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Archiv "So hätten sie's gern: „Sewering muß weg!“" (25.11.1976)

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Bericht und Meinung DER KOMMENTAR

So hätten sie's gern:

„Sewering muß weg!"

Bis jetzt haben Prof. Dr. Hans Jo- achim Sewering und Dr. St., Partner einer großen Gemeinschaftspraxis in Dachau, noch keinerlei schriftliche Begründung für den Spruch des KV-Beschwerdeausschusses erhal- ten, der längst in der Presse kolpor- tiert worden ist. Eine Mitteilung über den Spruch ging offenbar zu allererst einmal an den „Spiegel"; das muß unmittelbar nach der Ausschußsit- zung geschehen sein, um den Re- daktionsschluß noch zu erreichen.

So konnte das Hamburger Magazin am Montag, 8. November 1976, die Diffamierungskampagne mit einer Nachricht eröffnen, deren Sprach- regelung bis heute einen be- stimmten Teil der Presse beherrscht, nämlich: „Sewering, 60, Präsident der Bundesärztekammer", müsse

„sich den Vorwurf gefallen lassen, durch ungerechtfertigte Honorarfor- derungen gegen seine kassenärztli- chen Pflichten verstoßen zu haben".

Am 9. November zog das Münchner Boulevardblatt „tz" nach, und am 10.

November war die Presse voll davon:

Sewering habe „überhöhte Honora- re" „zu Unrecht kassiert", „zuviel Honorar von den Kassen gefordert",

„zuviel kassiert", 100 000 Mark müsse er „an die Kassen zurückzah- len". So hat der „Informant" in de- magogischer Manier den absolut fal- schen Eindruck einer „unkorrekten Abrechnung" erweckt. Wohlweislich anonym und daher nicht zur Verant- wortung zu ziehen.

Die Wirklichkeit:

Die internistische Gemeinschafts- praxis der Dachauer Ärzte Prof. Dr.

Sewering und Dr. St. wurde wie jede andere Kassenpraxis Quartal für Quartal auf Wirtschaftlichkeit über- prüft; 7000 Prüfverfahren dieser Art gab es 1975 allein in Bayern. In 29

Jahren kassenärztlicher Tätigkeit Prof. Sewerings erfolgte noch nicht eine einzige Beanstandung; seine Praxisführung wurde stets als wirt- schaftlich anerkannt. Erst für das zweite und dritte Quartal 1975, als vor allem der bayerische AOK-Lan- desverband auf politischen Konfron- tations- und Kollisionskurs gegen die bayerische Kassenärzteschaft einschwenkte, wurde von den Orts- und Betriebskrankenkassen Wider- spruch gegen den Bescheid der Prüfinstanzen bezüglich der Ge- meinschaftspraxis Prof. Dr. Sewe- ring/Dr. St. eingelegt.

Die entsprechenden Verwaltungs- verfahren sind noch anhängig; auch der jetzige Spruch des Beschwer- de-Ausschusses — als einer zweiten Verwaltungsinstanz, selbstverständ- lich in geheimer Sitzung gefaßt — ist bisher weder begründet noch zuge- stellt worden; erst recht steht nicht fest, ob die „Prüfmaßnahme" sach- lich berechtigt ist und rechtskräftig werden wird. Um so bemerkenswer- ter sind die hochschlagenden Wellen der Diffamierungskampagne.

Gewiß kann man sagen, daß sich kaum jemand für das Prüfverfahren interessiert hätte, wenn es sich hier nicht um Sewering handelte —, und hätte sich doch ein Pressevertreter für ein solches Prüfverfahren inter- essiert, dann — wie bisher bei jedem anderen Kassenarzt — nur mit umge- kehrter Tendenz, nämlich: „Hervor- ragender Arzt, der nur das Beste für seine Kassenpatienten wollte, wird von seiner bösen KV daran gehin- dert, seine Patienten optimal zu ver- sorgen; er wird sogar mit Honorarre- greß bestraft" .. .

Über gelegentliche Konflikte mit den RVO-Begriffen „ausreichend, not- wendig, wirtschaftlich" ist in dieser Zeitschrift schon so viel berichtet worden, daß sich hier nähere Erläu- terungen der Problematik erübrigen.

