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Archiv "Millionen DM AOK-Beiträge zum Fenster rausgeworfen" (09.12.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

sammenarbeit der Mitgliedsstaaten auf diesem Gebiet begrüßt, jedoch fordert, daß die Arbeitsmedizin als ein in die Direktiven für die ärztliche Berufsausübung zu integrierendes Fachgebiet anzusehen sei. Ein Ein- heitsmodell für die Struktur werks- ärztlicher Dienste in den EG-Mit- gliedsstaaten sei ebenso abzulehnen wie eine einheitliche Konzeption für die Beteiligung der Sozialpartner an den Maßnahmen zur Unfallverhü- tung, weil durch solche Einheitsmo- delle gewachsene und bewährte Strukturen in den verschiedenen EG-Ländern zerstört werden könn- ten, ohne daß die Ersetzung durch etwas Besseres garantiert sei. Außer- dem fordert die Entschließung die Beachtung der Probleme des Daten- schutzes bei der Harmonisierung medizinischer Aufzeichnungen zur Erleichterung der epidemiologi- schen Forschung im EG-Bereich.

Angenommen wurden schließlich auch Grundsätze für die Gestaltung von Werksarztverträgen, wobei aller- dings drei Zeilen des zwölfseitigen Dokumentes von zwei Ländern nicht oder zumindest nicht endgültig an- genommen werden konnten: In Frankreich und Dänemark befürch- tet man, daß der Satz „Der Werksarzt nimmt an allen den leitenden Ange- stellten des Werks zukommenden Gehaltssteigerungen, Gratifikatio- nen und sonstigen Vergütungen teil"

mißverstanden werden könnte und die Möglichkeit eröffne, daß ein Werksarzt durch Gratifikationsange- bote seines Arbeitgebers „korrum- piert" werden könnte. Dies ist in dem Dokument sicherlich nicht gemeint—

der Satz soll vielmehr sicherstellen, daß ein Werksarzt den leitenden An- gestellten gleichzustellen ist.

Umzug nach Dänemark

Für die kommenden drei Jahre hat der Ständige Ausschuß der Ärzte der EG einen neuen Präsidenten und ein neues Sekretariat: Seine Führung wandert nach Kopenhagen. Präsi- dent ist der Vorsitzende der däni- schen Ärzteorganisation Dr. Erik Holst. bt

Millionen DM AOK-Beiträge zum Fenster rausgeworfen

Den (bundesrepublikanischen) Wis- senschaftler und den (seriösen) Journalisten möchten wir sehen, der vom bayerischen AOK-Verband noch ein Stück Brot nimmt, Daten-Brot.

Das Leiber-Gutachten, das nachste- hend im Wortlaut veröffentlicht wird, spricht der bayerischen AOK-Daten- sammlung jeden, aber auch jeden Wert ab: erstens entspricht das bei der AOK-Auswertung kassenärztli- cher Unterlagen praktizierte Erfas- sungsverfahren nicht im geringsten den für eine wissenschaftliche Dia- gnosenverschlüsselung gültigen Grundsätzen; zweitens muß vor einer wissenschaftlichen Auswertung der AOK-Daten prinzipiell gewarnt wer- den, weil das unqualifiziert fabrizier- te Datenmaterial keinerlei Anspruch auf Verläßlichkeit und Validität erhe- ben kann.

Es bleibt abzuwarten, wieweit die Technische Universität Berlin (Insti- tut für Stadt- und Regionalplanung sich dem wissenschaftlichen Stan- dard der Bundesrepublik Deutsch- land verpflichtet fühlt: Die TU Berlin plant nämlich einen „Vergleich der Leistungsstruktur zwischen ver- schiedenen Formen der ambulanten und stationären Versorgung" ausge- rechnet „auf der Grundlage der Da- tenbank des Landesverbandes der Ortskrankenkassen in Bayern". Das Bundesministerium für Jugend, Fa- milie und Gesundheit, bei dem am 26. August 1976 die Gewährung einer Zuwendung zu diesem Forschungs- projekt beantragt worden war, schrieb zwar an das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT:

„Die Qualität der wissenschaftlichen Untersuchungen, die auf der Daten- bank der LdO in Bayern aufbauen, ist selbstverständlich von der Qualität der Datenaufbereitung selbst abhän- gig. Dieser Tatsache sind sich alle

mit dem Projekt befaßten Stellen voll bewußt. Frau Bundesminister Dr.

Focke hat auch hierauf bereits anläß- lich des von Ihnen zitierten Inter- views*) ausdrücklich hingewiesen.

Dies gilt besonders für die Aufberei- tung der medizinischen Daten, kon- kret der Angaben zu Diagnosen. Da- bei ist anzumerken, daß es sich hier- bei lediglich um 5% der anfallenden Daten handelt . . ."

