Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 5014. Dezember 2007 A3447
P O L I T I K
Gefährdung der Versorgung spätere Schuldzuweisungen an die Kas- senärztlichen Vereinigungen unter- bleiben“, heißt es dazu in dem ent- sprechenden Antrag.
KBV-Vorstand wirbt für mehr Optimismus bei den Ärzten
Angesichts der Bedrohung durch den AOK-Vertrag rückten die Delegier- ten zusammen. In der Diskussion be- kannten sie sich einmütig zu KV- System und Kollektivvertrag – das war in der Vergangenheit nicht immer selbstverständlich. „Die Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung sind ein Angriff auf unsere Freiberuflich- keit“, mahnte Dr. med. Achim Hoff- mann-Goldmayer, Baden-Württem- berg. Im Interesse der Krankenkasse würden hier der gläserne Arzt und der gläserne Patient geschaffen, kriti- sierte er die weitgehenden Verpflich- tungen zur Dokumentation, die der AOK-Vertrag vorschreibt. Ähnlich argumentierte Dr. med. Ulrich Tha- mer, Westfalen-Lippe. Der AOK- Vertrag müsse auch den Versicherten suspekt sein, denn der Arzt könne so drangsaliert werden, dass er nicht mehr frei handeln könne. „Ohne eine monopolistische Struktur ist die Ver- sorgung nicht gewährleistet“, lautete Thamers Fazit.Doch es wurde auch Kritik am Hausärzteverband und den ärztli- chen Parallelorganisationen laut.
Denn für den AOK-Vertrag mit sei- ner Zielvorgabe von 3 000 teilneh- menden Hausärzten kommen ei- gentlich als Vertragspartner nur der baden-württembergische Hausärz- teverband und MEDI infrage. „In Baden-Württemberg geht es um die Profilierung und Macht von MEDI, nicht um eine Optimierung der hausärztlichen Versorgung“, warnte Dr. med. Leonhard Hansen, Nord- rhein. Dipl.-Med. Regina Feld- mann, Thüringen, bekräftigte: „Un- ter fairer Vertragspolitik verstehe ich, dass bestimmte Partner nicht von vornherein ausgeschlossen werden.
Die AOK muss ihre Ausschreibung ändern.“ Eindringlich appellierte sie an den NAV-Virchow-Bund und die Genossenschaften: „Sie stehen doch auch für Freiberuflichkeit.
Jetzt müssen Sie wieder mit uns ins Boot.“
Vielen Delegierten ging es ange- sichts der neuen Bedrohung darum, sich auf die eigenen Stärken zu besin- nen. „Wir haben immer noch die Hoffnung, dass wir das KV-System retten können“, sagte Dr. med. Axel Munte, Bayern. „Es gibt weltweit kein System, dass 70 Millionen Men- schen so gut und flächendeckend ver- sorgt.“ Das System zu bewahren und weiterzuentwickeln, dafür sprach sich auch KBV-Vorstand Dr. med.
Carl-Heinz Müller aus: „Wir wollen den Kollektivvertrag als Basis der Versorgung erhalten und stärken, müssen ihn allerdings gleichzeitig modernisieren.“ Die Basis müsse er- gänzt werden um selektive Versor- gungsverträge, die auf die Bedürfnis- se bestimmter Patientengruppen aus- gerichtet sind. Außerdem, so Müller, müsse das KV-System sich noch stär- ker als bisher darum bemühen, von seinen Mitgliedern als Dienstleister wahrgenommen zu werden.
Der KBV-Vorstand warb darüber hinaus für mehr Optimismus unter den Vertragsärztinnen und -ärzten.
Die jüngste Vergütungsreform liefe- re dazu allen Anlass. Zwar gebe es 2008 noch nicht mehr Geld. „Wir haben es aber geschafft, eine Ho-
norarsteigerung von circa zehn Pro- zent für das Jahr 2009 herauszu- holen“, sagte Müller. Dazu komme der jährliche Morbiditätszuwachs.
Auch die Festlegung des Orientie- rungspunktwerts könne zu weite- rem Zuwachs führen. „Alle Ampeln stehen auf Grün, aber viele Ver- tragsärzte sehen nur rot. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund“, be- kräftigte Müller. Denn die Politik habe den Honoraranstieg akzeptiert.
Kritik am Hausärzteverband
Das Problem der deutlich niedrige- ren Vergütungen bei Überweisungen innerhalb des hausärztlichen Be- reichs versprach Müller so schnell wie möglich zu lösen. Es sei eines der wichtigsten Ziele des KBV-Vor- stands bei den laufenden Nachver- handlungen mit den Krankenkassen.Hart ins Gericht ging Müller hinge- gen mit dem Deutschen Hausärzte- verband. Dieser hatte Ende Novem- ber die geringe Höhe der hausärztli- chen Pauschalen kritisiert. „Fakt ist, dass die KBV für die Hausärzte ein Plus von durchschnittlich 21 Prozent bei der abzurechnenden Punktzahl eines durchschnittlichen Patienten erreicht hat“, so Müller. Die Fach- ärzte müssten sich dagegen mit durchschnittlich 5,4 Prozent Zu- wachs zufriedengeben. „Wir werden uns als Vorstand der KBV vom Hausärzteverband keinen Schwarzen Peter zuschieben oder den Erfolg kleinreden lassen“, betonte Müller, der im Sommer nach einem Miss- trauensvotum den damaligen Vor- stand und jetzigen Vorsitzenden des Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt,
abgelöst hatte. I
Heike Korzilius
DIE AOK ÜBERRASCHT ERNEUT
Nach ihrem Vorpreschen bei den Rabattverträgen wagt die AOK Baden-Württemberg sich erneut weit vor. Konkret sucht sie im „Ländle“ einen Vertragspartner für die flächendeckende, einheitliche Umsetzung der haus- arztzentrierten Versorgung. Sie will dafür mindestens 3 000 Hausärztinnen und Hausärzte unter Vertrag nehmen. Gegenfinanziert werden soll das Abkommen durch Finanzmittel aus der bereinigten Gesamtvergütung, das heißt, durch Abzüge bei den Geldern für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie für Psycholo-
gische Psychotherapeuten. Rie
„ Alle Ampeln stehen auf Grün, aber viele Vertragsärzte sehen nur rot. Dafür gibt es überhaupt keinen Grund.
Carl-Heinz Müller