• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Ärztliche Gutachten: Die Steuerpflicht kam überfallartig" (30.03.2001)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Ärztliche Gutachten: Die Steuerpflicht kam überfallartig" (30.03.2001)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

V A R I A

A

A850 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 13½½½½30. März 2001

E

in Rundschreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 13. Februar 2001 an die Obersten Finanz- behörden der Länder hat den Telefongesellschaften in den vergangenen Tagen zusätzli- che – umsatzsteuerpflichtige – Umsätze beschert. In dem Schreiben teilt das BMF mit, dass Leistungen eines Arztes nur noch dann umsatzsteuer- frei sind, wenn sie „der medizi- nischen Betreuung von Perso- nen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krank- heiten oder anderen Gesund- heitsstörungen dienen“. Der Umsatzsteuer unterliegen da- mit auch ärztliche Gutachten wie Alkohol-Gutachten, Gut- achten für Versicherungsab- schlüsse, über die Berufstaug- lichkeit, die Minderung der Erwerbsfähigkeit, das Sehver- mögen und die Freiheit des Trinkwassers von Krankheit- serregern, die bisher durch § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergeset- zes in Verbindung mit Ab- schnitt 88 Abs. 3 der Umsatz- steuerrichtlinien ausdrücklich steuerfrei waren.

Europarecht maßgeblich Das Rundschreiben stützt sich auf eine Entscheidung des Eu- ropäischen Gerichtshofs vom 14. September 2000, der auf Vorlage eines österreichi- schen Landesgerichtes die EU- Richtlinie zur Harmonisierung des Umsatzsteuerrechts auszu- legen hatte. Die EU-Richtlinie sieht eine Umsatzsteuerbefrei- ung von „Heilbehandlungen“

vor, während das nationale Umsatzsteuerrecht bisher auf die ärztliche Tätigkeit im Sinne des „Ausübens der Heilkun- de“ abstellte. Da Heilkunde in diesem Sinne auch ausübt, wer lediglich diagnostiziert, ohne dass damit ein Behandlungs- zweck verfolgt würde, waren ärztliche Gutachten bisher von der Umsatzsteuer befreit. Aus- genommen waren lediglich einzelne Gutachten. Da das nationale Recht eu- roparechtskonform ausgelegt werden muss und der EuGH die Richtlinien verbindlich auslegt, ist die Beschränkung der Umsatzsteuerbefreiung auf Gutachten, bei denen „ein

therapeutisches Ziel im Vor- dergrund steht“, unvermeid- lich.

Unverständlich ist aller- dings die Form, in der die seit 1977(!) geltende Europa- rechtslage für die deutsche Ärzteschaft Berücksichtigung finden soll. Dem BMF-Rund- schreiben zufolge müssen die Umsatzsteuern für alle Lei- stungen erhoben werden, die nach Veröffentlichung des Schreibens – am 8. März 2001 im Bundessteuerblatt – er- bracht wurden. Bei der Bun- desärztekammer (BÄK) traf das Bundessteuerblatt jedoch erst eine Woche später ein.

Das BMF hatte es nicht für nötig gehalten, die Ärzte vor- ab zu unterrichten. Zudem zeugen die vielen Anrufe bei der BÄK davon, dass auch die Angehörigen der steuerbera- tenden Berufe nicht frühzeitig informiert waren.

Zwar steht nach dem Rund- schreiben fest, dass ärztli- che Gutachter Umsatzsteuern nicht nachberechnen müssen für Gutachten, die bis zum 8. März erstattet worden sind.

Allerdings sind seit diesem Termin Gutachten erstattet und in Unkenntnis der neu- en Steuerpflicht auch bereits ohne Umsatzsteuern berech- net worden. Mit Blick auf diese Fälle hat der Präsident der Bundesärztekammer den Bundesfinanzminister um ein Verschieben des Termins gebe- ten, ab dem die Umsatzsteuern erhoben werden sollen. Eine Antwort stand bei Redaktionsschluss noch aus.

Dem Vernehmen nach be- trachtet das BMF aber bereits den Termin 8. März als Entge- genkommen.

