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Archiv "Reform der ärztlichen Selbstverwaltung: Zeitenwende" (30.04.2004)

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A1224 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 1830. April 2004

KOMMENTAR

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it dem GKV-Modernisierungs- gesetz (GMG) ist ein fundamen- taler Perspektiven- und Paradig- menwechsel im deutschen Gesundheits- wesen eingeleitet worden: Die Körper- schaften der Ärzte als Selbstverwaltun- gen und (zumindest partiellen) Interes- senvertretungen sind geschleift worden.

Das gilt zunächst für die Kassenärzt- lichen Vereinigungen (KVen) als den eigentlichen Machtzentren, die Ärzte- kammern werden folgen. In allen rele- vanten Regelungen des GMG gibt es zahlreiche staatliche Vorbehalte und Er- satzvornahmen, wenn das Ergebnis des Tuns der Ärzte unerwünscht ist. Das ist staatlich regulierte Medizin: Im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung sind die Vertragsärzte Scheinselbststän- dige im Sinne des Gesetzes.

War die Stärke der Ärzteschaft früher ihre Einigkeit, so zerbrach diese Primär- qualität unter dem Druck der wirtschaft- lichen Krise. Parallel dazu lief ein zweiter Prozess ab: Die Ärzte verloren an polit- ökonomischer Potenz, sowohl materiell als auch ideell. Die Führung einer Milliar- denfirma, wie sie eine KV darstellt, quasi als Nebentätigkeit zur Praxis zu installie- ren, war ein gravierender Fehler der Ärz- te. Kaum eine Berufsgruppe überschätzt ihre eigenen Fähigkeiten und Möglich- keiten so sehr wie die Ärzte. Folglich wur- den sie von Politik und Krankenkassen gnadenlos über den Tisch gezogen. Ho- norarverteilungsmaßstäbe, Gebührenord- nungen, floatende Punktwerte und Re- gresskonzepte wurden von ärztlichen Berufspolitikern mitgestaltet und verin- nerlicht – und bis zur Widersinnigkeit zum eigenen Schaden exekutiert.

In einer zunehmend komplexen Wirk- lichkeit helfen nur komplexe Werkzeuge und Verfahren. Dies neben einer Praxis organisieren zu wollen führt nur zur ver- kappten Leitung der Struktur durch die Geschäftsführung. Wie in den Kranken- häusern sind die Geschäftsführer immer häufiger die eigentlichen Herren, die Doctores sind die im Vordergrund impo- nierenden Schauprospekte des Theaters.

Langfristig erscheint die Etablierung einer einheitlichen politischen Vertre-

tungsmacht der Ärzteschaft, die zentral aufgebaut ist, als überlebenswichtige Alternative. Die Funktionen von Ärzte- kammer und KV sollten à la longue in einer Selbstverwaltung zusammenge- fasst werden. Das bedeutet nicht, dass Regionalität abzulehnen ist – ganz im Gegenteil. Diese darf bloß nicht die Zentralstruktur blockieren können.

Regionale Serviceeinrichtungen bleiben unverzichtbar.

Eine „Arbeitsgemeinschaft“ taugt nicht zur Interessenbündelung, insofern ist das Organigramm der Bundesärzte- kammer eher ein Negativbeispiel. Eine politisch wirksame und machtvolle zen-

trale Struktur ist zu entwickeln. Das Ge- wicht der einzelnen Regionen sollte nach dem ökonomischen Beitrag zur Gesamt- struktur bestimmt werden – ein Minder- heitenschutz ist einzubauen. Die ultra- liberale Lösung des derzeitigen Modells ist nur durch ständiges Ausklammern aller wirklich brisanten Themen möglich.

Entscheidungen des Vorstands müs- sen für die Regionen verbindlich sein.

Das bedeutet eine Beschneidung des föderalen Prinzips, erscheint aber als überlebensnotwendiger Preis, den die Ärzteschaft für eine effektive Interes- senvertretung zahlen muss. Strukturell sind sowohl Kassenärztliche Bundesver- einigung als auch Bundesärztekammer aufgrund der Dominanz der Regional- fürsten tönerne Riesen, die schon bei kleineren Kampfhandlungen in sich zu- sammenfallen. Nur mit einer solchen Selbstreform lässt sich ein ausreichen- des Maß an Einheitlichkeit erreichen.

Dennoch bleiben die Ärztekammern in ihrer Idee unverzichtbar – gerade we- gen ihrer alle Ärzte zusammenfassenden Funktion. Hier ist der Ansatz zu einer wirklichen allgemeinpolitischen Vertre-

tungsmacht zu sehen – leider von den Ärztekammern aus dem Selbstverständ- nis heraus, sie seien nur „berufspolitisch“

zu definieren, oft nicht genutzt. Folgende Funktionen erscheinen als wesentlich:

>Strukturierung und Qualitätssiche- rung in Fort- und Weiterbildung. Hier liegt ihr größtes Know-how.

