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Archiv "Nutzen-Risiko-Beurteilung von Benzodiazepinen" (09.03.1989)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

KURZBERICHT

Nutzen-Risiko-Beurteilung von Benzodiazepinen

Bruno Müller-Oerlinghausen

I

n den letzten Monaten scheint die Diskussion über das Nutzen-Risiko-Verhält- nis von Benzodiazepinen die Medien wieder verstärkt zu bewegen. Dabei ist aber häufig über- sehen worden, daß die wiederholten Appelle an die Ärzteschaft und die Bürger, das Risiko einer Benzodia- zepin-Abhängigkeit zu beachten, ih- re Wirkung nicht verfehlt haben;

denn seit vier Jahren wird ein stän- diger Rückgang der Verordnungen von Tranquillanzien beobachtet.

Auch wenn sich die absolute Zahl von Verordnungen in der Bundesre- publik ebenso wie in vielen anderen Ländern nach wie vor auf einem ho- hen Niveau bewegt, so sind doch

1986 im Vergleich zu 1985 29 Millio- nen definierte Tagesdosen weniger verordnet worden. Im Vergleich zu anderen europäischen, insbesondere skandinavischen Ländern liegt die Zahl der Benzodiazepinverschrei- bungen in der Bundesrepublik kei- neswegs besonders hoch; so werden beispielsweise in Dänemark sehr viel mehr benzodiazepinhaltige Tran- quillanzien verschrieben als bei uns oder in Schweden (H. Friebel, per- sönliche Mitteilung).

Zum Zeitpunkt, als sich Benzo- diazepin-Verordnungen auf einem Höhepunkt befanden, wurde in einer repräsentativen Untersuchung, näm- lich der Münchner Blutdruck-Studie I (1980/81), festgestellt, daß im Mit- tel 6,6 Prozent der 30- bis 69jährigen Befragten in der letzten Woche vor der Befragung zumindest einmal ei- nen Tranquilizer eingenommen hat-

gemeinsam mit Prof. Dr. med. Eckart Rüt- her, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Neuropsychopharmakologie und Phar- makopsychiatrie, Psychiatrische Klinik der Universität Göttingen, und Prof. Dr. med.

Fritz Scheler, Vorsitzender der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft, Me- dizinische Klinik und Poliklinik der Universi- tät Göttingen

ten. Etwa die Hälfte davon gab an, dies regelmäßig zu tun. Bei der Wie- derholungsuntersuchung ein Jahr später hatten jedoch nur acht Pro- zent von dieser letzteren Gruppe ei- ne regelmäßige Einnahme angege- ben. Wie häufig bei diesen sechs von über 2000 Probanden eine nichtindu- zierte Verordnung oder Abhän- gigkeit bestand, ist nicht bekannt (Europ. J. Clin. Pharmacol. 32, 1987, 43).

Eine kürzlich an dieser Stelle publizierte „Schätzung" (DÄ 85, Heft 9, 1988), daß etwa zehn Prozent (!) unserer erwachsenen Bevölke- rung benzodiazepinabhängig sei, ist mit den tatsächlich vorhandenen Da- ten nicht in Einklang zu bringen. Auf die Tatsache, daß Benzodiazepine ein Abhängigkeitspotential besitzen, wird in den Packungsbeilagen jedes neu zugelassenen Benzodiazepins und in den Monographien jedes schon auf dem Markt befindlichen Benzodiazepins im Rahmen der Aufbereitung deutlich hingewiesen.

Die AGNP (Arbeitsgemein- schaft für Neuropsychopharmakolo- gie und Pharmakopsychiatrie), das heißt die zuständige wissenschaft- liche Fachgesellschaft der deutsch- sprachigen Länder, hat gemeinsam mit der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft in einer viel- fach zitierten und an dieser Stelle veröffentlichen Stellungnahme die derzeitige Problematik der adäqua- ten Verordnung von Tranquillantien dargestellt und auch auf unsere Wis- senslücken in diesem Bereich hinge- wiesen (DA 81, 1984, 2487). Diese

Stellungnahme ist auch heute im we- sentlichen noch gültig. Was wir dringlich brauchen, sind nicht weite- re, häufig stark moralisch gefärbte und allmählich langweilig werdende Behauptungen, Kritiken und Stel- lungnahmen, sondern empirische Daten zur tatsächlichen Häufigkeit von Benzodiazepin-Abhängigkeit be-

ziehungsweise -Mißbrauch und qua- lifizierte Studien zur Indikation von Benzodiazepinen. Der offenbar jetzt schon in größerem Umfang stattfin- dende Ersatz von Benzodiazepinen durch Neuroleptika wird von ver- schiedenen Experten wegen der Un- sicherheit über mögliche langfristi- ge Folgeschäden mit Besorgnis ge- sehen.

