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Archiv "Was ist, was will „Ärztliche Selbstverwaltung“?" (25.04.1991)

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Was ist, was will

„Ärztliche Selbstverwaltung"?

weiterhin steigende Inanspruchnah- me auch der ärztlichen Selbstverwal- tungskörperschaften bewirken, um ärztliche Argumente in politische Entscheidungsprozesse einzubrin- gen. Zu zahlreichen Gesetzes- und Verordnungsvorhaben ist ebenso wie zu Regelungen innerhalb der ärztli- chen Selbstverwaltungskörperschaf- ten vor allem im Berufs- und Weiter- bildungsrecht Stellung zu nehmen.

Notwendig ist ein vermehrtes Enga- gement vieler ehrenamtlich in den verschiedenen Gremien der ärztli- chen Selbstverwaltung mitarbeiten- den Ärztinnen und Arzte. Nur so kann der für die vielen unterschiedli- chen Probleme erforderliche speziel- le ärztliche Sachverstand in die Be- ratungen eingebracht werden. Allen, die sich oft weit über jedes normale Arbeitsmaß hinaus sowie unter oft erheblichen Opfern an Freizeit für die Belange der Ärzteschaft und der Allgemeinheit einsetzen, gebührt Dank und Anerkennung.

So dankt die Bundesärztekam- mer allen, die die Arbeit der ärztli- chen Selbstverwaltung entweder in ihren Gremien oder als Sachverstän- dige mit Rat und Tat unterstützt oder in vielen Fällen überhaupt erst ermöglicht haben. Die Bundesärzte- kammer verbindet mit dem Dank die Hoffnung, daß eine so große Zahl kompetenter Persönlichkeiten auch in Zukunft tatkräftig mit dazu bei- trägt, die Belange der Ärzteschaft zu wahren. Auch bei unterschiedlicher Auffassung in Einzelfragen muß die in einem demokratischen Meinungs- bildungsprozeß erarbeitete ärztliche Argumentation möglichst geschlos- sen in die politischen Entscheidungs- prozesse eingebracht werden kön- nen, um mit dazu beizutragen, die Chancen der Selbstverwaltung mit allen sich daraus ergebenden Rech- ten und Pflichten gegenüber den Kranken und der Allgemeinheit zu nutzen und damit gleichzeitig einen Beitrag zur Erhaltung von Frieden und Freiheit in Europa und der Welt zu leisten.

Dr. med. Karsten Vilmar Präsident der

Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages Herbert-Lewin-Straße 1 W-5000 Köln 41

Ärztlicher Sachverstand, das Be- mühen, die Zersplitterung der Heil- berufe zu überwinden und eine „Ein- heit und Gleichheit im ärztlichen Stande" herzustellen, sowie das Be- streben und die Notwendigkeit, be- stimmte Angelegenheiten in eigener Verantwortung zu regeln oder ge- genüber Regierungen zu vertreten, waren die Begründung für die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhun- derts beginnende Forderung nach ärztlicher Selbstverwaltung.

Die Auseinandersetzungen um die Einheit des ärztlichen Berufes wurden erst durch die Gewerbeord- nung von 1869 beendet, die in § 29 für „diejenigen Personen, welche sich als Ärzte (Wundärzte, Augen- ärzte, Geburtshelfer, Zahnärzte und Thierärzte) oder mit gleichbedeu- tenden Titeln bezeichnen oder sei- tens des Staates oder einer Gemein- de als solche anerkannt oder mit amtlichen Funktionen betraut wer- den sollen", die Approbation auf- grund eines Befähigungsnachweises verlangte. In der Folgezeit finden sich verstärkte Bemühungen zum Zusammenschluß der Ärzte, die in dem Aufruf von Prof. Hermann Eberhard Richter aus Dresden an al- le ärztlichen Vereine vom Juli 1872 gipfeln, sich im August des gleichen Jahres in Leipzig zu treffen, um dort über die Errichtung eines gemeinsa- men Verbandes zu beraten.

Als Ergebnis dieser Beratungen wurde der Deutsche Ärztevereinstag

— 1. Deutscher Ärztetag für den 17.

