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Archiv "Risiko-Nutzen-Analyse der hormonalen Kontrazeption: I" (25.02.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin AUSSPRACHE

Als Arzt für Allgemeinmedizin, der ich bin, ist man angewiesen auf die Forschungsergebnisse aller medizinischen Fachgebiete. Da fällt auf, daß die genannte Analyse Auswirkungen der hormonalen Kontrazeption auf die Augen über- haupt nicht erwähnt.

Als erste hatten Walsh und Mitar- beiter 1965 (Amer. Journal of Ob- stetrics and Gyn. 93 [1965] 904Q auf diese sich häufenden Berichte von Augenkomplikationen hinge- wiesen.

Neuerdings berichtet z. B. „ga-s"

in Euromed 10 (1981) 694-695, über augenärztliche Beobachtun- gen von A. Pignö und Mitarbeitern, Höpital St. Antoine, Paris, und In- terne Universitätsklinik Montpel- lier (CM 22. 11. 1980, 102-142, S. 6427-6437).

Danach gehören Gefäßverände- rungen in der arteriellen oder ve- nösen Strombahn der Netzhaut zu den Schwersterscheinungen. Ihr Auftreten bei sonst völlig gesun- den jungen Frauen sei frappie- rend.

Pillenauslaßversuche, die bei ei- nem Teil der Störungen eine Re- mission herbeiführen, und Rezidi- ve bei Wiedereinsetzen der Pille sind harte Indizien für einen Kau- salzusammenhang zwischen The- rapie und Komplikationen ..."

In der Bundesrepublik Deutsch- land berichtet u. a. W. Eichholz in der Münch. med. Wschr. 117 (1975) 571-574, über Gesichtsfeld- ausfälle bei jungen Pillengebrau- cherinnen.

Für die heutige Lage in der hormo- nalen Kontrazeption ist doch so sehr bezeichnend die Stellung-

nahme eines so bekannten For- schers auf diesem Gebiet wie Pro- fessor G. K. Döring, der bis heute ein Befürworter der hormonalen Kontrazeption ist, jedoch, so im DT. ÄRZTEBLATT 20 (1980), 1309-1314, als Gegenanzeigen der Pille u. a. nennt: zerebrale und retinale Gefäßleiden, Sehstörun- gen. G. K. Döring verweist aber, zuletzt DT. ÄRZTEBLATT 6 (1982), 33-37, auch auf die absolute Un- schädlichkeit der Rhythmusme- thoden (strenge Form der Tempe- raturmethode oder Symptother- male Methode, J. Rötzer).

Im weiteren verweist jedoch G. K.

Döring in der erstgenannten Ab- handlung (DT. ÄRZTEBLATT 20/

1980) ausdrücklich auf das Kon- dom. Nach neueren Untersuchun- gen seien die alten Angaben über eine Versagerquote von 5 bis 6 überholt, sie betrage heute nur noch 3 ungewollte Schwanger- schaften auf 100 Anwendungsjah- re, nennenswerte Nebenwirkun- gen oder Risiken seien nicht be- kannt, es gebe dafür keine Gegen- anzeigen.

Laut dem Dermatologen Prof. J.

Meyer-Rohn, Hamburg, (Bayr. Ärz- teblatt 9 [1977] 856) sind in den letzten zehn Jahren die Ge- schlechtskrankheiten erneut an- gestiegen.

Immer wieder werde die Frage ge- stellt, warum trotz der gewaltigen Behandlungsfortschritte, die die Antibiotika gebracht haben, Ge- schlechtskrankheiten noch nicht ausgerottet seien.

Neben anderen Ursachen sei „Pil- le statt Kondom" eine besonders wichtige Ursache. Nach A. B.

Bergman, Universität Washington, Amer. J. Dis. Child. 134, 247-249,

so berichtet in Extracta medica practica 8 (1980) Heft 10, ist in Amerika das Kondom „zur Zeit das einzige Mittel, das zugleich kon- trazeptive Wirkung besitzt und das Mädchen vor einer Geschlechts- krankheit schützen kann". Nach Bergman treten in Amerika neben der besonders verbreiteten Go- norrhö und Syphilis neuere Ge- schlechtskrankheiten durch Infek- tion durch Chlamydia trachomatis und Herpes simplex auf.

