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Archiv "Ärztliche Gesundheitsberatung - Leistungen und Abrechnungsmöglichkeiten" (04.12.1985)

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11•11113•111111■11MMMIIIIIIL

Gesundheitsbildung ist vor allem auch eine ärztliche Aufgabe. Das gilt gerade für die individuelle Gesundheits- beratung. Hier sind in erster Linie die niedergelassenen Ärzte angesprochen. Doch auch die Ärzte im stationä- ren Bereich können einen wertvollen Beitrag leisten.

Wie aber ist es um die ärzt- liche Gesundheitsberatung tatsächlich bestellt? Was gehört zur ärztlichen Gesundheitsberatung? Und

— wie sollte und wie könnte sie honoriert werden?

Ärztliche

Gesundheitsberatung Leistungen

und Abrechnungs- möglichkeiten

Horst Bourmer, Hansheinz Kreuter, Hans-Joachim Schlauß

sind diese in der Mehrzahl der Auffassung, im Rahmen ihrer all- gemeinen Praxistätigkeit zu un- terschiedlichsten Themen ge- sundheitsberatend tätig zu sein.

Zu wenig wird dabei berücksich- tigt, daß sich das Rollenverständ- nis des Arztes in der Aus-, Weiter- und auch Fortbildung ganz über- wiegend nach einer kurativ orien- tierten Schulmedizin bildet (3). Ihr Verständnis von Prävention rich- tet sich jedoch dabei hauptsäch- lich auf Früherkennungsuntersu- chungen, weitaus weniger hinge- gen auf die Aufgaben der Primär- prävention, die nach unserer Auf- fassung im Mittelpunkt der ärzt- lichen Gesundheitsberatung ste- hen müßten (4).

Ärztliche

Gesundheitsberatung als präventive Aufgabe

Die ärztliche Gesundheitsbera- tung stellt ein Kernstück der Prä- vention dar. Ohne sie wären alle Bemühungen um die Gesund- heitsvorsorge von vornherein ge- fährdet, müßten die hochgesteck- ten Ziele verfehlt werden. Wir schließen uns zunächst einer Be- griffsbestimmung an, die von Hil- debrand und von v. Troschke for- muliert wurde: „Wir bezeichnen als Gesundheitsberatung alle Maßnahmen, mit denen sich Ärzte an ihre Patienten richten, um de- ren Gesundheit insgesamt oder in Teilbereichen zu fördern und zu erhalten. Hierzu können sie ver- schiedene Methoden anwenden:

vom beratenden Einzelgespräch bis zum Gruppengespräch, von der Verteilung von Informations- broschüren bis zum Einsatz von audio-visuellen Medien. Wichtig dabei ist, daß diese Maßnahmen von den Ärzten selber oder von ih- ren Mitarbeitern (unter ärztlicher Kontrolle) durchgeführt werden"

(1)*). Diese Definition sollte inso- fern erweitert werden, als die ärzt- liche Gesundheitsberatung ent- sprechend den Leitgedanken ei- ner sektoralen, funktionalen, in- terdisziplinären und transinstitu- tionellen Prävention dergestalt

ausgerichtet werden muß, daß durch eine Verzahnung der Maß- nahmen eine hohe Effektivität und möglichst auch eine hohe Effi- zienz erzielt werden kann (2). Der interdisziplinäre Aspekt ist nach unserer Auffassung so weitge- hend zu interpretieren, daß er auch die Involvierung und Zusam- menarbeit zahlreicher ärztlicher Gebiete berücksichtigt.

Gesundheitsberatung ist nicht ausschließlich die Aufgabe eines bestimmten ärztlichen Faches.

Sie ist gebietsübergreifend und hat sicherlich einen Schwerpunkt in der ärztlichen Primärversor- gung, zu der in erster Linie die All- gemeinärzte, die praktischen Ärz- te und die Internisten zählen. Zu- nehmend findet jedoch Gesund- heitsberatung auch durch Päd- iater, Gynäkologen und Psychia- ter statt. Darüber hinaus sind wir der Auffassung, daß in fast allen ärztlichen Gebieten eine Gesund- heitsberatung möglich und sinn- voll wäre.

