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Archiv "Vier Millionen DM für Qualitätssicherung" (16.08.1990)

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r Klinikorganisation und Qualitätssicherung:

Qualitätssicherung in der Chirurgie erfor- dert exakte Erfassung und Auswertung einer Vielzahl perioperati- ver Patientendaten einschließlich regel- mäßiger „Follow-Up"- Untersuchungen. An der Herzchirurgischen Universitätsklinik Hei- delberg ist Datener- fassung zur Qualitäts- sicherung seit dem Jahre 1988 Bestandteil des klinischen Allta- ges geworden. Das Datenmaterial wird

nutzbringend für administrative und organisatorische Zwecke ver- wendet und bildet auch die Grundlage einer automatischen OP-Be- richts- und Arztbriefschreibung. Durch die Integration der Datener- fassung in den klinischen Routinealltag und durch die Vielfachnut- zung der Daten innerhalb eines Abteilungsrechnernetzwerkes wird Qualitätssicherung kostengünstiger bei verbesserter Datenqualität.

Kosteneffizienz durch

Vielfachnutzung von Daten

Christian-Friedrich Vahl, Emmeran Gamms und Siegfried Hagl

allerdings angesagt, wenn die Quali- tätssicherung zu einem Instrument der Rechtspflege verkommt. Die Äu- ßerung des erfahrenen früheren, Oberlandesgerichtpräsidenten, Ha- rald Franzki, Celle, daß auch Straf- verfolgungsbehörden Zugang zu nicht anonymisierten Qualitätssiche- rungsdaten erhalten müßten, wird Ärzte zur vertrauensvollen Mitarbeit nicht gerade motivieren. Wenn sol- che und ähnliche Mißverständnisse ausgeräumt werden, dann könnte aus einer vernünftigen Qualitätssi- cherung tatsächlich etwas werden.

Perfektionismus ist hierbei ebenso schädlich wie Obstruktion.

Wenn wir die „besten Ärzte der Welt sind", dann müssen wir das auch be- weisen können. Die „Halbgötter in Weiß" brauchen auch die externe Qualitätskontrolle nicht zu fürchten.

Nur sollten sie endlich ernst damit machen. Packen wir es an!

Anschrift des Verfassers 1):

Professor Dr. med.

Hans Harald Bräutigam, Borchlingweg 2,

2000 Hamburg 52

1) Der Verfasser, ehemals Chefarzt an einem Hamburger Krankenhaus, ist heute Redakteur beim Wochenblatt „Die Zeit".

Vier Millionen DM für Qualitätssicherung

Das Bundesministerium für Ar- beit und Sozialordnung wird 1991 ein spezielles Modellprogramm zur För- derung der medizinischen Qualitäts- sicherung finanzieren. Im Etat sind vier Millionen DM dafür veran- schlagt. Darüber hinaus wird ein Ex- perten-Symposium über die Quali- tätssicherung in der Pflege in Bonn veranstaltet. Ein erstes Symposium über die Qualitätssicherung in der stationären und ambulanten medizi- nischen Versorgung (Bestandsauf- nahme und Perspektiven) fand be- reits Mitte Juni in Bonn statt. Die rund 20 Referate, Statements und zahlreichen Diskussionsbeiträge (darunter der Vortrag von Bundes- ärztekammer-Präsident Dr. Karsten Vilmar) sollen Ende 1990 in der Schriftenreihe „Forschungsberichte"

des Ministeriums erscheinen. EB

D

ie Bereitschaft, sich einer freiwilligen Qualitätskon- trolle zu unterziehen, be- stand im Bereich der Chir- urgie, lange bevor der Gesetzgeber entsprechende Auflagen machte.

