Herzog-Papier
Union uneins
Seehofer: Feldzug gegen die „kleinen“ Leute
D
ie umstrittenen Vorschlä- ge der CDU-Sozialkom- mission unter Leitung von Alt-Bundespräsident Roman Herzog zur Reform der sozia- len Sicherungssysteme spal- ten die Union. Nach den er- sten Regionalkonferenzen, bei denen die Parteibasis von der Notwendigkeit eines Kurs- wechsels überzeugt werden soll, stellten sich führende Unionspolitiker demonstra- tiv hinter Parteichefin Angela Merkel, die sich für das Re- formkonzept ausgesprochen hatte. Auf Ablehnung stößt das Modell weiterhin bei CDU-Sozialpolitikern sowie bei der CSU.Das Konzept sieht eine Umstellung des Krankenver- sicherungssystems auf ein ka- pitalgedecktes Prämienmo- dell vor. Die Krankenkassen- beiträge lägen dabei un-
abhängig vom Einkommen weitgehend einheitlich bei 264 Euro. Der Ausgleich für soziale Härtefälle soll über Steuern finanziert werden.
CDU-Präsidiumsmitglied Hildegard Müller sagte, die Vorschläge wiesen eine soziale Balance auf. Rückendeckung erhielt Merkel auch vom saar- ländischen Ministerpräsiden- ten Peter Müller, der sich dafür aussprach, die Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversi- cherung vom Erwerbsein- kommen abzukoppeln.
Kritik kam insbesondere von CSU-Chef Edmund Stoi- ber. Nach Einschätzung des bayerischen Ministerpräsi- denten hat die Kopfpauscha- le „außerordentliche Pferde- füße“ und würde „Millionen Bürger zu Sozialtransfer-Emp- fängern“ machen. Merkel ent- gegnete im ZDF, die Befürch- tung, eine Kopfpauschale er- zeuge Millionen Bittsteller, sei
„eine der falschen Aussagen, die immer wieder gemacht werden“. Der CSU-Sozialex- perte Horst Seehofer erklärte:
„Dem Herzog-Papier geht es um einen prinzipiellen Rich- tungswechsel in der Sozialpoli- tik.“ Man müsse zwar den So- zialstaat erneuern, aber „wir lehnen einen Feldzug gegen die ,kleinen‘ Leute ab“.
Das Reformprogramm soll nach dem Willen des CDU- Vorstandes beim Bundespar- teitag am 1. und 2. Dezember in Leipzig beschlossen wer- den. Die CSU will am 17. No- vember eigene Eckpunkte
vorstellen. SR
A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4217. Oktober 2003 AA2685
Arteria carotis interna
Zwischenbilanz:
Stent oder Operation
E
twa 20 Prozent der Schlaganfälle sind durch Verengungen und Ver- schlüsse im extrakraniellen Bereich der großen hirnversorgenden Halsschlag- adern verursacht, vor allem im Be- reich der Arteria carotis interna. Durch vorbeugende Beseitigung dieser Ver- engungen lässt sich der größere Teil dieser Schlaganfälle verhüten: Die Ka- rotis-Thrombendarteriektomie zählt in- zwischen zu einer der am häufig- sten durchgeführten Operationen (in Deutschland circa 15 000 Eingriffe pro Jahr) und galt bis vor kurzem als Standardverfahren zur vorbeugenden Beseitigung von Karotisstenosen.Seit ei- niger Zeit wird in spezialisierten Zen- tren in zunehmendem Maße die Sanie- rung von Karotisstenosen durch Kathe-terbehandlung (Karotis-PTA) durchge- führt, die beinahe standardmäßig mit ei- ner Stentimplantation kombiniert wird, um das Risiko zerebraler Embolien zu minimieren.Weltweit liegt inzwischen ei- ne dokumentierte Erfahrung über PTA mit Stentimplantation im Bereich der Karotis an über 10 000 Patienten vor.
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ach den bislang verfügbaren Daten ist der Eingriff technisch in über 98 Prozent der Patienten erfolgreich; töd- liche Komplikationen treten bei weni- ger als ein Prozent der Eingriffe auf, und bleibende neurologische Schäden werden bei 2 bis 3 Prozent der Pa- tienten beschrieben. Dem entsprechen auch die Daten eines 1999 von der Deutschen Gesellschaft für Angiologie gemeinsam mit der Deutschen Gesell- schaft für Radiologie als Qualitätssi- cherungsmaßnahme eingeführten Re- gisters, in dem von 38 teilnehmenden Zentren bis zum 30. Juni 2003 circa 3 400 Karotisangioplastien gemeldet und ausgewertet wurden.D
amit weist die Karotis-PTA mit Stentimplantation – zumindest bis- lang – gleich gute Resultate auf wie die Operation. Inwieweit diese Annahme weiter zutrifft, ist Gegen- stand lebhafter Diskussion zwischen Operateuren und Interventionalisten, da die wenigen vorliegenden ran- domisierten Vergleichsstudien relativ kleine Patientenzahlen betrafen und uneinheitliche Ergebnisse zeitigten. Ei- ne endgültige Klärung des relativen Wertes der beiden Behandlungsver- fahren ist erst von den vier welt- weit laufenden großen randomisier- ten Studien zu erwarten, die Ope- ration und Ballonbehandlung verglei- chen (Deutschland: SPACE; England/Europa: ICSS; USA: CREST; Frank- reich: EVA–3S). Mit einer derzeitigen Zuwachsrate von circa 1 000 Ein- griffen pro Jahr wird das Register bald eine detaillierte Untergruppen- analyse bezüglich technischer Varian- ten und besonderer Risikogruppen zu- lassen. Prof. Dr. med. Wolfram Theiss Akut
Berichtigung
In der Meldung „Präzisere Diagnostik“ über eine neue so genannte Erweiterte Vorsorge- untersuchung (DÄ 39/2003) waren Bezugsquellen falsch angegeben. Das Testmaterial ist in Holland zu beziehen unter www.pits-online.nl. Die Göttinger Testzentrale (Tele- fon: 05 11/5 06 88 14/-15) bie- tet ab November einen Bezug über ihre Internetseite www.
testzentrale.de an. Weitere In- formationen: Stephan Floß, spz.
smh-dn@clinet.de DÄ Am 30. September überreichte Altbundespräsident Herzog
CDU-Chefin Merkel den umstrittenen Kommissionsbericht.
Foto:ddp