Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Heft 5 vom 5. Februar 1982
Risiko-Nutzen-Analyse
der hormonalen Kontrazeption
Benno Runnebaum und Thomas Rabe
Aus der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie
(Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. Benno Runnebaum)
Die Pille ist die ideale Kontra- zeptionsmethode für junge Frauen — mit häufigem Koitus
— und eine akzeptable Metho- de für Frauen bis zum 30. Le- bensjahr. Ab dem 30. Lebens- jahr sind mögliche Risikofak- toren — Rauchen, Thrombo- embolien, starke Varikosis, Diabetes mellitus, Hypertonie, Adipositas, Hyperlipidämie, Gefäßleiden, Leber- und Pan- kreaserkrankungen — sorgfäl- tig auszuschließen und bereits andere Methoden der Kontra- zeption — zum Beispiel Intra- uterinpessar, Sterilisation —zu erwägen. Ab dem 40. Lebens- jahr sollte die Pille als kontra- zeptive Methode nur bei ent- sprechender Indikation (zum Beispiel Zyklusstörung) ange- wendet werden. Die Analyse der Vor- und Nachteile hor- monaler Kontrazeptiva zeigt deutlich, in welchem Maße und unter welchen Umständen Ri- siken mit der Einnahme der Pille verbunden sind. Der über hormonale Kontrazeptiva in- formierte Arzt kann nach den heutigen Erkenntnissen auf diesem Gebiet eine weitge- hend individuell angepaßte Pil- le verordnen oder bei entspre- chendem Risiko eine andere Verhütungsmethode wählen.
Seit Einführung der hormonalen Kontrazeption durch Pincus und Rock (1956) in Amerika liegen zahl- reiche retrospektive, einige größere prospektive Untersuchungen (1 bis 7)*) sowie eine Fülle von Erfahrungs- berichten über die hormonale Kon- trazeption vor (8). Seither sind viele kurzfristige Begleiterscheinungen, günstige sowie auch ernsthafte Ne- benwirkungen unter der Einnahme der Pille bekannt geworden. Bereits 1961 ist durch Kasuistiken darauf hingewiesen worden, daß thrombo- embolische Prozesse möglicherwei- se mit der Einnahme der Pille in Zu- sammenhang stehen (9).
Heute gilt als gesichert, daß es unter der Einnahme hormonaler Kontra- zeptiva vermehrt zu Thromboembo- lien kommt, nachdem über Jahre selbst größere kontrollierte prospek- tive Studien in dieser Aussage nicht einheitlich waren. Das dürfte daran liegen, daß auch kontrollierte pro- spektive klinische Studien selten so durchzuführen sind, daß sie biostati- stischen Ansprüchen genügen. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das entsprechende Krankheitsbild nur selten auftritt. Zu den selten auf- tretenden, ernsten Komplikationen unter den hormonalen Kontrazepti- va zählen zerebrale Thrombosen, Hirnblutungen, Herzinfarkte, tiefe Beinvenenthrombosen sowie auch Lebertumoren mit Ruptur, die ent- scheidend abhängig sind vom Alter,
von der individuellen Disposition, Lebensgewohnheiten, Lebensbedin- gungen und vom Gesundheitszu- stand der Patientin. Ferner spielen die Dosis der Östrogene und Proge- stagene sowie möglicherweise auch die Dauer der Einnahme eine Rolle.
Retrospektive Studien mit fragwür- digen Vergleichskollektiven führten häufig dazu, daß für einzelne Metho- den ein zu hohes relatives Risiko angenommen wurde. Obwohl viele dieser Aussagen bei sorgfältiger Analyse nicht haltbar waren, wurden sie dennoch mit großem Interesse extensiv publiziert und wurden War- nungen ausgesprochen, die häufig bei den Frauen Unsicherheit hervor- riefen, zum Absetzen der Pille führ- ten und damit häufig ungewoll- te Schwangerschaften nach sich zogen.
Im Mittelpunkt der Kontrazeptions- forschung der letzten Jahre steht das Problem, den Östrogenanteil der Pille so stark zu senken, daß möglichst keine gesundheitsschädi- genden Nebenwirkungen auftreten, gleichzeitig aber die kontrazeptive Sicherheit und eine akzeptable Zy- klusregulation gewährleistet sind.
Durch Reduktion des Östrogen- so- wie des Progestagenanteils wurden eine Reihe von sogenannten Mikro-
*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.
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pillen (niedrig dosierte Kombina- tionspille) auf den Markt gebracht, welche das Risiko der ernsthaften Komplikationen senken sollen. Im Hinblick auf die Dosisreduktion von Östrogenen und Gestagenen bleibt jedoch anzumerken, daß in mancher Hinsicht über die synergistische Wir- kung dieser Hormone im menschli- chen Organismus noch wenig be- kannt ist. Insbesondere sind die ein- zelnen Stoffwechselwirkungen der synthetischen Progestagene am Menschen noch wenig untersucht und Daten aus Tiermodellen nur zum groben Vergleich geeignet (10).
In dieser Arbeit werden die Risiken, welche die Pille insbesondere in Hinsicht auf das Alter für die Ge- sundheit der Patientin mit sich bringt, gegen deren Vorteile abge- wogen.
