• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Nutzen und Risiko des Mammografie-Screenings: Schlusswort" (06.06.2008)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Nutzen und Risiko des Mammografie-Screenings: Schlusswort" (06.06.2008)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

422 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 236. Juni 2008

M E D I Z I N

2.) Der Versuch, den Effekt von Screening verständlich darzustellen, hat bei einigen Autoren nicht nur zu geänder- ten Formulierungen, sondern zu einer substanziellen Ver- änderung und Verfälschung der Aussage geführt.

3.) Wird in der Diskussion um Screening außer acht ge- lassen, dass bei der Abwägung von Nutzen und Nachteilen einer Teilnahme unterschiedliche Risikokonzepte eine Rolle spielen, die sich darin unterscheiden, ob sie die Schadenshöhe im Falle des Eintritts eines unerwünschten Ereignisses berücksichtigen (Beispiel Versicherungen) oder nicht (Beispiel Epidemiologie).

Der Leserbrief von Mühlhauser wiederholt die allge- mein bekannten und von uns erläuterten Gründe, warum der Effekt von Screening wissenschaftlich nur mit rando- misierten epidemiologischen Studien mit der Zielgröße Mortalität nachgewiesen werden kann (1–3).

Dem Beitrag von Beise kann in seiner Allgemeinheit nicht widersprochen werden. Wir haben in unserem Arti- kel allerdings darauf hingewiesen, dass die Wirkung des Screenings intrinsisch ein bedingter Effekt ist: Wenn eine unerkannte Krebskrankheit vorliegt, dann kann es vorteil- haft sein, sie durch Screening möglichst früh zu erkennen und zu behandeln (3). Unser Lösungsvorschlag ist, den Nutzen des Screenings bei eintretender Erkrankung in absoluten Häufigkeiten darzustellen, ganz im Sinne von Beise. Der Hinweis auf Versicherungen hat nichts mit be- dingten Wahrscheinlichkeiten, sondern damit zu tun, dass

„Risiko“ unterschiedlich definiert wird: in der Epidemio- logie ohne und bei Versicherungen mit Einbeziehung der Schadenshöhe.

Weymayr lässt außer acht, dass die von uns gewählte Darstellung eine rechnerische Umsetzung der Ergebnisse der randomisierten Studien mit Zielgröße Mortalität in ab- solute Überlebenshäufigkeiten ist, also Nettoeffekte er- gibt. Überdiagnose ist davon nicht abzuziehen, weil man an lebenslang subklinisch bleibender Krankheit nicht stirbt.

Der Leserbrief des ebm geht konform mit unserer In- tention einer möglichst zutreffenden und umfassenden In- formation. Als „Schadenshöhe“ im Falle einer Krebser- krankung lediglich die Möglichkeit eines tödlichen Ver- laufs anzusehen, greift zu kurz: Unseres Erachtens sind hierzu auch Therapiefolgen sowie deren Einfluss auf die Lebensqualität zu rechnen. Die Erkrankungswahrschein- lichkeit sollte als eine durch Screening unbeeinflussbare Größe kommuniziert werden.

Abholz verteilt die Mortalitätsreduktion durch eine frühe Erkennung einer bereits eingetretenen Erkrankung auch auf Personen, die nicht erkrankt sind, folglich auch nicht unter Sterberisiko stehen. Dies haben wir in dem Ar- tikel kritisiert. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit ist re- lativ klein (etwa 5 %), aber wenn eine Erkrankung vor- liegt, sterben innerhalb von 10 Jahren ohne Screening 31 und mit Screeningangebot 23 beziehungsweise Scree- ningteilnahme 20 von Hundert Frauen an der Erkrankung.

Der Einwand von Jöckel et al. bezieht sich auf den Titel der Arbeit und die gewählte Skalierung der angegebenen Maßzahlen. Der Titel ist aus dem Begutachtungsprozess entstanden und hieß ursprünglich „Risikokommunikation beim Mammografie-Screening“. Gegen die Verwendung

