A3056 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 44⏐⏐2. November 2007
S T A T U S
ein Problem, von dem der Arzt zu- meist nur indirekt betroffen ist. Die Beschwerden landen bei der Mitar- beiterin an der Anmeldung. In diesen Fällen hat diese Mitarbeiterin viel- leicht Entscheidendes zu der Überle- gung beizutragen, wie die Patienten- orientierung und die Patientenbin- dung verbessert werden können. Des Weiteren gilt: Jede Mitarbeiterin lebt in einem privaten Umfeld – und dort ist sie Patientin anderer Ärzte. Auch ihr Partner und die Kinder sammeln
„fremde Praxiserfahrungen“. „War- um sollen die Mitarbeiterinnen nicht motiviert werden, bei ihren Praxis- besuchen darauf zu achten, wie es die anderen machen?“, fragt der Augenarzt aus Heilbronn. Die Aus- wertung der Beobachtung, wie zum Beispiel der Kinderarzt lange Warte- zeiten und volle Wartezimmer ver- meidet oder der Orthopädie-Kollege einen großen Patientenzustrom we- gen seiner exzellenten und außer- gewöhnlichen Patientenbetreuung erreicht, kann auf die eigene Praxis übertragen werden.
In der freien Wirtschaft hat sich dafür der Begriff „Benchmarking“
etabliert. Darunter wird eine Wett- bewerbsanalyse verstanden, bei der die Prozessabläufe und Manage- mentpraktiken im eigenen Unter- nehmen mit denen verglichen wer- den, die beim führenden Konkur- renten ablaufen – in einer anderen Praxis oder einem Krankenhaus.
Von anderen Ärzten lernen In der Freizeit geht die Mitarbeiterin einem Hobby oder einer ehrenamtli- chen Tätigkeit nach, die in einem kleineren Rahmen strategisches Denken und Handeln voraussetzt.
Wer als Vorsitzende des Sportver- eins eine Sportwoche organisiert oder als Mitglied der schulischen Elternpflegschaft als „Beziehungs- managerin“ zwischen Lehrern, El- tern und Schülern vermittelt, ent- wickelt strategische Fähigkeiten, auf die der Arzt nicht verzichten sollte. Wichtig ist dabei, dass der Arzt „Spielplätze“ zur Verfügung stellt und institutionalisiert, auf de- nen sich das strategische Potenzial entfalten kann. Angenehmer Neben- effekt: Die Angestellten fühlen sich ernst genommen.
Im klassischen Strategie-Meeting diskutieren Mitarbeiterinnen und Arzt gemeinsam Fragen wie:
„Stimmt unsere strategische Aus- richtung noch oder ist eine Anpas- sung oder gar Änderung notwen- dig?“ Und: „Wie und was können wir von anderen Praxen lernen? Wie können wir uns von der Konkurrenz abheben?“ In dem Meeting bittet der Arzt die Mitarbeiterinnen offen- siv um kreative Ideen zum Thema
„Strategie“. Dabei spricht nichts da- gegen, gute Vorschläge zu prämie- ren, um die Motivation im Team hochzuhalten.
Denkbar ist zudem ein informel- les Mitarbeiterinnentreffen – etwa ein Strategie-Stammtisch, an dem der Arzt nicht teilnimmt. Oder der Arzt räumt ihnen das Recht ein, in der Praxis ein kleines Strategie-Pro- jektteam zu bilden, das sich regel- mäßig trifft. Die Strategiespielplät- ze müssen keine Dauereinrichtung sein. Forciert eingesetzt werden sie vor allem in Zeiten der Neuorientie-
rung. I
Karin und Michael Letter E-Mail: info@5medical-management.de
GOÄ-RATGEBER
Eingehende psychiatrische Untersuchung
Die Gebührenpositionen für die eingehende psychiatrische Unter- suchung sind in der Amtlichen Ge- bührenordnung für Ärzte (GOÄ) im Abschnitt G „Neurologie, Psychia- trie und Psychotherapie“ aufge- führt. Strittig ist hier neben dem Leistungsinhalt auch zuweilen, welche Leistungen daneben be- rechnet werden dürfen.