Wirkungen
der synthetischen Östrogene Als Östrogene stehen für die orale hormonale Kontrazeption das Ethi- nylestradiol (EE) und sein 3-Methyl- äther, das Mestranol (MES), zur Ver- fügung. Der Vergleich der Östrogen- potenz dieser beiden Substanzen hat in den vergangenen Jahren im- mer wieder Schwierigkeiten berei- tet. Zeitweise wurde angenommen, daß MES etwa zwei Drittel der Östro- genwirkung von EE hat (11, 12). Ge- gen diese Annahme bestehen Zwei- fel, wie die nachfolgende Darstel- lung zeigt. Das MES ist inaktiv und muß im Körper erst zu EE hydroly- siert werden (13). Beim Menschen werden etwa 50 Prozent des oral ap- plizierten MES zu EE hydrolysiert (14). Der maximale Blutspiegel von EE ist nach EE-Gabe nach 1 Stunde und nach MES-Gabe nach 4 Stun- den erreicht. Die Blutkonzentratio- nen von freiem EE liegen für beide Substanzen bei gleicher Dosierung von MES und EE in der gleichen Größenordnung (15). Außer der De- methylierung von MES spielen auch noch die Konjugation und weitere Inaktivierungsvorgänge der Östro- gene eine Rolle. Aufgrund der phar- makologischen Untersuchungen von Bolt und Bolt (1978) (16) sowie
aufgrund zahlreicher Publikationen von Goldzieher und Mitarbeiter (17 bis 19) kann angenommen werden, daß unter Berücksichtigung von zahlreichen Stoffwechselparame- tern Ethinylestradiol und Mestranol etwa dosisäquivalent sind (50 µg EE
50 i.tg MES). Ob sich durch die Kombination der Östrogene mit den verschiedenen Progestagenen un- terschiedliche synergistische Effek- te ergeben, ist nicht bekannt.
Zu einer Ovulationshemmung ohne gleichzeitige Gabe von Progestage- nen sind etwa 100 mg EE pro Tag notwendig (13, 18). Für eine Prolife- ration des Endometriums mit anschließender menstruationsähnli- cher Entzugsblutung reichen im all- gemeinen etwa tägliche Dosen von 50 !i,g EE in Kombination mit Proge- stagenen aus (20). Das Ausmaß der Entzugsblutung sowie das Auftreten von Zwischenblutungen hängt außer von den Östrogenen auch von der Art und Dosierung der Progestagene ab. Durch Reduzierung der Östro- gendosis pro Tag von 50 11,9 auf 30 bis 37 µg EE beträgt die Anzahl der Durchbruchsblutungen während der ersten Einnahmezyklen je nach Po- tenz und Menge des jeweiligen Ge- stagens etwa 15 bis 30 Prozent (20-22); nach zwei- bis dreimonati- ger Einnahme nimmt die Häufigkeit der Durchbruchsblutungen ab, die Wahrscheinlichkeit einer Amenor- rhoe unter dieser Pille jedoch zu.
Bei richtiger Einnahme ist die Si- cherheit der niedrig dosierten Kom- binationspräparate genauso hoch wie bei den höher dosierten.
Das Auftreten einer Amenorrhoe nach monatlichem Absetzen der Pil- le (sogenannte Pillenamenorrhoe) bringt für die Patientin immer die Ungewißheit mit sich, ob sie auf- grund eines bewußten oder unbe- wußten Einnahmefehlers schwanger geworden ist. Bei Eintreten einer Amenorrhoe läßt sich in Zweifelsfäl- len eine Schwangerschaft mit Hilfe von immunologischen Schwanger- schaftstests (frühestens 7 bis 14 Ta- ge nach Ausbleiben der erwarteten Entzugsblutung) beziehungsweise durch eine Bestimmung von ß-HCG
im Blut (etwa 7 bis 10 Tage nach der Konzeption) bestimmen. Die Patien- tin sollte trotz Eintretens einer Amenorrhoe das Präparat weiter einnehmen. Spätestens nach dem zweiten Pillenzyklus mit erneuter Pillenamenorrhoe sollte die Patien- tin ihren behandelnden Arzt aufsu- chen. Falls die Patientin durch die Amenorrhoe verunsichert ist und diese nicht toleriert, kann man ihr nach Ausschluß einer Schwanger- schaft eine östrogenbetontere Pille verschreiben.
Einige wichtige Wirkungen der Östrogene, vorwiegend auf den Stoffwechsel, sind in Tabelle 1 zu- sammengestellt.
Neben der zentralen Hemmung von Hypothalamus und Hypophyse und den Wirkungen auf die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale kommt es durch die Östrogene zu zahlreichen Veränderungen des Stoffwechsels. Hierzu zählen auch Veränderungen im Blutgerinnungs- system, die jedoch bei einer gesun- den, jüngeren Frau keinen Krank- heitswert besitzen (Tabelle 2).
Die Ermittlung einer individuell an- gepaßten Wirkdosis eines Östrogens ist schwierig und zur Zeit nur empi- risch zu ermitteln, da die erforderli- che östrogene Wirkdosis von vielen Stoffwechselgrößen wie der Vertei- lung im Körper, dem enterohepati- schen Kreislauf, von Transport und Bindung an bestimmte Serumpro- teine und Organe abhängig ist.
Wirkungen der Progestagene
Die Progestagene lassen sich in zwei Gruppen einteilen:
(j) Abkömmlinge des 17-u-Hydroxy- progesteronacetat: Chlormadinon- acetat, Cyproteronacetat und Me- droxyprogesteronacetat.