>Schaffung eines Ärzteparlamentes in Form des Deutschen Ärztetages.

Gleichsinnig sind die regionalen Ärzte- tage zu sehen.

>Träger der Berufsgerichtsbarkeit und damit Schiedsorgan bei innerärzt- lichen Konflikten.

>Entwicklung von ärztlichen Grund- satzpositionen in Wissenschaft und Ethik.

Die künftigen Aufgaben der Kas- senärztlichen Vereinigungen sind von der politischen Entwicklung und vom Selbst- verständnis der Ärzteschaft abhängig.

Setzt sich die derzeitige Entwicklung fort, bleibt den Kassenärztlichen Vereinigun- gen die Funktion der Resteverwertung und der Abwicklung des bisherigen Systems. Damit kann bei den Ärzten kein Staat mehr gemacht werden. Diese erle- ben die KV zunehmend als Zwangsappa- rat, der Mangel verwalten darf. Mit dem Verlust an wirtschaftlicher Basis ist ein politischer Funktionsverlust verbunden.

Vor diesem Hintergrund erscheint es langfristig sinnvoll, die Aufgaben von Kammern und KVen zusammenzu- führen. Die Frage der „öffentlich-recht- lichen“ Funktion ist nachhaltig infrage zu stellen. Dieser rechtliche Zwitter ist über- lebt und führt wahrscheinlich nicht zu einer substanziellen Verbesserung der Lage der Ärzteschaft, sondern eher zu deren Fesselung. Von den genannten un- verzichtbaren Funktionen einer Kammer stünde dann die Berufsgerichtsbarkeit zur Disposition. Alle anderen Funktio- nen könnten auch von einer gewählten privatrechtlichen Interessenvertretung übernommen werden.

Eine solche zentrale Struktur auf frei- williger Basis könnte politische Interes- senvertretung im weiteren Sinne ermög- lichen und so auch viele Aufgaben der- jenigen Berufsverbände übernehmen, die reinen Lobbyismus verkörpern.Aus-

Reform der ärztlichen Selbstverwaltung

Zeitenwende

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gangspunkt dieses Konzeptes ist der

„ideelle Gesamtarzt“. Eine Differen- zierung in verschiedene gegensätzliche ärztliche Fraktionen, die sich bekämp- fen, ist abzulehnen. Politik und Kran- kenkassen werden eine solche einheit- lich geführte und zentralisierte Struktur nicht ohne Not zulassen. Für sie ist eine zersplitterte und in Diadochenkämpfen sich erschöpfende Ärzteschaft, die per- manent mit dem Verteilen von Mono- poly-Spielgeld beschäftigt ist, eine verlässliche Garantie für den eigenen Vorteil. Insofern wäre erst einmal wei- tere Bewusstseinsarbeit bei den Ärzten und eventuell eine Urabstimmung über eine solche Veränderung erforderlich.

Dies erscheint aber erst realisierbar, wenn sich die Lage der Ärzte noch wei- ter verschlechtert. Noch überwiegt die Angst vor Veränderung als mächtiger Blockade-Mechanismus im Denken und Tun der Ärzte.

Der Aufbau von Parallelorganisatio- nen zum öffentlich-rechtlichen System der Ärztekammern und Kassenärzt- lichen Vereinigungen wird zu einer stra- tegischen Zukunftsaufgabe der Ärzte in Deutschland werden. Hier ist eine Struktur, die keine öffentlich-rechtliche Gestalt hat, eindeutig zu favorisieren – entkommt sie doch nur so den Fesseln des Sozialrechts. Gelingt dieses Projekt nicht, so wird am Ende der Verlust der Freiberuflichkeit stehen und die über- wältigende Struktur einer staatlichen zentralen Gesundheitsverwaltung. Das größte Problem wird die Ausbalancie- rung von Basisdemokratie und zentra- ler stringenter Führung sein – einmal aufgrund seines historischen „Neuig- keitscharakters“ für die Ärzteschaft, zum anderen wegen der möglichen Gefährdung des Freiheitsgedankens.

So viel Basisdemokratie in den Grund- strukturen (Verbänden, Gesellschaften, Regionalverwaltungen der Kammern und KVen, Ärzteschaften) wie möglich, so viel Autoritarismus in der Führung wie nötig, dies ist die Formel.

