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Archiv "Psychiatrische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter: Langzeittherapie und Verlauf" (18.09.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

KONGRESS-BERICHT

Neben dem in den Titel übernom- menen ersten Hauptthema war für diese Tagung vom 6. bis 8. Mai 1985 in Mannheim ein zweites Hauptthema bestimmend: Die Rolle des Vaters in der Entwick- lung des Kindes.

Erstmals waren in den Kongreß zweitägige Arbeitsgruppen für Mitarbeiter des Pflege- und Erzie- hungsbereiches vorgesehen, die folgenden Themen gewidmet wa- ren:

— Begleitende Elternarbeit (F.

Mattejat, Marburg),

— Alltagsschwierigkeiten bei der Betreuung von anorektischen und bulimischen Patienten (G. Lehm- kuhl, Mannheim),

— Auseinandersetzung mit ag- gressivem und dissozialem Ver- halten (F. Poustka, Münster),

— Übertragungsprobleme in der stationären Psychotherapie Ju- gendlicher (J. Zauner, Göttingen),

— Umgang mit schizophrenen Ju- gendlichen (T. Schönfelder, Ham- burg).

Dieses neue Experiment hatte überwältigenden Erfolg: es hatten sich 287 Schwestern, Pfleger, Er- zieher, Krankengymnasten und Beschäftigungstherapeuten ge- meldet und an den Gruppen teil- genommen.

Die Referate und Diskussionen zum ersten Hauptthema (Lang- zeittherapie und Verlauf psychia- trischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter) beschäftigten sich mit einer Vielzahl von Fra- gen: die Bedeutung von Reifungs- prozessen wurde in mehreren Re- feraten hervorgehoben. So zeig- ten Untersuchungen von Prechtl, daß 80 Prozent der neurologisch auffälligen Säuglinge später einen normalen neurologischen Befund aufweisen. Hier erfolgt also eine Nachreifung. Andererseits gibt es eine Reihe von kinderpsychiatri- schen Störungen (insbesondere expansive Störungen, dissoziales und delinquentes Verhalten), bei denen sich auch später noch Rei- fungsdefizite nachweisen lassen.

In vielen Referaten wurde auf die Geschlechterunterschiede einge- gangen. Das bekannte Muster, wonach Jungen vor der Pubertät wesentlich häufiger psychische Störungen aufweisen als Mäd- chen, ändert sich nach der Puber- tät für emotionale Erkrankungen, die dann bei Mädchen deutlich häufiger auftreten.

Im Hinblick auf den Spontanver- lauf kinder- und jugendpsychiatri- scher Erkrankungen können drei Verlaufstypen unterschieden wer- den: Störungen und Erkrankun- gen mit Frühmanifestation (im frü- hen Kindesalter), kontinuierliche

Störungen (die im Kindesalter be- ginnen und sich bis ins Jugendal- ter oder Erwachsenenalter fort- setzen) und neuauftretende Stö- rungen (solche, die im Jugendal- ter beginnen).

Die zuletzt genannten Störungen unterscheiden sich von den bei- den anderen dadurch, daß sie häufiger bei Mädchen vorkom- men, keinen Zusammenhang mit Reifungsrückständen oder Erzie- hungsproblemen zeigen und we- niger häufig mit pathologischen Familiensituationen assoziiert sind.

Eine ausführliche Darstellung und Diskussion war dem Risikokon- zept gewidmet, wobei auch gängi- ge „Vorurteile" diesbezüglich zur Sprache kamen. Zu diesen gehö- ren zum Beispiel voreilige Verall- gemeinerungen, wonach frühe Belastungen, Väter mit bestimm- ten Berufen und sogenannte

„schwache Väter" für kinder- psychiatrische Erkrankungen ver- antwortlich sind. In dieser gene- rellen Form läßt sich dies ebenso- wenig halten wie die schon als hi- storisches Vorurteil anzusehende

„schizophrenogene Mutter".