Situationsanalyse derzeitiger

Gesundheitsberatung

Wenn wir praktisch tätige Haus- ärzte nach ihrem gesundheitsbe- ratenden Engagement fragen, so

Gerade die Entwicklung der Mor- bidität und Mortalität bei den so- genannten Volkskrankheiten hat die Notwendigkeit primärer Prä- vention und damit der ärztlichen Gesundheitsberatung immer mehr in den Vordergrund der Dis- kussionen gestellt. Tag für Tag wird der in der Praxis stehende Arzt auch dann um Rat gefragt, wenn eine Krankheit im her- kömmlichen Sinne noch nicht vor- liegt. Viele Bürger entschließen sich einfach deswegen zu einem Arztbesuch, weil sie gesundheits- bewußter geworden sind und ge- sund bleiben wollen. Andererseits suchen viele Patienten den Arzt auf, weil sie unter ganz anderen

„Befindlichkeitsstörungen" lei- den, ohne daß bei diesem Arztbe- such den Patienten ihre besonde- re Gefährdung durch bestimmte Risikofaktoren bewußt wäre. Bei- de Anlässe zu Patient-Arzt-Kon- takten können als Einstieg für ei- ne Gesundheitsberatung angese- hen werden (5).

Die Zuständigkeit des Arztes für gesundheitsberatende Maßnah- men resultiert in erster Linie aus seiner Hausarztfunktion und den daraus erwachsenden Kenntnis- sen über den allgemeinen Ge- sundheitszustand und auch die

*) Die Ziffern in 0 beziehen sich auf das Lite- raturverzeichnis (beim Sonderdruck)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Gesundheitsberatung

psychosoziale Situation seiner Pa- tienten. Hierfür ist insbesondere das charakteristische Vertrauens- verhältnis zwischen Patient und Arzt maßgeblich (6).

In der Bundesrepublik Deutsch- land mißt die Bevölkerung der Ärzteschaft grundsätzlich eine be- sondere Kompetenz bei Fragen der Gesundheit einschließlich der Gesundheitsberatung zu. Sicher- lich sind gerade der persönliche Kontakt zum Patienten und zu sei- ner Familie, der Einblick in die Verhaltensweisen und Lebensge- wohnheiten, in die Probleme und Nöte des einzelnen eine gute Ba- sis für den Arzt, gesundheitsbera- tend tätig zu werden. Eine erfolg- reiche Gesundheitsberatung setzt

— wenn sie sich auf die gegenwär- tig bedeutsamen Volkskrank- heiten bezieht — neben einer pro- funden Kenntnis der Risikoentste- hung und der Risikowirkungsme- chanismen auch voraus, daß Sprachbarrieren überwunden und spezielle Gesprächstechniken er- lernt werden. „Generationen von Ärzten haben ihre berufliche Pra- xis auf der Basis ihres spontanen Sprachverhaltens eingeübt.

Doch es gibt Unterschiede: Wer besonders die somatisch orien- tierte Medizin betont, erfährt vom Durchschnittspatienten nur wenig mehr als die Antworten auf seine detaillierten Fragen nach Be- schwerden. Wer dagegen Psyche und Soma gleichgewichtet, wird auch zum Vertrauten und Ratge- ber in Entscheidungsfragen, per- sönlichen Krisen, bei familiären Problemen ..." (7).

Soll der Arzt künftig weiter seine tragende Funktion in der Gesund- heitsberatung behalten, so reicht das in Aus-, Weiter- und Fortbil- dung erworbene klassische ärzt- liche Wissen über Krankheitsursa- chen, -verläufe und Heilungsmög- lichkeiten nicht mehr aus. Um zu erreichen, daß der Patient ge- sundheitsschädigendes Verhalten abbaut bzw. gar nicht erst entwik- kelt, muß der Arzt — auf dem be- stehenden Vertrauensverhältnis

aufbauend — eine offene, weniger direktive Gesprächsatmosphäre schaffen und auf dieser partner- schaftlichen Basis den Patienten zu gesundheitsbewußtem Verhal- ten anleiten. 86 Prozent der Er- wachsenenbevölkerung sehen den Arzt als kompetenten Ge- sundheitsberater an (8). Viele Ärz- te sind jedoch im Hinblick auf die Anwendung geeigneter Ge- sprächstechniken — dies gilt so- wohl für das Einzel- als auch das Gruppengespräch — nicht ausrei- chend vorbereitet, um diese Viel- zahl von Kontakten gesundheits- beratend noch wirkungsvoller als bisher wahrzunehmen. Fragen und Zuhören sind gleichermaßen wichtig und als Dialogtechnik lehrbar und daher lernbar.