• Ethiny1-19-Nortestosteron-Deri- vate: Norgestrel, Äthinodioldiacetat, Lynestrenol, Norethistosteronace- tat, Noresthistosteron und Norethi- nodrel.
Ostrogene Gestagene
Sekretorische Trans- formation
Proliferation Endome-
trium
Gesteigerte Durch- blutung und Zellper- meabilität
Natrium- und Wasser- retention
Wachstum verstärkt, Stimulation der Pro- teinsynthese Senkung der Körper- temperatur
Gesteigerter Energie- stoffwechsel
Vorübergehend ver- mehrte Natrium- und Wasserausscheidung Differenzierung be- stimmter Gewebe Erhöhung der Kör- pertemperatur Stoffwechsel
Dosisabhängig:
> Positiver Feed- back auf die LH/FSH- Sekretion
> Hemmung der FSH/LH-Sekretion
Dosisabhängig:
> Positiver Feed- back auf die LH-Se- kretion
> Hemmung der LH/
FSH-Sekretion Hypotha-
lamus Hypophyse
Vermehrung der Oberflächenzellen, Glykogeneinlage- rung, Karyopyknose- index nimmt zu
Massenabschilferung von Oberflächen- und Intermediärzellen Karyopyknoseindex herabgesetzt Vagina
Weitstellung von Mut- termund und Zervi- kalkanal
Schleim: vermehrt, klar, spinnbar, Farn- krautphänomen
Engerstellung von Muttermund und Zer- vikalkanal
Schleim: spärlich, zähflüssig Zervix
Kontraktilität erhöht, Ansprechbarkeit auf Oxytocin erhöht
Ruhigstellung („Pro- gesteronblock") An- sprechbarkeit auf Oxytocin herabge- setzt
Myometrium
Motilität und Sekre- tion erhöht
Sekretion herabge- setzt
Tuben
Sensibilisierung auf Gonadotropine
Verminderte An- sprechbarkeit auf Go- nadotropine
Ovarien
Wachstum gefördert Stimulation des tubu- lo-alveolären Wachs- tums, synergistisch mit Ostrogenen und Prolaktin
Mammae
Tabelle 1: Allgemeine Wirkungen der Östrogene und Gestagene
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Hormonale Kontrazeption
Die Progestagene entfalten je nach Struktur und Abbauprodukten un- terschiedliche Stoffwechselwirkun- gen (10). Die hierbei beobachteten antigonadotropen, östrogenen, anti- östrogenen, androgenen und zum Teil auch antiandrogenen sowie auch quantitativ sehr unterschiedli- chen gestagenen Wirkungen sind in Tabelle 2 zusammengestellt. Hierbei ist zu beachten, daß die verschiede- nen Partialwirkungen der Progesta- gene auf den Stoffwechsel dosisab- hängig sind und somit bei den ver- schiedenen Pillen je nach Gestagen- dosis und Östrogenanteilen nur teil- weise zum Tragen kommen. Neben der Beurteilung der gestagenen Po- tenz sind auch Wirkungen auf den Stoffwechsel von großer Bedeutung.
Es läßt sich feststellen, daß die Pro- gestagene nur in höheren Dosierun- gen einen Effekt auf den Glukose- und Lipidstoffwechsel ausüben.
Manche der 19-Nortestosteron-Ab- kömmlinge können den Cholesterin- und Triglyzeridspiegel geringfügig senken und das HDL-Cholesterol leicht erhöhen (23 bis 25). Ferner ist der antiproliferative Effekt als Schutzwirkung der hormonabhängi- gen Gewebe nicht zu unterschätzen.
Die Tatsache, daß man der Pille heu- te eine antineoplastische Schutzwir- kung am Endometrium zuschreibt, geht auf das Konto der Progestage- ne (26). In niedriger Dosierung (Mini- pille) beeinflussen die Progestagene den Blutdruck nicht wesentlich (27).
Allerdings sollen in der Kombination mit östrogenen manche Progesta- gene die Ausbildung einer Hyperto- nie fördern (28). Aufgrund der grö- ßeren Zahl der Progestagene ist es außerordentlich schwierig, unter Be- rücksichtigung der verschiedenen Wirkungen und Nebenwirkungen die zur Kontrazeption individuell notwendige Dosis zu ermitteln.
Im folgenden wird versucht, Krite- rien für die Dosis und die Zusam- mensetzung der Pille zu finden.
Durch die Kombination von Proge- stagenen mit 50 1,tg EE pro Tag, wie dies in vielen Kombinations- und Se- quentialpräparaten der Fall ist, wird eine gute Zyklusstabilisierung er- reicht. Es kommt selten zu Durch-
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Östrogen- Progestagen- Progestagene Östrogene
Gemische
Ethinyl- 19 - Nortestosteron
17 -a-Hydroxypro- gesteronacetat
Deso- Levo-
Äthino- Nor- Lyne-
Norethi- No ret hi- Norethy-
Chlor-
Cypro- nodrel steron steron- strenol oldi- di gestrel norge- gestrel : Qualitativ
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- - und lnsu indert verm kant 0 0 ++ + + (+) + (+) 0 0 0 Östrogen-
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mög- lieh) MES flg 50 ~ EE flg 50
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++ 0 (+) 0
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mei- . stens erhöht 0 0 ? • (+) (+) ? ? + + 0 Natriurese
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EE erhöhung
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n- i des Ren der ion lat : Stimu System [> substrates undWirkungen auf die
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;§;20 t>
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Wirkungen der Mikr
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und X , VIII VII Faktoren [> erhöottionsver- Blutge
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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Hormonale Kontrazeption
bruchsblutungen, und die Amenor- rhoe-Rate ist je nach Gestagenpo- tenz gering (1 bis 2 Prozent) (29). Die Auswahl der Progestagene wird sich insbesondere nach den Symptomen der betreffenden Frau richten.