Wie der Einzelfall zu beurteilen ist, mag das zuständige Sozialgericht entscheiden:

Der Kollege Sewering kann, nach dem Urteil der Bezirksstelle Ober- bayern und des Vorstandes der Kas-

senärztlichen Vereinigung Bayerns, die Wirtschaftlichkeit seiner Praxis- führung mit guten Gründen vertre- ten. Der tatsächlich über dem Durch- schnitt liegende Umfang der interni- stischen Gemeinschaftspraxis, die er zusammen mit einer Kollegin be- treibt und in der außerdem ständig ein ärztlicher Assistent, zeitweise ein oder zwei weitere ärztliche Vertreter und entsprechend viele medizi- nisch-technische Assistentinnen so- wie Helferinnen in den verschiede- nen Funktionen tätig sind, erklärt sich dem Kenner auf den ersten Blick durch die Besonderheiten der Praxis:

Die Gemeinschaftspraxis ist fast aus- schließlich auf diagnostische Lei- stungen nach Überweisung (90 Pro- zent) ausgerichtet; in dieser Funk- tion wurde sie 1975 von fast 100 Kas- senärzten aus dem Landkreis Da- chau in Anspruch genommen. Neben kompletter Laboratoriums- und Röntgendiagnostik verfügt die Ge- meinschaftspraxis, in der Prof. Se- wering voll das Teilgebiet Pulmolo- gie vertritt, über eine moderne nukle- armedizinische Ausstattung, die auch für ambulante vorstationäre Diagnostik von einer größeren Zahl operativ tätiger Belegärzte in An- spruch genommen wird.

Selbstverständlich muß sich eine solche Praxis ebenfalls jeweils der Wirtschaftlichkeitsprüfung unter- werfen, wie sie die Reichsversiche- rungsordnung bekanntlich bei den freipraktizierenden Kassenärzten (nicht aber beispielsweise bei Kran- kenanstalten und nicht bei anderen Institutionen der Krankenversor- gung) verlangt. Daß eine solche Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ohne Ansehen der Person stattfindet, beweist das Funktionieren einer von Kassenärzten und Kassenvertretern paritätisch betriebenen Selbstver- waltung auch dann, wenn die sach- liche Berechtigung einer Prüfmaß- nahme von dem einen oder anderen Partner nicht anerkannt und vor ei- nem unabhängigen Gericht weiter- verfochten wird.

Auch wenn ein weit über seine Kas- senarztpraxis hinaus bekannter

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 48 vom 25. November 1976 3081

(2)

Die Information:

Bericht und Meinung

Hintergründe einer Diffamierungskampagne

Mandatsträger der Ärzteschaft im In- stanzenzug einmal von einem für ihn negativen Spruch betroffen wird, der nicht einmal rechtskräftig ist, bein- haltet dieser nicht im geringsten den Vorwurf einer unkorrekten oder gar ehrenrührigen Handlungsweise, sondern es geht sachlich darum, ob tatsächlich erbrachte ärztliche Lei- stungen unter Umständen im Hin- blick auf das Wirtschaftlichkeits- gebot im Sinne der Reichsversiche- rungsordnung nicht honoriert wer- den können oder sollen, weil sie in dem einen oder anderen Fall das von den Prüfausschüssen zu überwa- chende Maß des Notwendigen und Ausreichenden überschreiten.

Das weiß jeder Kassenarzt, das weiß aber verständlicherweise nicht die Öffentlichkeit, der man mit geschick- ter Meinungsmache ein ganz ande- res Bild vorspiegeln kann. Und dies taten ein bayerischer „Sprecher der Kassen" sowie zwei, drei bayerische SPD-Politiker auf infamste Weise.

Das Politikum der von ihnen in Szene gesetzten Diffamierungsaktion ver- dient in der Tat die Beachtung aller deutschen Ärzte:

O Die gegen Sewering entfachte Kampagne ließ in Bayern die Publizi- stik um den Lindauer AOK-Daten- skandal, den Sewering in den letzten Monaten eingehender Kritik unterzo- gen hatte, in den Hintergrund treten.

Kein Wunder also. daß der von der Münchener „tz" immer wieder zitier- te _Sprecher der Kassen - das noch verwaltungsinterne Prüfverfahren unter Bruch der Schweigeverpflich- tung auch der Kassen propagandi- stisch derart hochspielte (einer Schweigeverpflichtung übrigens, auf die auch die Kollegin Anspruch hätte und hat, die Partner Prof. Se- werings in der Gemeinschaftspraxis und von dem Spruch mitbetroffen ist).