Das zweite Hauptthema (Rolle des Vaters in der Entwicklung des Kin- des) wurde anhand von Über- sichtsreferaten und einzelnen em- pirischen Untersuchungen einge- hend behandelt. Die Vorträge zeigten, daß die veränderte Rolle des Vaters auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Wandlungen gesehen werden muß. Diese gin- gen sehr eindeutig in die Rich- tung einer starken Rollenver- schiebung zwischen Mann und Frau, wobei Frauen immer mehr diejenigen Rollen übernommen haben, die früher als „männlich"

definiert wurden. In gleichem Ma- ße wurde es dann als Folge auch für Männer möglich, herkömm- liche Frauenrollen zu überneh- men. Untersuchungen an alleiner- ziehenden Vätern zeigen, daß die- se, fast ebensogut wie Mütter, für Pflegehandlungen geeignet sind und auch ganz ähnliche Verhal-

Psychiatrische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter:

Langzeittherapie und Verlauf

Kurzbericht über die 19. Wissenschaftliche Tagung

der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Mannheim

mit Stellungnahmen:

a) zur Frühförderung behinderter Kinder;

b) zur generellen Einführung der 5-Tage-Woche für Schüler;

c) anläßlich des Gesetzes zur Neuregelung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 38 vom 18. September 1985 (71) 2743

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Psychiatrische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter

tensweisen wie Mütter zeigen.

Dies war das Fazit des Übersichts- referates von M. Papouäek (Mün- chen).

Ferner wurden auf der 19. Wissen- schaftlichen Tagung der DGKJ drei Stellungnahmen verabschie- det und der Öffentlichkeit überge- ben, die im folgenden abgedruckt sind:

Stellungnahme

zur Frühförderung von behinderten Kindern

Die Deutsche Gesellschaft für Kin- der- und Jugendpsychiatrie hat auf ihrer 19. Jahrestagung vom 5. bis 8. Mai 1985 in Mannheim ei- ne Stellungnahme zur Frühförde- rung behinderter Kinder erarbei- tet.

Frühförderung beinhaltet Früher- fassung, Früherkennung, Frühdia- gnose, Frühtherapie und Frühbe- treuung behinderter und von Be- hinderung bedrohter Säuglinge und Kleinkinder; sie schließt psy- chosoziale Hilfen für die Familien mit ein. Frühförderung ist von Be- ginn an interdisziplinär ausgerich- tet und wird familienorientiert mo- bil im natürlichen Umfeld des Kin- des, selten auch ambulant oder stationär in Einrichtungen durch- geführt. Ärztliche, psychologi- sche, sonderpädagogische und heilpädagogische, sozialrecht- liche und — gesellschaftlich — inte- grierende Aspekte sind als Be- standteile eines ganzheitlichen Konzeptes zu berücksichtigen.

Der spezifische Beitrag des Kin- der- und Jugendpsychiaters im

Rahmen der Frühförderung be- steht darin, in Kooperation mit an- ders qualifizierten Berufsgruppen einen bestimmten Anteil des Auf- gabenbereiches zu übernehmen, entsprechend den in der Weiter- bildungsordnung definierten Auf- gaben des Fachgebietes.

Es erscheint ratsam, regionale Frühförderstellen um ein größe- res Zentrum zu gruppieren, damit

die aufwendigen diagnostischen Verfahren rational genutzt werden können. Hier ergeben sich viele Möglichkeiten der Kooperation zwischen Kinderkliniken, kinder- und jugendpsychiatrischen Ein- richtungen oder sozialpädiatri- schen Zentren. Eine qualifizierte wissenschaftliche Begleitung von Frühförderungsmaßnahmen ist dringend erforderlich, um zu ver- hindern, daß nichterprobte oder nichtwirksame Verfahren durch- geführt werden. Eine derartige Begleitforschung wird von der Deutschen Gesellschaft für Kin- der- und Jugendpsychiatrie nach- drücklich unterstützt.

Der volle Wortlaut der Stellung- nahme kann bei der wissenschaft- lichen Informations- und Presse- stelle der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychia- trie, Hans-Sachs-Str. 6, 3550 Mar- burg, angefordert werden.

Stellungnahme zur

generellen Einführung der 5-Tage-Woche für Schüler Berichte über zunehmendes Fehl- verhalten von Schülern als Folge der 5-Tage-Woche und wachsen- de Klagen von Eltern und Eltern- verbänden veranlassen den Vor- stand der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpschiatrie zu folgender Stellungnahme:

Seit Einführung der partiellen oder vollständigen 5-Tage-Woche an den Schulen in den einzelnen Bundesländern lassen sich die Folgen dieser Beschulungsform in folgenden Thesen darstellen:

I> Die Umverteilung des Sams- tagunterrichts auf die übrigen Ta- ge der Woche hat zu einer Anhäu- fung von 6-Stunden-Tagen mit insbesondere für Grundschüler unzumutbarer Mehrbelastung ge- führt.