September 1873 nach Wiesbaden einberufen. Der Grundstein für die ärztliche Selbstverwaltung war damit gelegt. Bis zur Verankerung der Ärz- tekammern als Körperschaften öf- fentlichen Rechts mußte jedoch noch ein langer Weg zurückgelegt werden. Die vielfältigen Bemühun- gen, eine derartige Regelung herbei- zuführen, waren noch nicht abge- schlossen, als die Nationalsozialisten diese Gedanken aufgriffen und für ihre Zwecke mißbrauchten. Sie in- stallierten eine Reichsärztekammer, in der zwangsweise die ärztlichen

Verbände und Vereine aufgingen — eine Lösung, die von den ursprüngli- chen Initiatoren sicher nicht beab- sichtigt war.

Erst nach der Auflösung der Reichsärztekammer durch die Alli- ierte Militärregierung nach dem Zu- sammenbruch des Deutschen Rei- ches 1945 konnten die Bemühungen um einen körperschaftlichen Zusam- menschluß der Ärzte auf demokra- tischer Basis fortgesetzt werden. Die Entwicklung in den einzelnen Bun- desländern verlief dabei unter- schiedlich. Schon 1946 wurde im Freistaat Bayern durch Landesgesetz die Bayerische Landesärztekammer als Körperschaft des öffentlichen Rechts gegründet. Die anderen Bun- desländer folgten in mehr oder weni- ger großem Abstand, bis mit der ge- setzlichen Gründung der Ärztekam- mer Berlin im Jahre 1962 diese Ent- wicklung abgeschlossen wurde.

Baustein in unserem

freiheitlich-demokratischen Deutschland

Unabhängig von dem Stand der gesetzlichen Regelungen hatten in allen Bundesländern die Ärztekam- mern nach dem Zusammenbruch 1945 auf regionaler Ebene weiterge- arbeitet und sich rasch zu größeren Einheiten zusammengeschlossen, die zunächst auf der Grundlage freiwilli- ger Mitgliedschaft existierten. Daß trotz dieser Freiwilligkeit rund 90 Prozent der Ärzte Mitglied waren, spricht für die Einsicht in die Not- wendigkeit einer eigenen Vertretung der Ärzteschaft. Ebenso kann man darauf Rückschlüsse auf das Ge- wicht heute manchmal erhobener Äußerungen ziehen, die den Vor- wurf einer „Zwangsorganisation"

und von „Zwangsbeiträgen" zum In- halt haben.

Schon im Juni und Oktober 1947 trafen sich Vertreter aller westdeut- schen Landesärztekammern und des Marburger Bundes, des ersten der nach dem Kriege frei gegründeten Dt. Ärztebl. 88, Heft 17, 25. April 1991 (21) A-1449

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Finanzkommission

Deutscher Ärztetag (250 Delegierte)

17 Landesärztekammern

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Geschäftsführung Ausschüsse und ständige Einrichtungen

der Bundesärztekammer

(mit über 1000 ehrenamtlichen Mitgliedern)

Deutscher Senat für ärztliche Fortbildung

Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Deutsche Akademie

für Allgemeinmedizin Rund 50 Ausschüsse, Ständige Konferenzen

und Referate Deutsche Akademie

der Gebietsärzte Zentrale Kommission

Vorstand der Bundesärztekammer

Präsident 2 Vizepräsidenten

Präsidenten der Landesärztekammern

2 Vertreter der angestellten Ärzte Die Organisation der Bundesärztekammer

Bundesärztekammer—Deutscher Ärztetag Ärzteverbän-

de, und kon- stituierten ei- ne Arbeitsge- meinschaft der Westdeut- schen Ärzte- kammern, die heutige Bun- desärztekam- mer. Bereits im Jahre 1948 wurde dann in Stuttgart der erste Deut- sche Ärztetag nach dem zweiten Welt- krieg als Hauptver- sammlung dieser Ar- beitsgemein- schaft abge- halten; es war zugleich der

51. in der fortlaufenden Zählung der Deutschen Ärztetage.