Nach Initiative der Deutschen Ge- sellschaft für Herz-, Thorax- und Ge- fäßchirurgie führen im Bereich der Herzchirurgie seit 1983 einige Zen- tren im Rahmen einer Pilotstudie ei- nem regelmäßigen multizentrischen Vergleich zur Sicherung der Qualität durch (5). Immer leistungsfähigere und immer kostengünstigere Rech- nersysteme bieten jetzt günstige Vor- aussetzungen dafür, die Einführung von Maßnahmen zur Qualitätssiche- rung in der Breitenanwendung auch für andere Zentren praktikabel und nutzbringend zu gestalten.

Der bisher fehlende praktische Erfolg bei der Verwendung elektro- nischer Datenverarbeitung im klini- schen Sektor ist vielerorts Ausdruck mangelnder Integration des Rech-

ners in den klinischen Alltag. Vielen chirurgischen Zentren stehen zwar Rechner zur Verfügung, die aber nicht in wirklich nutzbringender Weise in ein Gesamtkonzept inte- griert sind. Die Beteiligung von Krankenhäusern an einem Konzept zur Qualitätssicherung stößt dort auf Grenzen, wo eine Vielzahl klinischer Daten korrekt erfaßt und analysiert werden muß. Das ist auf konventio- nellem Weg nur mit erheblichen zu- sätzlichen Kosten- und Zeitaufwand möglich, so daß eine in ihrem Um- fang sinnvolle Qualitätssicherung im Routinealltag auf Grenzen der Prak- tikabilität stößt.

Patientendaten werden bereits jetzt an vielen Stellen innerhalb ei- ner Klinik aufgenommen: bei der Aufnahme, in der Verwaltung, im Sekretariat, auf den Stationen, von den Ärzten und im Rahmen kran- kenhausinterner Kommunikation (Röntgen, Labor). Erst die Mehr- fachnutzung der einmal eingegebe- A-2458 (30) Dt. Ärztebl. 87, Heft 33, 16. August 1990

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nen Daten innerhalb eines Abtei- lungsrechnernetzwerkes macht auch eine komplexere Form der Qualitäts- sicherung praktikabel und kosten- günstig.

Wir berichten über Erfahrungen mit der Umsetzung eines Konzeptes des Abteilungsrechnernetzwerkes, das innerhalb von zwei Jahren zum wesentlichen Element der Klinikor- ganisation geworden ist und gleich- sam als Nebenfunktion die Durch- führung einer suffizienten Qualitäts- sicherung gestattet, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen. Die Darstel- lung soll veranschaulichen, daß erst durch Integration der Datenerfas- sung in den klinischen Alltag die Ar- beit mit elektronischer Datenverar- beitung in der Klinik rentabel und effizient werden kann und gleichzei- tig Qualitätssicherung erlaubt.

Was ist ein

Abteilungsrechner- Netzwerk?

Der hohe Anteil an standard- isierten Operations- und Organisa- tionsabläufen in jeder Klinik legt das Konzept einer rechnerunterstützten Handhabung zur übersichtlichen Gestaltung dieser Funktions- und Organisationsabläufe nahe. So bietet es sich an, große Teile des oft zeit- aufwendigen Schriftverkehrs durch vom Rechner erstellte „automati- sche" Einbestellungsbriefe, Opera- tionsberichte, Arztbriefe, Entlas- sungsbriefe und Follow-up-Briefe zu ersetzen. In dem Maße, wie klinik- tragende Routineabläufe vom Rech- ner übernommen werden, wird die entsprechend zunehmende Abhän- gigkeit vom Eingabeplatz zum ent- scheidenden logistischen Problem.

Die Lösung dieses Problemes sehen wir in der Einrichtung eines abtei- lungsbezogenen Rechnernetzwerkes, mit mehreren, voneinander unab- hängigen Arbeitsstationen, die je- doch ständig auf einen gemeinsamen Datenpool zugreifen können. Da- durch wird nicht nur weitgehende Unabhängigkeit vom Eingabeplatz erreicht, sondern auch der simultane Umgang mit dem Datenmaterial an unterschiedlichen Arbeitsstationen möglich. Mehrfacheingaben dersel-

ben Daten sind nicht mehr notwen- dig.