Grundsätzlich sei überhaupt die Frage erlaubt, ob ein Arzt auf der Basis der bestehenden Aus- und Weiterbildungsordnung sowie der gegenwärtigen Fortbildungsange- bote diesen Erwartungen der Be- völkerung in vollem Umfange ge- recht werden kann. Es ist nach un- serer Auffassung insbesondere Aufgabe der Allgemeinmedizin, sich intensiver als bisher mit Fra- gen der Gesundheitsberatung auseinanderzusetzen. Gesund- heitsberatung ist ein lebensbe- gleitender Prozeß, „der mehr for- dert als die Weitergabe von Fak- tenwissen über Risikofaktoren oder das Anraten von Konsumver- zicht" (9).

Die gesundheitspolitischen und die epidemiologischen Diskussio- nen über die Bekämpfung moder- ner Volkskrankheiten haben bei Gesundheitspolitikern, Wissen- schaftlern und in der ärztlichen Berufsausübung die oben skiz- zierten Defizite deutlich werden lassen und zu einem kritischen Überdenken der gegenwärtigen Praxis ärztlicher Gesundheitsbe- ratung geführt. Es war nicht zu- letzt gerade die Deutsche Herz- Kreislauf-Präventionsstudie, die seit 1979 zunehmend das Bewußt- sein der Zielgruppen schärfte, die für eine Prävention im allgemei- nen und für eine ärztliche Ge-

sundheitsberatung im besonde- ren in Frage kommen.

Der Umstand, daß diese spezielle ärztliche Aufgabe bisher nicht ausreichend wahrgenommen wurde, liegt jedoch nicht nur in den derzeit noch feststellbaren Mängeln in Aus-, Weiter- und Fort- bildung begründet. Auch der Um- stand, daß nach gegenwärtig gel- tendem Recht die Gesundheitsbe- ratung nicht Gegenstand der Lei- stungspflicht im Rahmen der ge- setzlichen Krankenversicherung ist, hat sicherlich zu einer Ver- nachlässigung dieser Aufgabe beigetragen (10).

Der Stellenwert ärztlicher Gesundheitsberatung in der Gesundheitspolitik

Vor dem Hintergrund der im Vor- angegangenen skizzierten Situati- onsanalyse haben sich insbeson- dere seit 1980 Fachbeiträge mehr und mehr mit den gesundheitspo- litischen Aspekten der Gesund- heitsberatung befaßt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang auch an die Äußerung des Niedersäch- sischen Sozialministers vom 16.

April 1980, der den Grundsatz ver- tritt, daß die Pflicht zu einer ge- sunden Lebensführung dann be- stehe, wenn die Freiheit zu eigen- verantwortlichem Leben bean- sprucht würde. Gesundheitsbe- wußter zu leben, Gesundheitswis- sen zu verbessern, Einstellungen jedes einzelnen im Umgang mit seiner Gesundheit und sein Ver- halten zu verändern — ohne Äng- ste auszulösen, müßten als ge- sundheitspolitische Forderungen erhoben werden. Damit könne ein

„höchst persönlicher" Beitrag zur Kostendämpfung im Gesundheits- wesen geleistet werden (11).

Hervorzuheben ist ferner der Ver- trag über die Durchführung eines Modellversuches „Gesundheits- beratung und Gesundheitsförde- rung" aus dem Jahre 1980 zwi- schen dem Verband der Ortskran- kenkassen Rheinland und der 3676 (24) Heft 49 vom 4. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Für die Gesundheits- beratung wurde außerhalb der Gesamtvergütung ein Honorar von 55 DM gezahlt, für die Wieder- holungsberatung 27,50 DM, für die Gesundheitsberatung im Zu- sammenhang mit einer Krebsfrüh- erkennungsuntersuchung 49 DM.