Falls Androgenisierungserscheinun- gen im Spiel sind, zum Beispiel Ak- ne, Hirsutismus, Seborrhoe, gene- tisch bedingte Alopezie, so kommen Abkömmlinge des 17-a-Hydroxypro- gesterons (zum Beispiel Chlor- mad i no nacetat, Cyp rote ro nacetat) als Gestagene in Frage. Bei jünge- ren Frauen wird man eher in der jeweiligen Gestagengruppe Präpa- rate mit einer niedrigen bis mittleren Gestagen-Dosis wählen. Bei der rei- fen Frau kommen bevorzugt die so- genannten Mikropillen (Östrogendo- sis 30 bis 37 lig EE) zur Anwendung, die zum Teil als gestagenbetont zu gelten haben.
Die Minipille als „ideale Form" der hormonalen Kontrazeption in Hin- sicht auf den Stoffwechsel hat sich wenig durchsetzen können. Diese Methode ist belastet durch eine schlechte Zykluskontrolle. Durch- bruchsblutungen treten in etwa ei- nem Drittel der Fälle auf. Weiterhin besteht bei der Minipille eine höhere Versagerquote, die abhängig ist von der exakten Einnahme (Intervall 24 bis 27 Stunden) (41). Die Minipille bietet sich jedoch neben der Drei- monatsspritze als mögliche Kontra- zeption im Wochenbett an. Durch Gabe der Minipille werden keine
Geburt 20
Pille/Jahr 2,5 - 4,5 Intrauterinpessar/
Jahr 0,1 - 1,0
Laparoskopische
Sterilisation 2,5 - 10 Chirurgische
Sterilisation 10 - 43 Hysterektomie 50 - 200 Tabelle 3: Letalität als Folge verschiede- ner kontrazeptiver Maßnahmen im Ver- gleich zur Geburt bezogen auf 100 000 Frauen pro Jahr (nach: Eser und Hirsch, 1979 (34))
nennenswerten Steroidkonzentra- tionen in der Muttermilch (zum Bei- spiel d-Norgestrel: 0,1 Prozent (31) beziehungsweise Lynestrenol: 0,02 Prozent (32)) erreicht.
Die Dreimonatsspritze sollte nicht bei jüngeren Frauen eingesetzt wer- den, da sie nach längerer Anwen- dung in einem Drittel bis zur Hälfte der Fälle eine Amenorrhoe verur- sacht, die gelegentlich über Jahre bestehen bleiben kann (33). Diese Methode der Kontrazeption kommt bei Frauen in Frage, die bereits die Familienplanung abgeschlossen ha- ben. Allerdings ist diese Methode im ersten Jahr der Anwendung mit Durchbruchsblutungen und später mit einer hohen Rate an Amenor- rhoen belastet.
Morbidität und Mortalität
Bei der Risikobeurteilung einer kon- trazeptiven Methode ist zwischen Morbidität und Mortalität zu unter- scheiden. Während die Mortalitäts- rate recht zuverlässig zu ermitteln ist (Tabelle 3) (34), macht die Erfassung der Morbidität größte Schwierigkei- ten, da auch in groß angelegten Un- tersuchungen ein adäquates Ver- gleichskollektiv häufig fehlt.
Wenn man sich also die Sterblich- keitsrate bei hormonaler Kontrazep- tion vergleichsweise zur Intrauterin- spirale ansieht, so ist bis zum 30.
Lebensjahr durch die Pille kein we- sentlich erhöhtes Risiko zu finden (Tabelle 4) (35). Erst zwischen 30 und 40 Jahren beginnt die Mortali- tätsrate aufgrund von kardiovasku- lären Komplikationen anzusteigen.
Nach der neuesten Auswertung der englischen Studie des Royal College of General Practitioners (50) ist das Mortalitätsrisiko durch die Pille un- abhängig von der Einnahmedauer und wird hauptsächlich vom Alter der Patientin und dem Bestehen von bestimmten Risikofaktoren be- stimmt.