Die Tatsache, daß Neuroleptika kein Abhängigkeitspotential besit- zen, macht sie noch nicht unbedingt zu einer besseren Substanz als Ben- zodiazepine. Jedoch besteht gute Aussicht, daß neue, anxiolytische Substanzen ohne Suchtpotential in Zukunft entwickelt werden.

Die AGNP hat sich im Rahmen des langfristigen, seit 1979 vom Bun- desgesundheitsamt unterstützten AMÜP*-Projektes mit der Erfas- sung von Nebenwirkungen von Psy- chopharmaka intensiv beschäftigt.

Bei über 15 000 insgesamt überwach- ten Patienten wurde dabei auch dif- ferenziert das Vorkommen von Ben- zodiazepin-Mißbrauch beziehungs- weise -Abhängigkeit bei stationären Patienten zweier psychiatrischer Universitätskliniken untersucht.

Benzodiazepin-Mißbrauch oder -Ab- hängigkeit wurde bei insgesamt 4,7 Prozent dieser Patienten beobachtet, eine primäre Benzodiazepinabhän- gigkeit jedoch nur bei 0,9 Prozent (L. Schmidt, R. Grohmann, DA, 85, Heft 38, 1988).

Im Zusammenhang mit Benzo- diazepinen wird häufig das Problem der sogenannten „Niedrigdosis-Ab- hängigkeit" erwähnt, die auch etwa bei der Hälfte der innerhalb des AMÜP-Projektes festgestellten Fälle von primärer Abhängigkeit vorge- funden wurde. Es muß der wissen- schaftlichen Ehrlichkeit halber be- tont werden, daß wir über das medi- zinische Risiko dieser Form der Ab- hängigkeit bislang praktisch nichts aussagen können. Im Experiment läßt sich eine Beeinträchtigung von Fahrleistungen nach Einnahme hö- herer Dosen von Benzodiazepinen klar nachweisen. In einer Arbeit des ehemaligen Geschäftsführers der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, Dr. Ochsenfahrt

* Arzneimittelüberwachung in der Psychiatrie

A-636 (52) Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989

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(Dölle et al, Grundlagen der Arznei- mitteltherapie, B. I. Verlag, Mann- heim 1986), wird jedoch dargelegt, daß sich eine statistisch signifikante Häufung von schuldhaft verursach- ten Verkehrsunfällen zwar bei Fah- rern mit positivem Nachweis von Al- kohol oder der Kombination von Al- kohol und Arzneimitteln, nicht aber bei lediglich positivem Arzneimittel- nachweis im Urin belegen ließ.

Obgleich in den meisten Arbei- ten und Lehrbüchern, die sich mit den exogenen Allergenen befassen, auch gewöhnlich von den sogenann- ten Hausstaubmilben oder von einer Hausstaubmilbenallergie die Rede ist, scheint es trotzdem nur wenigen Fachleuten exakt bewußt zu sein, worum es sich bei diesen im doppel- ten Sinne des Wortes häuslichen Le- bewesen handelt und wo genau im Hause und wie sie leben. Wenn man davon ausgeht, daß Allergenkarenz und Expositionsprophylaxe oberste Gebote einer kausalen Therapie all- ergischer Erkrankungen sind, dann sind sehr genaue Kenntnisse auch über Biologie und Ökologie der Le- bewesen im Hausstaub ganz unent- behrlich.

Unter den zahlreichen Arten der Hausstaubmilben (Pyroglyphidae) spielen insbesondere die Spezies Dermatophagoides pteronyssinus so- wie Dermatophagoides farina in un- seren Breiten die Hauptrolle. Sie ge- hören gewissermaßen zum „norma- len" Ökosystem des Haushaltes und sind optimal an dessen Bedingungen und Mikroklima angepaßt. Langfri- stig konstant ist dieses Mikroklima vor allem in Matratzen, Polstermö- beln, Teppichböden, Kissen und so- genannten Kuscheltierchen vorhan- den. Begünstigend wirkt sich die Si- cherstellung der „Futterversorgung"

der Milben im Lebensbereich der Menschen aus, für die nicht zuletzt der Mensch zum Großteil dadurch sorgt, daß er ständig soviel feine Hautschüppchen abstößt (täglich et- wa 1,5 g), daß diese ausreichen, um etwa eine Million Dermatophagae

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med.