Im Jahre 1982 ist von der Ärzte- schaft darauf hingewiesen wor- den, daß die Einbeziehung der Gesundheitsberatung in eine Ge- bührenordnung zu einer sinnvol- len Umstrukturierung und Rela- tionsverschiebung der bisheri- gen, nicht ausgewogenen Bewer- tungsmaßstäbe führen werde.

Die Bundesregierung hat im Jahre 1982 die Auffassung vertreten, es sei erforderlich, "den Bürger durch Aufklärung und Erziehung, über Beratungsangebote und sonstige Hilfen instand zu setzen und zu motivieren, schädigende Einflüsse in seinem Leben weitge- hend zu vermeiden" (12). Die Ana- lyse der Gesundheitsverhältnisse in der Bundesrepublik Deutsch- land zeige, daß sich in unter- schiedlichen Organisationsfor- men und Ansprüchen ein deutlich aktiviertes Gesundheitsbewußt- sein der Bürger manifestiert.

"Diese Entwicklung wird von der Bundesregierung begrüßt und ge- fördert. Noch unbefriedigende Er- folge bei der Wahrnehmung von Früherkennungsmaßnahmen von Krankheiten und Behinderungen, bei der Aufklärung über falsche Eß- und Trinkgewohnheiten oder beim Mißbrauchsverhalten wider- legen diese Tendenz nicht. Es ist nicht zu erwarten, daß ein verbes- sertes Gesundheitsbewußtsein schlagartig eingefahrene Verhal- tensweisen und Voreingenom- menheiten überwindet" (13).

So ist es nicht überraschend, wenn in den "Zehn Grundsätzen"

(14) des Bundesarbeitsministers die "Eigenverantwortung für die Gesundheit" besonders hervorge- hoben wird. "Zur Unterstützung eines kritischen Gesundheitsbe- wußtseins bedarf es

..".. einer kontinuierlichen Ge- sundheitserziehung, die in der Fa- milie beginnt und in der Schule fortgesetzt wird,

..".. verbesserter Information über Gesundheitsgefahren und Krank- heitsursachen, wie Belastungen durch Umwelt, Arbeitsplatz, StreB- gefahren, Bewegungsarmut, Fehl- ernährung und Suchtgefahren, ..".. ergänzender Angebote der Gesundheitsbildung, die das Grundwissen über gesundheitser- haltende und gesundheitsfördern- de Lebensweise vertiefen.

Bundesregierung und Selbstver- waltung von Ärzten und Kranken- kassen sollten dazu ein geschlos- senes Konzept zur Gesundheits- erziehung, gesundheitlichen Auf- klärung und Gesundheitsbera- tung vorlegen" (15).

Die Gesundheitsberatung wird al- so ausdrücklich als ein Aspekt hervorgehoben, der in einem ge- sundheitspolitischen Gesamtkon- zept nicht fehlen darf.

Gebührenordnungs- palitische und gebühren- ordnungsrechtliche Aspekte der

Gesundheitsberatung

Wenn es um die Einordnung der Gesundheitsberatung in die Ge- bührenordnung für Ärzte und die Vertragsgebührenordnungen geht, sind mehrere Teilaspekte zu beachten:

C> Bestehende unrichtige Bewer-

tungen ärztlicher Leistungen,

C> Teilleistungen innerhalb der

Gesamtleistung "Gesundheitsbe- ratung",

C> Berücksichtigung bestehen-

der, unterschiedlicher Gebühren- ordnungsziffern/-legenden,

C> Einzelberatung/Gruppenbera-

tung,

C> Praxiskosten,

C> Zeitaufwand/Schwierigkeits-

grad,

C> Konsilium,

C> Gesundheitsberatungen von

Kindern/Jugend! ichen,

C> mögliche

nen,

Zuschlagspositio-

C> Gesundheitsberatung und

Früherkennungsuntersuchungen sowie Kurnachbetreuung,

C> Dokumentation,

C> Häufigkeit der Abrechnung.

