A-156
S P E K T R U M AKUT
(4) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 4, 29. Januar 1999
Merkmale des TT-Virus
Ein neuer
Infektionserreger?
E
s gibt Patienten mit chronischen Lebererkran- kungen, bei denen weder Marker der Hepati- tisvirus-Infektionen, Alkoholmißbrauch noch andere Noxen nachweisbar sind (kryptogene Hepati- tis). Ende 1997 wurde in Japan ein DNA-Virus bei ei- nem Blutspender mit erhöhten Transaminasewerten, aber ohne serologische Marker bekannter Hepatitis- viren entdeckt. Dieser neue Erreger wurde – entspre- chend den Initialen des Patienten – TT-Virus (TTV) genannt. Da es sich um ein nichtumhülltes Virus mit einem relativ kleinen einzelsträngigen DNA-Genom handelt, wird auf eine mögliche Verwandtschaft zur Familie der Parvoviridae geschlossen. TTV wird nach einem Bericht des Robert Koch-Institutes (Bulletin 2/99) unter anderem parenteral übertragen. So wur- de TTV-DNA in Seren von Patienten mit Posttrans- fusionshepatitis unklarer Ätiologie nachgewiesen.B
ei der Testung von Blutgerinnungspräparaten in Großbritannien waren 56 Prozent der Chargen TTV-positiv. Darüber hinaus konnte Virus-DNA im Tumor- und Nichttumorgewebe von TTV-positiven Patienten mit hepatozellulärem Kar- zinom nachgewiesen werden. Ob TTV auch fäkal- oral übertragen werden kann, ist offen. Das Virus kann im Infizierten spontan eliminiert werden, aber auch über mehrere Jahre ohne klinische und histopa- thologische Merkmale einer akuten oder chroni- schen Hepatitis persistieren. In einigen Fällen wurde eine Korrelation zwischen TTV-Nachweis und Trans- aminasewerten beobachtet. Welche Rolle der Erre- ger bei Lebererkrankungen spielt, oder ob es sich hierbei möglicherweise um eine unbeteiligte Begleit- erscheinung handelt, bleibt noch zu untersuchen.O
b das Virus sexuell oder vertikal (Mutter/Kind) übertragen wird, ist unklar. TTV konn- te jedoch weltweit in humanen Plasmen und Seren nachgewiesen werden. Angaben über die Prävalenz von TTV in gesunden Personen (zum Bei- spiel Blutspendern) schwanken zwischen einem Pro- zent in den USA, zwölf Prozent in Japan und 36 Pro- zent in Thailand; diese lassen sich allein durch paren- terale Übertragung erklären. Die TTV-Prävalenzen bei Patienten mit verschiedenen Lebererkrankungen sind im Vergleich zu Blutspendern leicht erhöht, schwanken aber ebenso beträchtlich. Eine TTV-In- fektion kann derzeit nur über den Nachweis von TTV-DNA mittels PCR erfolgen. Nach der bisherigen Datenlage ist TTV ein Virus, das weltweit verbreitet ist. Die hohe Prävalenz in der gesunden Bevölkerung weist auch auf andere Übertragungswege hin. EB