Ein Hauptrisikofaktor ist das Rau- chen, wie die Tabelle 5 zeigt. Die in Tabelle 5 angegebenen ernsthaften Komplikationen dürften sich durch den Einsatz der Mikropille in etwa 30 Prozent vermeiden lassen. Zu er- wähnen sind auch andere, ebenfalls
Alter Kontrollgruppe*) Orale hormonale Kontrazeption (Pille)')*)
Spirale**) Legalere)**) Abbruch
Geburt3)**)
Raucher++)
10,5 0,8 14,2 1,0
63,4 1,4
Nichtraucher
15-24 0,0
25-34 2,7
35-44 6,4
Raucher++) Nichtraucher
0,0 0,0
4,2 4,4
15,2 21,5
1,2 10,0
1,8 17,5
2,7 56,0
206,7
> 45 11,4 27,9 52,4
1) pro 100 000 Frauen, die die Pille 1 Jahr einnehmen 2) pro 100 000 Schwangerschaftsabbrüche im 1. Trimester 3) pro 100 000 Lebendgeburten
++) mehr als 15-20 Zigaretten pro Tag
*) Royal Coliege of General Practitioners oral contraceptive study (1981)(5 )
**) Tietze & Lewit, 1979 (35)
Tabelle 4: Todesfälle (Sterblichkeitsrate) im Zusammenhang mit der Pille, der Intrauterinspirale, dem gesetzlichen Schwanger- schaftsabbruch und der Geburt im Vergleich zu einer Kontrollgruppe
38 Heft 5 vom 5. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B
Standardisierte Mortalitätsrate *) (Anzahl Todesfälle)
Ursache Risikofaktoren
Alle Erkrankungen des Kreislaufsystems
4,2 (2,3- 7,7) 29,9 (55)
7,2 (10) Frühere Thrombo-
embolien
Gefäßkrankheiten (entzündlich- degenerativ) Zerebrale Gefäß- prozesse Blutgruppe A 22,7 (13,2-32,2)
3-4 Alter über 30 Jahre
familiäre Belastung Dauer der Pillen- einnahme Steroiddosis 0,1-1,0
Lebertumoren mit Nei- gung zur Ruptur
Kontroll- gruppe
Pillen- nehmerinnen
Relatives Risiko (95%
Vertrauens- bereich)
Zusätzliches Risiko (95%
Vertrauens- grenzen)
Alle nichtrheumati- schen Herzerkrankun- gen und Hochdruck
2,1 ( 3) 11,8 (21) 5,6 (2,0-16,6) 9,7 ( 3,8-15,6)
Maligne Hypertonie 0,0 ( 0) 1,7 ( 3) 1,7 (-1,5-- 4,9)
Herzinfarkt 2,0 ( 3) 8,0 (14) 3,9 (1,2-12,9) 6,0 ( 0,7-11,3) Zigarettenrauchen Bluthochdruck Hypercholesterin- ämie
Zerebrovaskuläre Erkrankungen
5,0 ( 7) 14,7 (27) 2,9 (1,3- 6,4) 9,7 ( 2,6-16,8)
Subarachnoidal- blutungen
2,3 ( 3) 9,0 (17) 4,0 (1,3-12,9) 6,7 ( 1,0-12,4) Zigarettenrauchen
Zerebrale Thrombose Blutungen und Embolien
2,7 ( 4) 5,7 (10) 2,1 (0,6- 7,9) 3;0 (-2,3- 8,3)
Alle vaskulären Erkran- kungen
0,0 ( 0) 3,4 ( 7) 3,4 (-0,5- 7,3) Alter Hochdruck Pulmonale Embolie
und Thrombophlebitis
0,0 ( 0) 2,5 ( 5) 2,5 (-1,0- 6,0) Zigarettentrauchen
*) pro 100 000 Frauen pro Jahr
Tabelle 5: Letalität pro 100 000 Frauenjahre durch unterschiedliche Erkrankungen des Kreislaufsystems (Royal College of General Practitioners, oral contraceptive study, 1981) (50) und durch Lebertumoren (Sammelstatistik Sturtevant, 1979) (37)
Art der Erkrankung Häufigkeit Risikofaktoren absolut*) relativ**)
Bluthochdruck 240 2,5-10x Adipositas Oberflächliche Bein-
venenthrombose Tiefe Beinvenen- thrombose
Gallenblasen- erkrankungen (Cholestase, Konkremente)
300
110
140
1,5x
6x
1,5x
Konstitutionelle Faktoren (familiär) Alter Hochdruck Zigarettenrauchen
Hypercholesteri näm ie
Harnwegsinfekte 1100 1,4x Migräne und
andere
Kopfschmerzen Soorkolpitis Depressionen
3100
3000 3300
2-3 x
2x 2-6x
Konstitutionelle Faktoren
Konstitutionelle Faktoren
*) bezogen auf 100 000 Frauen, die orale hormonale Kontrazeptiva nehmen, pro Jahr
**) bezogen auf das Normalkollektiv ohne Pille
Tabelle 6: Erkrankungen im Zusammenhang mit der Einnahme oraler hormonaler Kontrazeptiva (nach: Royal College of General Practitioners (1974) (1) und (1981) (50)
—Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Hormonale Kontrazeption
seltene Erkrankungen, die mit der Einnahme der Pille einhergehen. Bei einigen Erkrankungen ist anamne- stisch auf konstitutionelle Faktoren zu achten, wie dies die Tabelle 6 zeigt.
Aus größeren prospektiven Untersu- chungen gibt es Hinweise, daß die Morbiditäts- und Mortalitätsrate für thromboembolische Erkrankungen bei Frauen, die länger als fünf Jahre die Pille eingenommen haben, auch nach dem Absetzen der Pille erhöht bleibt (36).
Das gehäufte Auftreten von Leber- tumoren stützt sich zur Zeit nur auf die Analyse von Fallberichten (37), während große prospektive Studien keine erhöhte Rate von Lebertumo- ren bei Pilleneinnahme festgestellt haben (38, 39). Weiterhin wurden zahlreiche gutartige Lebertumoren auch bei Frauen beobachtet, die nie hormonale Kontrazeptiva eingenom- men haben (37). Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang die Tatsa- che, daß die Leber auch auf andere Medikamente wie Barbiturate und Hydantoine in ähnlicher Weise mit der Bildung von benignen Tumoren reagieren kann (40).
