P O L I T I K
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A3306 Deutsches ÄrzteblattJg. 99Heft 496. Dezember 2002
KOMMENTAR
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ufällig wurde ein Beschluss des Bundesrates (Bundesrats-Druck- sache 482/02) bekannt, mit dem er am 12. Juli 2002 einer Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV- ÄndV) zugestimmt hat. Ohne viel Auf- hebens wurde die Vergütung für eine ärztliche Gutachtenleistung von derzeit 150 Euro auf 200 Euro angehoben – um 33 Prozent! Wie das, ist zu fragen, gibt es doch seit Jahr und Tag nur minimale Steigerungsraten für ärztliches Hono- rar. Sollte der Bundesrat plötzlich er- kannt haben, dass ärztliche Leistungen in den gesetzlichen Regelungen, zum Beispiel der Berufs-krankheiten-Verord- nung, aber auch der Amtlichen Gebühren- ordnung für Ärzte (GOÄ) oder dem Zeu- gen-Sachverständigen- gesetz, völlig unterbe- wertet sind, und sollte hier endlich der Durch-
bruch zu einem leistungsgerechteren, ädaquaten Honorar gelungen sein?
Die Begründung zu diesem Beschluss spricht der Ärzteschaft aus dem Herzen und muss Orientierungsmaßstab für andere Vergütungsregelungen sein.
Hier heißt es: „Die Gebühr in Höhe von 300 DM gleich 150 Euro ist seit 1997 unverändert. Unabhängig von der generellen Kostensteigerung und der Schlechterstellung durch die Umrech- nung zwei Deutsche Mark gleich ein Euro bei der letzten Änderung hat sich der bisherige Gebührensatz keines- wegs als kostendeckend erwiesen. Die Gebühr für ein Zusammenhangsgut- achten umfasst alle Leistungen wie Ak- tenstudium, Beurteilung ärztlicher Be- funde, Ausarbeitung, Diktat und Durchsicht, Schreibgebühren, Porto so- wie gegebenenfalls Erhebung der Vor- geschichte, ärztliche Untersuchung, La- bor- und sonstige Untersuchungen. Die durchschnittliche Gebühr für ein Zu-
sammenhangsgutachten nach Aktenla- ge ist mit 500 Euro annähernd kosten- deckend anzusetzen. Zum Vergleich:
fünf Arztstunden (durchschnittlicher Zeitansatz nach Aktenlage) zu je 81 Euro ergeben bereits 405 Euro.“
Die in dieser Begründung aufge- führten Vergleichsmaßstäbe für ärztli- ches Honorar müssen aus Sicht der Ärzteschaft Messlatte für andere Ver- gütungsregelungen, wie unter ande- rem GOÄ und Zeugen-Sachverständi- gengesetz, sein. Auch dort sind die Gebühren für ärztliche Leistungen seit vielen Jahren unverändert; für die
GOÄ seit 1996, für das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen sogar seit 1994.
Auch dort sind Gebührensätze kei- neswegs kostendeckend, und ebenso wenig wurden Kostensteigerungen durch Anhebung der Vergütung bezie- hungsweise angemessene Punktwert- anhebung berücksichtigt.
Im Zeugen- und Sachverständigen- gesetz wurde durch die Euro-Umstel- lung und -Umrechnung von zwei Deutscher Mark in einen Euro die Entschädigung ärztlicher Sachver- ständigen sogar verschlechtert. Die Aussagen zur annähernden Kosten- deckung für ein Zusammenhangsgut- achten, das allerdings nicht nur Gut- achtenleistungen, sondern auch die dazu notwendigen ärztlichen Unter- suchungen umfasst – mit 500 Euro –, entspricht Forderungen der Ärzte- schaft an bisherige Bundesratsvoten zu ärztlichen Honorarregelungen. Be-
merkenswert ist auch die Festsetzung von 81 Euro für eine Arztstunde; da- mit nähert sich der Bundesrat der Vor- stellung der Bundesärztekammer mit einem Arzt-Stundensatz von 100 Eu- ro, im Vergleich dazu sieht das gelten- de Zeugen- und Sachverständigenge- setz eine Bewertung der Arztstunde für Sachverständigentätigkeit im Re- gelfall nur mit einem Rahmen von 25 bis 50 Euro, in seltenen Einzelfällen bis zu 75 Euro vor.
Der Bundesrat liefert also eine überzeugende Begründung für eine lei- stungsgerechtere und angemessenere Vergütung ärztlicher Gutachten und ande- rer ärztlicher Leistun- gen. Einen Haken hat der Beschluss des Bun- desrates allerdings, er gilt – nach einem Hin- weis des Bundesmini- steriums für Arbeit und Sozialordnung – nur für Gewerbeärzte. Die Gutachten- leistungen dieser Ärzte sind reine Dienstaufgaben; die vom Bundesrat be- schlossene Vergütungserhöhung kommt damit gar nicht den Gewerbeärzten zu- gute, sondern den Ländern, denen als Dienstherren die Vergütung zufließt.
Mit diesem Beschluss wird ihre Kas- senlage aufgebessert.
Fazit: Der Bundesrat erkennt den Wert einer ärztlichen Leistung bisher nur dann an, wenn er selbst auch Zah- lungsempfänger ist. Der Bundesrat wird an diesem Beschluss gemessen werden, wenn es um die Weiterent- wicklung anderer gesetzlicher Ver- gütungsregelungen – der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte und des Justizvergütungs- und Entschädigungs- gesetzes – geht. Für die Bundesärzte- kammer ist diese Entscheidung die Messlatte für die derzeitige Bewertung ärztlicher Leistungen.
Renate Hess,Bundesärztekammer, Köln