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Archiv "Arzneimittel: Profitstreben geht über Menschenleben" (12.10.2001)

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Arzttum

Zur Lage der deutschen Ärzteschaft im Sommer 2001:

Wer vertritt unsere Interessen, wenn nicht einmal wir selber?

❃ Nach mehrjährigen Bera- tungen eines gemeinsamen Ausschusses von Ärzten (!) und Krankenkassen werden kurzfristig neue „Heilmittel- richtlinien“ übersandt. Noch mehr unbezahlte (!) Arbeit für den Kassenarzt und dafür bezahlte (!) Mehrarbeit für den Masseur.

❃ Der Unterabteilungsleiter Baum des Gesundheitsmini- steriums räumt ein, dass eine zeitnahe Überarbeitung der Gebührenordnung aus perso- nellen Gründen nicht zu lei- sten sei. Somit kommt man dem Ziel näher, die GOÄ gleich auf das Niveau des EBM herunterzufahren.

❃ Die Bundesärztekammer stellt nach mehrjährigen hilf- losen Interpretationsversu- chen fest, dass – aufgrund ei- nes Formulierungsfehlers – die Leichenschau nicht ge- meinsam mit dem hierzu zweifellos notwendigen Be- such abgerechnet werden darf. Das Dezernat „Ge- bührenordnung“ wäre ei- gentlich eine Schaltstelle für die wirtschaftliche Lage der deutschen Ärzte und müsste diese Schlüsselfunktion mit Durchsetzungswillen und -kraft wahrnehmen.

❃ Forderungen nach mehr Leitlinien, Qualitätssiche- rung, evidenzbasierter Medi- zin, „disease management“

geistern durch Fach- wie Lai- enpresse. Nicht allen ist be-

wusst, dass auch deren Erfül- lung nur zu (unbezahlter?) Mehrarbeit für den Arzt und institutionalisierter Doku- mentationsflut führen wird.

❃ Der DGB fordert die 4-Tage-Woche. Die Vertrags- ärzte wären gut beraten, sich dieser Forderung anzuschlie- ßen: Um einen realistischen Bezug zwischen Arbeit und Honorierung wiederherzu- stellen, endet die kassenärzt- liche Tätigkeit donnerstags um 17.00 Uhr.

Dr. Bernhard Hoff, Prinz-Georg-Straße 42, 40477 Düsseldorf

Arzneimittel

Zu dem Beitrag „Afrikanische Schlaf- krankheit: Die Karriere eines Medika- ments“ von August Stich und Peter Firmenich in Heft 26/2001:

„Germanin“ vermisst

In dem informativen Artikel vermisse ich die Erwähnung des berühmten Präparates gegen die Schlafkrankheit

„Germanin“ (Bayer 205), das seinerzeit als deutsche Ent- wicklung sehr herausgestellt wurde.

Prof. Dr. Jürgen Schütz, Bismarckallee 39 a, 48151 Münster

Profitstreben geht über Menschenleben

Der ausgezeichnete Bericht über das Verhalten der inter- nationalen Pharmaziekonzer- ne bei dem Drama um die Versorgung der afrikanischen Bevölkerung mit dem Mittel Eflornithin gegen die Schlaf- krankheit zeigt, mit welcher Brutalität das Profitstreben über die Rettung von Men-

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001 AA2639

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Leserzuschriften werden von der Redaktion sehr beachtet. Sie geben in erster Linie die Meinung des Briefschreibers wieder und nicht die der Redaktion. Die Veröffentlichungsmöglichkeiten sind leider beschränkt; der Redaktion bleibt oft keine andere Wahl, als unter der Vielzahl der Zuschriften eine Auswahl zu treffen. Die Chance, ins Heft zu kommen, ist umso größer, je kürzer der Brief ist. Die Redaktion muss sich zudem eine – selbst- verständlich sinnwahrende – Kürzung vorbehalten.