Der Datenpool eröffnet wissen- schaftliche Möglichkeiten, aber auch Alltagsfunktionen, wie z. B. Rech- nungswesen, Privatliquidation, Text- verarbeitung, Statistiken, Abtei- lungsorganisation und Operations- programme lassen sich zentral steu- ern.

Der Nutzen eines Abteilungs- rechnernetzwerkes hängt davon ab, inwieweit wesentliche zeitaufwendi- ge Routinefunktionen vom Rechner übernommen werden. Bei sinnvoller Nutzung der Möglichkeiten er- scheint uns das Abteilungsrechner- netzwerk als ein höchst effektives or- ganisatorisches Instrument.

In Deutschland entfallen mehr als 80 Prozent aller herzchirurgi- schen Eingriffe auf Klappen- und Bypassoperationen. Das hohe Aus- maß an Spezialisierung spiegelt sich in einer weitgehenden Standardisie- rung der Operationsvorbereitung, der Operationsabläufe, der Intensiv- betreuung, der Nachsorge und der Langzeitbehandlung wider. Diese Charakteristika legen das Konzept einer rechnerunterstützten Organi- sationsstruktur nahe. Die Warteli- stenverwaltung, die Koordination der Nachsorge mit Kadiologen und Hausärzten, ein unselektiertes Lang- zeit-Follow-Up, die Organisation von Herztransplantationen bieten sich für eine rechnerunterstützte Hand- habung an.

Konzept, Ziele, Zeitabläufe

In dem Ausmaß, wie EDV-un- terstützte Funktionen (Abteilungs- organisation, Dokumentation von Krankheitsverläufen, automatische OP-Bericht und Arztbriefschrei- bung, Rechnungswesen) in den klini- schen Ablauf integriert werden, steigt erstens die Abhängigkeit von der im Rechner gespeicherten Infor- mation und wird zweitens der Zu- gang zum Rechner limitierend für ei- ne effektive Nutzung der Daten. Die Verfügbarmachung der organisatori- schen und klinischen Daten wird dann zum entscheidenden Prüfstein, um die Arbeit mit dem Rechner suf-

fizient zu gestalten. Die Lösung die- ses Problemes war vordringlich für die Entscheidung, in Erweiterung des Einzelplatzsystemes ein Abtei- lungsrechnernetzwerk aufzubauen.

Prinzipiell birgt jedes rechner- unterstützte Dokumentationsverfah- ren die Gefahr, daß sich die Daten- erfassung verselbständigt und un- kontrolliert neben dem klinischen Alltag herläuft. Wesentlicher Ge- sichtspunkt des Konzeptes ist die vollständige Integration der Daten- erfassung in die klinischen Abläufe.

Das für die Eingabe im Rechner ent- wickelte Dokumentationsverfahren hat daher in Heidelberg nicht die be- stehenden konventionellen Verfah- ren der Anamneseerhebung ergänzt, sondern es hat sie ersetzt. Unser Ziel, bei etwa 80 Prozent der Patien- ten den Schriftverkehr vollständig, d. h. ohne jedes Diktat, über den Rechner abzuwickeln und abtei- lungsinterne Organisationsabläufe durch Repräsentation im Rechner transparenter zu gestalten, ist inner- halb eines halben Jahres erreicht worden.

Dem Heidelberger Konzept ent- sprechend erfolgte der Aufbau des Abteilungsrechnernetzwerkes in zwei Schritten. Die jeweils erforder- liche Hard- und Software (Geräte und Programme) wird angegeben.

Erster Schritt: Arbeit mit einer Rechnerstation; Einführung eines Dokumentationsverfahrens und Ent- wicklung eigener Software zur klini- schen Dokumentation und Arzt- briefschreibung. Die gesamte „auto- matische Briefschreibung" ist am

„Ein-Platz-System" möglich.