Im übrigen vermißt man in der Ri- siko-Nutzen-Analyse von Runne- baum-Rabe eine Stellungnahme zur lapidaren Äußerung des Pädia- ters Prof. H. Stolecke, Universität Essen: „Für uns Kinderärzte ist die Pille auf jeden Fall ein Übel (Der Kassenarzt 21 (1981), 2037)."

Runnebaum-Rabe stützen ihre Auffassung, daß erst zwischen 30 und 40 Jahren bei hormonaler Kontrazeption die Mortalitätsrate aufgrund kardiovaskullärer Kom- plikationen ansteige, auf die englischen Beobachtungsreihen

„... contraceptive study" (1981).

Es verstummen aber nicht Beob- achtungsversuche, die anderes aussagen.

So berichtete die Schriftleitung des „Kassenarzt" 17 (1977), 2985, aus dem „Boston Collaborative Drug Surveillance Program", an dem an die 20 Kliniken (der USA, Kanadas, Israels, Neuseelands, Englands, Italiens, das Universi- tätsklinikum Westberlin) beteiligt waren, wörtlich: „Nach Gebrauch der Pille ist ein erhöhtes Risiko für Thromboembolien und Hoch- druckkrankheit erwiesen.

Ebenso scheinen alle kardiovas- kulären Störungen bei Frauen, die orale Kontrazeptiva gebrauchen, stärker zu sein. Da der Gebrauch von Land zu Land stark schwankt, geben die WHO-Zahlen über die unterschiedliche Letalität an kar- diovaskulären Erkrankungen in bezug zur Menge der in den ver- schiedenen Ländern verkauften Kontrazeptiva gute Hinweise auf die Richtigkeit dieser Annahme.

Risiko-Nutzen-Analyse

der hormonalen Kontrazeption

Zu dem Beitrag von Professor Dr. med. Benno Runnebaum

und Dr. med. Thomas Rabe in Heft 5/1982, Ausgabe KB, Seite 29 ff.

54 Heft 8 vom 25. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Jahr Jahr

1960: 521 445 Eheschließungen 1960: 49 385 Ehescheidungen 1965: 492 128 Eheschließungen 1965: 59 039 Ehescheidungen 1970: 444 510 Eheschließungen 1970: 76 711 Ehescheidungen 1975: 386 681 Eheschließungen 1975: 106 932 Ehescheidungen 1977: 74 746 Ehescheidungen 1979: 344 823 Eheschließungen 1979: 79 602 Ehescheidungen 1980: 361 809 Eheschließungen 1980: Ehescheidungszahl liegt

vom Stat. Jahrbuch noch nicht vor.

Tabelle: Eheschließungen und Ehescheidungen zwischen 1960 und 1980

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Hormonale Kontrazeption

Es läßt sich für den Tod an Herzer- krankungen und Hypertonie für Pillenbenutzerinnen ein 5mal überhöhtes Risiko schätzen, die Relation Hypertonie und kardio- vaskuläre Erkrankungen ist schät- zungsweise 2:1, für die Gesamt- heit der kardiovaskulären Erkran- kungen 3:1.

Die tödliche Gefährdung folgt dem Beginn der Pilleneinnahme mit ei- ner Verzögerung von 2 bis 3 Jah- ren. Gegenwärtig sterben 20 von 100 000 Frauen im Alter von 15 bis 44 Jahren an kardiovaskulären Er- krankungen bei einer Gesamtmor- talität dieser Altersstufe von 70:100 000. Der Prozentsatz der Pillenbenutzerinnen im Alter von 15 bis 44 Jahren wird in Japan mit 0,5 Prozent, für Italien mit 2 Pro- zent, für Frankreich mit 10 Pro- zent, für die USA mit 14,9 Prozent, für Schweden mit 20 Prozent und für Westdeutschland bzw. Kanada 26 bzw. 27 Prozent angegeben."