LESERZUSCHRIFTEN

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A2640 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

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schenleben gestellt wird . . . Uns Ärzten ist dies jedoch sehr wenig bewusst, da die Pharmaindustrie uns gegen- über stets ein freundliches Gesicht zeigt. Propere Wer- bung in Fachzeitschriften und betont freundliche Pharma- referenten, gerne zu mancher Bestechung bereit, lassen uns das wahre Gesicht dieser Un- ternehmen vergessen. Mich lassen die meisten Pharma- referenten in Ruhe, seit ich sie statt aufwendiger Ge- schenke um Sach- oder Geld- spenden für eine Kinderkli- nik in Mosambik bat . ..

Dr. Jan-Peter Salzmann, Barbarossaplatz 3, 52064 Aachen

Weiße Rose

Aufruf an die ehemaligen Kommilito- nen der Widerstandskämpfer:

Zeitzeugen gesucht

Im Rahmen eines Disserta- tionsprojektes zum Wider- stand der „Weißen Rose“ soll unter anderem auch das stu- dentische Umfeld der dama- ligen Widerständler, die fast alle Mediziner waren, ausge- lotet werden. Hierfür sind die Erfahrungen von Perso- nen, die in München in den Jahren 1939 bis 1944 studiert haben oder auch die Beteilig- ten kannten, von übergroßer Bedeutung.

Als Stichpunkte seien ge- nannt: Aufenthalt in Russ- land Juli bis Oktober 1942, Rede des Gauleiters Giesler im Deutschen Museum, eige- ne Reaktionen beziehungs- weise die der Studierenden auf die Widerstandsaktionen, Kundgebung nach der Hin- richtung der Geschwister Scholl in der Universität, Wi- derstandsaktionen als Folge auf die Hinrichtungen, (All- tags-)Erfahrungen in der Stu- dentenkompanie. Auch an Fotografien wie zum Beispiel von der Studentenkompanie oder der Universität besteht großes Interesse. Zuschriften bitte an:

Sönke Zankel, Gutenbergstraße 62, 24118 Kiel

Sexualstraftäter

Zu den Leserbriefen in Heft 36/2001:

Unsere Gesellschaft entfernt sich von Ethik

Früher gab es eine ärztliche Ethik, die so weit ging, dass während kriegerischer Aus- einandersetzungen Ärzte auch die verletzten Gegner (die vorher vielleicht mehrere Menschen getötet hatten) versorgten. Inzwischen hat sich die Gesellschaft doch von derlei Auffassungen teilweise entfernt. Das ist auch sehr deutlich in den Diskussionen um Menschen zu erkennen, die Sexualstraftaten begangen haben. Nicht alle, aber einige von diesen Menschen haben schwerste seelische Abwei- chungen oder auch psychische Krankheiten. Als Menschen werden diese in den Diskus- sionen jedoch nicht mehr be- zeichnet, sondern als Sexual- täter, als Sexualtriebtäter, als Triebtäter. Immerhin verbirgt sich hinter diesem Begriff doch noch der Mensch, wenn auch die menschliche Exi- stenz und Problematik mit diesem Begriff verkürzt wird auf einen bestimmten Tatin- halt, als bestünde der betref- fende Mensch ausschließlich aus strafrechtlich relevantem sexuellem Handeln. Gewis- sermaßen als Steigerung gibt es dann noch den Begriff „Se- xualmonster“. Der Begriff

„Zeitbombe“ schließlich hat mit menschlichem Dasein nichts mehr zu tun . . . Ich kann mich nicht erinnern, dass irgendwo wenigstens eine Apostrophierung des Wortes Zeitbombe erfolgt wäre, wenn es im Hinblick auf be- stimmte Menschen verwendet wurde.