Hardware: Die Hardwarekonfi- guration des Einzelplatzsystemes wurde bereits im Hinblick auf eine mögliche Vernetzung gewählt: Rech- ner: IBM-PC Modell 80; Drucker:

Hewlett Packard Laser jet; Datensi- cherung: Bernoulli Box mit wechsel- baren 40 MB Festplatten. Betriebs- system: DOS 3.3.

Software und Erfassungsmodus:

Datenbank: DATAEASE (Version 2.5, Trumbull, CT 06611, Software Solutions Inc, USA). Ein großer Teil der Basis-Erfassungssoftware ist im Rahmen des Projektes Qualitätssi- cherung in der Herzchirurgie im Auftrag der deutschen Gesellschaft

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für Herz- und Thoraxchirurgie ent- wickelt worden. Darauf aufbauend haben wir ergänzende Erfassungsbö- gen entwickelt, um eine wirklich um- fassende patientenbegleitende Do- kumentation zu gewährleisten, die innerhalb eines halben Jahres kon- ventionelle Erfassungsverfahren vollständig ablöste.

Charakterisierung des Doku- mentationsverfahrens:

Der Krankheitsverlauf ein- schließlich möglicher Komplikatio- nen des Patienten wird während sei- nes Klinikaufenthaltes über Doku- mentationsbögen (präoperative Ana- mnese: drei Bögen — ersetzt den kli- nikinternen Anamnesebogen; chirur- gisches Vorgehen: vier Bögen; Inten- sivverlauf: zwei Bögen — ersetzt den klinikinternen Verlegungsbrief zwi- schen Intensiv- und Pflegestation;

Pflegestation: ein Bogen — ersetzt den Epikrisenbogen) erfaßt. Insge- samt 1200 items („Informationsein- heiten") werden während des peri- operativen Klinikaufenthaltes für je- den Patienten erfaßt. Der Belegbo- genfluß wurde sorgfältig organisiert, um eine patientenbegleitende stets aktuelle prospektive Dokumentation zu gewährleisten und alle Klinikmit- glieder (Stationsärzte, Operateure, Intensivärzte) gleichmäßig an dem Dokumentationsverfahren zu beteili- gen.

Das Original des Bogens bleibt in der Patientenakte, ein Durch- schlag wird für die Dateneingabe verwendet.

Aufbau

eines Netzwerkes

Als Netzwerkrechner (Server) dient das IBM Modell 80, als statio- näre Arbeitsstationen acht IBM Mo- dell 50 und als transportable Arbeits- station ein IBM XT 286. Jede Ar- beitsstation ist mit einem Drucker ausgestattet. Netzwerkverkabelung:

Cheaper-Net, Netzwerksoftware:

Novell SFT, SK-NET.

Personal: Eine zusätzliche Ein- stellung von Personal war nicht er- forderlich. Die einzelnen Program- me sind menuegesteuert mit einer einfachen Benutzeroberfläche. An- stelle von diktierten Arztbriefen wer-

den von den Sekretärinnen die Do- kumentationsbögen in den Rechner eingegeben, was insgesamt eine er- hebliche Zeitersparnis bedeutet.

Automatische Operations-

Berichtschreibung

Es wurden konventionelle Ope- rationsberichte über Bypassoperatio- nen und Klappeneingriffe analysiert.

Dabei ließ sich zwischen konstanten und variablen Informationen unter- scheiden. Alle die Vorgehensweisen, die zum Beispiel bei jeder Bypass- operation wiederkehren (Lagerung, Desinfektion, Sternotomie, Um- schlingen der großen Gefäße, aber auch methodische Aspekte wie Art und Applikation der Kardioplegie, Handhabung des Extrakorporalen Zirkulation) wurden ausgegliedert und in einem „Standard — Opera- tionsbericht — Bypasschirurgie" zu- sammengefaßt, der gleichzeitig eine verbindliche Darstellung der Opera- tionsschule des Hauses für den ent- sprechenden Eingriff ist.