Aber, auch darauf gibt das Lei- ber-Gutachten eine klare Antwort:

„Vorhandene Grundlagenfehler im Ansatz pflegen sich zu summieren oder zu multiplizieren, nicht jedoch aufzuheben, wenn man ein so ge- wonnenes Material, gleich nach wel- chem Verfahren und zu welchem Endziel es weiterverarbeitet wird, aufbereitet." Mehr ist der Originalpu- blikation auf den folgenden Seiten zu entnehmen.

Kritische Fragen

an die Bayerische Staatsregierung In München haben Informationen über das Leiber-Gutachten, das am 23. November auch dem Bayerischen Staatsminister für Arbeit und Sozial- ordnung zugeleitet wurde, bereits Reaktionen ausgelöst. Die CSU-Ab- geordneten Ingo Weiß und Hans Spitzner haben eine Schriftliche An- frage folgenden Inhalts an die Baye- rische Staatsregierung gerichtet:

O „Ist der Staatsregierung bekannt, daß entgegen den Grundsätzen des erfor- derlichen Datenschutzes durch Geneh- migung der Verantwortlichen der AOK Lindau, einem zeitlich begrenzt beschäf- tigten ‚Aushilfsangestellten' gestattet wurde, Krankenbelege (Krankenscheine, Überweisungsscheine usw.) mit ärztli- chen Angaben über Intimdaten der ein- zelnen Versicherten zu einer privaten Auswertung aus den Diensträumen mit nach Hause zu nehmen?

(1) Hat der Herr Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung sich dieses Dienstver- gehens bereits angenommen? Was ge- denkt er zu tun?

O Ist die Staatsregierung bereit, die vom Herrn Staatsminister für Arbeit und

") im Politisch-Parlamentarischen Presse- dienst (ppp) vom 15. September 1976 — Red.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 50 vom 9. Dezember 1976 3217

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

immer noch: AOK-Datenskandal in Lindau

Sozialordnung nicht gestoppte, jedoch mit erheblichem Kostenaufwand fortge- führte Datenerfassung zur Erstellung von Datenbanken durch die Ortskrankenkas- sen Lindau, Ingolstadt und Weiden auf ihren wissenschaftlichen Wert und ihre Aussagefähigkeit zu prüfen, insbesonde- re unter Beachtung des Gutachtens vom 26. Oktober 1976 — erstellt von dem inter- national anerkannten Fachmann, Herrn Professor Dr. LEIBER, Leiter der Abtei- lung für klinische Nosologie und Semio- tik der Johann Wolfgang Goethe-Univer- sität Frankfurt?

0 Beabsichtigt der Herr Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung, nun doch zur wissenschaftlichen Verwertbarkeit dieser Datenerfassung Stellung zu neh- men? Ist diese Datenerfassung nicht so- fort zu stoppen?

0 Teilt die Staatsregierung unsere Auf- fassung, daß sich auf Grund des Gutach- tens zu dem Projekt des Landesverban- des der Ortskrankenkassen für die Bei- tragszahler dieser Ortskrankenkassen (Arbeitnehmer und Arbeitgeber) die Frage nach der ordentlichen Verwen- dung von mehreren Millionen an Beiträ- gen bzw. nach einer nicht verantwortli- chen Verwendung auf Grund der wissen- schaftlich nachgewiesenen ungenügen- den Information und Planung stellt?

0 Wie beurteilt die Staatsregierung die nachfolgenden wesentlichen Grundsätze des Gutachtens:

Seite 9*), zur Verwendung des dreistelli- gen ICD-Schlüssels: „Alle diese Umstän- de zusammengenommen sind letztlich der Grund dafür, daß kein exakter For- scher, kein Krankenhaus, kein Arzt, der Wert auf die Erlangung richtiger und soli- der Ergebnisse oder auf vergleichbare Statistiken und echt brauchbare Schluß- folgerungen legt, heutzutage ernstlich daran denken würde, etwa noch den drei- stelligen ICD-Schlüssel bei seinen Unter- suchungen zu verwenden."

Zum Ablauf und der personellen Organi- sation der Erfassungsaktion äußert sich das Gutachten auf Seite 16**): „Der Ab- lauf und die fachliche wie personelle Or- ganisation der Erfassungsaktion des LdO Bayern widerspricht allen Regeln einer sachgerechten Bearbeitung."

Seite 20***): „Das unter den beschriebe- nen Erfassungs- und Verschlüsselungs- merkmalen des LdO gewonnene Diagno- senmaterial ist schon allein durch die Art seiner Gewinnung für keine denkbare Verwertung nutzbar. Werden Verwer- tungsversuche dennoch angestellt, dann

") Seite 3221 dieses Heftes

—) Seite 3259 dieses Heftes

***) Seite 3262 dieses Heftes

sind alle Resultate mit Sicherheit un- brauchbar."