Und dann stellt sich die Fra- ge, wie mit Zeitbomben zu verfahren ist. Auf jeden Fall sollte man sie rechtzeitig ent- decken. Und dann fachmän- nisch entschärfen oder ir- gendwie anders unschädlich machen, eventuell in einem Lager konzentrieren und für immer unter sicherem Ver- schluss verwahren wegen der permanenten Explosionsge-

fahr.

Ich behaupte, dass sich unsere Gesellschaft von Ethik ent- fernt: auch einzelne Ärzte, Psychiater, belegen inzwischen bestimmte Menschen mit dem technischen Begriff Zeitbom- be, und eines Tages – so fürch-

te ich – wird jemand beginnen, technische Mittel einzusetzen, um die Zeitbomben unschäd- lich zu machen. Habe ich jetzt übertrieben? . . .

Dr. med. M. Roßner, Nordstraße 17 a, 59555 Lippstadt

E-Mail

Briefe, die die Redaktion per E-Mail erreichen, werden aufmerksam gelesen. Sie können indessen nicht veröffent- licht werden, es sei denn, sie würden ausdrücklich als „Le- serbrief“ bezeichnet. Voraussetzung ist ferner die vollstän- dige Anschrift des Verfassers (nicht die bloße E-Mail- Adresse). Die Redaktion behält sich ohne weitere Mittei- lung vor, E-Mail-Nachrichten, die als Leserbrief erscheinen

sollen, zu kürzen.

Hirntod

Zu dem Leserbrief „Briefe haben mir in der Seele wehgetan“ von Prof. Dr.

med. Dipl.-Psych. Christoph J. G. Lang in Heft 33/2001, der sich auf die Le- serbriefe in Heft 28–29/ 2001 bezog:

Kein Widerspruch

. . . Ich bin in der Medizin auf nichts gestoßen, was der Vorstellung einer unsterbli- chen Seele grundsätzlich wi- dersprach oder sie bewies.

Selbst der „Mensch, der tot ist“ widerspricht dieser Vor- stellung nicht. Natürlich ist er tot, und in seiner bisheri- gen Form, zu der ja auch der Körper gehört, existiert er nicht mehr. Dies wider- spricht aber einer unsterbli- chen Seele oder anderen re- ligiösen Vorstellungen über- haupt nicht.

Selbstverständlich könnte Herr Prof. Lang mit seiner Idee (die ja auch von vielen Menschen geteilt wird), dass nach dem Tod jegliche Exi- stenz endet (es „endgültig zu Ende ist“), Recht haben. Es könnte aber auch sein, dass dies nicht so ist und es nach dem Tod eine wie auch im- mer geartete Existenz gibt (eine Vorstellung, die übri- gens einer weit größeren Zahl von Menschen zu Eigen ist). Beide Vorstellungen las- sen sich aber wissenschaftlich weder verifizieren noch falsi- fizieren, sie sind völlig sub-

jektiv.

Die Fragen, die sich im Zu- sammenhang mit der Organ- spende stellen, wird jeder Mensch vor dem Hintergrund seines ganz persönlichen Glaubens beantworten. Dies gilt es zu respektieren und nicht, wie bei der Anästhe- sistin, auf die im Leserbrief Bezug genommen wird, als

„mehr als seltsam“ abzutun.

Warum tun sich eigentlich gerade diejenigen, die das

„Psych“ in der Berufsbe- zeichnung führen, mit der Vorstellung einer unsterbli- chen Seele oft so schwer?

Dr. med. Björn Lotz,Andernacher Straße 41, 80993 München

Hirntod ist nicht Anästhesie

Dem Professor und Diplom- psychologen Dr. Lang muss nachgesehen werden, dass er den Unterschied zwischen ei- ner Anästhesie und dem Hirntod nicht kennt: Die Anästhesie setzt die gesamte Steuerzentrale Gehirn zeit- weise außer Funktion und verhindert so willkürliche und reflexartige Reaktionen auf Schmerzreize. Beim Hirntod ist in der Regel nur ein kleiner, wenn auch wich- tiger Teil des Gehirns dauer- haft ausgefallen, die Hirnto- ten sind aber durchaus in der Lage, ein „subkortikales“