Der notwendige Förderunter- richt für leistungsschwache Schü- ler führt gerade in dieser begrenzt leistungsfähigen Schülergruppe

zu weiteren zusätzlichen Unter- richtsstunden. Die ohnehin schon durch die 5-Tage-Woche resultie- rende Mehrbelastung wird somit für die leistungsschwache Schü- lergruppe zusätzlich verstärkt.

I> Die schulische Belastbarkeit von Schülern ist tageszeitlichen Schwankungen unterworfen, die ein physiologisches „Mittagstief"

aufzeigen und somit die Effektivi- tät der 6. Stunde, insbesondere auch der Förderstunden für lei- stungsschwache Schüler in Frage stellen. Dies gilt in besonderem Maße für Grundschulen.

Eine Anhäufung von 6-Stun- den-Schultagen läßt nach Erledi- gung der Hausaufgaben kaum noch mehr Zeit für kreatives Spiel, außerschulische musische Erzie- hung, Teilnahme an Gruppen- und Sportveranstaltungen etc. Es fehlt somit die Möglichkeit, ein außerschulisches Freizeitangebot wahrzunehmen, um einen Aus- gleich für die schulische Anforde- rungssituation zu schaffen, Bega- bungsschwerpunkte gezielt zu fördern und außerschulische so- ziale Kontakte zu pflegen.

I> Die verlängerten freien Wo- chenenden unterbrechen den re- gulären Unterrichtsrhythmus und führen zu vermehrtem Freizeitan- gebot mit der Gefahr unkritischen Fernseh- und Video-Konsums.

Die erhoffte Intensivierung des familiären Zusammenlebens an diesen verlängerten Wochenen- den läßt sich aus bisher gemach- ten Erfahrungen nicht zwangsläu- fig herleiten. Das Freizeitverhal- ten von Schülern an schulfreien Samstagen bedarf daher näherer wissenschaftlicher Untersuchung.

I> Schulpädagogen klagen in zu- nehmendem Umfang über Einge- wöhnungsschwierigkeiten von Schülern nach derart verlänger- tem freien Wochenende.

Eine Verteilung des Lehrstoffes auf sechs Tage der Woche bedeu- tet gleichzeitige, kontinuierliche 2744 (72) Heft 38 vom 18. September 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FÜR SIE GELESEN Psychiatrische Erkrankungen

Anforderung an den Schüler und läßt dem kindlichen, Erholungsbe- dürfnis ausreichend Spielraum.

Die 5-Tage-Woche für Schüler ist mit Argumenten der Arbeitswelt Erwachsener nicht begründbar und widerspricht den besonderen Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen.

Stellungnahme

anläßlich des Gesetzes zur Neuregelung

des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit

Am 1. April 1985 ist das Gesetz zur Neuregelung des Jugendschutzes in der Öffentlichkeit in Kraft getre- ten. Die gesetzgeberischen Maß- nahmen reichen aber nicht aus, Kinder und Jugendliche vor Alko- holmißbrauch, vor gewaltverherr- lichenden und pornographischen Medien und vor Ausbeutung durch Spielautomaten zu schüt- zen. Insbesondere die Verbrei- tung jugendgefährdender Video- filme, die Horror-, Gemetzel-, Por- no- und Kriegsdarstellungen zum Inhalt haben, sind zu einer psychi- schen Gefährdung für Kinder und Jugendliche geworden. Die DGKJ richtet daher an alle Eltern und Er- ziehungsberechtigten einen drin- genden Appell, sich der psychi- schen Traumatisierung durch menschenverachtende Videofil- me bewußt zu werden und ihr ver- antwortlich erzieherisches Han- deln danach zu richten. Nur in ei- ner selbstkritischen Auseinander- setzung von Eltern und Erzie- hungsberechtigten besteht die Chance, Kinder und Jugendliche im Umgang mit Videoprodukten, die den Menschen beleidigen und zerstören, vor psychischen Trau- matisierungen und Fehlentwick- lungen zu schützen.

Professor Dr. med. Dr. phil.