Die Leistungslegende der Nr. 801 GOÄ „Eingehende psychiatrische Untersuchung – gegebenenfalls unter Einschaltung der Bezugs- und/oder Kontaktperson“ führt die zu erbringenden Untersuchungs- bestandteile nicht detailliert auf.
Deutlich wird jedoch schon aus der Formulierung „eingehende psy- chiatrische Untersuchung“, dass eine symptombezogene psychiatri- sche Untersuchung nicht nach der
Nr. 801 GOÄ berechnet werden kann. Hierfür kann die originäre Nr. 5
„Symptombezogene (psychiatrische) Untersuchung“ zum Ansatz kommen.
Eine vollständige psychiatrische Untersuchung schließt folgende Be- reiche ein: Bewusstsein, Orientie- rung, kognitiv-mnestische Funktio- nen, Affekt, Antrieb, Wahrnehmung, inhaltliches und formales Denken, Ich-Störungen. Hier gilt wie bei der neurologischen Untersuchung nach Nr. 800 GOÄ, dass nicht zwingend alle Teilbereiche untersucht werden müssen, damit die Nr. 801 GOÄ an- gesetzt werden kann. Die Bewer- tung der Nr. 801 GOÄ (250 Punkte) gegenüber der Nr. 800 GOÄ (195 Punkte) zeigt jedoch, dass die meis- ten der Teilbereiche untersucht worden sein sollten, um die Verhält- nismäßigkeit der Bewertung Nr. 801 GOÄ gegenüber anderen Untersu- chungen nicht zu verletzen. Da die Beratung der Bezugs- und/ oder
Kontaktperson ein fakultativer Leistungsbestandteil der Nr. 801 GOÄ ist, können weder die Nr. 4 GOÄ „Erhebung der Fremdanam- nese … und/oder Unterweisung
… der Bezugsperson …“ noch die Nr. 835 GOÄ „Einmalige … Fremdanamnese über einen psy- chisch Kranken …“ daneben be- rechnet werden. Die Anamnese und Beratung der erkrankten Per- son ist je nach Aufwand mit den üblichen Beratungsleistungen nach Nr. 1 oder 3 GOÄ berech- nungsfähig. Bei Kindern und Ju- gendlichen könnte zu Beginn einer Behandlung auch die Nr. 807 GOÄ
„Erhebung einer biografisch psy- chiatrischen Anamnese …“ oder bei Erwachsenen die Nr. 860 „Er- hebung der biografischen Anam- nese unter neurosenpsychologi- schen Gesichtspunkten …“ not- wendig sein, die neben der Nr. 801 GOÄ berechnungsfähig sind.
Eine Kombination der Nr. 801 GOÄ mit der Nr. 804 „Psychiatri- sche Behandlung durch eingehen- des therapeutisches Gespräch…“
oder der Nr. 806 GOÄ „Psychiatri- sche Behandlung durch gezielte Exploration und eingehendes the- rapeutisches Gespräch…“ ist, außer zu Beginn einer Behand- lung, nicht regelhaft medizinisch notwendig. Die Kombination der Nrn. 801 und 804 oder 806 GOÄ könnte im Verlauf einer Behand- lung notwendig werden, wenn sich durch eine deutliche Änderung des Krankheitsbildes erneut die medi- zinische Indikation ergibt, eine ein- gehende psychiatrische Untersu- chung durchzuführen, oder wenn gar eine neue psychiatrische Er- krankung auftritt. Die Exploration gradueller Änderungen der Sym- ptomatik ist Leistungsbestandteil sowohl der Nr. 804 als auch der Nr. 806 GOÄ. Dr. med. Anja Pieritz