Leben zu führen: Sie bewe-

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gen sich, essen und trinken und reagieren auch auf Schmerzreize. Wie diese Rei- ze verarbeitet werden, kön- nen wir nicht nachempfin- den, sicher ist: Hirntod ist keine Anästhesie, kein Nicht-Fühlen! Nehmen wir den Begriff „Seele“ hinzu, über dessen immense Bedeu- tung in der abendländischen Tradition Dr. Lang als Di- plom-Psychologe besser un- terrichtet sein sollte, als sein verzerrtes Bild der „aus dem Cavum oris emanierten See- le“ erkennen lässt. Dieser Begriff ist erst in den letzten 100 bis 200 Jahren von der aufstrebenden Naturwissen- schaft zu einem „Verbum non gratum“ erklärt worden und erfährt heute in der Me- dizin zunehmend eine Re- naissance. Können wir sicher ausschließen, dass durch den Körper eine wahrnehmende,

lernende und evolvierende Energie oder Kraft wirkt, die das eigentliche Wesen des Menschen ausmacht? Gehen wir davon aus, dass diese Seele nicht vom Körper ab- geleitet ist und unabhängig von ihm existiert, dann kön- nen wir Anästhesie dadurch erklären, dass die Seele infol- ge der Anästhetika-Wirkung auf das Steuerorgan Gehirn zeitweilig vom Körper ge- trennt ist. Beim Hirntod ist diese Trennung augenschein- lich nicht vollständig. Und die Seele kann durchaus lei- den! Nochmals herzlichen Dank an die mutige Anästhe- sistin Dr. Schlemmer, die auf diese weithin unbekannte in- humane Seite der Transplan- tationsmedizin aufmerksam gemacht hat.

Dr. Hans-Joachim Ritz, Kiepertstraße 15, 30419 Hannover

Chronisch Kranke

Zu dem Beitrag „Reform des Risiko- strukturausgleichs: Disease Man- agement wird aktiviert“ von Prof. Dr.

med. Dr. sc. Karl W. Lauterbach und Dr. med. Stephanie Stock in Heft 30/2001:

Realitätsverfälschung

Leider haben Sachverständi- ge wie Herr Lauterbach

„keine Ahnung von der Sa- che, die sie begutachten“

(Prof. Kolkmann). So ent- sprechen die DMP originär unserem bestehenden deut- schen Hausarztsystem (bio- logisches Modell nach Ull- rich). Wozu dann weitere Bürokratisierung? Für die diffamierenden und ehren- rührigen Behauptungen von

„Experten“ über die angeb- lich schlechte Versorgung chronisch kranker Men-

schen fehlen in aller Regel Belege, die dann durch stati- stische Tricks und darauf aufbauende Hochrechnun- gen ersetzt werden. So stel- len die in der Grafik 1 dar- gestellten Ergebnisse der Code-2-Studie eine grobe Verfälschung der Realität dar. Die Prämisse für die Er- rechnung der Krankenhaus- kosten war, dass 20 % der Diabetiker innerhalb eines Jahres stationär behandelt würden. Dieser Wert ist für diabetestypische Komplika- tionen mindestens um den Faktor fünf, in der Gesamt- heit aller Krankenhaus-Ein- weisungen, also auch für Un- fälle etc., um den Faktor zwei zu hoch. Wo bleibt da der von Herrn Lauterbach ge- forderte EBM? Diesen Rea- litätsverfälschungen kann nur durch vollständige Da- tenerhebung in den Praxen

Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001 AA2641

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A2642 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 41½½12. Oktober 2001

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und durch Klärung der Fra- ge, warum einige Patienten schlecht eingestellt sind, be- gegnet werden. Dazu bedarf es aber hausärztlichen Sach- verstandes!

