264 Notizen und Correspondenzen.
Statt für das bedeutsame, weil für die Vorgeschichte der islami¬
schen Bewegung in Arabien so weittragende Factum, dass jüdische
Fanatiker das Christenthum in Negran ausrotteten, bloss den weich¬
lichen Ausdruck zu haben:
„man wird vielleicht (!) nicht in Abrede stellen können,
„dass gerade in der Stadt Negran bedeutende Uebergriffe (!)
„der Andersgläubigend) gegen die Christen stattgefunden
„haben mögen (!)
hätte Hr. Pr. sich ein wahres Verdienst erwerben können, wenn
er mit historischem, unbefangenem Sinn, an der Hand der ihm so
reich zugänglichen Quellen, die von mir hingeworfene Frage, ob
diese Verfolgungen ins 5. oder 6. Jahrhundert fallen, erörtert und
ins reine gebracht hätte.
Statt Vermuthungen und Wahrscheinlichkeiten, dass die Nach¬
richten darüber überhaupt erst auf einer unrichtigen Auslegung einer
Koranstelle fussen, hätte Hr. Pr. vor allem die syrischen Akten
über die himjaritischen Märtyrer (die mir hier nicht zugänglich
sind, die aber wenn ich Nöldeke im Litt. C. Bl. 1871. no. 1 recht
verstehe, ins sechste Jahrhundert zurückreichen 1), die unabhängig
von arabischen Koraninterpreten sind, prüfen und deren Ergebniss
mittheilen sollen.
Ueberhaupt aber hätte Hr. Pr., wenn er sicb einmal zum Kri¬
tiker meines Aufsatzes in der ihm naheliegenden Partie berufen
fühlte, nicht mäkelnd und absprechend urtheilen sollen, so lange
er nicht etwas besseres und vollkommeneres an die Stelle zu setzen
vermochte.
Aufhauen ist viel schwerer als Einreissen!
Serajevo 31. .März 1871.
Alis zwei Briefen des Hrn. Appellatioiisrathes Dr. Mordtmann
an Prof. Fleischer.
Constantinopel d. 2. März 1871.
— Durch Prof de Goeje in Leyden und Akademiker Kunik
in St. Petersburg wurde ich veranlasst, in den hiesigen Bibliotheken
einige Nachforschungen anstellen zu lassen, zu welchem Ende ich
für einen jungen Maroniten, der seine Muttersprache sehr gründlich kennt und ausserdem türkisch und französiscb verstebt, eine Erlaub¬
niss ermittelte. Wie er mir vor einigen Tagen mittbeilte, befinden
sich in der Bibliothek der Hagia Sophia mehrere Bände der Uni¬
versalgeschichte Tabari's. Der junge Maronit — er heisst Selim
Effendi — ist erbötig, diese Bände abzuschreiben. Vor allen
Dingen wäre nnn festzustellen, welche Theile in den europäi¬
schen Bibliotheken nicht vorhanden sind, und welche von den
Notizen und Correspondenzen. 265
daselbst vorhandenen einer Collation bedürfen. Auch die andern
hiesigen Bibliotheken entbalten Bruchstücke des Tabari; Subhi Bey
besitzt ein Fragment in persischer Uebersetzung. Icb erkläre mich
im Voraus zu jeder bezüglichen Mitwirkung bereit.
Constantinopel d. 17. März 1871.
Nachträglich zu meinem Sebreiben vom 2. d. M. kann icb
Ihnen jetzt genau angeben, welche Theile des Tabari die Bibliothek
der Hagia Sophia besitzt. Es sind im Ganzen 8 Bände, grössten¬
theils in einer alterthümlichen Schrift, wahrscheinlich aus Aegypten stammend. Ber Inhalt derselben ist folgender:
Bd. 1 von der Schöpfung bis J. d. H. 5.
„ 2 von J. 7 bis J. 14.
„ 3 von J. 15 bis J. 34.
„ 4 von J. 37 bis J. 60 (im Auszuge).
„ 5 von J. 55 bis J. 64 (ausführlich).
„ 6 von J. 68 bis J. 102 (im Auszuge).
„ 7 von J. 62 bis J. 72 (sehr ausführlich).
„ 8 von J. 158 bis J. 302.
Es fehlen also die Jahre 6, 35, 36, 103—157.
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Bibliographische Anzeigen.
W. Wright, Catalogne of Syriac Manuscripts in the British Museum
acquired since the year 1838. Part I. Printed by order of ihe
Trustees. Sold at the British Museum. {London) 1870. — 399 SS.
in Quart.
Bis vor wenigen Jahrzehnten gab es in Europa nur eine grosse Sammlung syrischer Handschriften, die Vaticanische. Diese hat in ihren ersten Zeiten der Wissenschaft die reichsten Gaben gespendet, vor Allem durch den Eifer des unsterblichen Jos. Sim. Assemani. Leider aber hörten die Mittheilungen römi¬
scher Gelehrten aus syrischen Handschriften früh auf, und die Scbwierigkeiten, welche man bei der Benutzung der Vaticanischen Bibliothek findet, hielten Aus¬
wärtige von der Ausbeutung jener fast ganz ab, so dass von den reichen Schätzen seit langer Zeit der Wissenschaft Wenig zu Gute gekommen ist. Es führte daher fast zn einer neuen Entdeckung der syrischen Literatur, als das hrittische Museum zn seiner nicht sehr bedeutenden Sammlung syrischer Manuscripte die Reste der Nitrischen Bibliothek erwarb, aus der auch der Hauptbestandtheil der Vaticanischen Syriaca stammt. Sofort erschien eine Eeihe von Ausgaben wichtiger syrischer Schriften; Gelehrte aus England, Deutschland, Holland und andem Ländern betheiligten sich dabei. Durch die den ältern Herausgebern unbekannte diplomatische Genauigkeit in den Ausgaben Cureton's , Lagarde's, Wright's u. A. m. ward es jetzt erst möglich , auch ohne Autopsie über viele Puncte der syrischen Sprache und Schrift ein sicheres Urtheil zu gewinnen.
Voraussetzlich wird dieser Eifer, sorgfältige Ausgaben syrischer Werke zu ver¬
anstalten, nicht eher erlöschen, als bis wenigstens alles Wichtigere erschöpft ist.
Seit Jahren arbeitete nun Wright an einem beschreibenden Catalog dieser Handschriften , durch welche der Zugang zu denselben ausserordentlich erleich¬
tert und in gewisser Hinsicht selbst den Abwesenden ihre Benutzung ermög¬
licht werden musste. Diese Arbeit ist weit schwieriger, als sie Manchem schei¬
nen mag. Es galt da zuerst, die vielfacb durch einander gerathenen Bruch¬
stücke zu ordnen, das Zusammengehörige zu vereinigen und das Verschiedenartige zu trennen. Die Bestimmung der zum grossen Tbeil nur bruchstückartig oder doch mit starken Verstümmlungen erhaltenen Schriften musste oft sehr schwer werden, und dazu machte der theilweise sehr wenig anziehende Inhalt diese Arbeit gewiss vielfach recht unerfreulich. Es ist daher mit grossem Dank anzuerkennen, dass Wright schon jetzt seinen peinlich genau gearbeiteten Catalog vollendet hat. Der zweite Theil ist im Druck bereits ziemlich weit gediehen, der erste, die Biblica und Liturgica umfassend , liegt uus vor, und bätte ung scbon geraume Zeit frUher vorgelegen, wenn nicht der ganze erste Abdruck