Zu der möglichen teratogenen Wir- kung von Östrogenen und Progesta- genen in der Frühgravidität soll kurz Stellung genommen werden.
Im Schrifttum gibt es Hinweise, daß es bei Einnahme von Östrogen-Ge- stagen-Gemischen oder auch von Progestagenen gehäuft zu einer Rei- he von unterschiedlichen Mißbildun- gen kommen soll (41).
Bei sorgfältiger Analyse der meisten Arbeiten zeigt sich, daß die beob- achtete Häufung von Mißbildungen unter Einnahme von Steroidhormo- nen statistisch nicht belegbar ist.
Am ehesten geben die umfangrei- chen Arbeiten von Heinonen et al.
(42) Hinweise, daß die Einnahme von Östrogen-Gestagen-Gemischen so- wie von Progestagenen allein im er- sten Schwangerschaftsdrittel kar- diovaskuläre Mißbildungen verursa- chen kann. Auch diese Untersu-
chungen sind nicht unbestritten, so daß es gegenwärtig keine Beweise dafür gibt, daß Steroidhormone in den Konzentrationen wie sie zur hor- monalen Kontrazeption verwendet werden, in der Frühgravidität tat- sächlich teratogen wirken.
Bei kurz bestehenden Amenorrhoen sollte trotzdem vor Einsatz von Steroidhormonen ein immunologi- scher Schwangerschaftstest zum Ausschluß einer Gravidität durchge- führt werden.
Nach unserer Ansicht besteht je- doch bei Frauen, die in der Früh- schwangerschaft die Pille weiterge- nommen haben, keine ausreichend begründete Indikation zum Schwan- gerschaftsabbruch.
Hormonale Kontrazeption für junge Mädchen und jüngere Frauen Bekannt ist, daß Mädchen mit 16 Jahren zu 20 bis 50 Prozent bereits Geschlechtsverkehr gehabt haben (43). In etwa 6 bis 8 Prozent aller Schwangerschaften haben wir es mit Teenager-Graviditäten zu tun, das heißt bei 60 auf 1000 Geburten (43). Das macht in der Bundesrepu- blik etwa 15 000 unerwünschte Schwangerschaften bei jungen Mädchen bis zu 20 Jahren aus. In dieser Altersgruppe ist deshalb eine effektive Kontrazeption von großer Bedeutung. In erster Linie bietet sich wegen der hohen Sicherheit die hormonale Kontrazeption an. Diese kann großzügig eingesetzt werden, Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 5 vom 5. Februar 1982 45
Minipille
• •• ••
• 1-0 •
•
Intrauterinpessar
•
Sterilisation 0 0
••
Junge Mädchen 14-18 Jahre
Junge Frauen 19-35 Jahre
Reifere Frau*) ab 35 Jahre Kombinationspille:
50 tg EE
Kombinationspille:
30-37 4g EE
•• ••
0•• ••
Sequentialpille
„rein"
•• •
Sequentialpille
2-Phasen
•• •
Sequentialpille
3-Phasen
• • ••
Dreimonatsspritze 0
• ••
Mechanische
Kontrazeption
• •• ••
• _ empfeh-
• • lenswert • weniger nicht
geeignet geeignet
*) ab dem 40. Lebensjahr möglichst keine Pille mehr zur Kontrazeption, sondern nur noch bei entsprechender Indikation (z. B. Zyklusstörungen)
•• •
•• •
•• •
•• •
•• •
• • = geeignet
Tabelle 7: Auswahl einer kontrazeptiven Methode in Abhängigkeit vom Alter der Frau
da wir heute wissen, daß auch bei hohen Östrogen-Gestagen-Dosen, die zum Beispiel bei jungen Mäd- chen im Alter von 10 bis 13 Jahren zur Bremsung des Wachstums gege- ben werden, später nach Absetzen nicht mit dem Auftreten bleibender Zyklusstörungen zu rechnen ist (44).
Somit gibt es gute Hinweise, daß auch die langjährige Ovulations- hemmung bei Jugendlichen keine bleibenden Störungen im Hypotha- lamus-Hypophysen-System verur- sacht.
Falls garantiert ist, daß bei den jun- gen Mädchen die körperliche Reife abgeschlossen ist (Kriterien: Menar- che plus zwei Jahre, Brustentwick- lung abgeschlossen, Zyklus regel- mäßig) und eine sichere Kontrazep-
tion notwendig wird, so ist in diesem Alter wegen des geringen Risikos von hormonalen Kontrazeptiva und wegen der häufig hohen Gefähr- dung durch eine ungewollte Schwangerschaft bevorzugt die Pille einzusetzen. Bewährt haben sich die sogenannten Sequenz- und Stufen- präparate, da sie günstige Wirkun- gen auf Uterus und Mammae haben, weniger affektive Nebenwirkungen zeigen und seltener eine „Post- pillenamenorrhoe" auslösen. Die niedrig dosierte Kombinationspille kommt in diesem Alter weniger als erste Pille in Frage, da sie anfangs zu etwa 15 bis 30 Prozent Durch- Druchsblutungen macht (22). Sie ist allerdings etwas besser verträglich als Präparate die 50 EE enthalten.
