A 2194 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 44|
2. November 2012STUDIEN IM FOKUS
Die Prävalenz von Aneurysmen an hirnversorgenden Gefäßen wird auf 2 bis 3 Prozent in der erwachsenen Bevölkerung geschätzt. Zum gro- ßen Teil handelt es sich um sakkulä- re Aneurysmen. Für die Frage, wel- che therapeutischen Konsequenzen bei inzidentellen Aneurysmen zu erwägen sind, ist die Abschätzung des Rupturrisikos unbehandelter Aneurysmen bedeutsam. Denn bei Subarachnoidalblutungen, der ge- fährlichsten Komplikation der Rup- tur, beträgt die Mortalitätsrate circa 50 Prozent.
In einer japanischen Studie wur- de der Verlauf von 6 697 nichtrup- turierten Aneurysmen (Teilnehmer
≥ 20 Jahre) verfolgt (3, 12, 36 Mo- nate und 5 und 8 Jahre nach Dia - gnose). 91 % der Aneurysmen waren Zufallsdiagnosen, am häufigsten an den mittleren Zerebralarterien (36 %) und der A. carotis interna (34 %). Die Größe betrug durch- schnittlich 5,7 mm.
Bei 111 Patienten kam es zu Rupturen, die jährliche Rupturrate betrug 0,95 % (95-%-Konfidenzin- tervall 0,79–1,15). Aneurysmen von 3–4 mm wurden als Referenz verwendet für das Rupturrisiko größerer Aneurysmen. Bei 5–6 mm betrug die Hazard Ratio (HR) be- zogen auf diese Referenz 1,13, bei 7–9 mm 3,35, bei 10–24 mm 9,09 und bei ≥ 25 mm 76,26. Aneurys- men an den kommunizierenden Ar- terien (A. communicans anterior und vom Abgang der A. communi- cans posterior aus der A. carotis interna ) waren im Vergleich zu intrakraniellen Aneurysmen mit einem höheren Rupturrisiko asso- ziiert (HR 1,90 und 2,02), ebenso Aneurysmen mit einer zusätz - lichen Tochteraussackung (HR 1,63).
Fazit: Aneurysmen größer als 7 mm, lokalisiert an kommunizie- renden Arterien des hinteren und
vorderen Kreislaufs und mit Toch- teraussackungen, sind mit einem erhöhten Rupturrisiko assoziiert.
„Diese sehr große Kohortenstudie bestätigt bei einer japanischen Po- pulation, was viele andere kleinere Studien bereits nahegelegt hatten:
dass das Rupturrisiko inzidenteller intrakranieller Aneurysmen insge- samt bei etwa 1 % pro Jahr liegt“, erläutert Prof. Dr. med. Jens Fieh- ler, Neuroradiologe an der Uni - versitätsklinik Hamburg-Eppendorf.
Damit sei nach spätestens fünf Jahren ein positiver Therapieeffekt einer interventionellen Behandlung zu erwarten, sofern die Behandlung in erfahrenen Zentren erfolge. Fieh- ler ergänzt: „Das individuelle Rup- turrisiko im natürlichen Verlauf ist aber erheblich von Lage und Größe des Aneurysmas abhängig, und – das wurde hier erstmals in einer großen Studie gezeigt – von der Aneurysmamorphologie.“
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Morita A, Kirino T, Hashi K, et al.: The UCAS study investigators: The natural course of un- ruptured cerebral aneurysms in a Japanese cohort. NEJM 366, 2012: 2474–82.
ANEURYSMEN
Das Rupturrisiko beträgt ein Prozent pro Jahr
Ein großer Teil der Lungen von Multiorganspendern wird wegen Vorschäden als ungeeignet für die Organübertragung beurteilt. Dabei wird davon ausgegangen, dass auch die kalte Ischämiezeit das Gewebe schädigt. In einer Studie mit zwölf Lungenempfängern haben Forscher der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universitätskli- nik Puerta de Hierro in Madrid ein portables Organ-Care-System er- probt, in dem die Lungen unmittel- bar nach der Entnahme in der Spenderklinik unter fast physiolo- gischen Bedingungen und bei Kör- pertemperatur mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Zwölf Hochrisikopatienten, zum Teil als
hoch dringlich auf der Warteliste gemeldet (Grunderkrankungen: zys - tische Fibrose, idiopathische, pul- monale Fibrose, chronisch-obstruk- tive Lungenerkrankung), erhielten Lungen, von denen die Hälfte unter die Kategorie erweiterter Spender- kriterien fiel. Die Konservierungs- lösung – sie wurde innerhalb von 10 Minuten von 32 auf 37 °C er- wärmt – enthielt unter anderem zwei immunologisch verträgliche Erythrozytenkonzentrate. Nach An - schluss des Respirators wurden vergleichbare Werte wie vor Ex- plantation gemessen: Der durch- schnittliche Quotient von arteriel- lem Sauerstoffpartialdruck zu inspi- ratorischer Sauerstoffkonzentration
lag bei 471,58 mmHg. Alle Organe und Empfänger überlebten 30 Tage nach Operation.
Fazit: Die Anwendung eines neuar- tigen, portablen Organ-Care-Sys- tems mit normothermer Nähr- und Sauerstoffversorgung und Kontrol- le der Funktionsparameter hat sich in einer Pilotstudie als sicher bei der Lungentransplantation erwie- sen. Es läuft eine prospektive ran- domisierte Studie, in der das Sys- tem mit dem Standard einer kalten Konservierung verglichen wird.
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Warnecke G, Moradiellos J, Tudorache I, et al.:
Normothermic perfusion of donor lungs for preservation and assessment with organ care system lung before bilateral transplantation: a pilot study of 12 patients. Lancet online http://dx.doi.org/10.1016/S0140-6736(12)6 1344-0
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