Ein weiterer Beobachtungsbe- richt: INS berichtet im DT. ÄRZTE- BLATT 12 (1982), 70 aus der Stu- die von D. Slone mit 5 Mitarbeitern im New England Journal of Medi- cine 303 (1981) 420-424.

Dabei wurden 556 Frauen zwi- schen 25 und 49 Jahren mit gesi- chertem Herzinfarkt untersucht, ob das Herzinfarktrisiko auch nach langjährigem Absetzen der Ovulationshemmer weiterhin er- höht ist.

„Bei Frauen, die orale Kontrazep- tiva 10 Jahre oder noch länger ein- genommen hatten, war das Risiko, einen Herzinfarkt zu bekommen, auch nach Einnahmepausen bis zu 10 Jahren 2- bis 3mal so hoch wie bei einer Kontrollgruppe ohne

Pilleneinnahme.

Dieses Risiko stieg dann natürlich in Abhängigkeit von der Zahl der gerauchten Zigaretten noch weiter an." Runnebaum-Rabe erwähnen nicht seelische Störungen bei der hormonalen Kontrazeption. P. Pe- tersen, Med. Hochschule Hanno- ver, hingegen weist darauf hin

(DT. ÄRZTEBLATT 18 (1978), 1075-1085), daß „diese seelischen Veränderungen im Sinne des en- dokrinen Psychosyndroms er- scheinen . ." „Offenbar ist sie"

(nämlich die Pille) „ein gesund- heitliches und volkswirtschaftli- ches Risiko, das nur wegen der Hintergründigkeit seiner Wirkung bisher verschleiert war und nicht beachtet wurde." Da die Ehe eine der Hauptgrundlagen der Mensch- heitskultur ist, vermißt man bei Runnebaum-Rabe eine Risiko- Nutzen-Analyse der hormonalen Kontrazeption in dieser Hinsicht.

Die „Statistischen Jahrbücher für die Bundesrepublik Deutschland"

sagen für die Jahre der hormona- len Kontrazeption hinsichtlich Eheschließung und Ehescheidung sehr Ungünstiges aus.

Letztendlich ist eine Risiko-Nut- zen-Analyse der hormonalen Kon- trazeption hinsichtlich Lebensbe- jahung, Lebensqualität, Lebens- fülle sehr aufschlußreich. Darüber sagen für die Jahre der hormona- len Kontrazeption einiges, eben- falls Ungünstiges, die Zahlen der Selbsttötungen aus: Die Zahl der Selbsttötungen in der Bundesre- publik Deutschland war: im Jahr 1960: 10 832, 1963: 11 141, 1970:

13 046, 1975: 12 900, 1977: 13 926, 1980: Selbstmordzahl liegt vom Stat. Jahrbuch noch nicht vor.

Dr. med. H. Herget Gerngroßstraße 2 8500 Nürnberg

Schlußwort

Zu den kritischen Äußerungen von Herrn Kollegen Dr. Herget bezüg- lich unseres Artikels ist anzumer- ken, daß im Rahmen des o. g. The- mas nicht das ganze Spektrum der Nebenwirkungen der hormonalen Kontrazeption behandelt werden konnte.

In diesem Beitrag haben wir uns in erster Linie auf gesicherte Wirkun- gen und Nebenwirkungen der Pille beschränkt.

Für die Bewertung der wichtigsten Nebenerscheinungen wie die thromboembolischen Komplika- tionen ist von Bedeutung, daß sich bereits in der 2. Dekade der hor- monalen Kontrazeption die Dosis der Östrogene sowie der Gestage- ne erheblich vermindert hat.

Schon unter diesem Gesichts- punkt haben Fallberichte aus frü- heren Zeiten heute weniger Be- deutung.

Gegenwärtig befinden wir uns in der 3. Dekade der Pille, wo beson- deres Augenmerk auf die Wirkun- gen der Progestagene gerichtet ist. Es bleibt jedoch festzustellen, daß auch die niedrig dosierte Pille (Mikropille) Einfluß nehmen kann auf Blutdruck, Kohlehydrat-Stoff- wechsel, Fettstoffwechsel und auf das Blutgerinnungssystem. Alle diese Veränderungen können bei Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 8 vom 25. Februar 1983 57

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