Die variablen Angaben wurden aufgelistet und ihrer Häufigkeit ent- sprechend geordnet. Es wurden für die weitere Entwicklung des Opera- tionsberichtes alle Einzelinformatio- nen („items") in der Weise berück- sichtigt, daß derzeit 80 Prozent aller Operationsberichte im automati- schen Verfahren ohne Informations- verlust aufbereitet werden. Die er- faßten Einzelinformationen wurden in prägnante Wendungen umformu- liert und diese als Bausteine in den automatischen Operationsbericht übernommen. In entsprechender Weise wurde bei Klappeneingriffen und bei Kombinationseingriffen vor- gegangen. Damit wird der Opera- tionsbericht ausschließlich durch Verwendung der in den Belegbögen erfaßten Information — ohne jedes zusätzliche Diktat — angefertigt (3).

OP-Berichtsbrief

Die Hausärzte und Kardiologen erhalten von unserer Klinik am er- sten postoperativen Tag einen Brief,

der die aktuelle operationsbezogene Information zusammenfaßt. Ähnlich wie bei dem Operationsbericht wur- den auch hier die erfaßten Einzelin- formationen nach Zuordnung zu den entsprechenden Feldern auf den Be- legbögen in prägnante Wendungen umformuliert, die als Textbausteine für den automatischen Brief zur Ver- fügung stehen. Auch hier erstellt der Rechner ohne jedes Diktat den voll- ständigen Brief (3).

Entlassungsbrief

Die Entlassungsbriefe boten in wesentlich höherem Maße als Ope- rationsberichte dem diktierenden Arzt die Chance zur eigenen subjek- tiven Schwerpunktbildung bei dem Briefdiktat. Die Analyse herkömm- licher Entlassungsbriefe ergab, daß der Schwerpunkt eher descriptiv und verlaufsbezogen gewählt war unter Berücksichtigung vieler Details des Genesungsverlaufes.

Von seiten einer rechnerunter- stützten Entlassungsbriefschreibung schien eine operationale Sicht gün- stiger, die zwar Kerninformationen des Verlaufes mitteilt, vor allem je- doch einen exakten Status bei Verle- gung gibt und wesentliche hand- lungsbezogene Information an den nachbetreuenden Kollegen weiter- gibt. Daher wurde der Entlassungs- brief anders als der Operationsbe- richt und -brief nicht im rein statisti- schen Verfahren entwickelt, sondern mit bewußter Wertung und Schwer- punktsetzung.

Nach Festlegung auf die wesent- lichen Items und entsprechender Be- legbogenentwicklung wurden diese wiederum in Textbausteine formu- liert und auf die jeweiligen Belegbö- gen bezogen. Auch der Entlassungs- brief erfolgt ohne jedes Diktat. Da- mit werden derzeit alle patientenbe- zogenen Briefe automatisch ohne je- den Zeitverzug verschickt.

Durch das Anfertigen automati- scher Operationsberichte und Briefe wird die in der Datenbank vorhande- ne Information gleichzeitig auf Voll- ständigkeit und Korrektheit über- prüft. Das Verfahren dient damit letztlich vor allem der Validisierung des Datenmateriales.

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A-2460 (32) Dt. Ärztebl. 87, Heft 33, 16. August 1990

(4)

Logistische

Voraussetzungen

für wissenschaftliches Arbeiten

Führendes Argument für ein Rechnernetzwerk ist die dadurch mögliche Vielfachnutzung der ein- mal eingegebenen Daten, zum Bei- spiel für die automatische Brief- schreibung, das Rechnungswesen.

Alle konventionellen Anamnesebö- gen sind von uns eliminiert und durch die Dokumentationsbögen er- setzt worden.

Damit entsteht beim Ausfüllen der Bögen keine zusätzliche Arbeit, sondern die Anamnese wird lediglich auf eine andere Weise dokumentiert.

Gleichzeitig ist das Dokumentations- verfahren damit in den klinischen Alltag integriert.