Dr. med. Michael Spiel, Dorfplatz 6, 71711 Murr

DMP – ein rasch wachsender Markt

Disease-Management-Pro- gramme (DMP) sind seit cir- ca zwei Jahren sowohl bei privaten Krankenversiche- rern als auch bei gesetzli- chen Krankenkassen in aller Munde. Durch Gesundheits- ministerin Ulla Schmidt hat das Disease-Management im Rahmen der Reform des Ri- sikostrukturausgleichs einen besonderen Impetus erhal- ten, da Frau Schmidt bei den gesetzlichen Krankenkassen finanzielle Anreize für den Aufbau von DMP schaffen möchte. In jüngerer Zeit gibt es einen dementspre- chend rasant wachsenden Markt an Anbietern von Disease-Management-Pro- grammen. DMP haben eine bessere Versorgung chro- nisch Kranker unter Anwen- dung evidenzbasierter Leitli- nien zum Ziel. Ebenso ver- spricht man sich mittelfristig eine Verringerung der Krankheitskosten durch Vermeidung von Spätschä- den. Die größte Erfahrung besitzen die Anbieter am Markt mit DMP zu Asthma bronchiale und Diabetes mellitus. In jüngerer Zeit werden aber auch DMP an- geboten zu Herzinsuffizienz, arterieller Hypertonie, Osteoporose, Depression, Adipositas, Allergien und Mammakarzinom.

Zurzeit bringt man den DMP großes Vertrauen entgegen, und es bleibt nur zu hoffen, dass dieses Vertrauen sich als gerechtfertigt erweisen wird, denn DMP verursachen zu- nächst einmal hohe Kosten, und sie müssen erst noch be- weisen, dass sie effektiv und effizient sind. In diesem Zu- sammenhang halte ich die Bemerkungen von Lauter-

bach zur Qualitätssicherung bei Disease-Management- Programmen für sehr wich- tig. Monitoring und Transpa- renz der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sind bisher bei den angebotenen DMP zum Teil nicht ausrei- chend.

Dr. med. Rainer Hakimi, Hallesche- Nationale Krankenversicherung a.G., Reinsburgstraße 10, 70178 Stuttgart

Krankenhäuser

Zu dem Beitrag „Privatliquidati- onsrecht auf der Kippe“ von Dr. rer.

pol. Harald Clade in Heft 34–35/ 2001:

Zukunft: Grundgehalt und variable Zulage

Ihr oben genannter lesens- werter Beitrag veranlasst mich in meiner jetzt 25-jähri- gen ärztlichen Tätigkeit zu meinem ersten Leserbrief an das DÄ.

Die deutsche ärztliche Selbstverwaltung durch Ärz- tekammern und kassenärztli- che Vereinigungen ist unver- ändert beispielgebend für die meisten Länder unseres Globus und ist nach meiner Einschätzung als „Westdeut- scher“ von der Mehrzahl der ostdeutschen Kollegen nach Wiedererlangung unserer staatlichen Einheit mit Be- geisterung übernommen worden. Das US-amerikani- sche Gesundheitssystem ist wenig nachahmenswert, trotz der überragenden wis- senschaftlichen Erfolge die- ses Landes. Ich kann mich aber leider des Eindrucks nicht erwehren, dass ad 1) unsere Organisationen auf politische Entscheidungen nur reagieren, statt sich den Herausforderungen der finanziellen Probleme im Gesundheitswesen zu stellen und mit eigenen Konzepten zu agieren; ad 2) die Bundes- ärztekammer bei ihrem Be- streben, das Privatliquidati- onsrecht für leitende Kran- kenhausärzte zu erhalten, über die Situation in den neuen Bundesländern auch elf Jahre nach der Einheit of- fensichtlich wenig informiert

zu sein scheint. Privatliqui- dation ist hier kein „Thema“.