Bruno Müller-Oerlinghausen Vorsitzender der

Aufbereitungskommission B 3 am BGA Berlin

Psychiatrische Klinik und Poliklinik der

Freien Universität Berlin Eschenallee 3 1000 Berlin 19

(daher der Name) zu sättigen. Nach der Verdauung der Hautschüppchen formen die Milben einen Teil dieses Futters in ein „Hausstauballergen"

um, das dann in ihren Exkrementen enthalten ist.

Zum Problem-„Haustier" wer- den die Hausstaubmilben allerdings nur für prädisponierte allergisierte Personen, und das sind zweifellos nicht wenige (Schätzungen sprechen von einer halben bis einer Million Personen in der Bundesrepublik).

Obwohl die winzigen und mit blo- ßem Auge kaum sichtbaren Spinnen- tierchen (Größe 0,1-0,5 mm) haupt- sächlich saisonal (mit einem Maxi- mum in den Spätsommer- und Herbstmonaten) auftreten, persistie- ren dennoch ihre allergenhaltigen Exkremente ganzjährig im Haus- staub und lassen sich auch durch in- tensiven Staubsaugergebrauch nie- mals vollständig beseitigen. Somit ist im Gegensatz zur Pollenallergie für den Menschen, der ganzjährig im Hause lebt, eine ubiquitäre und pe- renniale Allergenexposition vorhan- den.

Alle bisherigen Kausaltherapeu- tisch ausgerichteten Versuche, zum Beispiel durch spezifische Hyposen- sibilisierungskuren, zeigten zumeist nur mäßige oder gar keine Erfolge, so daß nur symptomatische Maßnah- men bei Allergisierten eine gewisse Erleichterung verschaffen konnten.

Das „Milbenasthma" aber persistier- te auch weiterhin. Eine wirksame Änderung dieser Situation ist aber nur von einer durchschlagenden und permanenten Expositionsprophylaxe zu erwarten. Deshalb fordern nam-

hafte Allergologen schon seit länge- rer Zeit den Einsatz von effizienten und zugleich für den Menschen un- toxischen akariziden Substanzen.

Aber alle bisherigen Versuche einer innerhäuslichen Milbensanierung waren entweder ineffektiv oder zu kostspielig und hatten zudem stets nur eine sehr kurze Wirkungsdauer.

Nunmehr zeichnet sich aber doch eine diesbezüglich erfolgrei- chere Lösungsmöglichkeit ab: Neue Verbindungen und Präparate (zum Beispiel Acarosan®), die als akarizi- der Wirkstoff Karbonsäureester und spezielle agglomerisierende und ad- sorbierende Substanzen enthalten, üben neben der Akarizidie zugleich noch den Effekt aus, den allergen- haltigen Feinstaub von den Textilfa- sern zu lösen und durch Agglomera- tion zu binden. Hierdurch vermin- dert sich das Inhalationsrisiko ganz beträchtlich. Die neuen Präparate gelten toxikologisch als für den Men-

FÜR SIE REFERIERT

schen unbedenklich Sie reizen auch weder die Haut noch die Schleim- häute.

Die mit ihnen durchführbaren Sanierungsmaßnahmen in den Haus- halten gegen den Hausstaubmilben- befall sollten nach Ansicht der Fach- leute am besten ein- bis zweimal pro Jahr durchgeführt werden, und zwar am besten im Frühjahr und Herbst.

Bestimmte Tests (zum Beispiel Aca- rex-Test, Werner und Mertz, Mainz) erlauben eine quantitative Beurtei- lung der jeweiligen Milbenbesied- lung in den Häusern sowie eine zu- verlässige Indikationsstellung für eventuell erforderliche Sanierungs- maßnahmen. Lie

Leiber, B.: Die heimlichen Krankmacher:

Hausstaubmilben. pais 6 (1987) 269-271.

Professor Dr. med. Bernfried Leiber, Uni- versitäts-Klinikum, Theodor-Stern-Kai 7, 6000 Frankfurt 70.

Ein Mittel gegen Hausstaubmilben

Dt. Ärztebl. 86, Heft 10, 9. März 1989 (53) A-637

Referenzen

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