Das Wissen um die Verwertung der eingegebenen Information, bei- spielsweise in Arztbriefen, zwingt al- le Beteiligten zum korrekten Ausfül- len der Bögen.

Da die Bögen in allen Berei- chen eingesetzt werden (Stations- ärzte, Operationsassistenten, Ope- rateure, Intensivstationsärzte) ist einerseits die Einheitlichkeit des Verfahrens gewährleistet und ist an- dererseits die Teilnahme an der Do- kumentation implizite Aufgabe aller Klinikmitglieder. Da bei Fehlen der Bögen zum Beispiel keine Briefe an- gefertigt werden können, liegt die korrekte Abwicklung der Dokumen- tation im Interesse von jedem Kli- nikmitglied.

Gleichzeitig entsteht auf diese Weise ein in ständiger kritischer Prü- fung begriffener Datenpool, der auf- grund seiner zentralen Funktion im Organisationsablauf stets vollstän- dig, aktuell und sachlich richtig sein muß.

Die Verfügbarkeit der Daten an allen Arbeitsstationen erlaubt deren Nutzung im Sinne eines Informa- tionssystemes: Ohne Aktenstudium kann jederzeit an jedem Terminal über jeden operierten Patienten dif- ferenziert Auskunft gegeben wer- den.

Erst unter diesen Voraussetzun- gen der Datenvalidisierung durch vielfältige Nutzung ist die wissen-

schaftliche Verwendung des Daten- pools zur Qualitätssicherung auf ei- ne solide Basis gestellt.

Der Rechner erhält damit zu- nehmend den Platz eines methodi- schen Instrumentes, das konkrete praxisbezogene Analysen und Ver- besserungen gestattet.

Der Umgang mit dem Datenma- terial, die Auseinandersetzung mit der Qualität der chirurgischen The- rapie, wird damit zur konkreten ethi- schen Pflicht des behandelnden Arz- tes.

Rechnerunterstützte Klinikorganisation

Wir haben den typischen ,Durchlauf des Patienten durch die herzchirurgische Klinik" von der An- meldung bis zur Entlassung schema- tisch dargestellt und die Möglich- keiten des Einsatzes von rechnerun- terstützter Organisation und Doku- mentation in ihrer Beziehung zu den einzelnen Stationen des Patienten- durchganges analysiert.

Daraus haben sich folgende rechnerunterstützte Applikationen ergeben:

> rechnerunterstützte Warteli- stenverwaltung,

> rechnerunterstützte Einbe- stellung des Patienten mit einem au- tomatischen Brief,

> rechnerunterstütztes Opera- tionsprogramm,

> rechnerunterstützte Dienst- planerstellung,

> rechnerunterstützte Liquida- tion.

Bei dem ersten Kontakt des Pa- tienten mit der herzchirurgischen Klinik werden neben personenbezo- genen Informationen grobrastrige klinische Daten und die Dringlich- keit des Eingriffes festgehalten. Es wird dem Patienten eine Aufnahme- nummer und ein ungefährer OP- Termin zugeteilt. Diese Daten wer- den zur Operationsplanung verwen- det. Zur Erleichterung der Opera- tionsplanung hat dieses Programm

Zugriff auf das aktuelle Dienstplan- und Urlaubsprogramm. Wenn nach Feinterminierung der Operationster- min bestätigt ist, erfolgt vom Sekre- tariat aus die rechnergesteuerte Pa- tienteneinbestellung durch einen au- tomatischen Brief.

Follow-up

U

Wir haben ein rechnerunter- stütztes Follow-up-Verfahren ent- wickelt, welches in regelmäßigen Ab- ständen nach der Operation die be- treffenden Patienten und deren Hausärzte mit automatischen Brie- fen anschreibt. Gleichzeitig wird so- wohl den Patienten als auch deren Hausärzten ein einfacher Fragebo- gen zugesandt (4).