Künftig müssen Umsatz- steuern berechnet werden für

alle Gutachten, die nicht in er- ster Linie der Heilbehandlung dienen und damit selbst Teil ei- ner Heilbehandlung sind. Dies gilt neben den erwähnten auch für Gutachten, die gegenüber Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen oder zur Feststellung der Pflegebedürf- tigkeit oder von Rechtsmedizi- nern erstattet werden. Soweit ihre Berechnung nach der GOÄ oder dem Zeugenent- schädigungsgesetz erfolgt, muss der Umsatzsteuersatz von derzeit 16 Prozent zum ge- setzlichen Gebührensatz hin- zuaddiert werden. Schwieriger gestaltet sich die Lage, wenn Gutachterleistungen auf der Grundlage desselben Vertra- ges wiederholt zu erbringen sind (Dauerschuldverhältnis- se). Auch in diesem Falle müs- sen die Umsatzsteuern dem vereinbarten Honorar hinzu- addiert werden. Allerdings ist im Rahmen einer ergänzen- den Vertragsauslegung oder einer Vertragsanpassung dar- zulegen, dass die nunmehr zu entrichtende Umsatzsteuer in die Risikosphäre des Auftrag- gebers fällt. Dies ist nach der Rechtsprechung jedenfalls dann der Fall, wenn der Auf- traggeber zum Vorsteuerab- zug berechtigt ist.

Für die Ärzte ändert sich wenig

Je nach Höhe seiner um- satzsteuerpflichtigen Umsätze ändert sich für den ärztli- chen Gutachter aber trotzdem nichts. Als „Kleinunterneh- mer“ im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG kann er nämlich auch im Falle grundsätzlich umsatz- steuerpflichtiger Gutachterlei- stungen weiterhin auf das Be- rechnen von Umsatzsteuern

verzichten, wenn seine Umsät- ze zuzüglich Umsatzsteuern, aber ohne die Umsätze aus Heilbehandlung, im vorange- gangenen Jahr 32 500 DM nicht überstiegen haben und im laufenden Jahr 100 000 DM voraussichtlich nicht über- steigen werden. Wer dauerhaft unterhalb der Schwelle von jährlich 32 500 DM bleibt, muss auch in Zukunft keine Umsatzsteuern in Rechnung stellen. Allerdings müssen mit Blick auf den Schwellenwert auch sonstige, möglicherweise gewerbliche Umsätze berück- sichtigt werden, die der ärztli- che Gutachter im Rahmen ei- ner sonstigen beruflichen Tä- tigkeit als Einzelunternehmer macht. Ein „Abfärben“ der umsatzsteuerfreien auf um- satzsteuerpflichtige Leistun- gen im Sinne der für gewerbli- che und nicht gewerbliche Lei- stungen geltenden „Abfärbe- theorie“ ist jedoch nicht zu be- fürchten, weil diese nur für ge- werbliche Einkünfte gilt und die ärztliche Gutachterleistung durch die Umsatzsteuerpflicht nicht zu einer gewerblichen Leistung wird.

Wer Umsatzsteuern verein- nahmt – was auch dem durch die Kleinunternehmerrege- lung Begünstigten freisteht –, muss dies spätestens mit der jährlichen Umsatzsteuerer- klärung deklarieren. Abhän- gig von der Höhe der steuer- pflichtigen Umsätze sind Um- satzsteuervoranmeldungen und -vorauszahlungen zu lei- sten. Dabei können Vorsteu- ern abgezogen werden, das heißt Umsatzsteuern, die in Aufwendungen enthalten wa- ren, die der Steuerpflichtige bezogen auf seine umsatzsteu- erpflichtige Tätigkeit getätigt hat. Einzelheiten sollten mit dem Steuerberater geklärt werden. Von der Umsatzsteu- erpflicht unberührt bleiben Mitteilungen und Gutachten im Rahmen der Gesetzli- chen Krankenversicherung, die nach den Nummern 71 bis 79 EBM gegenüber den Kas- senärztlichen Vereinigungen abgerechnet werden.

Dr. jur. Gerhard Nösser, BÄK

Ärztliche Gutachten

Die Steuerpflicht kam überfallartig

Ärztliche Gutachten unterliegen seit dem 8. März weitgehend der Umsatzsteuer. Die Bundesärzte- kammer wurde nicht informiert.

Wirtschaft

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es müs- se bei dem Beschluß der Ständi- gen Konferenz der Bundesärzte- kammer für Fragen der ärztlichen Weiterbildung bleiben, daß Lei- stungen nach den Ziffern 804 bis 817

Juli 2002 wird im Zusammenhang mit den bereits beschlos- senen Änderungen zu den ärztlichen Lei- stungen bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sichergestellt, dass die ärztli-

1991 geltenden Fassung der La- bor-Richtlinien sind die Untersuchun- gen der Abschnitte 0 I und 0 III aus- drücklich als persönliche ärztli- che Leistungen definiert

Die nach Abschnitt O (Laboratoriumsun- tersuchungen) erbrachten ärztlichen Lei- stungen werden als Einzelleistungen mit einem Punktwert von 14,1 Pf (belegärztli- che Leistungen

Auch eine Rech- nung der erbrachten Lei- stungen liegt bei, aus der Sie, Herr Minister, ersehen können, daß eine Zahnbe- handlung nicht ein Vermö- gen kosten muß.. Für ein Studium,