Dipl.-Pol. Ekkehard Ruebsam-Simon Vorstandssprecher der Nordbadischen Ärzteinitiative E-Mail: ekkehard.ruebsam-simon@dgn.de

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edes Krankenhaus müsse auch in Zu- kunft mit einem diagnostischen La- bor ausgestattet sein. Nur mit dem Labor sei gewährleistet, dass man zum Beispiel bei Patienten mit akuten Be- schwerden ohne vermeidbare Verzöge- rung einen Herzinfarkt, ein diabetisches Koma oder akute Infektionen nachwei- sen und entsprechende Behandlungen einleiten könne. Kürzungen in der La- bordiagnostik durch Auslagerung und komplettes Schließen des Kranken- hauslaboratoriums führten dazu, dass Falschbefunde die Liegezeiten verlän- gern, die Patienten psychisch belasten oder gar das Leben von Patienten gefährden können.Auf diese Weise wird zudem die Wettbewerbsfähigkeit der Krankenhäuser, wie sie nach den Fallpauschalen-Bedingungen gefordert werde, beträchtlich gefährdet.

Wichtig für die Therapie

Nahezu alle Krankheitsdiagnosen und die therapeutischen Entscheidungen bei Patienten im Krankenhaus hängen von Laborwerten der klinischen Chemie, der Hämatologie, der Transfusionsmedi- zin, der Hämostasiologie und der Infek- tionsdiagnostik ab. Mit einer schnellen und treffenden Labordiagnostik kann die Behandlungseffizienz gesteigert und die Krankenhausverweildauer verkürzt werden. Aus medizinischer wie juristi- scher Sicht ist eine der Verdachtsdiagno- se angemessene schnelle Verfügbarkeit von Laboruntersuchungen erforderlich.

Eine schnelle Verfügbarkeit von Labor- ergebnissen leitet sich aus der Vorschrift ab, wonach zum Zeitpunkt der Auf- nahme (bis maximal drei Tage später) die Eingangsdiagnosen einschließlich

möglicher Nebendiagnosen codiert wer- den müssen. Dies hat auch Bedeutung bei der Festlegung der Fallschwere und somit für den Mehrerlös bei der Ver- gütung. Zum Beispiel erhöht Hypo- kaliämie oder Anämie den Fallerlös bei mehr als 100 Fällen.

Fachgesellschaften fordern eine möglichst umgehende Beförderung des Untersuchungsmaterials zum Labor.

Die Qualität und damit auch die Aus- sagekraft labormedizinischer Untersu- chungen wird durch folgende Faktoren maßgeblich beeinflusst: Entnahmezeit- punkt, Entnahmeart, Probenmaterial, Transportmedium, Lagerungs- und Trans- portbedingungen. Temperaturgeführte Probenlogistik (gefroren/Trockeneis, ge- kühlt/2 bis 8° C, Raumtemperatur) so- wie die Einhaltung gefahrgutrechtlicher Gesetze und Vorschriften (Klassifizie- rung, Verpackung) sind wesentliche Be- standteile der Präanalytik.

Diese Forderungen gelten für kli- nisch-chemische Parameter und für die bakteriologische, mykologische, parasi- tologische und virologische Diagnostik (Thermolabilität des Analyts, unter- schiedliche Wachstumsraten pathogener Mikroorganismen). Werden diese Be- dingungen nicht eingehalten, kann es zu einer Herabsetzung der Richtigkeits- quote, Fehldifferenzierungen und über falsche Diagnosen zu falschen Therapien kommen. Deshalb müssen die Angaben der durchführenden Laboratorien strikt beachtet werden.

Eine weitere Gefahr für die Unter- suchungsbefunde ist die Verminderung des Laborfachpersonals. Kaum ein Kliniker ist heute noch in der Lage, das gesamte Spektrum der Laboratoriums- medizin zu beherrschen. Deshalb ist die Anwesenheit von Fachärzten für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie/

Hygiene oder von Naturwissenschaft- lern und MTA-Fachpersonal „vor Ort“

notwendig. Um diese Fehlentwicklun- gen, die zu negativen Auswirkungen auf den Heilungsprozess bis hin zur Ge- fährdung von Patientenleben und letzt- lich auch zu Kostenerhöhung führen, zu vermeiden, ist es notwendig, dass sowohl die Krankenhaus- als auch die Laboratorien im Sektor der ambulan- ten Versorgung erhalten bleiben, um eine ortsnahe Laboratoriumsmedizin zu gewährleisten.Dr. rer. nat. Jürgen Knoop

Labormedizin

Outsourcing notwendig

Einschnitte bei der

Laboratoriumsdiagnostik

könnten Patienten gefährden,

meint eine Expertengruppe.

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