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Archiv "NS-Euthanasie: Notwendiges Erinnern" (30.03.2012)

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Die Franziskanerinnen von Schön- brunn haben sich der bedrückenden Vergangenheit ihrer Pflegeanstalt während der NS-Zeit mutig gestellt.

Spät, aber respektabel. Davon zeu- gen die drei in einer Schrift des Münchener Erzbistums dokumen- tierten Veranstaltungen: ein wissen- schaftliches Symposium im Okto- ber 2010 sowie zwei berührende Gedenkstunden im Januar und März 2011 (DÄ, Heft 13/2011).

Aus der Anstalt Schönbrunn bei Dachau wurden in den 1940er Jah- ren die Pfleglinge in mehreren Wel- len verlegt, um Platz für Hilfs - krankenhäuser, ein Lazarett und schließlich das ausgebombte Kran- kenhaus des Dritten Ordens in München-Nymphenburg zu schaf- fen. Auf die „Verlegung“, zumeist nach Eglfing-Haar, folgte fast im- mer der Mord an den Patienten. Sie wurden entweder zur Tötungsan- stalt Hartheim „durchgeschleust“

oder kamen in Eglfing-Haar durch Hunger um. Es kann, ausweislich der hier wiedergegebenen Referate, als sicher gelten, dass Anstaltsleiter Prälat Josef Steininger wusste, was mit den Pfleglingen geschah, bei der „Verlegung“ aber kooperierte, um die Anstalt als solche zu retten.

Steininger dürfte auf der Linie des Bistums gelegen haben, wenn auch dessen Rolle und die von Kardinal Michael Faulhaber in der Grauzone verbleiben.

NS-EUTHANASIE

Notwendiges Erinnern

Anlass für die Schönbrunner Schwestern, sich offen mit der alten Schuld auseinanderzuset- zen, waren vor allem anhaltende Vorwürfe gegen Hans Joachim Sewering, einen hohen Ärzte- funktionär der Nachkriegszeit.

Er war ab 1942 in Schönbrunn als Arzt tätig. Verglichen mit Steininger dürfte er eher eine Nebenrolle gespielt haben.

Doch führte sein „Fall“ (im dop- pelten Wortsinn) dazu, dass die Schönbrunner Vergangenheit auf- flog. Sewering wurde 1978 nach - gewiesen, eine Patientin nach Eglfing-Haar überwiesen zu haben.

1993 konnte Sewering, der bis zu seinem Tod beteuerte, von den Vor- gängen in Haar nichts gewusst zu haben, sein Amt als Präsident des Weltärztebundes nicht antreten. Et- wa zu der Zeit begannen die Schön- brunner Schwestern, insbesondere deren Oberin, M. Benigna, mit der Aufarbeitung der bösen Geschich- ten. Es stellte sich heraus, dass für die Jahre 1930 bis 1950 kaum Verwaltungsunterlagen vorhanden sind, wohl aber fand man die Pa- tientenakten. Von Sewering tauch- ten insgesamt neun Überweisungen auf, fünf davon hatten tödlich ge- endet.

Die Namen der Opfer bringen auch uns Nachkommen nahe, dass es Mitmenschen waren, die der

„Euthanasie“ zum Opfer fielen. So wichtig die Namensnennung für das Gedenken ist, so unübersichtlich ist die Rechtslage: Darf man die Opfer

überhaupt offen benennen? In Deutschland ist man da ziem- lich zurückhaltend. Der Daten- schutz! Die Angst, Angehörige könnten widersprechen, zumal es sich um eine stigmatisierte Patientengruppe handelt. Mit dem Namennennen setzte sich – zustimmend – eine Tagung des Arbeitskreises zur Erforschung der nationalsozialistischen „Eu- thanasie“ und Zwangssterilisa - tion im Mai 2011 in Irsee bei Kaufbeuren auseinander. Das ehe- malige Kloster, heute eine Bil- dungsstätte, fungierte bis 1945 als

„Irrenanstalt“ und zählte unter ih- rem Leiter Valentin Faltlhauser zu den großen Mordanstalten der NS- Euthanasie, ähnlich wie Eglfing- Haar unter Hermann Pfannmüller.

In Kaufbeuren wurde zudem an Kindern ein Tbc-Impfstoff getestet.

Über die Krankenmorde an Er- wachsenen und Kindern hier wie auch anderswo im Schwäbischen (sowie in Hessen) und die anhalten- den Bemühungen, das Andenken zu pflegen, berichtet der Tagungsband.

Der Arbeitskreis schlägt darüber hinaus den Bogen zu Gegenwart:

Zum einen fordert er einen Gedenk- und Informationsort für die Opfer der NS-Euthanasie an der Tiergar- tenstraße 4 in Berlin, zum anderen nimmt er Stellung zur Präimplanta- tionsdiagnostik und der mit ihr ver- bundenen Entscheidung darüber, welches Leben zu erhalten und wel- ches zu „verwerfen“ sei.

Norbert Jachertz Sr. M. Benigna Sirl,

Peter Pfister (Hrsg.):

Die Assoziationsan- stalt Schönbrunn und das Nationalsozialisti- sche Euthanasie-Pro- gramm. Schriften des Archivs des Erzbistums München und Freising, Band 15. Schnell und Steiner, Regensburg 2011, 172 Seiten, bro- schiert, 9,95 Euro

Arbeitskreis zur Erfor- schung der national- sozialistischen „Eu- thanasie“ und Zwangssterilisation (Hrsg.): Den Opfern einen Namen geben.

NS-„Euthanasie“-Ver- brechen, historisch- politische Verantwor- tung und Erinne- rungskultur. Verlag Klemm+Oelschläger, Münster, Ulm 2011, broschiert, 256 Seiten, 22 Euro

ü D l s k e P d z A d t t

M E D I E N

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