O Ohne genauere Information über den Sachverhalt, parallel zu den er- sten Presseveröffentlichungen. in ei- ner eigenen Presseverlautbarung den Rücktritt Prof Sewerings als ei- nes allein von Ärzten gewählten und zu wählenden Mandatsträgers von seinen Funktionen zu fordern, wie es

die bayerische SPD-Abgeordnete Hedi Westphal in ihrer Eigenschaft als Vorsitzende des Sozialpoliti- schen Arbeitsausschusses der SPD-Fraktion des Bayerischen Landtags tat, ist wirklich ein „außer- ordentlicher" Skandal, den die Kas- senärztliche Vereinigung Bayerns in einer ersten Stellungnahme entspre- chend heftig anprangerte. Dieser po- litische Skandal, den man am ersten Tage der Kampagne noch einer über- eifrigen, über Bayern hinaus ohnehin nicht bekannten SPD-Abgeordneten hätte anlasten können, wurde aber noch „bekräftigt" durch eine Ver- lautbarung des Vorsitzenden der Landesgruppe bayerischer Abgeord- neter in der SPD-Bundestagsfrak- tion, Dr. A. Bayerl, dessen Äußerun- gen zwar keine bundesweite Reprä- sentanz zuzusprechen ist, der aber einiges von dem offenbarte, worum es bestimmten politischen Gruppen vordergründig und hintergründig geht, nämlich:

• Der Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärzteta- ges soll zurücktreten (so hätten sie's also gerne), weil dies - so Bayerl -

"die Verhandlungen über die Neuordnung der ärztlichen Gebüh- ren erleichtern könnte"! Außerdem sei jetzt endlich, so ebenfalls Bayerl,

„die Einrichtung medizinisch-tech- nischer Zentren zu verlangen!" Und Hedi Westphal drohte gar, „wenn aus Sewerings Verhalten keine Folge- rungen gezogen würden, werde der gesamten Ärzteschaft großer Scha- den zugefügt".

Mit solcher verbalen Nötigung, Pres- sion, um nicht zu sagen: Erpressung, verrät sich der politische Sinn der Kampagne.

O Seit man der freipraktizierenden Ärzteschaft nicht mehr vorwerfen kann, daß sie apparativ rückständig („nur mit Würstchenkochern ausge- stattet") sei, attackieren dieselben politischen Gegner einer freien Ärz- teschaft die technisch modern aus- gestattete kassenärztliche Praxis im umgekehrten Sinne, aber mit der al- ten Zielsetzung: „Medizinisch-tech- nische Zentren" sollen her -, dem Abgeordneten Bayerl geht's also ein-

deutig um die Institutionalisierung.

Auch sein ansonsten unverständli- cher Hinweis auf „eine neue Gebüh- renordnung", an der bekanntlich so- wohl im Bundesgesundheitsministe- rium in Bonn als auch beim Deut- schen Gewerkschaftsbund in Düs- seldorf gearbeitet wird, mag zu den- ken geben: wird diese „neue Gebüh- renordnung" also so miserabel aus- fallen, daß die Urheber hoffen müs- sen, die Kritik daran würde „ohne Sewering" milder ausfallen?

Sewering hat, zumindest von einem bayerischen Kassenverband und von einigen bayerischen SPD-Politikern, die offenbar nur aufs Stichwort war- teten, eine „Quittung" für sein auf- rechtes und kompromißloses Eintre- ten für eine freie Ärzteschaft in einer freien Gesellschaft mündiger Bürger erhalten!

Schon im Mai 1976 war die publizisti- sche Marschroute gegen Sewering als Repräsentanten der Gesamtärz- teschaft vorgezeichnet worden, und zwar im offiziellen Verbandsorgan

„Die Ortskrankenkasse": „Das So- zialgerichtsverfahren" (mit ihm

„käme die Angelegenheit erst richtig vor die Öffentlichkeit", so wurde es schon vor sechs Monaten(!) ange- kündigt) „wird sicher auch nicht vor dem nächsten Ärztetag, der in der ersten Hälfte des Monats Mai stattfin- det, abgewickelt. Insofern ist kaum zu erwarten, daß der Vorgang die Stellung Sewerings an der Spitze der Bundesärztekammer erschüttert.

Dennoch wird ein schlechter Ein- druck verbleiben."

Aliquid haeret, ein bißchen Dreck wird schon hängenbleiben .. . Was ist das für eine primitive Politik, die derart ans „Herbeireden" glaubt:

Sewering muß weg, eine neue Ge- bührenordnung muß her; die freie Praxis muß weg, Medizinisch-Tech- nische Zentren müssen her.

Meinen diese bayerischen AOK- und SPD-Politiker wirklich, daß nicht die ganze Ärzteschaft die wahren Zu- sammenhänge durchschauen

würde? DÄ

3082 Heft 48 vum 23 Noviiibei 19/6 7.Ü.1d.J1TSUI-IES

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