Später lohnt sich der Versuch einer Umstellung auf eine niedrig dosierte
Kombinationspille mit einem eben- falls niedrigen Gestagenanteil, da bei Langzeitanwendung die Bela- stung des Stoffwechsels eindeutig geringer ist.
Als Alternative kommt bei jungen Mädchen nur selten eine Intrauterin- spirale in Frage, da sie mit einem 3- bis 4fach höheren Risiko, an einer Adnexitis zu erkranken (besonders bei häufig wechselnden Sexualpart- nern), und einer für dieses Alter ver- hältnismäßig hohen Versagerquote belastet ist (45).
Die Pille sollte bei jungen Mädchen nicht verordnet werden im Fall von fehlenden Reifezeichen, Spätmenar- che mit Oligo-Amenorrhoe, starkem Unter- beziehungsweise Überge- wicht, schweren Stoffwechseler- krankungen und nur bedingt im Fall von Epilepsie.
Eine Pillenpause wird auch bei den jungen Mädchen nicht für notwen- dig erachtet, da selbst durch eine Langzeiteinnahme der Pille die Fer- tilität nicht negativ beeinflußt wird, in der Pillenpause ein erhöhtes Risi- ko für ungewollte Schwangerschaf- ten besteht und nach der Pillenpau- se bei erneuter Einnahme wieder Nebenerscheinungen durch die Stoffwechselumstellung auftreten.
Hormonale Kontrazeption
für Frauen ab dem 30. Lebensjahr Falls eine Patientin nicht raucht und außerdem keine anderen Risikofak- toren, zum Beispiel:
• Thromboembolien,
• Starke Varikosis, I> Diabetes mellitus, I> Hypertonie,
• Adipositas,
• Hyperlipidaemia,
> Gefäßleiden,
I> Leber- und Pankreaserkrankun- gen
vorliegen, bleibt auch zwischen 30 und 40 Jahren die niedrig dosierte
Kombinationspille (= Mikropille) (Östrogenanteil 30 bis 37 llg EE in Kombination mit einer niedrigen bis mittleren Gestagen-Dosis) eine ak- zeptable Form der Kontrazeption.
Ab dem 40. Lebensjahr sollten die Frauen nur noch bei spezieller Indi- kation (zum Beispiel Zyklusstörun- gen) die Pille nehmen, daß heißt, ab diesem Alter ist von der Pille wegen der erhöhten Gefahr ernsthafter Komplikationen grundsätzlich abzu- raten (Tabelle 4).
Nur falls keine Risikofaktoren beste- hen und die Vorteile für die Patien- tinnen eindeutig überwiegen, scheint das Risiko einer niedrig do- sierten Pille vertretbar.
Als Alternative zur Pille bietet sich ab dem 30. bis 35. Lebensjahr, wo häufig die Familienplanung schon mehr oder weniger abgeschlossen ist, in erster Linie die Intrauterinspi- rale an.
Als weitere Möglichkeit hat ab dem 35. Lebensjahr in der letzten Zeit die Häufigkeit der Sterilisation beim Mann oder bei der Frau erheblich zugenommen. Manchmal wird diese Methode, die zwar der Patientin die höchste kontrazeptive Sicherheit bietet, voreilig und ohne Risikosb- wägung indiziert oder von der Pa- tientin verlangt, obwohl diese Me- thode auch ein gewisses Opera- tionsrisiko einschließt.
Weiterhin muß betont werden, daß es sich hierbei um eine irreversible Methode handelt, deren Anwendung unter Berücksichtigung von Kinder- zahl, Alter und Integrität der Ehe be- dacht werden muß. Bei der Iaparo- skopischen Tubensterilisation sind Todesfälle bei 0,25 bis 1 auf 1 0 000 Frauen mitgeteilt worden (34). Die Versagerrate bei der elektrischen Koagulation und Durchtrennung der Tuben beträgt 0,4 Prozent, bei der Clip-Methode 1 ,5 Prozent. Die ope- rative Komplikationsrate (zum Bei- spiel Narkosezwischenfälle, Verlet- zung von großen Gefäßen oder des Darms) liegt bei 1 Prozent, die post- operativen Komplikationen bei etwa 2 Prozent (46).
Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Hormonale Kontrazeption
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Hortnonale Kontr-azapt1va
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Hohe kontrazeptive Sicherheit f) Methode ist reversibel8
Keine Störung der Intim- sphäre und des Koitus8
Positive Nebenwirkungen: Symptome oder Erkrankungen, die verschwinden oder gebes- sert werden:C> Dysfunktioneile Blutungen
C> Eisenmangelanämie
C> Prämenstruelles
Spannungssyndrom
C> Akne, Seborrhoe,
Hirsutismus
C> Ovarialzysten
C> Gutartige Mammatumoren
C> Myome
C> Endometriose
C> Dysmenorrhoe
C> Rheumatoide Arthritis
8
Gewisser Schutz vor neopla- stischen ErkrankungenTabelle 8: Vor- und Nachteile der Pille
Auswahl
der richtigen Pille
Die Analyse der unangenehmen und ernsthaften Begleiterscheinungen bei hormonaler Kontrazeption zeigt, daß diese signifikant altersabhängig auftreten. Aufgrund der hohen Si- cherheit, der guten Reversibilität und der relativ guten Verträglichkeit bleibt die Pille eine ideale Methode für die jungen Mädchen (mit häufi- gem Koitus) und eine akzeptable Methode für Frauen bis zum 30. Le- bensjahr (Tabelle 7). Ab dem 30. Le- bensjahr sind mögliche Risikofakto- ren sorgfältig auszuschließen und bereits andere Methoden der Kon- trazeption zu erwägen. Bei guter Verträglichkeit kann die Pille über Jahre hinweg eingenommen wer- den; das Morbiditäts- und Mortali-
Nachteile'·
'
0
Tägliche Pilleneinnahme f) Schlechte Geheimhaltung8
Negative Nebenwirkungen:=gesundheitliche Schäden
~ Kardiavaskuläres System:
C> Herzinfarkt
C> Thromboembolien
C> Hypertonie
C> Thrombosen
C> Zerebrale Insulte
~ Leber
C> Stoffwechselstörungen
C> Lebertumoren
C> Gallenblasenerkrankungen
tätsrisiko hängt neben Risikofakto- ren bei der Patientin hauptsächlich vom Alter und nicht von der Einnah- medauer der Pille ab (50). Ab dem 40. Lebensjahr sollte die Pille als kontrazeptive Methode nur bei ent- sprechender Indikation angewandt werden. Bei dieser generellen Wer- tung der hormonalen Kontrazeption ist jedoch zu bedenken, daß die Ein- nahme der Pille nicht selten einen hohen therapeutischen Nutzen brin- gen kann. Eine Zusammenstellung der Vor- und Nachteile der Pille zeigt Tabelle 8. Vor Verordnung der Pille müssen Risikofaktoren und Kon- traindikationen sorgfältig abgeklärt werden (Tabelle 9). Die geeignete Pille wird unter Berücksichtigung der individuellen Familienplanung, des Alters, der Risikofaktoren sowie nach Leitsymptomen ausgewählt.[>
Ausgabe NB DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 5 vom 5. Februar 1982 47
Absolute I Relative
Kontraindikation Kontraindikation Vorausgegangene Zustand nach Thromboembolien Beinvenenthrom-
bose
Thrombophlebitis Starke Varikosis Frau über 35 Jah- Frauen über 40 ren, die mehr als Jahren
20 Zigaretten pro Tag raucht
Gerinnungsstörun- Herzerkrankungen
gen (z. B. Mitralklap-
Sichelzellanämie penfehler) Kardiovaskuläre
Erkrankungen
Hypercholesterin- ämie
Hypertonie Otosklerose Leberstoffwechsel- Akute Leber-
störung erkrankungen
(z. B. Hepatitis) Schwerer Leber- schaden Akute Gallenbla- senerkrankungen Enzymopathien der Leber
Dubin-
Johnson-Syndrom
> Rotor-Syndrom Schwanger- schaftsikterus in der Anamnese
Porphyrie
Wachstumsstimu- Östrogenabhängi- lierung von hor- ge Tumoren:
monabhängigen I> Mammakar-
Geweben zinom
I> Endometrium- karzinom
Myome Endometriose Hypophysen- tumoren
Frühgravidität Diabetes mellitus Akute Pankreaser- Tetanie
krankungen
Schwere Oligo menorrhoe und Amenorrhoe bei jungen Frauen Verschiedenes
Epilepsie
Tabelle 9: Absolute u. relative Kontraindikationen für hormonale orale Kontrazeptiva
Angaben zu Art, Dosierung, Wir- kungsweise, Auswahl und Überwa- chung hormonaler Kontrazeptiva finden sich in einigen erwähnten Ar- beiten (47 bis 49). Bei richtiger Indi- kation und bei entsprechender Überwachung der Frauen sind Ne- benerscheinungen wesentlich ein- zuschränken. Die hormonale Kon- trazeption ist eine sehr erfolgreiche und für bestimmte Altersgruppen von Frauen (16 bis 30 Jahre) eine risikoarme Methode. Für den diffe- renzierten Einsatz der Pille spielen weiterhin die Östrogen- und Proge- stagenmenge sowie die spezifischen Wirkungen der Gestagene eine ent- scheidende Rolle.
Zusammenfassung
Unsere Analyse der Vor- und Nach- teile hormonaler Kontrazeptiva hat deutlich gezeigt, in welchem Maße und unter welchen Umständen Risi- ken mit der Einnahme der Pille ver- bunden sind. Die Gefahren sind ne- ben Dosis der Östrogen-Gestagen- Gemische fast ausschließlich abhän- gig vom Alter und von verschiede- nen Risikofaktoren. Ferner ist der therapeutische Nutzen der Pille bei vielen lästigen Symptomen oder Er- krankungen der Frau nicht zu unter- schätzen. Weiterhin hat sich gezeigt, daß gesicherte Kenntnisse über die Langzeitwirkungen der syntheti- schen Steroide, insbesondere der Progestagene, auf den Stoffwechsel des Menschen noch spärlich sind und solche Untersuchungen erst in den letzten Jahren vermehrtes Inter- esse gefunden haben. Der über hor- monale Kontrazeptiva informierte Arzt kann nach den heutigen Er- kenntnissen auf diesem Gebiet eine weitgehend individuell angepaßte Pille verordnen oder bei entspre- chendem Risiko eine andere Verhü- tungsmethode wählen.
Literatur beim Sonderdruck Anschrift der Verfasser:
Professor Dr. med.
Benno Runnebaum Dr. med. Thomas Rabe Universitäts-Frauenklinik Abteilung für gynäkologische Endokrinologie
Voßstraße 9, 6900 Heidelberg