Sicherlich könnten auch weitere Teilaspekte aufgeführt werden. An dieser Stelle soll jedoch nur auf die wichtigsten gebührenord- nungsrelevanten Bewertungstat- bestände aufmerksam gemacht werden.

Seit dem 1. April 1985 gilt eine Vereinbarung über die präventive Gesundheitsberatung durch Kas- senärzte zwischen der Kassen- ärztlichen Vereinigung Nordrhein und dem Landesverband der Be- triebskrankenkassen Nordrhein- Westfalen/Betriebskrankenkasse Bayer AG. Danach ist vorgesehen, Patientengruppen mit Risikoge- fährdung (Übergewicht, Rauchen, Bewegungsmangel, Bluthoch- druck, StreB) einer Gesundheits- beratung zuzuführen. An dieser Beratung können niedergelasse- ne Kassenärzte für Allgemeinme- dizin/praktische Ärzte sowie Inter- nisten teilnehmen. Die Gesund- heitsberatung soll in der Regel 30 Minuten dauern, die Wiederho- lungsberatung 15 Minuten. Als Vergütung wird für die Gesund- heitsberatung 80 DM, für die Wie- derholungsberatung 40 DM ge- zahlt.

Dabei ist zu beachten, daß eine Vergütung nicht gezahlt wird, wenn es sich um die Untersu- chung eines Patienten handelt, der sich bei dem Arzt wegen einer Herz-, Kreislauf-, Stoffwechseler-

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Gesundheitsberatung

krankung und/oder chronischen Erkrankung der Atmungsorgane in ständiger ärztlicher Behand- lung befindet.

Die ärztliche Gesundheitsbera- tung besteht nach dieser Verein- barung aus

1> der Erhebung der Anamnese,

> einer eingehenden Untersu- chung,

> einer Teststreifenuntersu- chung,

> einem eingehenden Bera- tungsgespräch,

I> der Dokumentation

Hält der Arzt aufgrund der Unter- suchung und dem Ergebnis der Beratung eine Wiederholung der Gesundheitsberatung für zweck- mäßig, kann er von sich aus ge- genüber dem Untersuchten eine solche Empfehlung aussprechen (16).

In der Vereinbarung der Kassen- ärztlichen Vereinigung Nordrhein aus dem Jahre 1980 (Modellver- such „Gesundheitsberatung und Gesundheitsförderung") wird un- terschieden zwischen den

(A) durch Umstellung der Le- bensgewohnheiten veränderba- ren Risikofaktoren (Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel, Streß) und

(B) durch medikamentöse Be- handlung und/oder Umstellung der Lebensweise veränderbaren Risikofaktoren (Hypertonie und Diabetes (17)).

Auch in den Vereinbarungen der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen mit dem Landes- verband der Innungskrankenkas- sen und dem Landesverband der Betriebskrankenkassen (Ende 1983/Anfang 1984) kommen meh- rere oben genannte Teilaspekte für die Einordnung der Gesund- heitsberatung in Gebührenord- nungen zum Ausdruck. Denn Ana- mneseerhebung, eingehende Un- tersuchung, Teststreifenuntersu- chungen, Beratungsgespräch und Dokumentation sind in die Ver- tragsleistung einbezogen worden (18).

Tabelle 1 faßt wichtige Gesichts- punkte einer präventiven Gesund- heitsberatung zusammen.

Die Gesundheitsberatung kann weder mit der Beratung nach Nr. 1

noch nach Nr. 1 b GOA in Relation gesetzt werden, da die Leistungs- inhalte verschieden sind und die Bewertungen in der GOA/BMÄ/E- GO selbst im Hinblick auf die hier relevanten Positionen nicht rela- tionsgerecht sind:

Nr. 1 Beratung

Nr. 1 b eingehende Beratung Nr. 65 eingehende Untersuchung Nr. 65 a eingehende Untersu- chung (Kinder bis zum 4. Lebens- jahr)

Nr. 65 b eingehende Untersu- chung (Zuschlag)

Nrn. 70 ff Früherkennungsunter- suchungen

Nr. 849 psychotherapeutische Be- handlung;

dazugehörende Abrechnungs-/

Wirtschaftlichkeitsbestimmungen.