Bereits im automatischen Ent- lassungsbrief wird der Hausarzt auf das Follow-up hingewiesen, der Patient selbst wird während seines stationären Aufenthaltes infor- miert.

Wir bitten den Patienten, den Fragebogen gemeinsam mit seinem Hausarzt auszufüllen, da wir die postoperative Verbindung von Pa- tient und Hausarzt gerne intensiviert sähen, um eine postoperative Kon- trolle möglicher Risikofaktoren zu gewährleisten.

Gerade den Ergebnissen des au- tomatischen und unselektierten Fol- low-up kommt große gesundheitspo- litische Bedeutung zu.

Datensicherung und Datensicherheit

Um den Belangen des Daten- schutzes gerecht zu werden, wurde eine Staffelung von hard- und soft- wareunterstützten Maßnahmen für die Datensicherheit gewählt. Es wer- den benutzerspezifische Paßworte vergeben, die regelmäßig geändert werden.

Der Eintritt in das Netzwerk er- folgt mittels anderer Paßworte als der Zugang zur lokalen Arbeitssta- tion. Um ein Starten des Systemes von Diskettenlaufwerken zu verhin- dern, wurden an einigen Arbeitssta- tionen die Diskettenlaufwerke physi- kalisch ausgeschaltet. An den ande-

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ren Stationen wurde durch Kombi- nation von Hard- und Softwaremaß- nahmen Unbefugten ein Start des Systemes unmöglich gemacht.

Alle patientenbezogenen Daten werden täglich auf Benoulli-Boxen (wechselbare Festplatten, 40 MB) gespeichert und sind damit nur so lange im System verfügbar, wie im System gearbeitet wird. Damit sind die personenbezogenen Daten physi- kalisch ausgelagert.

Bewertung

Der Wert eines Abteilungsrech- nersystemes ist unter Rentabilitäts- gesichtspunkten schwer zu beurtei- len (2).

Das gleiche Personal erfüllt die gleichen Aufgaben auf andere Wei- se. Anstelle der Anamnesebögen werden vom Arzt Dokumentations- bögen ausgefüllt, anstelle des Nie- derschreibens diktierter Texte wer- den Daten eingegeben, was zum glei- chen Ergebnis, dem entsprechenden Brief führt.

Entscheidend aber ist, daß auf diese Weise gleichzeitig ein großer Datenpool entsteht, dessen Analyse wesentliche Hinweise für eine Ver- besserung der Behandlung geben kann.

Die rein organisatorische Er- leichterung, alle Krankengeschich- ten aller Patienten bei Bedarf sofort verfügbar zu haben, ist ein weiterer Gewinn.

Während noch vor zwei Jahr- zehnten gerade im Bereich der Herz- chirurgie die Frage der „technischen Machbarkeit" des chirurgischen Ein- griffes im Vordergrund stand, das heißt, die Frage: „Überlebt der Pa- tient die Operation?", so haben sich im letzten Jahrzehnt mit der Stan- dardisierung der chirurgischen Tech- nik auch die Fragen gewandelt. Heu- te steht die Frage: „Lohnt sich die Operation?" zunehmend im Vorder- grund, und diese Frage wird unter Rentabilitätsgesichtspunkten von Gesundheitspolitikern ebenso vehe- ment gestellt wie von dem Patienten, der eine anhaltende Besserung der Lebensqualität erwartet.

Eng verbunden mit dieser Frage ist die Suche nach alternativen The-

rapiemöglichkeiten, die nicht nur durch die unabgeschlossene Debatte der Vorzüge einer Bypassoperation im Vergleich zu einer Katheterdila- tation auch in der Öffentlichkeit be- handelt wurde. Derartige Fragen werden jedoch mit der Angabe der Hospitalmortalität nicht zufrieden- stellend beantwortet.