Helmut Remschmidt Direktor der Klinik für

Kinder- und Jugendpsychiatrie der Philips-Universität

Hans-Sachs-Straße 4-6 3550 Marburg

Hypalbuminämie durch erhöhte Gefäßpermeabilität

Die Albuminplasmakonzentration sinkt im allgemeinen unter den Normalwert bei Patienten mit In- fektion, Verletzung, Myokardin- farkt, maligner oder lebensgefähr- licher Erkrankung. Die tägliche Abgabe von Albumin an die extra- vaskalen Räume kann durch Mes- sen der transkapillaren Verlustra- te (transcapillary escape rate — TER) von Albumin (bei gesunden Menschen 5 Prozent/h) gemessen werden.

Die Autoren berichten in einer Studie über einen Anstieg des Al- buminverlusts in die Gewebezwi- schenräume von über 300 Prozent bei Patienten mit septischem Schock und von 100 Prozent in- nerhalb von 7 Stunden nach einer Herzoperation. Bei Patienten mit Karzinom-Kachexie lag die TER zweimal über dem Wert gesunder Personen.

Bei vier Patienten, die mit 30 mg/

kg Methylprednisolon behandelt wurden, normalisierte sich die TER innerhalb von 24 Stunden nach Auftreten des septischen Schocks im Gegensatz zu der Gruppe der Patienten ohne Stero- id-Therapie.

So kommen die Autoren zu der Schlußfolgerung, daß eine erhöh- te Albumin-Abgabe an extravaska- le Räume die onkotische Druck- differenz zwischen den Wänden der kleinen Blutgefäße verringert und somit den Austausch von Wasser zwischen Blutgefäßen und Gewebe verändert. Damit er- höht sich das Risiko für das Auf- treten von Ödemen. Daher könnte möglicherweise, so die Autoren, ein Ansteigen der TER ein wichti- ger Faktor bei der Entwicklung und Aufrechterhaltung von Öde- men bei septischem Schock und beim Respiratory-Distress-Syn- drom Erwachsener sein. Eine er- höhte Gefäßpermeabilität ist als eine wichtige Ursache für Hypal-

buminämie bei akuten und chro- nischen Erkrankungen zu be-

trachten. Lng

Fleck, A., G. Raines, F. Hawker, J. Trotter, P. I.

Wallace, I. McA. Ledingham, K. C. Calman: In- creased Vascular Permeability: a Major Cause of Hypoalbuminaemia in Disease and Injury, Lancet I (1985) 781-783

Prof. A. Fleck, Department of Chemical Pathol- ogy, Charing Cross and Westminster Medical School, St. Dunstans's Road, London W6 8RF, Großbritannien

Schnelldiagnose der Gehirnhauttuberkulose

Ein einfacher Latexpartikel-Ag- glutinations-Test (LPA) zum Schnellnachweis von Myobacteri- um tuberculosis-Plasmamem- bran-Antigen im Liquor wurde bei 18 Kindern mit Gehirnhauttuber- kulose und 134 Kindern der Kon- trollgruppe mit anderen Erkran- kungen erprobt. Das Antigen wur- de bei allen 18 Patienten mit Ge- hirnhauttuberkulose festgestellt, bei einem Kind jedoch erst, nach- dem der Liquor konzentriert wur- de. 133 der 134 Kontrollproben er- gaben ein negatives Ergebnis.

Die Korrelation der Testergebnis- se mit den klinischen Daten und den Labordaten dieser Untersu- chung zeigt den großen Wert des LPA-Tests bei der Diagnose der Gehirnhauttuberkulose. Die An- wendung des LPA-Tests könnte, da er preiswert ist und keiner spe- ziellen Ausrüstung bedarf, beson- ders nützlich für Entwicklungslän- der sein.

Zur Untersuchung der Anwen- dungsmöglichkeiten des LPA- Tests bei der Beobachtung von Patientenreaktionen auf Che- motherapie, ebenso wie zur Diagnose mykobakterieller Anti- gene in anderen Körperflüssig- keiten, sind weitere Forschungen nötig. Dpe

Krambovitis, E. et al.: Rapid Diagnosis of Tu- berculous Meningitis by Latex Particle Agglu- tination, The Lancet II (1984) 1229-1231 Dr. Elias Krambovitis, Department of Diagno- stics R & D., Wellcome Research Laboratories, Beckenham, Kent BR3 3BE, England

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 38 vom 18. September 1985 (75) 2745

Referenzen

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