Auf die „unrichtigen" Bewertun- gen wird ebenfalls in den schon erwähnten „Zehn Grundsätzen"

des Bundesarbeitsministers hin- gewiesen.

Abgesehen von der Frage der Re- lationsgerechtigkeit ist das Pro- blem der Erweiterung gesetzli- cher Grundlagen anzusprechen.

Nach § 181 a der Reichsversiche- rungsordnung kann der Bundes- arbeitsminister im Einvernehmen mit dem Bundesgesundheitsmini- ster durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates über § 181 RVO hinaus weitere Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten vorsehen, wenn

> es sich um Krankheiten han- delt, die wirksam behandelt wer- den können,

> das Vor- oder Frühstadium die- ser Krankheiten durch diagnosti- sche Maßnahmen erfaßbar ist, I> die Krankheitszeichen medizi- nisch-technisch genügend ein- deutig zu erfassen sind,

> genügend Ärzte und Einrich- tungen vorhanden sind, um die aufgefundenen Verdachtsfälle Tabelle 1

Kurzbeschreibung „Präventive Gesundheitsberatung"

Region: KV Niedersachsen

Zielgruppe: 30- bis 50jährige Versicherte der Innungs- krankenkassen in Niedersachsen

Berechtigte Ärzte: Kassenärzte in Niedersachsen, soweit es sich um Allgemeinärzte und Internisten handelt Leistungsangebot: 2 präventive Gesundheitsberatungen zu den

Risikofaktoren:

— Übergewicht — Bluthochdruck

— Rauchen — falsch verarbeiteter

— Bewegungsmangel Streß Vergütung: Erstberatung 80 DM

Zweitberatung 40 DM

Einladungsmodus: vierteljährlich 10 Prozent der Anspruchsbe- rechtigten

Zielsetzung: gesundheitsgerechtes Verhalten über die

„Hilfe zur Selbsthilfe"

Quelle: Niedersächsisches Ärzteblatt, Heft 23/1983

3678 (28) Heft 49 vom 4. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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Relationsgerechte Bewertung Nr. 1 b (15 Min.)

30 Minuten

Relationsgerechte Bewertung Nr. 65/65 a/65 b

Relationsgerechte Bewertung Nr. 849 Zusätzlich: Laboruntersuchungen, Dokumentation

Einschließlich: Praxiskosten

(30 DM) 60 DM 20/25 DM 40/50 DM

120/135 Tabelle 2

Komponenten der Bewertung Honorierung eingehend zu diagnostizieren und

zu behandeln.

Früherkennung von Krankheiten betrifft lediglich die sekundäre Prävention. Wenn die primäre Prävention mit Gesundheitsbera- tungen durch Ärzte gefördert wer- den soll, muß eine entsprechende Ergänzung dieser Gesetzesgrund- lage vorgesehen werden.

Die Gesundheitsberatung enthält sicher Teile der bisherigen Bera- tung nach Nr. 1/1 b, aber auch der Früherkennungspositionen, der Position über Jugendarbeits- schutzuntersuchungen und der psychotherapeutischen Behand- lung. Die neue Leistung muß aber auch die Bewertung von Praxisko- sten, des Zeitaufwandes und des Schwierigkeitsgrades berücksich- tigen. Diese Teilaspekte sind ebenfalls Bestandteile der Gebüh- renfestsetzungen. Dabei sind zu- nächst Durchschnittswerte einzu- beziehen.

Ferner ist zu empfehlen, daß bei der Gesundheitsberatung neben Einzel- auch Gruppenberatungen abrechenbar werden. Die jetzi- gen Gebührenordnungen kennen solche Unterscheidungen bereits bei anderen ärztlichen Leistun- gen. Auch die Angabe einer Zeit- dauer sowie der Zahl der an einer Gruppe Beteiligten sind schon heute Elemente von Leistungsle- genden.