Schmerzlich vermißt wurden die Delegierten der Ärztinnen und Ärzte aus der damaligen sowjetischen Besat- zungszone. Bis zum 93. Deutschen Ärztetag im Mai 1990 in Würzburgwar der Deutsche Arztetag die Gesamtre- präsentanz aller Ärzte der Bundesre- publik Deutschland. Jetzt, 1991, nach

Bildung von Ärztekammern in den neuen Bundesländern (der ehemali- gen DDR), ist der Deutsche Ärztetag wieder die Repräsentanz der gesam- ten deutschen Ätzteschaft.

Dieser Abriß läßt deutlich er- kennen, daß sich die Entwicklung der ärztlichen Selbstverwaltung, zu der selbstverständlich auch die Kas- senärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung als Vertragspartner der Krankenkas- sen und ihrer Selbstverwaltungen ge- hören, im Rahmen der Entwicklung der übrigen Selbstverwaltungskör- perschaften vollzogen hat. Heute sind die ärztlichen Selbstverwal- tungskörperschaften ein Baustein in unserem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat. Vorwürfe und Be- schimpfungen, sie seien überholte Standesorganisationen zur Wahrung überlebter Privilegien, ein zunftarti- ges Kartell, das einen monopolisti-

schen Sicherstellungsauftrag vertei- dige, zielen deshalb nicht allein auf die ärztliche Selbstverwaltung, son- dern auf das durch Dezentralisation und Bürgernähe bestimmte demo- kratische Prinzip der Selbstverwal- tung schlechthin. Sie mißachten den in Gesetzen niedergelegten Willen demokratisch gewählter Parlamente, Aufgaben, die der Staat selbst nicht wahrnehmen kann oder will, den Selbstverwaltungskörperschaften und damit auch den ärztlichen Kör- perschaften zu übertragen.

Zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben ist natürlich die Mitglied- schaft aller Berufsangehörigen erfor- derlich, gleichgültig in welchem Be- reich unseres Gesundheitswesens sie tätig sind. Nur so kann der spezielle Sachverstand in die Meinungsbil- dung einfließen, nur so kann aber auch die Einhaltung der Berufs- pflichten effizient überwacht wer- den, nur so können Verletzungen der Berufspflichten berufsgerichtlich geahndet werden. Der Gesetzgeber hat daher die Mitgliedschaft in der Kammer bei der Ubertragung von Aufgaben an diese Selbstverwaltung mit Recht zur Pflicht gemacht. Wer dann von Zwangsmitgliedschaft und Zwangsbeiträgen spricht, verkennt die grundsätzlichen Unterschiede

von Zwang und Pflicht. Er verkennt, daß in unserem Staat Rechte nur dann wahrgenommen werden kön- nen, wenn gleichzeitig entsprechen- de Pflichten übernommen werden.

Die auf den Mitgliedskreis, also nach innen gerichtete Arbeit der Kammern, hat erhebliche Auswir- kungen nach außen. Sie ist also kei- neswegs nur „Beschäftigung mit sich selbst", sondern beeinflußt maßgeb- lich die Qualität der ärztlichen Ver- sorgung der Bevölkerung. Erinnert sei an die ständige Fortentwicklung der Weiterbildungsordnung, die bei Erhaltung der Einheitlichkeit des ärztlichen Berufsbildes die qualifi- zierte Weiterbildung der wegen der Entwicklung der Medizin immer zahlreicheren Spezialisten regelt, die heute für die ärztliche Versorgung der Bevölkerung nötig sind, ein Hauptthema auch der Arbeitssitzun- gen des Deutschen Arztetages 1991.

Erinnert sei aber auch an das Bestre- ben, in der Berufsordnung Normen für ärztliches Handeln zu setzen, und die Bemühungen, Fehlverhalten über die Berufsgerichtsbarkeit zu ahnden. Das alles ist keineswegs El- fenbeinturmpolitik, es hat vielmehr unmittelbare Auswirkungen auf das Niveau der Versorgung des einzel- nen Patienten. Dr. K. V.

A-1450 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 17, 25. April 1991

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