Auch wir haben uns noch vor ei- nem Jahr unseren Erfolgszahlen von nur etwa zwei Prozent Gesamtletali- tät in einem schweren Krankengut mit einer Vielzahl von Endocarditi- den und akuten Aortenaneurysmen zufrieden gegeben. Das automati- sche Follow-up zeigte dann, daß in- nerhalb der ersten 30 Tage weitere zwei Prozent der Patienten verstar- ben, was einer tatsächlichen 30-Ta- ge-Letalität von vier Prozent ent- spricht.

Innerhalb der folgenden sechs Monate versterben erneut knapp vier Prozent der Patienten, so daß wir nach sechs Monaten an 675 unse- lektierten Patienten eine Letalität von etwa 7,5 Prozent fanden.

Diese Befunde lassen Zweifel zu, ob die Hospitalmortalität noch als Erfolgskriterium chirurgischer (oder anderer) Interventionen aus- reicht.

• Aus unserer Sicht ist der Auf- bau eines Abteilungsrechnernetz- werkes eine zeitgemäße und ökono- misch vertretbare Lösung für die Konfrontation mit den aktuellen Fragen der Optimierung der Thera- pie bei gleichzeitiger Berücksichti- gung der Belange gegenwärtiger Ge- sundheitspolitik.

• Durch ein übergreifendes Konzept mit der Integration der Da- tenerfassung in den klinischen Rou- tine-Alltag der medizinischen und administrativen Angestellten werden eine Reihe von Vorgängen über- sichtlicher, wird eine Entbürokrati- sierung unterstützt und neue wesent- liche Funktionen wie ein automati- sches Follow-up möglich. Die Forde- rung nach Qualitätssicherung wird im Rahmen dieses Gesamtkonzeptes gleichsam selbstverständlich miter- füllt.

Wir gehen davon aus, daß mit dem Wachsen der Datenbank bei pro-

spektiver Datensammlung und stan- dardisierter Datenerfassung die Vor- aussetzungen für die Nutzung des Da- tenpools als computerunterstütztes Expertensystem (1) gegeben sind.

Literatur

1. Ohmann, C.: Computerunterstützte Diagno- se und Expertensysteme. DMW 114 (1989) 268-275

2. Vahl, C.-F., Tochtermann, U., Garns, E., Hagl, S.: Efficiency of a computer network in the administrative and medical field of car- diac surgery: concept and experiences with a departmental system Eur J Cardioth Surg (1990), in press

3. Vahl, C.-F., Werdecker, M., Ferber, M., Schmitz, W., Hagl, S.: Entwicklung EDV-un- terstützter Operationsbericht- und Arztbrief- schreibung in der Herzchirurgie und ihre Be- ziehung zu klinischer Dokumentation. Z.

Herz-, Thorax, Gefäßchir. 3 (1989), Seite 1-6 4. Vahl, C.-F., Werdecker, M., Tochtermann, U., Garns, E., Hagl, S.: Unselektiertes, com- puterunterstütztes, automatisches „Follow- up" als Standardverfahren in der Herzchirur- gie. Z. Herz-, Thorax Gefäßch. (1990) in press

5. Wilde, E., Christof, K., Struck, E.: Pilotstudie zur Qualitätsvorsorge in der Herzchirurgie.

Thorac cardiovasc Surgeon 36 (1988), Seite 174-179

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med.

Christian Friedrich Vahl Chirurgische Klinik

Abteilung für Herzchirurgie Klinikum

der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 110 6900 Heidelberg

ZITAT

Fehldiagnosen

„Die Zahl der Fehldia- gnosen ist umgekehrt pro- portional zur Zahl der durchgeführten Sektionen."

Dr. jur. Harald Franzki, Cel- le, Präsident a. D. des Oberlan- desgerichts Celle, während eines Symposiums über „Qualitätssiche- rung in der stationären und ambu- lanten medizinischen Versor- gung", veranstaltet vom Bundes- ministerium für Arbeit und Sozia- lordnung am 11. und 12. Juni 1990 in Bonn

A-2462 (34) Dt. Ärztebl. 87, Heft 33, 16. August 1990

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