Die Zahl der im Einzelfall auftre- tenden Risikofaktoren beeinflußt ebenfalls die Höhe der Bewertung einer Gebührenordnungsposition für die Gesundheitsberatung, da Schwierigkeitsgrad und Zeitauf- wand mit größerer Zahl von Risi- kofaktoren im Einzelfall zuneh- men. Entsprechendes gilt auch bei Gesundheitsberatungen von Kindern/Jugendlichen, da hierbei auch die Bezugs-/Kontaktperso- nen von Bedeutung sind.

Im Einzelfall, aber auch bei Grup- pen, kann es durchaus notwendig werden, ein Konsilium auch ein gebietsübergreifendes — durchzu-

führen. Die Bewertung der Ge- sundheitsberatung hat auch die- sen Aspekt zu berücksichtigen.

Ein besonderer Tatbestand ist dann gegeben, wenn eine Ge- sundheitsberatung im Rahmen ei- ner Kurnachbetreuung „fällig"

wird (Modell Bad Sachsa). In der Literatur ist darauf besonders hin- gewiesen worden: „Die Gesund- heitsberatung könnte in die Kur- nachbetreuung mit einbezogen oder gesondert angeboten wer- den. Sie ist eine originäre Aufga- be des Arztes. Es gilt, die während der Kur begonnenen Gesund- heitsinformationen fortzusetzen, wobei einmal allgemeine Gesund- heitsinformation, bestimmte Kör- perfunktion betreffend, und spe- zielle, Risikofaktorenträger be- treffend unterschieden werden könnten. Erst durch regelmäßige Treffen wird es gelingen, eine ef- fektive und effiziente primäre, se- kundäre und tertiäre Prävention durchzuführen" (19).

Empfehlungen für eine relationsgerechte

Honorierung der ärztlichen Gesundheitsberatung

Unter Beachtung aller Teilaspekte bei der Bewertung kann davon ausgegangen werden, daß eine Gesundheitsberatung folgende Inhalte umfassen sollte:

O Anamnese

41) Eingehende körperliche Un- tersuchung

O Durchführung bestimmter La- boruntersuchungen

Ce

Beurteilung und Gewichtung von Risikofaktoren

O Eingehendes Gespräch über mögliche Risikodeterminanten

• Beratung und Motivation des Patienten durch individuelle Emp- fehlungen zur Vermeidung und zum Abbau gesundheitsschädi- gender Verhaltensweisen

el

Berücksichtigung einer Zeit- dauer von in der Regel 30 Minuten

(;) Dokumentation von Befunden und Empfehlungen.

Die bestehenden erwähnten Ge- bührenordnungspositionen bewe- gen sich in den Bewertungen nach der GOÄ zwischen 7,20 DM und 38 DM mit dazugehörenden Abrechnungsbestimmungen und unterschiedlichem Zeitaufwand.

Da diese Bewertungen und Be- stimmungen

nicht relationsgerecht bzw. an- gemessen sind,

> falsche Anreize geben,

(6)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Gesundheitsberatung

> Praxiskosten unrichtig wider- spiegeln,

E> Motivationen für Versicherten und Arzt nicht beachten,

> Zielsetzungen falsch einord- nen,

• Dokumentation und Zeitauf- wand falsch einschätzen,

I> Probleme der Compliance un- terschätzen,

muß von einer Grundbewertung zwischen 120 und 135 DM für eine Gesundheitsberatung ausgegan- gen werden (Tabelle 2 auf Seite 3679):

Für eine Wiederholungsberatung ist sicher von 75 Prozent dieses Wertes auszugehen, bei der drit- ten Beratung von 50 Prozent bei entsprechender Reduzierung der Dauer von Beratungen.

Gesundheitsberatungen, die mehr als zwei Risikofaktoren einschlie- ßen, müßten mit einem Zuschlag von 50 Prozent der Grundbewer- tung versehen werden. Das sollte auch bei Gesundheitsberatungen von Kindern/Jugendlichen erfol- gen, da der Schwierigkeitsgrad aufgrund der Einbeziehung von Eltern, Erziehungsberechtigten und sonstigen Bezugspersonen zunimmt.

Sollten Gruppenberatungen (Gruppe mit drei oder mehr Teil- nehmern) angezeigt erscheinen, wären pro Beteiligten mindestens 75 Prozent der Grundbewertung anzusetzen (Dauer mindestens 50 Minuten). Solche „Abstufungen"

sind in bisherigen Gebührenord- nungen keine fremden „Baustei- ne".