Was beabsichtigt der Herr Staatsminister für Arbeit und Sozialordnung in aufsicht- licher Hinsicht zu tun?"

Auf die auffällige „Schonhaltung"

des Bayerischen Staatsministers für Arbeit und Sozialordnung gegen- über dem Landesverband der Orts- krankenkassen in Bayern spielen seine Parteifreunde in den beiden letzten Fragen an:

0 „Wie beurteilt die Staatsregierung den Widerspruch der Aussage von Herrn Staatsminister Dr. Fritz PIRKL in seiner Pressekonferenz vom 22. September 1976, in der er ausdrücklich feststellte, sein Ministerium habe das von der AOK Lindau durchgeführte Programm nicht gebilligt, und der auch jetzt noch wieder- holten Behauptung des Landesverban- des der Ortskrankenkassen, dies sei doch der Fall gewesen?

® Was unternimmt die Staatsregierung dagegen, daß es im Aufsichtsbereich des Herrn Staatsministers für Arbeit und So- zialordnung innerhalb eines halben Jah- res zweimal zum Bruch der Schweige- pflicht im Zusammenhang mit dem Ver- waltungsprüfverfahren für die kassen- ärztliche Gemeinschaftspraxis Professor Dr. SEWERING/Dr. STATTELMANN, Dachau, gekommen ist, wenn die Zitate der Herren EICHINGER, Geschäftsführer der AOK München (im ,STERN' Nr. 17 vom 14.4. 1976) und Edmund KÄSER, stellver- tretender Geschäftsführer der AOK Mün- chen (,TZ' vom 14. 4. 1976) richtig wieder- gegeben sind?"

Passauer Neue Presse darf weiter schreiben, daß. ..

Das Leiber-Gutachten und die Anfra- ge der bayerischen CSU-Landtags- abgeordneten spielen auch in der iüngsten Veröffentlichung der „Pas- sauer Neuen Presse" eine Rolle, de- ren Kolumnist Oskar Hatz den Lin- dauer AOK-Datenskandal aufge- deckt hatte. Der Zeitung und dem Journalisten wollte der Bayerische AOK-Verband mit einer Einstweili- gen Verfügung gerichtlich verbieten lassen, weiter zu behaupten: „es gebe bei der Ortskrankenkasse eine streng geheimgehaltene und gegen den Datenschutz verstoßende Aus- wertung von Krankenbelegen, ... die Ortskrankenkassen in Bayern werten weiterhin unter völlig unzureichen-

den Voraussetzungen genauso falsch aus, wie sie es zum Jahresbe- ginn begonnen haben, ... die zu- ständigen Ortskrankenkassen-Ma- nager hätten es zugelassen, daß für den Aufbau einer Datenbank aus Lei- stungsbelegen Arbeitslose vom Ar- beitsamt Verwendung fanden, die vom Tuten und Blasen keine Ahnung hatten", daß Bayerns Sozialminister als höchste Aufsichtsinstanz von die- ser Aktion nichts wußte und ausge- rechnet die linksradikale Berliner TU mit diesem Forschungsauftrag der Ortskrankenkassen befaßt wäre.

Auch, daß diese Datenerfassung von Januar bis Oktober keinesfalls „wis- senschaftlich begleitet" war und daß dies die Ortskrankenkassenvertreter bei einem Gespräch mit Arbeitsmini- ster Pirkl am 21. Oktober ganz offen zugegeben haben, sollte zu schrei- ben verboten werden.

Selbstverständlich erließ die 9. Zivil- kammer des Landgerichts München 1 keine solche vom AOK-Verband beantragte Verfügung ohne münd- liche Verhandlung; diese fand am 24.

November statt. Bis zur Urteilsver- kündung können die Richter nun ebenfalls den Wortlaut des bei der Verhandlung vorgelegten Lei- ber-Gutachtens studieren. Dem an der Sache völlig unbeteiligten, in der Sache völlig unabhängigen Journali- sten Oskar Hatz hat der Gerichtsvor- sitzende indes sinngemäß die beru- higende Schlußbemerkung mit auf den Weg gegeben: „Es ist Ihnen also heute nichts verboten: Sie können weiter schreiben, was Sie wollen."

Das tat Oskar Hatz dann auch Ende November erneut in der „Passauer Neuen Presse":

„Wie hochtrabend waren doch die Ankündigungen des Landesverban- des der Ortskrankenkassen, mit die- ser Aktion zu einer Bestandsaufnah- me für ,Entwicklungsprognosen für die Sozialgesetzgebung' zu kom- men! Das Gutachten des Frankfurter Professors Dr. Leiber erbrachte nun den Beweis, daß diese Ankündigun- gen absolut nichtig sind — aber Mil- lionen sind inzwischen unverant- wortlich zum Fenster hinausge- worfen!!"

3218 Heft 50 vom 9. Dezember 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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