des Begriffes des „Schadens“ wurde von epidemiologi- schen Kollegen der Einwand erhoben, er sei nicht emoti- onsfrei, sodass im Artikel durchgängig von „nachteiligen Effekten“ die Rede ist, die dem Nutzen gegenüber gestellt werden. Zur Skalierung der jeweiligen Maßgrößen haben wir für die Inzidenz wegen der kleinen Fallzahlen die in der Epidemiologie übliche Darstellung pro 100 000 ge- wählt (5) und für die höheren Ereignishäufigkeiten im Screening die dort übliche Darstellung pro 1 000 (4). Der Nutzen vermiedener Todesfälle wurde in Tabelle 1 unten auf pro 1 000 umgerechnet und im Text auf gleicher Skala den nachteiligen Effekten „Brustkrebsoperation bei be- nignem Befund“ und „Überdiagnose“ gegenübergestellt sowie darauf hingewiesen, dass der weitaus häufigste nachteilige Effekt ein falsch positiver Befund ist. Dessen zahlenmäßige Größe wurde in der Tabelle 2 ebenfalls auf- geführt. Die Autoren des Leserbriefes geben die Zahlen auf der größeren Skala an, wodurch sie nicht ausgewoge- ner, sondern eben nur größer werden. Auf den Aspekt der Lebensqualität im Zusammenhang mit falsch-positiven Befunden wurde bereits mehrfach an anderer Stelle kri- tisch eingegangen (1, 2). Der Fokus lag im vorliegenden Artikel auf der korrekten Interpretation der Studienergeb- nisse.

Schwarz hat mit seiner ersten Feststellung recht: Es war unsere Intention, den bedingten Charakter einer Morta- litätsaussage beim Screening herauszuarbeiten und rech- nerisch in eine Aussage zur Letalität zu übersetzen. Da al- so nicht empirische Beobachtungen zugrunde gelegt wer- den spielt der ansonsten tatsächlich zu beachtende „lead- time-bias“ (1–3) hier keine Rolle. Bei der Stadienselekti- on handelt es sich um den „length bias“, der wiederum bei der Aussage zur Effektivität eines Angebots von Mammo- grafie-Screening im Unterschied zur tatsächlichen Teil- nahme keine Rolle spielt. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0422

LITERATUR

1. Becker N: Screening aus epidemiologischer Sicht. Radiologe 2002; 42:

592–600.

2. Becker N: Die Rolle der epidemiologischen Qualitätsparameter im Mam- mographie-Screening. Radiologe 2006; 46: 984–992.

3. Morrison AS: Screening in Chronic Disease. Second edition. Monographs in Epidemiology and Biostatistics, Volume 19. Oxford University Press, New York, Oxford 1992.

4. Perry N, Broeders M, de Wolf C, Törnberg S, Holland R, von Karsa L, Put- haar E (eds.): European guidelines for quality assurance in breast cancer screening and diagnosis – Fourth Edition. Luxembourg: Office for Official Publications of the European Communities 2006.

5. Robert-Koch-Institut und die Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland e.V. (GEKID) (Hrsg.): Krebs in Deutschland 2003–2004. Häufigkeiten und Trends. Berlin 2008.

Prof. Dr. rer. nat. Nikolaus Becker

Deutsches Krebsforschungszentrum, Abteilung Krebsepidemiologie Im Neuenheimer Feld 280, 69120 Heidelberg

E-Mail: n.becker@dkfz.de

Dr. med. Hans Junkermann

Universitätsfrauenklinik, Sektion Senologische Diagnostik Voßstraße 9, 69115 Heidelberg

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Aus den vorgetragenen Bedenken über den Nut- zen beziehungsweise die Risiken von Nachsorgeprogrammen kann und darf nicht gefolgert werden, dass dieser Nut- zen nicht besteht oder

Krebsre- gister haben nicht nur die Aufgabe, Inzi- denz und Mortalität verschiedener Krebs- erkrankungen vollzählig zu erfassen, son- dern auch epidemiologische Daten für

Nachsorgeprogramme und Überprüfungen effizienter Therapie- maßnahmen gehören nicht zum Auf- gabenspektrum eines epidemiologischen Krebsregisters, sondern bleiben alleine ei-

Liegt nicht unter an- derem eine erhebliche Gefahr darin, dass diese Menschen, die eine derartig schwere Erkrankung durchgemacht ha- ben, langzeitig vor allem mit aufwendi- gen

Zur Be- wertung von Acetylsalicyl- säure muß, wie in Stock- holm ebenfalls durch eine Fall-Kontroll-Studie nach- gewiesen, von einem we- sentlich höheren Risiko für die

VFA-Hauptge- schäftsführerin Cornelia Yzer betonte, dass es „den hohen Nutzen des Arznei- mittels nicht ohne Risiko geben kann“ – ein Risiko, das oft erst nach der Zulas- sung

Rechnet man diese Einnahmen auf alle 18 Ethikkommissionen der Ärztekammern Deutschlands hoch, kommt man im Jahr 1995 auf über zehn Millionen DM, die für die Tätigkeit die- ser

Dabei ist aber häufig über- sehen worden, daß die wiederholten Appelle an die Ärzteschaft und die Bürger, das Risiko einer Benzodia- zepin-Abhängigkeit zu beachten, ih- re