Abrechnungsbestimmungen, die die Nebeneinanderberechnung von Gesundheitsberatungen und anderen ärztlichen Leistungen ausschließen (zum Beispiel Konsi- lium, Früherkennungs-/Jugendar- beitsschutzuntersuchungen) soll- ten nicht vorgenommen werden,

um Zielsetzungen unterschied- licher Untersuchungen einerseits und Beratungen andererseits nicht zu vermischen. Schließlich könnten bei einer vorgenomme- nen Vermischung der angedeute- ten Zielsetzungen Motivationen reduziert bzw. beseitigt werden.

In diesem Zusammenhang muß an die Früherkennungsmaßnahmen von Krankheiten erinnert werden;

die Inanspruchnahme läßt nach wie vor zu wünschen übrig (20).

Daß die betriebsärztlichen Unter- suchungen und Beratungen als Vorsorge nach § 3 des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsin- genieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit nicht völlig isoliert von der primären Präven- tion betrachtet werden können, ist einsichtig.

Deshalb muß es selbstverständ- lich sein, daß sowohl niedergelas- sene Ärzte in Einzel- und Grup- penpraxen als auch angestellte/

beamtete Ärzte (Betriebsärzte, Ärzte in Krankenhäusern und Sa- natorien, Badeärzte) kooperieren sollten, um die Ziele von Gesund- heitsberatungen zu erreichen.

Diese Ziele und Aufgaben der Be- ratung sind im einzelnen:

„— den Patienten befähigen, sein Problem angemessen zu artikulie- ren,

— ihm weiterhin zu helfen, die

„Grundbedingungen" seines

„Problems" zu verstehen,

— den Patienten motivieren, ge- sund zu werden (bzw. zu bleiben, Anmerkung der Verfasser); hier- bei besonders dessen Selbsthilfe- fähigkeit entwickeln und stärken, die der Patient dazu einsetzen kann, die psychosozialen Risiko- faktoren im Umfeld seiner Krank- heit angemessen zu bewältigen,

— Erfordernisse, Art und Umfang der Behandlung sowie die Medi- kation verständlich und einsichtig machen: hierbei mit den Ängsten

und Abwehrhaltungen des Patien- ten umgehen,

— Patienten befähigen, andere

„Hilfsquellen" (zum Beispiel psy- chohygienische Beratungsstellen) aufzusuchen: hierbei Abhängig- keitswünsche des Patienten er- kennen und aufgreifen,

— schließlich den Patienten in die Lage versetzen, künftige Erkran- kungen (nach Möglichkeit) zu ver- meiden" (21).

Schlußbemerkungen

Die gebührenordnungstechni- sche Einordnung der Gesund- heitsberatungen mit Wiederho- lungsberatungen sowie mit Zu- schlagspositionen läßt sich leicht vollziehen. Die GOÄ enthält jetzt schon einen Abschnitt über prä- ventive Untersuchungen. Hier müßte eine Gliederung in „Ge- sundheitsberatungen" und in

„Früherkennungsuntersuchun- gen" vorgenommen werden. Da Ende des Jahres 1985 der Bun- desarbeitsminister einen Erfah- rungsbericht zur GOÄ vorlegen wird, müßte hierin auch die Frage der Weiterentwicklung dieser Ge- bührenordnung enthalten sein.

Die Ärzteschaft geht davon aus, daß zu dieser Weiterentwicklung auch die ärztliche Gesundheitsbe- ratung gehören wird, nachdem das gesundheitspolitische Signal in den „Zehn Grundsätzen" des Bundesarbeitsministers — sicher mit Zustimmung des Bundesge- sundheitsministers — auf „grün"

gestellt worden ist.

Literatur bei den Verfassern Anschrift der Verfasser:

Prof. Dr. med. Horst Bourmer Dr. rer. pol. Hansheinz Kreuter Dr. rer. pol.

Hans-Joachim Schlauß Godesberger Allee 54 5300 Bonn 2

3680 (32) Heft 49 vom 4. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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