Die meisten leitenden Kran- kenhausärzte tragen äußerst kompetent klinische und ökonomische Verantwortung mit „BAT I Ost“. Ich sehe die Zukunft in einem Grund- gehalt, das sich in seiner Höhe nach dem Umfang des zu übernehmenden Verant- wortungsbereiches richtet, und einer variablen Lei- stungszulage. Die/Der leiten- de Ärztin/Arzt, die/der sich unabhängig von der Kran- kenkasse des Patienten ins- besondere um die schwieri- gen Fälle kümmert, wird auf- grund Erfahrung Überdia- gnostik und unkritische poly- pragmatische Therapie, zu der jüngere Kollegen aus Unerfahrenheit und Angst vor Fehlern neigen, verhin- dern. Dies steigert die öko- nomische Effizienz und als

„Belohnung“ das Einkom-

men. Am nicht nur wirt- schaftlichen Erfolg des Krankenhauses sollten letzt- lich alle Berufsgruppen vom gesamten ärztlichen-, Pflege- und Verwaltungsbereich fi- nanziell partizipieren. Das derzeitige Festhalten an al- ten Strukturen vertieft die Einkommenskluft zwischen West und Ost, fördert die Abwanderung leistungsbe- reiter Kollegen in den „We- sten“ und demotiviert Lei- stungsträger aus dem „We- sten“, im „Osten“ Verant- wortung zu übernehmen.

Die Folgen, insbesondere auch für die ostdeutschen medizinischen Fakultäten, in der wissenschaftlichen Kon- kurrenz zu bestehen, sind unabsehbar!

Prof. Dr. med. Joachim Mössner, Universitätsklinikum Leipzig, Medizini- sche Klinik und Poliklinik II, Philipp- Rosenthal-Straße 27, 04103 Leipzig

Jugendkriminalität

Erfahrungen auf einer Station für Kin- der- und Jugendpsychiatrie:

Sicht eines Gewaltopfers

Ich wurde 1992 Gewaltopfer, als ich als Ärztin in einer Kinder- und Jugendpsychia- trie gearbeitet habe.

Ein kleiner Junge, dessen al- koholsüchtiger Vater dem Jungen so zusetzte, dass die- ser dekompensierte, wurde irrtümlicherweise auf die Sta- tion für neurotisch-dissoziale Jugendliche verlegt. Ich be- kam die Verantwortung für diesen Jungen, der mein er- ster Patient auf diesem Ar- beitsfeld war. Vorher habe ich in der Notfallmedizin und Anästhesie gearbeitet. Als ich nach Hause ging, mach- ten sich die Jugendlichen über diesen Jungen in übel- ster Weise her. Ich lief herzu und bemühte mich, diesen Jungen vor den Tritten und Schlägen zu bewahren, und bekam natürlich die Schläge und Tritte selber ab. Ich schrieb, wie mir der verant-

wortliche Stationspfleger riet, an das Sozialministeri- um, erhielt jedoch nie eine Antwort. Die Chefärztin und ihre Oberärztin baten mich zu einer Unterredung und sagten, ich dürfe mit nieman- dem über das, was vorgefal- len ist, reden, ansonsten wür- den sie mir die Stelle entzie- hen.

Dem Ganzen wurde noch eins draufgesetzt, indem ich die weiteren neun Monate auf der Station weiterarbei- ten musste, wobei ich tagtäg- lich von den Jugendlichen bedroht wurde.

Ich war damals allein erzie- hende Mutter und hatte so- wohl die finanzielle als auch menschliche Verantwortung für meine Kinder, ich konnte also nicht das Arbeitsverhält- nis von heute auf morgen be- enden. Ich schreibe diesen Brief, um auch einmal die Seite eines Gewaltopfers zu schildern. Auch wenn ich die Motive der Chefin und ihrer Oberärztin kenne, entschul- digt dies in keiner Weise ihr Verhalten oder das Verhalten der Jugendlichen.

Heike Staus, Buchenweg 8, 25337 Kölln-Reisiek

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