ. Die bei ihr eingehen- den Berichte hätten im Zusammenhang mit Lipobay jedoch ausgereicht, um das erhöhte Risiko zu erkennen, sodass ei- ne Warnmitteilung für die Ärzte vorbe- reitet wurde. Dieser Mitteilung, die im Deutschen Ärzteblatt erscheinen sollte, ist Bayer mit der Rücknahme des Präparats zuvorgekommen – ebenso wie Maßnahmen der Behörden.

Zwar habe Lipobay Fragen nach Si- cherheit und Qualität aufgeworfen, sag- te der Geschäftsführer des Bundesver- bandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), Dr. Hans Sendler, am 27. August in Berlin. Für ihn zeigt sich daran je- doch, dass die Arzneimittelüberwa- chung funktioniert hat. Der Fall dient dem BPI aber vor allem dazu, gegen die Positivliste Front zu machen. Die Liste soll nur noch Präparate enthalten, die für eine „zweckmäßige, ausreichende und notwendige Behandlung“ geeignet sind und einen „mehr als geringfügigen therapeutischen Nutzen“ aufweisen.

„Lipobay zeigt die Risiken innovativer Arzneimittel“, sagte Sendler.

Prof. Dr. Barbara Sickmüller, BPI- Geschäftsführerin „Medizin und Phar- mazie“, bemängelte die Kriterien, nach denen Präparate gelistet werden. Das Maß aller Dinge seien klinische Prüfun- gen. Andere wissenschaftliche Erkennt- nisse, die praktische Erfah- rungen bei der Anwendung einbezögen, blieben un- berücksichtigt. Damit fie- len viele bewährte Präpara- te aus der Erstattungsfähig- keit heraus. Dabei seien sie nicht nur im Hinblick auf die Sicherheit, sondern auch preislich attraktiv.

Sendler gibt sich dennoch optimistisch: „Wir rechnen damit, dass die Positivliste am Bundesrat scheitert.“

Andernfalls drohten Kla-

gen. Heike Korzilius

P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 37½½½½14. September 2001 AA2313

Arzneimittelsicherheit

Nutzen nicht ohne Risiko

Der „Fall Lipobay“ hat die Diskussion über die Arzneimittel- sicherheit und die Meldung von Nebenwirkungen belebt.

Auch nach dem Umzug von der Spree an den Rhein (im September 2000) hat das BfArM viel Arbeit mit den Nachzulassungen. Einen BfArM-Sprecher tele- fonisch zu erreichen ist für Journalisten nahezu unmöglich. Vielleicht auch ein Grund für mancherlei Verwirrungen über Meldefristen und -zuständigkeiten.

Foto: SBA Köln II

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