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Archiv "Arzneimittel-Prüfungen — Nutzen und Risiko: Es wird immer seltener gegen Plazebo getestet" (30.04.1986)

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Academic year: 2022

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Die Bundesrepublik steht in der Weltrangliste bei den Arzneimittel-Neuent- wicklungen auf Platz drei.

Die neuen Medikamente werden heute in vier Pha- sen überprüft, wobei al- lein Phase Null, die präkli- nische Prüfung vor den Versuchen am Menschen, zirka fünfzig bis einhun- dert Millionen Mark ver- schlingt und zwei bis drei Jahre dauert.

Ist das Präparat nach Durchlaufen der klini- schen Prüfphasen I bis IV dann auf dem Markt etab- liert, endet der Patent- schutz meist schon bald.

Der Urheber kann kaum noch seine Investitionen einbringen, ehe billigere Nachahmerpräparate auf den Markt drängen. Dies wurde beim diesjährigen Bayer-Presseseminar Mit- te März in Mayschoß be- klagt, das von Professor Rudolf Gross, Köln, gelei- tet wurde und unter dem Motto stand „Klinische Prüfung eines Arzneimit- tels — Nutzen und Risiko für den Patienten".

Zehn Jahre nach Be- schluß des Gesetzes zur Neuordnung des Arznei- mittelrechts zeigen sich, so hieß es weiter, be- trächtliche Mängel und unscharfe Definitionen.

„Was tut der Organismus dem Arzneimittel?" um- schrieb Professor Hans J.

Jesdinsky vom Institut für Medizinische Statistik der Uni Düsseldorf burschi- kos die Phase I. An zwan- zig bis fünfzig freiwilligen gesunden Probanden werden Wirksamkeit und Verträglichkeit in Abhän- gigkeit von der Dosis ge- prüft. Neu ist die Empfeh- lung des „Council for In- ternational Organisations

of Medical Sciences", in Phase I schon früh auch Patienten einzubeziehen.

Problematisch in Phase I ist der Profi-Proband. In Irland gab es bereits ei- nen Todesfall. Ein Pro- band hatte sich am sel- ben Tag zwei Instituten zu Prüfungen zur Verfü- gung gestellt. Professor Ellen Weber, Abteilung für klinische Pharmakolo- gie der Uniklinik Heidel- berg, hielt die Frage nach dem Profi-Prüfer aller- dings für noch weit wich- tiger, da Phase-l-Prüfun- gen außer der pharma- zeutischen Industrie und den Universitäten auch private Institute überneh- men.

Der Deutsche Ärztetag 1985 hat im Zusammen- hang mit der Gründung einer Ethik-Kommission zur In-vitro-Fertilisation allgemein beschlossen, daß klinische Versuche am Menschen von Ethik- Kommissionen zu begut- achten sind. Neben den Ethik-Kommissionen der Universitäten und der Ärztekammern haben auch einige pharmazeuti- sche Unternehmen ent- sprechende Gremien ein- gerichtet. Trotz der nur beratenden Funktion können die Mitglieder der Ethik-Kommissionen bei groben Fehlern haftbar gemacht werden.

Phase II des Prüfverfah- rens ist die Phase der Pi- lot-Studien, in die ausge- wählte Patienten einbe- zogen werden. Auf der Basis des „informed con- sent" wird dem Patienten heute möglichst nicht mehr die Plazebokontrol- le zugemutet: Er erhält möglichst die allgemein anerkannte Standardthe-

rapie oder das neue Prä- parat. Erst, wenn Phase II befriedigende Ergebnisse gebracht hat, werden in Phase III Kranke nach dem Zufallsprinzip auf die übliche und auf die neue Behandlung verteilt.

Die randomisierten Stu- dien der Phase III wollen mit wenigen Kranken ein zuverlässiges Urteil über Wert und Unwert der neu- en Substanz gewinnen.

Bioäquivalenz muß erwiesen sein

Die Verordnung von Generica nach dem Kriterium der niedrig- sten Kosten setzt vor- aus, daß die vergliche- nen Präparate außer in ihrer Zusammenset- zung auch hinsichtlich ihrer Bioverfügbarkeit übereinstimmen — und die ist über die Galenik steuerbar. Der Bio-

äquivalenz-Nachweis ist insbesondere bei oralen Akutpräparaten unverzichtbar. Unter Leitung von Prof. Dr.

med. H. Grobecker, Uni Regensburg, wur- de in einem randomi- sierten Cross-over- Verfahren an zwölf ge- sunden Probanden ein auf dem Markt be- findliches Nifedipin- Nachahmerpräparat (Nifedipin-Stada-Dra- gee) mit dem Indika- tionsanspruch „hyper- tensive Krise und aku- ter Angina-pectoris- Anfall" geprüft. Ge- genüber der innovati- ven Adalat®-Kapsel lag die maximale Nifedi- pin-Plasmakonzentra- tion deutlich niedriger und trat um eine Stun- de verzögert auf. vi

Die Behandlung gegen Plazebo wird auch in die- ser Phase heute aus ethi- schen Gründen immer mehr verlassen. Zeichnet sich bereits frühzeitig ab, daß die Prüfsubstanz dem Standard überlegen ist, so sollten die Tests der Phase III nicht im vol- len vorher berechneten Umfang durchgezogen werden, erklärte Profes- sor Gross. Vielmehr solle dann sequentiell durch eine neutrale Person, et- wa einen Biometriker, weiter geprüft werden.

Gegebenenfalls wird die Phase III damit beendet:

„Das ist der ethische und legale Anspruch sowohl der Behandlungsgruppe wie auch der Kontroll- gruppe."

Um deren Ansprüche ging es auch bei der Dis- kussion um die Doppel- blindstudien. Der Patient muß auf jeden Fall aufge- klärt werden und seine Zustimmung geben.

Wenn auch in Zukunft nicht auf Doppelblindstu- dien verzichtet werden kann, wird man sich ihre Notwendigkeit jedoch ge- nau überlegen.

Hat das neue Medikament die BGA-Zulassung erhal- ten, läuft für zwei Jahre Phase IV unter den Bedin- gungen der Praxis an. Dr.

Benno König, Mainz, for- derte für Phase IV eine gezielte Schulung für nie- dergelassene Ärzte, die

Arzneimittelprüfungen durchführen wollen.

Auch in dieser Phase, so Professor Ellen Weber, muß die Auswertbarkeit gesichert sein, etwa durch Aufnahme blutche- mischer Parameter ins Prüfdesign. „Weg vom Zufallsprinzip" heißt die Devise, und „Richtlinien zur klinischen Arzneimit- telprüfung tuen not."

Dr. med.

Cornelia Herberhold

Arzneimittel-Prüfungen — Nutzen und Risiko

Es wird immer seltener gegen Plazebo getestet

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AUS INDUSTRIE UND FORSCHUNG

1316 (86) Heft 18 vom 30. April 1986 83. Jahrgang Ausgabe A

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